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Vermeidung von Doppelbesteuerung
Das Welteinkommensprinzip und das Territorialprinzip liegen den allermeisten Steuersystemen zugrunde. In der Folge kommt es aber bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu einem Aufeinandertreffen des Welteinkommensprinzips und des Territorialprinzips:
- Der Ansässigkeitsstaat macht regelmäßig das Welteinkommensprinzip geltend und unterwirft alle Einkünfte dieses Steuerpflichtigen der Besteuerung.
- Der Tätigkeitsstaat macht regelmäßig das Territorialprinzip geltend und unterwirft diese Einkünfte der Besteuerung.
Als Konsequenz ergibt sich eine (drohende) Doppelbesteuerung der aus dem grenzüberschreitenden Sachverhalt erzielten Einkünfte; eine Besteuerung dieser Einkünfte in beiden betroffenen Staaten. Dies würde grenzüberschreitende Sachverhalte weniger vorzugswürdig machen und den Anforderungen einer globalisierten Welt nicht gerecht werden. Gleichzeitig muss aus Gründen der Steuergerechtigkeit aber auch gewährleistet sein, dass die Einkünfte wenigstens einmal besteuert werden, da ansonsten ein Gerechtigkeitsgefälle zum reinen Inlandsfall bestünde.
Um die drohende Doppelbesteuerung von Einkünften aus grenzüberschreitenden Sachverhalten zu vermeiden bzw. ihre Folgen abzumildern bedarf es deshalb Instrumentarien. Diese können auf rein nationaler Ebene (einseitig) eingreifen oder zwischen den betroffenen Staaten (bilateral) gelten.
Unilaterale Maßnahmen
Unilaterale Maßnahmen haben i.d.R. keine Auswirkung auf die Ermittlung der Einkünfte; diese richtet sich nach den allgemeinen Regelungen. Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Abmilderung einer Doppelbesteuerung greifen i.d.R. erst bei der Ermittlung der tatsächlichen Steuerschuld ein.
Zur Vermeidung bzw. Abmilderung einer Doppelbesteuerung haben sich zwei Methoden etabliert: (i) die Anrechnungsmethode und (ii) die Freistellungsmethode. Diese werden in der folgenden Abbildung übersichtlich dargestellt und anschließend erläutert:
Hinweis
Diese beiden Methoden finden sich sowohl auf unilateraler, als auch auf bilateraler Ebene sowie in den meisten Steuersystemen dieser Welt. Das Grundverständnis der Methoden erleichtert in internationalen Sachverhalten auch die Kommunikation/Abstimmung mit ausländischen Steuerberatern.
Die Freistellungsmethode führt ihrem Grundgedanken nach dazu, dass die ausländischen Einkünfte von der inländischen Besteuerung freigestellt werden und mithin nicht in die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens eingehen bzw. aus diesem ausgenommen werden.
Beispiel
(fiktiv): Der in Deutschland ansässige A bezieht in Frankreich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die einer dort belegenen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte steht grundsätzlich beiden Vertragsstaaten zu. Aufgrund des Methodenartikels im DBA werden diese Einkünfte von der Besteuerung in Deutschland freigestellt.
Bei der Anrechnungsmethode werden die ausländischen Einkünfte mit in die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einbezogen, bei der Ermittlung der Steuerschuld rechnet der Ansässigkeitsstaat jedoch die im Ausland gezahlte Steuer an, so dass sich in der Folge die tatsächlich zu entrichtende inländische Steuerschuld entsprechend mindert.
Merke
Auf die konkrete Prüfung der Regelungen zur Freistellungs- und Anrechnungsmethode auf nationaler Ebene wird im Rahmen der Prüfung von Outbound-Konstellationen genauer eingegangen. An dieser Stelle sollen lediglich die Grundprinzipien beschrieben werden sowie eine Begriffsklarstellung erfolgen.
Daneben besteht noch die Möglichkeit zum Steuerabzug. Der Steuerabzug verhindert jedoch die Doppelbesteuerung nicht, sondern mildert lediglich die sich aus der Doppelbesteuerung ergebenden Effekte ab.
Beispiel
(fiktiv): Der in Deutschland ansässige A bezieht in Frankreich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die einer dort belegenen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Die Einkünfte belaufen sich auf EUR 3.000. Das Beteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte steht grundsätzlich beiden Vertragsstaaten zu. In Frankreich wird eine Steuer von EUR 50 gezahlt. In Deutschland ergibt sich grundsätzlich eine Steuerschuld von EUR 70. Hierauf wird die in Frankreich bereits geleistete Steuer von EUR 50 angerechnet.
Zudem finden sich auch Erlasse der Finanzverwaltung, die Regelungen zur Besteuerung von internationalen Sachverhalten treffen (bspw. Auslandstätigkeitserlass, Pauschalierungserlass). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es sich dabei nicht um gesetzliche Regelungen handelt, sondern um Auslegungs- bzw. Anwendungsregelungen welche die rechtliche Beurteilung durch die Finanzverwaltung betreffen.
Bei Erlassen handelt es sich um Anweisungen der Finanzverwaltung an ihre handelnden Sachbearbeiter. Die Erlasse entfalten deshalb auch eine gewisse Bindungswirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen, welche die Steuerplanung erleichtern. Zu nennen sind hier bspw. der Auslandstätigkeitserlass und der Pauschalierungserlass.
Hinweis
Beide Erlasse sollten einmal im Selbststudium gelesen und nachvollzogen werden. Der Auslandstätigkeitserlass (ATE) BMF v. 31.10.193, IV B 6 – S 2293 – 50/83, findet sich in Anhang 7 LStH; der Pauschalierungserlass v. 10.4.1984, BStBl. I 1984, 252 findet sich in Beck-Steuererlasse § 34c/1.
Der Auslandstätigkeitserlass beruht auf der Regelung des § 34c Abs. 5 EStG und betrifft speziell die Fälle in denen kein DBA zwischen den betroffenen Staaten besteht (bspw. Brasilien). Deutschland verzichtet in diesem Erlass für bestimmte darin definierte Bereiche auf sein Besteuerungsrecht. Erforderlich ist jedoch, dass die Auslandstätigkeit mindestens drei Monate andauert. Der Auslandstätigkeitserlass schafft somit einen Anreiz auch in Nicht-DBA zu investieren bzw. solche Investitionen nicht aufgrund von steuerlichen Hindernissen zu unterlassen.
Hinweis
§ 34c Abs. 5 EStG i.V.m. Auslandstätigkeitserlass ist derzeit (erneut) Gegenstand eines Vorlageverfahrens beim EuGH. Im Zusammenhang mit diesem Verfahren wird sich die Frage stellen, inwiefern der Auslandstätigkeitserlass bzw. § 34c Abs. 5 EStG den unionsrechtlichen und (neuen) verfassungsrechtlichen Maßstäben standhält.
Der Pauschalierungserlass beruht ebenfalls auf der Regelung des § 34c Abs. 5 EStG. Demnach können die Finanzbeamten Regelungen treffen, nach denen bestimmte ausländische Einkünfte zu pauschalieren sind, wenn dies für die Besteuerung zweckmäßig ist oder die Anrechnung der ausländischen Steuer besonders schwierig ist. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Pauschalierungserlasses ist zunächst, dass kein DBA eingreift. Des Weiteren muss eine aktive Tätigkeit im Ausland vorliegen.
Die pauschale Besteuerung ist in den folgenden Fällen möglich:
- Einkünfte aus einer im Ausland befindlichen Betriebsstätte (getrennte Aufzeichnung der Einkünfte der Betriebsstätte notwendig),
- Einkünfte aus einer ausländischen Mitunternehmerschaft (weitere Voraussetzungen),
- bestimmte selbstständige Einkünfte.
Merke
Im Falle von Waffengeschäften ist die Anwendbarkeit der Pauschalierung explizit ausgeschlossen!
Als Rechtsfolge ist die Besteuerung dieser Einkünfte pauschal mit 25% vorzunehmen. Dies gilt jedoch nur für Unternehmer, die nach dem EStG besteuert werden. Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen um eine Kapitalgesellschaft, so findet die normal Besteuerung nach dem KStG mit 15% Anwendung.
Bilaterale Maßnahmen
Wenn Regelungen zwischen zwei Staaten gelten sollen, müssen diese sich durch einen völkerrechtlichen Vertrag auf die Geltung der Maßnahmen einigen. Im Steuerrecht handelt es sich bei diesen Verträgen um sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), welche die wichtigsten Regelungen für den steuerlichen Umgang mit Einkünften aus grenzüberschreitenden Sachverhalten enthalten. Der völkerrechtliche Vertrag wird mittels eines Umsetzungsgesetzes in das nationale Recht transformiert und entfaltet erst so seine (rechtliche) Bindungswirkung. Gesetzeshierarchisch stehen die Regelungen auf derselben Ebene wie „einfaches“ nationales Recht. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 AO.
Hinweis
Machen Sie sich einmal mit den OECD Musterabkommen (MA) vertraut. Dieses enthält Musterregelungen, welche den meisten DBA zugrunde liegen. Sie können das OECD MA frei zugänglich im Internet finden.
Mittels eines Doppelbesteuerungsabkommens einigen sich die Vertragsparteien darüber, wem das Besteuerungsrecht für die einzelnen Einkünfte zusteht (Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse). Daraus folgt, dass in manchen Fällen ein Staat vollständig auf sein Besteuerungsrecht verzichtet. In anderen Fällen bleibt es dabei, dass grundsätzlich beiden Staaten ein Besteuerungsrecht zusteht, jedoch ein Staat seines in bestimmter Weise begrenzt.
Bleibt es dabei, dass grundsätzlich beiden Staaten ein Besteuerungsrecht zusteht, so enthält das DBA in dem sog. Methodenartikel zwei Methoden, die einen Doppelbesteuerungskonflikt auflösen sollen: (i) die Freistellungsmethode und (ii) die Anrechnungsmethode.
Um eine doppelte Freistellung in beiden Vertragsstaaten zu verhindern, wurde u.a. der § 50d Abs. 9 EStG entwickelt. Hierzu enthält die folgende Abbildung ein Beispiel:
Die Regelungen aus einem DBA sind für beide Vertragsstaaten grundsätzlich verbindlich, d.h. beide Staaten müssen sich daran halten. Trotzdem enthält das deutsche Steuerrecht Regelungen die verbindlich anordnen, dass trotz Vorliegen eines DBA andere steuerliche Folgen greifen. Der deutsche Gesetzgeber „überschreibt“ damit einseitig die Regelung des DBA. Man nennt dies auch einen sog. treaty override. Die Zulässigkeit eines solchen treaty override ist (insbesondere auch verfassungsrechtlich) umstritten.
Hinweis
Auch andere Staaten kennen das Prinzip des sog. treaty overrides.
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