Inhaltsverzeichnis
- Unentgeltliche Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils
- Übertragung bei funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen
- Quotale Übertragung eines Teils des am Gesamthandsvermögens und eines Teils des Sonderbetriebsvermögens
- Unterquotale Übertragung eines Teils des am Gesamthandsvermögens und eines Teils des Sonderbetriebsvermögens
- Überquotale Übertragung eines Teils des am Gesamthandsvermögens und eines Teils des Sonderbetriebsvermögens
- Übertragung bei funktional nicht wesentlichem Sonderbetriebsvermögen
Unentgeltliche Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils
Wenn ein gesamter Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertragen wird, müssen die stillen Reserven nicht aufgedeckt werden. Das bedeutet, dass kein Veräußerungsgewinn gemäß § 16 EStG entsteht, da der Rechtsnachfolger, der den Betrieb unentgeltlich erwirbt, in die Position des übertragenden Rechtsvorgängers eintritt.
Bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils können nur natürliche Personen und Personengesellschaften als übertragende oder übernehmende Personen auftreten. Es ist jedoch zu beachten, dass bei der Übertragung einer das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaft umfassenden Beteiligung (sog. "fiktiver" Teilbetrieb nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG) die stillen Reserven zwingend aufzudecken und zu versteuern sind, da es sich lediglich um ein Wirtschaftsgut und nicht um einen eigenständigen betrieblichen Organismus handelt.
Bei einer unentgeltlichen Übertragung auf eine Körperschaft sind die Vorschriften zur verdeckten Gewinnausschüttung bzw. verdeckten Einlage vorrangig zu beachten, wie es auch in den Steuerrichtlinien des Bundesministeriums der Finanzen vom 03.03.2005 (Beck'sche Steuer-Erlasse 1 § 6/18, Rn. 2) festgelegt ist. Aufgrund dieser Vorschriften ist eine unentgeltliche Übertragung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG grundsätzlich nicht möglich.
Beispiel
Herr Müller überträgt sein Einzelunternehmen / Mitunternehmeranteil an der ABC-OHG unentgeltlich auf seine Müller GmbH ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten. Herr Müller hält sämtliche Anteile der Müller GmbH.
Lösung:
Eine Übertragung zu Buchwerten ( § 6 Abs. 3 S. 1 EStG) ist nicht möglich, da die unentgeltliche Übertragung auf die Müller GmbH in Ermangelung eines Entgelts eine verdeckte Einlage darstellt.
Die verdeckte Einlage führt zu einer Betriebsaufgabe im Ganzen bzw. zur Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils i.S.d. § 16 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG.
Im den folgenden Ausführungen soll insbesondere auf die unterschiedlichen Konstellationen von unentgeltlichen Übertragungen von Teilen von Mitunternehmeranteilen im Hinblick auf vorhandenes Sonderbetriebsvermögen eingegangen werden, denn ein Mitunternehmeranteil eines Gesellschafters einer Personengesellschaft umfasst steuerrechtlich sowohl den Anteil am Gesamthandsvermögen als auch das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen.
Hinweis
Im BMF-Schreiben vom 20.11.2019, BStBl. 2019 I S. 1291, Beck'sche "Steuererlasse" 1 § 6/18 nimmt die Finanzverwaltung zu dieser Problematik ausführlich Stellung.
Sofern der Mitunternehmeranteil kein funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen umfasst, ist im Falle einer unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person ohne weitere Prüfung die Buchwertfortführung gegeben, § 6 Abs. 3 S. 1 HS 2 Alt. 2 i.V.m. S. 3.
Im Rahmen des § 6 Abs. 3 EStG kommt nur die funktionale Betrachtung der Beurteilung einer wesentlichen Betriebsgrundlage zur Anwendung. Funktional wesentlich können nur solche Wirtschaftsgüter sein, die im Zeitpunkt des Übertragungsvorgangs für die Funktion des Betriebes von Bedeutung sind; auf das Vorhandensein erheblicher stiller Reserven kommt es nicht an, Rz. 6.
Sofern jedoch funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist, wird die Erfüllung der Norm komplexer. Dies soll in den nachfolgenden Ausführungen u.a. mit Hilfe von Fallbeispielen erläutert werden.
Expertentipp
Vorliegende Thematik kann Ihnen sowohl in einer Ertragsteuerklausur als auch im Bereich des Bilanzsteuerrechts begegnen. Es ist wichtig, dass Sie den Sachverhalt zunächst richtig einordnen, um für die weitere steuerliche Beurteilung bei den beteiligten Personen die richtigen "Weichen" zu stellen. Die korrekte steuerrechtliche Beurteilung des Übertragungsvorgangs ist sozusagen das notwendige Fundament, um die Klausurpunkte zu erzielen, welche sich dann aus der Beurteilung der steuerlichen Folgewirkung bei den Beteiligten ergeben.
Wir betrachten nun drei Videos zur unentgeltlichen Übertragung gem. § 6 Abs. 3 EStG.
Übertragung bei funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen
Quotale Übertragung eines Teils des am Gesamthandsvermögens und eines Teils des Sonderbetriebsvermögens
Entgegen der alten Version des Anwendungsschreibens (BMF vom 03.03.2005, BStBl. I S. 458) stellt das BMF nun klar, dass es im Grundsatz keiner quotenmäßigen Mitübertragung von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen mehr bedarf, um § 6 Abs. 3 S. 1 EStG zur Anwendung zu bringen. Befinden sich entsprechend mehrere funktional wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen, müssen diese daher nicht alle für sich genommen anteilig mitübertragen werden, Rz. 20.
Bisher erfasste die Finanzverwaltung eine quotale Übertragung streng bruchteilsbezogen in Bezug auf die betreffenden Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens, so dass bei Vorliegen mehrerer wesentlicher Betriebsgrundlagen eine quotale Teil-Mitunternehmeranteilsübertragung nach § 6 Abs. 3 S. 1 HS. 2 Alt. 2 EStG nur dann vorliegen sollte, wenn an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens jeweils ein Bruchteil in Höhe des übertragenen Anteils am Gesamthandsvermögen übertragen wurde.
Nunmehr ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann eine quotale Übertragung von Teil-Mitunternehmeranteil und zugehörigem Sonderbetriebsvermögen erfüllt, wenn sich die quotale Gleichwertigkeit von übertragenem Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen nur im rechnerischen Ergebnis ergibt.
Beispiel
Vater V ist 100 % iger Kommanditist der V GmbH & Co. KG. Die V GmbH ist als Komplementärin nicht am Vermögen der KG beteiligt. Für ihren Betrieb überlässt V der KG zwei funktional wesentliche Grundstücke, nämlich das Grundstück 1 mit aufstehender Produktionshalle sowie das Grundstück 2 mit aufstehendem Bürogebäude und angeschlossenem Lagerplatz. Beide Grundstücke haben den identischen Teilwert von 3.000.000 EUR. V überträgt nun auf seinen Sohn S neben dem hälftigen Kommanditanteil das ganze Grundstück 1. Grundstück 2 behält er hingegen vollständig zurück. Wertmäßig betrachtet kommt es damit weder zu einer unter- noch zu einer überquotalen Übertragung von Sonderbetriebsvermögen. Diese Vorgehensweise führt daher im rechnerischen Ergebnis zu einer quotalen Übertragung und deshalb nicht zur Aufdeckung von stillen Reserven in dem vorhandenen Sonderbetriebsvermögen (hier also die Grundstücke 1 und 2). Die Behaltefrist nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG kommt nicht zur Anwendung, weil V wertmäßig einen Anteil am Sonderbetriebsvermögen überträgt, der dem übertragenen Teil des Anteils am Gesamthandsvermögen des Übertragenden entspricht.
Diese Grundsätze gelten für den Fall der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein Einzelunternehmen entsprechend.
Unterquotale Übertragung eines Teils des am Gesamthandsvermögens und eines Teils des Sonderbetriebsvermögens
Wird im Zeitpunkt der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein Einzelunternehmen oder der unentgeltlichen Übertragung eines Teils des Anteils am Gesamthandsvermögen funktional wesentliches Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen nicht oder in geringerem Umfang (unterquotal) übertragen, als es dem übertragenen Teil des Einzelunternehmens oder des Anteils am Gesamthandsvermögen entspricht, liegt insgesamt eine Übertragung nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG vor, Rz. 25.
In dieser Fallkonstellation bleibt die Finanzverwaltung bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung, d. h. insofern greift auch die Rechtsfolge der Behaltensfrist beim Übernehmer von mindestens 5 Jahren.
Veräußert der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil – oder einen Teil davon – oder gibt er den Mitunternehmeranteil innerhalb der Behaltefrist auf, liegen in Bezug auf den ursprünglichen Übertragungsvorgang die Voraussetzungen für die Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG nicht mehr vor. Für die gesamte Übertragung sind dann rückwirkend auf den ursprünglichen Übertragungsstichtag die Teilwerte anzusetzen (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Der dabei beim Übertragenden entstehende Gewinn ist laufender Gewinn (§ 16 Abs. 1 S. 2 iVm § 16 Abs. 3 EStG). Für die Berechnung der Behaltefrist ist grundsätzlich auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums hinsichtlich des übernommenen Mitunternehmeranteils (= Übergang von Nutzen und Lasten) abzustellen. Die Behaltefrist endet spätestens dann, wenn dem Rechtsnachfolger neben dem Teil des Anteils auch der restliche Bruchteil des Anteils am Gesamthandsvermögen übertragen wird, Rz. 26.
Beispiel
Vater V und Sohn S sind jeweils zu 50 % an einer OHG beteiligt. V überträgt unentgeltlich einen Teil seines Gesellschaftsanteils auf S, behält sein Sonderbetriebsvermögen aber zurück, so dass V jetzt zu 25 % und S zu 75 % an der OHG beteiligt sind. S reduziert innerhalb der Fünf-Jahresfrist seine Beteiligung auf 20 % und veräußert entsprechend einen Teil seines Mitunternehmeranteils.
Es liegt eine unterquotale Übertragung von V auf S nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG vor, bei der die Behaltefrist zu beachten ist. Da der Anteil des S nach der Veräußerung (20 %) unter dem Anteil der übernommenen Beteiligung (25 %) liegt, hat er auch einen Teil des übernommenen Mitunternehmeranteils veräußert. Für die ursprüngliche Übertragung von V auf S ist damit insgesamt § 6 Abs. 3 EStG nicht anwendbar. Für die gesamte Übertragung sind rückwirkend auf den ursprünglichen Übertragungsstichtag die Teilwerte anzusetzen (§ 6 Abs. 3 S. 2 EStG, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Der bei V entstehende Gewinn ist laufender Gewinn (§ 16 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 16 Abs. 3 EStG).
Sofern jedoch im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen funktional wesentliches Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zum Buchwert übertragen oder nach § 6 Abs. 5 S. 1 oder 2 EStG in ein anderes Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird, ist dies nach Auffassung der Finanzverwaltung im Kontext einer stichtagsbezogenen Betrachtungsweise nun für die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG unschädlich (Ausgliederungsmodell), sofern es sich bei dem verbleibenden "Restbetriebsvermögen" weiterhin um eine funktionsfähige betriebliche Einheit handelt, Rz. 13.
Insofern dürfte sich die Bedeutung der Sperrfrist nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG hierdurch im Falle einer unterquotalen Übertragung von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen in Grenzen halten bzw. ins Leere laufen, da in den meisten praktischen Anwendungsfällen eine unschädliche Ausgliederung gestaltungstechnisch möglich sein sollte.
Überquotale Übertragung eines Teils des am Gesamthandsvermögens und eines Teils des Sonderbetriebsvermögens
Die überquotale Übertragung von Sonderbetriebsvermögen ist nicht in je einen Übertragungsvorgang nach § 6 Abs. 3 S. 1 und § 6 Abs. 5 EStG aufzuspalten, sondern bemisst sich allein nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG. Die Sperrfrist des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ist nicht einschlägig. Dies gilt auch, wenn die Mitunternehmerstellung des Empfängers durch die unentgeltliche Übertragung erstmals begründet wird, Rz. 32 f.
Bislang vertrat die Finanzverwaltung die Ansicht, dass bei einer überquotalen Übertragung eines Teilanteils hinsichtlich des quotalen Teils des Rechtsgeschäfts § 6 Abs. 3 S. 1 EStG Anwendung findet und der überquotal übertragene Anteil des Sonderbetriebsvermögens unter § 6 Abs. 5 EStG fällt. Nunmehr soll in Umsetzung der Rechtsprechung des BFH § 6 Abs. 3 S. 1 EStG auf den kompletten Übertragungsvorgang Anwendung finden, so dass hier keinerlei Behaltensfristen zu beachten sind. Insbesondere wird also hinsichtlich des überquotal übertragenen Anteils des Sonderbetriebsvermögens keine Behaltensfrist nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ausgelöst. Im Fall der Übertragung eines fremdfinanzierten Grundstücks im Sonderbetriebsvermögen wird auf diese Weise eine anteilige Gewinnrealisierung vermieden.
Übertragung bei funktional nicht wesentlichem Sonderbetriebsvermögen
Sofern sich im Sonderbetriebsvermögen keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage befindet, ist bei einer unentgeltlichen Teilanteilsübertragung § 6 Abs. 3 S. 1 EStG uneingeschränkt anwendbar. Der übernehmende Gesellschafter hat die Buchwerte fortzuführen. Bei der Überführung des zurückbehaltenen Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen entsteht laufender Gewinn.
Beispiel
Vater V ist zu 50 % an einer OHG beteiligt. Des Weiteren vermietet er an die OHG seit vielen Jahren eine Kehrmaschine, die jedoch jederzeit ersetzbar ist. Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge überträgt V 25 % seiner Beteiligung unentgeltlich an der OHG an seinen Sohn S. Die Kehrmaschine nutzt V nur noch für sein privates Einfamilienhaus.
Vorliegend handelt es sich bei der Kehrmaschine nicht um funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen des V an der OHG. Damit ist trotz Zurückbehaltung bzw. im vorliegenden Fall einer Entnahme dieser Maschine die unentgeltliche Übertragung des Teils des Gesamthandsvermögens von 25 % an der OHG nach § 6 Abs. 3 S. 1 HS. 2 Alt. 2 EStG möglich. S hat die Buchwerte entsprechend fortzuführen, bei der Überführung der Kehrmaschine vom Sonderbetriebsvermögen in das Privatvermögen werden eventuell vorhandene stille Reserven aufgedeckt.