Inhaltsverzeichnis
- Allgemeines zur Wertermittlung
- Wertermittlung bei nicht notierten Anteile an Kapitalgesellschaften
- Nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften
- Wertermittlung bei Betriebsvermögen
- Das Betriebsvermögen
- Betriebsvermögen bei bilanzierenden Gewerbetreibenden
- Betriebsvermögen bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibende und freiberuflich Tätigen
Allgemeines zur Wertermittlung
Wertermittlung bei nicht notierten Anteile an Kapitalgesellschaften
Nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften
Merke
§ 12 Abs. 2 ErbStG bestimmt, dass Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des BewG gesondert festzustellen ist (= nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften i. S. d. § 11 Abs. 2 BewG), mit dem auf den Bewertungsstichtag nach §§ 9 Abs. 1 i. V. m. 11 ErbStG festgestellten Wert anzusetzen sind. Dabei wird der Anteilswert unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag ermittelt.
Dieser ist gemäß § 157 Abs. 4 BewG nach § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln, das heißt die Anteile sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Vorrangig erfolgt die Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt zurückliegen, § 11 Abs. 2 S. 2 1. HS BewG. Es können nur die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Verkaufserlöse berücksichtigt werden, das heißt, wenn beispielsweise der Verkaufspreis ein „Freundschaftspreis“ war, stellt dieser nicht den gemeinen Wert dar nach R B 11.2 Abs. 1 S. 6 ErbStR.
Hinweis
Fehlen derartige zeitnahe Verkäufe, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten (z. B. anhand eines Gutachtens nach dem Standard 1 des IDW – IDW S 1) oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode (z. B. anhand eines Multiplikatorverfahrens) zu ermitteln, § 11 Abs. S. 2 2. Halbsatz BewG.
Für die Methodenwahl wird grundsätzlich auf die Sicht des Käufers abgestellt. Diese Sichtweise soll sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, da ein fiktiver Erwerber kaufmännisch vorsichtig agieren und auf den niedrigsten begründbaren Wert abzielen würde.
Der gemeine Wert kann auch im vereinfachten Ertragswertverfahren gem. §§ 199 bis 203 BewG ermittelt werden, wenn dieses nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt.
Hinweis
Die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens ist nicht zwingend vorgeschrieben, weswegen es hierzu auch keiner Öffnungsklausel wie bei der Grundbesitzbewertung (§ 198 BewG) bedarf.
Allen Bewertungsverfahren ist gemeinsam, dass gemäß § 11 Abs. 2 S. 3 BewG der Substanzwert (= Summe der gemeinen Werte aller Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der betrieblichen Schulden und sonstigen Abzuge) als Wertuntergrenze nicht unterschritten werden darf (Mindestwert).
Bei der Ableitung aus Verkäufen ist der Ansatz des Substanzwertes allerdings ausgeschlossen, da davon auszugehen ist, dass anhand des Kaufpreises der gemeine Wert zutreffend abgebildet wird, R B 11.5 Abs. 2 S. 2 ErbStR.
Prüfungstipp
Steuerberaterprüfung
In der Prüfung wird entweder die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens oder das Substanzwertverfahren abgeprüft bzw. – wie erstmals in der Prüfung 2020 geschehen – beide Verfahren gleichzeitig!
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist ein Dauerbrenner in der Prüfung. Es war 2009 – 2016 sowie jedes Jahr Prüfungsbestandteil. Der danach ermittelte Wert war regelmäßig mit einem vorgegebenen Substanzwert als Mindestwert abzugleichen. 2017 und 2019 stand die Substanzwertermittlung im Mittelpunkt der Bewertung.
Wertermittlung bei Betriebsvermögen
Prüfungstipp
Steuerberaterprüfung
Die Bewertung von Betriebsvermögen bzw. von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften war in den Prüfungsklausuren der letzten 12 Jahre stets Prüfungsbestandteil und ist somit ein besonderer Prüfungsschwerpunkt
Prüfungstipp
Steuerfachwirtprüfung
Bislang war die Bewertung von Anteilen bzw. Betriebsvermögen nicht Gegenstand der Steuerfachwirtprüfung, ist aber im Anforderungskatalog für die Steuerfachwirtprüfung aufgeführt und gehört damit zum Prüfungsstoff.
Das Betriebsvermögen
Hinweis
§ 12 Abs. 5 ErbStG bestimmt, dass inländische Betriebsvermögen, für das ein Wert nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BewG gesondert festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen ist. Gemäß § 157 Abs. 5 BewG ist der Wert des Betriebsvermögens oder eines Anteils daran unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag (§ 9 Abs. 1 ErbStG und § 11 ErbStG) festzustellen und unter Anwendung des § 109 Abs. 1 und 2 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln.
Durch den Verweis auf § 11 Abs. 2 BewG wird die rechtsformunabhängige Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen bzw. Anteilen hieran herbeigeführt. Über § 109 Abs. 1 u. 2 BewG gilt § 11 Abs. 2 BewG auch für die Bewertung von Einzelunternehmen und Anteilen an Personengesellschaften.
Bewertungsgegenstand ist die wirtschaftliche Einheit des Betriebsvermögens, die im Ganzen zu bewerten ist (§ 2 BewG), d. h. der Gewerbebetrieb.
Merke
Das Betriebsvermögen umfasst gemäß § 95 Abs. 1 BewG alle Teile des Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören (= Grundsatz der Bestandsidentität).
Zum Betriebsvermögen gehören also grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie Schulden und sonstigen Abzüge (§ 103 BewG), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören, soweit das ErbStG i. V. m. dem BewG nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt oder zulässt (R B 95 Abs. 1 ErbStR).
Dem Gewerbebetrieb steht nach § 96 BewG die Ausübung eines freien Berufs i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleich.
Hinweis
Steuerberaterprüfung
Die Feststellung darüber, ob eine Betriebsanlage zum Grundvermögen gehört oder als Betriebsvorrichtung einzustufen ist, wird im Feststellungsverfahren getroffen (§ 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG).
Betriebsvorrichtungen sind für Zwecke der Erbschaft und Schenkungsteuer, auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 BGB) sind, als selbständige Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nach Maßgabe des § 12 Abs. 5 ErbStG zu erfassen (gleich lautenden Ländererlassen vom 05.06.2013, BStBl 2013 I S. 734).
Erfolgt die Bewertung des Betriebsvermögens im vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. BewG), sind die Betriebsvorrichtungen aufgrund der systembedingten Abgeltungswirkung im (gemeinen) Wert miterfasst. Ist hingegen die Mindestwertregelung des § 11 Abs. 2 S. 3 BewG auf Substanzwertbasis anzuwenden, sind Betriebsvorrichtungen gesondert mit dem gemeinen Wert im Wege der Einzelbewertung zu erfassen (R B 11.5 Abs. 2 und Abs. 7 S. 1 ErbStR).
Prüfungstipp
Steuerberaterprüfung
Im Steuerberaterexamen 2015 war der Erwerb deutscher börsennotierter Unternehmensanleihen Gegenstand der Aufgabe. 2017 der Erwerb eines GmbH-Anteils (20%).
Betriebsvermögen bei bilanzierenden Gewerbetreibenden
Bei bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen (§ 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG) führt die Anknüpfung an die Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung regelmäßig zu einer Identität zwischen der Steuerbilanz auf den Bewertungsstichtag oder den Schluss des letzten vor dem Bewertungsstichtag endenden Wirtschaftsjahrs und dem bewertungsrechtlichen Betriebsvermögen (R B 95 Abs. 2 ErbStR).
Hinweis
Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Betriebsvermögen richtet sich nach den ertragsteuerlichen Regeln, R B 99 Abs. 1 ErbStR.
Ertragsteuerlich kann ein Gebäude je nach Nutzung bis zu vier Wirtschaftsgüter darstellen (vgl. R 4.2 (4) „Unterschiedliche Nutzungen und Funktionen eines Gebäudes“ EStR). Ein Grundstück stellt damit in dem Umfang ein Betriebsgrundstück i. S. d. § 99 BewG dar, in dem es ertragsteuerlich als notwendiges und/oder gewillkürtes Betriebsvermögen aktiviert ist.
Zum Grundvermögen gehören nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG die Gebäude, der Grund und Boden, die sonstigen Bestandteile sowie das Zubehör. Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (sogenannte Betriebsvorrichtungen), werden nach § 176 Abs. 2 Nr. 2 BewG expressis verbis nicht in das Grundvermögen einbezogen.
Dies gilt selbst für den Fall, dass Betriebsvorrichtungen nach dem bürgerlichen Recht als wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens oder des Gebäudes zu qualifizieren sind.
Hinweis
Mit gleich lautenden Ländererlassen vom 5.6.2013 (BStBl 2013 I S. 734) wurden die aktualisierten amtlichen Grundsätze der Finanzverwaltung zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen bekanntgegeben. Entsprechendes gilt für die Abgrenzung der Betriebsgrundstücke von den Betriebsvorrichtungen (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG).
Der Grundsatz der Identität zwischen Steuerbilanz und dem bewertungsrechtlichen Betriebsvermögen wird gem. R B 95 Abs. 2 S. 2 ErbStR insbesondere durchbrochen bei
- Gewinnansprüchen gegen eine beherrschte Gesellschaft als sonstigem Abzug bei der beherrschten Gesellschaft (§ 102 Abs. 2 BewG),
- Rücklagen (§ 102 Abs. 3 BewG),
- selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sowie geschäfts-, firmen- und praxiswertbildenden Faktoren, denen ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z.B. Kundenstamm, know-how, R B 11.5 Abs. 3 S. 4 und 5 ErbStR),
- Rückstellungen (R B 11.5 Abs. 3 S. 3 ErbStR).
Betriebsvermögen bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibende und freiberuflich Tätigen
Zum Betriebsvermögen bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberufliche Tätigen gehören (R B 95 Abs. 3 ErbStR):
Bei nicht bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen gehören alle Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt werden, zum Betriebsvermögen (notwendiges Betriebsvermögen).
Bewegliche Wirtschaftsgüter, die zu mehr als 50 % eigenbetrieblich genutzt werden, sind in vollem Umfang notwendiges Betriebsvermögen.
Grundstücke, die teilweise betrieblich und teilweise privat genutzt werden, sind nach ertragssteuerrechtlichen Grundsätzen aufzuteilen (vgl. oben Bilanzierende Gewerbetreibende). Gewillkürtes Betriebsvermögen ist zu berücksichtigen, wenn die Bildung ertragsteuerrechtlich zulässig und das Wirtschaftsgut tatsächlich dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet worden ist.
Forderungen und Verbindlichkeiten, die mit dem Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, gehören zum Betriebsvermögen, ebenso Bargeld und Bankguthaben, die aus gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeiten herrühren.
Honoraranspruche sind als Forderung bei freiberuflich Tätigen anzusetzen, soweit sie bis zum Bewertungsstichtag entstanden sind. Sie sind in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die zu erbringenden Leistungen vollendet waren. Honoraransprüche für Teilleistungen sind insoweit entstanden, als auf ihre Vergütung nach einer Gebührenordnung oder aufgrund von Sondervereinbarungen zwischen den Beteiligten ein Anspruch besteht.
Schulden und sonstige Abzüge sind abzugsfähig (R B 103.2 ErbStR):
Schulden und sonstige Abzüge sind nur zu berücksichtigen, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Betriebsvermögen stehen, d. h., wenn die Entstehung der Schuld ursächlich auf Vorgängen beruht, die mit dem Betriebsvermögen zusammenhängen.
Eine Schuld ist nur abzuziehen, wenn sie am Bewertungsstichtag bereits entstanden und noch nicht erloschen ist. Auf die Fälligkeit kommt es für die Abzugsfähigkeit nicht an.
Die Schuld muss zu einer wirtschaftlichen Belastung führen, d. h. es muss ernstlich damit gerechnet werden, dass der Gläubiger die Erfüllung verlangt und nicht nur eine rechtliche Verpflichtung zur Erfüllung besteht.
Merke
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind Schulden, die formell rechtsgültig bestehen, die aber zum Bewertungsstichtag keine ernstzunehmende Belastung darstellen, nicht abzugsfähig. Dies will sie insbesondere bei Darlehensschulden und anderen Verbindlichkeiten innerhalb des Kreises von Angehörigen prüfen (R B 103.2 Abs. 1 Satz 7 ErbStR).
Darlehensschulden im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gewerbebetriebs, zu deren Sicherung auf einem Privatgrundstück eine Hypothek bestellt ist, sind abzugsfähig.
Ungewisse Verbindlichkeiten, sofern sie am Bewertungsstichtag eine wirtschaftliche Belastung darstellen, sind ebenfalls abzugsfähig.
Die Verpflichtung aufgrund einer typischen stillen Gesellschaft ist grundsätzlich mit dem Nennwert der Vermögenseinlage anzusetzen, die Verpflichtung zur Zahlung des jährlichen Gewinnanteils ist abzuziehen, wenn ernstlich mit der Inanspruchnahme des Unternehmens zu rechnen sit.
Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen sind mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anzusetzen.
Steuerschulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb sind abzugsfähig.
Hinweis
Ausländisches Betriebsvermögen ist nach § 12 Abs. 7 ErbStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen und unterliegt nach § 151 Abs. 4 BewG nicht der gesonderten Feststellung