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Lohnsteuer

Abtretung, Pfändung und Arbeitnehmerinsolvenz

Zu den Aufgaben der Lohnabrechnung gehört auch der Vollzug von Pfändungen des Arbeitseinkommens. Der Arbeitgeber ist gegenüber dem Gläubiger für eine ordnungsgemäße Durchführung der Pfändung verantwortlich; gleichzeitig hat er die zur Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers bestehenden Vollstreckungsschutzbestimmungen (§§ 850 bis 850 k Zivilprozessordnung) zu beachten.

Die Pfändung wird mit Zustellung des Beschlusses wirksam. Diesem Zeitpunkt kommt vor allem für die Rangfolge Bedeutung zu, wenn dasselbe Arbeitseinkommen durch mehrere Gläubiger gepfändet wird. Der Arbeitgeber sollte deshalb stets den Zustellungszeitpunkt des Pfändungsbeschlusses vermerken. Es gilt das sogen. „Prioritätsprinzip“, die früher eingegangene Lohnpfändung ist vorrangig zu bedienen. Das gilt auch für das Zusammentreffen von bevorrechtigten Unterhaltspfändung und Normalpfändung.

Für die lohnsteuerliche und beitragsrechtliche Behandlung gilt Folgendes:

Geht der Anspruch auf Arbeitslohn auf einen Dritten über, so ist dieser Vorgang auf den Zufluss des Arbeitslohns beim Arbeitnehmer ohne Bedeutung; auch der durch die Pfändung direkt an einen Dritten überwiesene Teil des Arbeitslohns ist dem Arbeitnehmer zugeflossen und damit steuer- und beitragspflichtig (BFH-Urteil vom 16.3.1993, BStBl. II S. 507).

Die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 bis 850 k Zivilprozessordnung spielen für die steuer- und beitragsrechtliche Behandlung keine Rolle. Das bedeutet, dass der Steuerabzug auch dann zulässig ist, wenn sich dadurch ein Nettolohn ergibt, der unter den Pfändungsfreigrenzen liegt. Denn pfändbar ist nur der Teil des Arbeitslohns, der nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verbleibt. Öffentlich-rechtliche Ansprüche auf Steuern und Sozialversicherungsbeiträge haben also stets Vorrang. Wird bei einer rückwirkenden Änderung des Lohnsteuerabzugs nachträglich Lohnsteuer einbehalten, sind auch in diesem Fall die Pfändungsschutzbestimmungen des § 850 ff. ZPO nicht anzuwenden, das heißt, dass durch nachträglich einbehaltene Lohnsteuer der dem Arbeitnehmer zustehende Arbeitslohn bis auf 0 Euro gemindert werden kann. Dies ergibt sich aus R 41c.1 Abs. 4 Satz 3 LStR.

Verpflichtung des Arbeitgebers

Mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch den Gerichtsvollzieher eine andere Amtsperson oder per Post beginnen für den Arbeitgeber (Drittschuldner) Rechtsfolgen aus der Zivilprozessordnung (ZPO). Adressat des Pfändungsbeschlusses ist der Arbeitgeber. Eine mündliche Ankündigung ist unbeachtlich für den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber stellt sofort die Zahlungen an den gepfändeten Arbeitnehmer (Schuldner) ein.

Die Verpflichtungen des Arbeitgebers (Drittschuldners) sind wie folgt:

  • Auszahlungsverbot des gepfändeten Einkommens an den Arbeitnehmer (Schuldner)
  • Berechnung der gepfändeten Einkommensteile
  • Auszahlung an den Gläubiger
  • Auskunft an den Gläubiger über gepfändeten Anspruch (sog. Drittschulderklärung)

Drittschuldnererklärung

Zusammen mit dem Pfändungsbeschluss erhält der Arbeitgeber i.d.R. die Aufforderung des Gläubigers, nach § 840 ZPO eine sogen. „Drittschuldnererklärung“ abzugeben. Zur Abgabe ist der Drittschuldner verpflichtet, und zwar innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung des Pfändungsbeschlusses. Mit der Drittschuldnererklärung geben Sie dem Gläubiger einen Nachweis über die Lohnansprüche des betroffenen (gepfändeten) Arbeitnehmers.

Erforderliche Informationen

Das bedeutet konkret für den Drittschuldner

Der Umfang, in dem der Arbeitgeber (Drittschuldner) die Forderung des Gläubigers anerkennt und erfüllen wird.

Der Arbeitgeber gibt an, in wie vielen Raten er den gepfändeten Betrag überweisen wird und welche Höhe diese Raten haben werden. Will der Drittschuldner gepfändete Forderungen ablehnen, muss er dies begründen. Ablehnungsgründe können sein: Verjährung, der Arbeitnehmer ist bereits ausgeschieden, der Arbeitnehmer hat seine Lohnzahlung bereits erhalten.

Personen, die ebenfalls Anspruch auf die Forderung erheben

Sind Details (Personen, Art der Forderung etc.) bekannt, muss der Drittschuldner die angeben. Hierzu zählen auch Forderungen des Arbeitgebers selber (z.B. Arbeitgeberdarlehen, Schadenersatzansprüche u.ä.).

Anderweitig vorliegende Lohnpfändungen

Der Drittschuldner muss Name und Anschrift der anderen Pfändungs- oder Abtretungsgläubiger nennen sowie Höhe und die Rechtsgrundlage der Forderungen, Gericht, Datum und Aktenzeichen der Pfändungsbeschlüsse und das Datum der Zustellung.

Erfüllt der Drittschuldner diese Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung nicht, nicht korrekt oder nicht rechtzeitig, ist er bei Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) gegenüber dem Gläubiger oder auch gegenüber dem Arbeitnehmer (Schuldner) schadensersatzpflichtig.

Berechnung der abzuführenden Beträge

Im Rahmen einer Lohnpfändung ist es grundsätzlich Pflicht des Drittschuldners (Arbeitgebers), das dem Schuldner (Arbeitnehmer) verbleibende Arbeitseinkommen (Pfändungsfreigrenze) zu ermitteln und die gepfändeten Einkommensteile zu berechnen und an den Gläubiger abzuführen.

Vor der eigentlichen Berechnung stellt der Drittschuldner zunächst fest,

  1. ob es sich um eine bevorrechtigte Pfändung (Unterhaltspfändung oder Deliktsgläubiger) handelt oder
  2. ob es sich um eine nicht bevorrechtigte Pfändung (sogen. Normalpfändung) handelt. Unterhaltspfändung oder Deliktsgläubiger werden lt. ZPO als besonders schutzwürdig betrachtet. Deshalb setzt das Vollstreckungsgericht für diese Gläubiger die Beträge individuell fest (bei Unterhaltsgläubigern oft nach der sog. Düsseldorfer Tabelle). Für alle anderen Gläubiger (Normalgläubiger) muss der Drittschuldner die pfändbaren Einkommensteile selbst berechnen. Hierfür berechnet der Drittschuldner das pfändbare Nettoeinkommen und liest anschließend in der amtlichen Pfändungstabelle (§ 850c ZPO) ab, welcher Betrag (ggf. unter Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners) gepfändet werden kann.

Die Berechnung in vier Schritten

Die Berechnung erfolgt in vier Schritten:

1. Schritt: Ermittlung des (pfändbaren) Bruttoeinkommens

Zum pfändbaren Bruttoeinkommen zählt bei der Lohnpfändung alles, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Tätigkeit erhält: regelmäßiges Arbeitsentgelt, Provisionen, Prämien, Zuschläge, Gratifikationen, Abfindung, Arbeitslohn für Zeiten der Erkrankung lt. Entgeltfortzahlungsgesetz, Naturalleistungen entsprechend ihrem Geldwert usw.

2. Schritt: Abzug aller unpfändbaren Bezüge

Bestimmte Einkommensteile werden durch die Lohnpfändung von vornherein gar nicht erfasst. Diese müssen vor der eigentlichen Berechnung vom pfändbaren Einkommen abgezogen werden (§ 850a ZPO). Beispielhaft: die Hälfte der Bruttovergütung für Mehrarbeit (gilt für Zuschläge und Grundlohn), zusätzl. Urlaubsgeld, soweit es den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt, Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder, Gefahrenzulagen sowie Schutz- und andere Erschwerniszulagen, Weihnachtsvergütung bis zur Hälfte eines monatlichen Entgeltes max. 500 €, Heirats- und Geburtsbeihilfen usw. Nach Abzug der vorgenannten Bezüge ergibt sich das pfändbare Bruttoeinkommen.

3. Schritt: Berechnung des pfändbaren Nettoeinkommens

Vom pfändbaren Bruttoeinkommen zieht der Drittschuldner die Lohn- und Kirchensteuer, den Solidaritätszuschlag sowie die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers ab. Ergebnis ist das pfändbare Nettoeinkommen. Seit dem Jahre 2013 darf lt. ausschließlich das sog. Nettoverfahren angewandt werden (vgl. BAG-Urteil 10 AZR 59/12 vom 17.4.2013). D.h. es muss eine fiktive Nettolohnabrechnung stattfinden auf Basis des „neu“ entstandenen pfändbaren Bruttobetrages. Die Steuern und SV-Beiträge beziehen sich auf dieses fiktive Brutto.

4. Schritt: Ermittlung des konkreten Pfändungsbetrages anhand der amtlichen Tabelle

Dem Schuldner muss vom pfändbaren Nettoeinkommen noch ein Mindestbetrag zum Leben verbleiben. Anhand des pfändbaren Nettoeinkommens und der Anzahl der Unterhalsverpflichtungen des Schuldners ermittelt der Drittschuldner nun in der amtlichen Tabelle lt. § 850c ZPO, welcher Betrag konkret gepfändet werden kann.

Feststellung der Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners

Der Arbeitgeber (Drittschuldner) stellt die Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers fest: Für das Ablesen des pfändbaren Betrages in der amtlichen Pfändungstabelle werden die Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners benötigt, um die entsprechenden Werte in der zutreffenden Spalte der Tabelle ablesen zu können.

Welche Personen gegenüber kann der Arbeitnehmer Unterhaltsverpflichtungen haben:

  • Ehegatten und früheren Ehegatten
  • Lebenspartner bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 5 LPartG)
  • Verwandte in gerader Linie (Kinder, Enkelkinder, Eltern, Großeltern, eigenes nicht eheliches Kind)
  • Nichteheliche Mutter nach der Geburt gemäß §§ 1615, 1615n BGB

Keine Unterhaltsverpflichtungen bestehen nach ZPO:

  • Stief- oder Pflegekinder, auch wenn sie im Haushalt des Arbeitnehmers leben und von ihm unterhalten werden
  • Lebensgefährten bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
  • Geschwister
  • Schwiegereltern
  • Unterhaltsrenten für bei Unfällen Verletzte

Dem Arbeitgeber obliegt größtmögliche Sorgfaltspflicht bei der Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers. Ein Anhaltspunkt hierfür können die Lohnsteuermerkmale (Lohnsteuerklasse, Kinderfreibeträge) sein. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Steuerklasse und die Kinderfreibeträge keine Aussage über die tatsächlichen familiären Verhältnisse treffen, sondern nur über die steuerlichen.

Deshalb sollte sich der Arbeitgeber die Unterhaltsverpflichtungen von seinem Arbeitnehmer schriftlich nachweisen lassen.

Teillohnzahlungszeiträume

Heute wird in der Regel eine Monatsvergütung an den Arbeitnehmer gezahlt. Das heißt, dass der pfändbare Einkommensteil nach der Monatstabelle zu ermitteln ist, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer der seine Vergütung monatlich erhält, nicht für den vollen Kalendermonat Arbeitseinkommen bezieht. Sowohl der Wortlaut des § 850c Abs. 1 ZPO wie auch die amtliche Pfändungstabelle unterscheiden zwischen monatlicher, wöchentlicher und täglicher Lohnzahlung.

Haftung des Arbeitgebers

Nach rechtswirksamer Zustellung des Lohnpfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch den zuständigen Gerichtsvollzieher haftet der Arbeitgeber (Drittschuldner) so, als wenn er die pfändbaren Einkommensteile selbst dem Gläubiger schulden würde.

Insbesondere haftet der Drittschuldner (Arbeitgeber) für die fristgerechte und korrekte Abgabe einer Drittschuldnererklärung gegenüber dem Gläubiger. Des Weiteren haftet er für die korrekte Ermittlung des pfändbaren Nettoentgeltes und die Abführung des Pfändungsbetrages an den Gläubiger.