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Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis
Auch für Arbeitnehmer, die bei Zahlung des sonstigen Bezugs nicht mehr beim Arbeitgeber beschäftigt sind, wird für die Lohnsteuerberechnung des sonstigen Bezugs dennoch eine steuerlich elektronische Einordnung benötigt. Deshalb ist zu unterscheiden, ob der Arbeitnehmer beim Zufluss des sonstigen Bezugs nicht mehr arbeitet oder ob er bei einem anderen Arbeitgeber in einem Dienstverhältnis steht.
Keine weitere Beschäftigung
Ist der Arbeitnehmer zum Zahlungszeitpunkt nicht bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt, so hat der frühere Arbeitgeber mit den elektronischen Daten anzufordern. In diesem Fall erfolgt die Lohnsteuerermittlung für den sonstigen Bezug nach den Merkmalen dieser Daten und den allgemeinen Regelungen. Der voraussichtliche Jahresarbeitslohn ist dann aufgrund der Angaben des Arbeitnehmers zu ermitteln. Macht der Arbeitnehmer keine Angaben, ist ggf. der bei einem früheren Arbeitgeber zugeflossene Arbeitslohn auf einen Jahresbetrag hochzurechnen.
Die zuvor beschriebene Hochrechnung ist nicht erforderlich, wenn mit dem Zufließen von weiterem Arbeitslohn im Laufe des Kalenderjahres, z.B. wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers, nicht zu rechnen ist.
Weiteres Beschäftigungsverhältnis
Bezieht der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung des sonstigen Bezugs von einem anderen Arbeitgeber Arbeitslohn, so hat er seinem früheren Arbeitgeber für die Besteuerung des sonstigen Bezugs die Möglichkeit der elektronischen Daten für das 2. Dienstverhältnis zu verschaffen. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber den voraussichtlichen Jahresarbeitslohn des Arbeitnehmers nicht zu berücksichtigen. Die Lohnsteuer ist allein für den sonstigen Bezug nach der Jahreslohnsteuer-Tabelle zu ermitteln.
Für sonstige Bezüge, z. B. Abfindungen, die nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis geleistet werden, sind der Lohnsteuerermittlung die ELStAM zugrunde zu legen, die am Ende des Kalendermonats des Zuflusses Gültigkeit haben. Hierfür hat der Arbeitgeber neue ELStAM aus der Datenbank anzufordern und abzurufen. Dies ist die Steuerklasse VI, wenn bereits ein neues Beschäftigungsverhältnis aufgenommen wurde. Die Steuerklasse VI gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in diesen Fällen eine erneute Anmeldung des Arbeitnehmers unterlässt.
Gleiches gilt für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer keine Angaben gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber macht, ob dieser die ELStAM als Haupt- oder Nebenarbeitgeber abrufen darf. In diesen Fällen sollte der Abruf der ELStAM als Nebenarbeitgeber erfolgen (Konsequenz: Steuerklasse VI).
Ermöglicht es der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber indes schuldhaft nicht, die Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) abzurufen, ist die Lohnsteuer für den sonstigen Bezug ebenfalls nach der Steuerklasse VI zu ermitteln.
Entlassungsabfindung und Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis
In der Vergangenheit war die Entlassungsabfindung teilweise gemäß § 3 Nr. 9 EStG a.F. steuerfrei. Die Steuerbefreiung ist jedoch seit dem 01.01.2006 weggefallen. Ungeachtet des Wegfalls der Steuerfreiheit von Abfindungen können diese bei Vorliegen der unten aufgeführten Voraussetzungen nach der sog. „Fünftelregelung“ ermäßigt besteuert werden.
Da der Einkommensteuertarif progressiv gestaltet ist, steigt mit wachsendem Einkommen auch der Steuersatz. Fließen Einnahmen statt auf mehrere Jahre verteilt als Einmalzahlungen in einem Kalenderjahr zu, ergeben sich deshalb steuerliche Nachteile. Zum Ausgleich dieser Nachteile werden außerordentliche Einkünfte einheitlich mit einem ermäßigten Steuersatz nach, der so genannten „Fünftelregelung“ besteuert. Betroffen sind insbesondere folgende Arbeitslohnzahlungen:
- Außerordentliche Einkünfte, z.B. Abfindungen und Entschädigungen für entgangene oder künftig entgehende Einnahmen (Entlassungsabfindung)
- Arbeitslohnzahlungen für mehrere Jahre (Jubiläumszuwendungen).
Anwendung der Fünftelregelung
Nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1a EStG) müssen für Anwendungen der Fünftelregelung folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Abfindung (Entschädigung) für entgangene oder entgehende Einnahmen und
- Außerordentliche Einkünfte.
Abfindung (Entschädigung)
Die Auflösung des Dienstverhältnisses muss für den Arbeitnehmer unfreiwillig sein, d.h., ohne oder gegen seinen Willen erfolgen. Hat der Arbeitnehmer an der Auflösung des Dienstverhältnisses mitgewirkt, liegt nur dann eine begünstigte Entschädigung vor, wenn er unter einem erheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat. Aufgrund der Rechtsprechung sind auch Abfindungen, die bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, als Entschädigung anzusehen, wenn die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst wird. Keine Entschädigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt, das schädigende Ereignis also selbst herbeiführt. Er wird dann aber auch nur sehr selten eine Abfindung erhalten.
Hinweis
BFH, Urteil v. 13.03.2018 - IX R 16/17; veröffentlicht am 11.07.2018
„Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, sind tatsächliche Feststellungen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer dabei unter tatsächlichem Druck stand, regelmäßig entbehrlich.“
Außerordentliche Einkünfte
Die bei außerordentlichen Einkünften erforderliche „Zusammenballung“ ist nach dem sog. Abfindungs-Erlass des Bundesministeriums der Finanzen in zwei Schritten zu prüfen:
- Prüfung: Die Entschädigung muss insgesamt innerhalb eines Kalenderjahres zufließen.
Hinweis
Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Abfindung innerhalb ein und desselben Kalenderjahres in einem Betrag oder in mehreren Teilbeträgen gezahlt wird.
Die Finanzverwaltung geht aus Vereinfachungsgründen von einer unschädlichen Teilleistung aus, wenn die geringfügige Zahlung in einem anderen Kalenderjahr nicht mehr als 10% der Hauptleistung beträgt.
- Prüfung: Die Abfindung / Entschädigung übersteigt den bis zum Jahresende wegfallenden Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezogen hätte.
Übersteigt die Abfindung / Entschädigung den bis zum Jahresende weggefallenen Arbeitslohn nicht, ist eine weitere Prüfung erforderlich:
Dazu ist die Abfindung / Entschädigung mit dem im Kalenderjahr bezogenen und dem voraussichtlich noch zu zahlenden Arbeitslohn zusammenzurechnen.
Liegt der so ermittelte Betrag über dem Jahresarbeitslohn, den der Arbeitnehmer bei ungestörter Fortsetzung des Dienstverhältnisses insgesamt bezogen hätte, liegt ebenfalls eine Zusammenballung im Sinne des § 34 EStG vor.
Hinweis
Weil der Jahresarbeitslohn bei vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses regelmäßig unbekannt ist, wird der Jahresarbeitslohn des Vorjahres herangezogen.
Vergleichsberechnung
Diese im sog. Abfindungs-Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vorgeschriebene Vergleichsberechnung wird im Veranlagungsverfahren nach Ablauf des Kalenderjahres vom Finanzamt anhand der Einkünfte des Arbeitnehmers vorgenommen, wobei alle Einkünfte des Arbeitnehmers aus sämtlichen Einkunftsarten berücksichtigt werden.
Vereinfachungen für die Arbeitgeber
Da dem Arbeitgeber eine Ermittlung der Einkünfte nicht zugemutet werden kann ist im Abfindungs-Erlass zugelassen worden, dass der Arbeitgeber die Vergleichsberechnung anhand der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, das heißt nach dem Bruttoarbeitslohn vornehmen kann. Außerdem kann er andere Einkünfte des Arbeitnehmers aus anderen Einkunftsarten ebenso außer Betracht lassen, wie Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer nach der Entlassung von einem anderen Arbeitgeber gezahlt wird. In die Vergleichsberechnung anhand des Bruttoarbeitslohns sind auch folgende Beträge mit einzubeziehen:
- die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden steuerfreien Lohnersatzleistungen (z.B. das Kurzarbeitergeld),
- die pauschalbesteuerten Arbeitgeberleistungen.
Verhältnisse des Vorjahres und BFH-Urteil
Der Bundesfinanzhof lehnt es aber ab, ausschließlich auf die Verhältnisse des Vorjahres abzustellen, wenn die Einnahmesituation durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für einen unterstellten normalen Verlauf bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen.
Im Streitfall hatte der als Anlageberater tätige Arbeitnehmer im Jahr vor seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine ungewöhnlich hohe Provision erhalten, die auf einem besonders hohen Anlagebetrag eines Neukunden beruhte. Ein Abstellen ausschließlich auf das Vorjahr hätte daher dazu geführt, dass die Abfindung mangels Zusammenballung von Einkünften nicht nach der Fünftelregelung zu besteuern gewesen wäre. Der Bundesfinanzhof hat es daher nicht beanstandet, dass das Finanzgericht im Streitfall auf die Verhältnisse der letzten drei Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abgestellt und nach dieser Durchschnittsberechnung die Fünftelregelung gewährt hat (BFH-Urteil vom 27.1.2010, BStBl. 2011 II S. 28).
Die Finanzverwaltung folgt der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Anwendung der Fünftelregelung beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber
Beim Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber richtet sich die Anwendung der Fünftelregelung nach § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Fünftelregelung anzuwenden, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
Ein Antrag des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich.
Allerdings muss der Arbeitgeber in der Lage sein, die für eine Anwendung der Fünftelregelung erforderlichen Voraussetzungen zu überprüfen. Beim Erfordernis der „Zusammenballung von Einkünften“ kann dies schwierig sein, wenn sich allein aus der Beurteilung der dem Arbeitgeber bekannten Arbeitslöhne noch keine Zusammenballung von Einkünften ergibt. Denn der Arbeitgeber kann zwar die übrigen Einkünfte des Arbeitnehmers in die Beurteilung der Zusammenballung der Einkünfte mit einbeziehen, verpflichtet ist er hierzu allerdings nicht.
Für den Arbeitgeber ergibt sich hiernach zur Anwendung der Fünftelregelung folgende Vorgehensweise:
- Kann der Arbeitgeber anhand der von ihm gezahlten Arbeitslöhne erkennen, dass die Abfindung zusammen mit dem übrigen Arbeitslohn zu einer Zusammenballung von Einkünften führt, so ist er gesetzlich verpflichtet, die Fünftelregelung anzuwenden, ohne dass es eines Antrages des Arbeitnehmers bedarf.
- Ergibt sich eine Zusammenballung von Einkünften nur unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte des Arbeitnehmers, so kann der Arbeitgeber die Fünftelregelung anwenden, wenn ihm der Arbeitnehmer diese Einkünfte mitteilt, das heißt, der Arbeitnehmer muss die Anwendung der Fünftelregelung beim Arbeitgeber beantragen.
Hinweis
- Der Arbeitgeber darf also die Fünftelregelung nur dann anwenden, wenn die hierfür erforderliche Vergleichsberechnung zweifelsfrei ergeben hat, dass eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt.
- Aus Vereinfachungsgründen kann der Arbeitgeber die Vergleichsberechnung anhand der Einnahmen (anstelle der Einkünfte) vornehmen. Dies wurde im sog. Abfindungs-Erlass des Bundesministeriums der Finanzen ausdrücklich klargestellt.
Aufzeichnungs- und Bescheinigungspflichten bei Abfindungen
Im Lohnkonto ist der nach der Fünftelregelung ermäßigt besteuerter Betrag gesondert einzutragen.
Eintragungen bei ermäßigter Besteuerung:
Bei der Bescheinigung des Bruttoarbeitslohns in Zeile 3 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung ist darauf zu achten, dass in dem dort bescheinigten Bruttoarbeitslohn eine ermäßigt besteuerte Entlassungsentschädigung nicht enthalten sein darf.
Die ermäßigt besteuerte Entlassungsentschädigung ist vielmehr in Zeile 10 und die hierauf entfallenden Steuerabzüge in den Zeilen 11 bis 14 der Lohnsteuerbescheinigung einzutragen.
Eintragungen bei nicht ermäßigter Besteuerung:
Hat der Arbeitgeber eine Entlassungsabfindung nicht ermäßigt besteuert, weil die Vergleichsberechnung mangels Kenntnis der übrigen Einkünfte oder Einnahmen des Arbeitnehmers zu keiner Zusammenballung von Einkünften führt, so muss der Arbeitgeber die Entlassungsabfindung in Zeile 19 der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung eintragen. Aufgrund der Eintragung in Zeile 19 kann der Arbeitnehmer die ermäßigte Besteuerung noch nachträglich im Veranlagungsverfahren beantragen.
Vertiefungsvideos
Abschließend ein Video zum Prüfungsschema der Abfindung, sowie ein Beispiel zur Beurteilung von Abfindungen.