Hallo Zusammen,
letztes Jahr um diese Zeit hat es mich brennend interessiert, wie die Kandidaten fürs Examen 2021 ihre ersten Klausuren geschrieben haben, ob sie für mich eventuell einen Leitfaden haben. Hierzu habe ich viele Steuerberater-AnwärterInnen befragt und natürlich bis ins Detail mit Fragen durchlöchert. Aber ich muss ganz ehrlich gestehen – keiner der Befragten hat mir „den Königsweg“ beschreiben können. Sie selber wussten nicht mehr, wie sie die ersten Klausuren gemeistert hatten. Ich bekam Antworten wie „Du musst einfach nach dem richtigen Paragraphen suchen, auf „Schlagworte“ achten, Dich Paragraph für Paragraph durcharbeiten oder in die Lösung kurz schauen, um weiterschreiben zu können“. Das alles hat mich einfach nicht zufrieden gestellt, ganz im Gegenteil. Ich war schon zu Beginn meiner „inoffiziellen“ Vorbereitung ziemlich frustriert. Ich hatte ziemlich Angst vor den ersten Kurzklausuren, die ich ab September 2021 bis Dezember 2021 schreiben und an den Kursanbieter schicken sollen, um diese korrigiert zu erhalten. Ich wusste, dass ich bis dahin noch ungefähr drei Monate Zeit hatte, also musste ich mir „meinen eigenen Königsweg“ zurechtlegen.
Nach langem überlegen, bin ich auf die Idee gekommen, dass ich alte Kurzklausuren schreiben könnte. Aber wie sollte ich denn die erste Klausur schreiben? Ich hatte doch bisher keine einzige Klausur geschrieben, geschweige denn eine Klausurlösung nachgearbeitet (wobei ich damals auch nicht mal wusste, was jeder mit „Nacharbeit“ meinte).
Im Folgenden werde ich Euch kurz erläutern, wie ICH meine ersten Kurzklausuren geschrieben habe, nicht wie man die ersten Klausuren schreiben sollte, aber durchaus so angehen könnte. Dies ist lediglich ein gut gemeinter Tipp an die Steuerberater-AnwärterInnen, die im Oktober 2023 ff. das Examen bestreiten werden, die genau wie ich den Kopf über die ersten Klausuren zerbrechen werden. Diese Lösung war tatsächlich, rückblickend betrachtet, die beste Lösung für mich. Ziel war es nicht die ersten Klausuren mit Bravour zu meistern, sondern das „richtige Werkzeug“ für mich zurechtzulegen.
Wie habe ich angefangen?
Ich habe 18 alte Kurzklausuren mit Lösungen geschrieben. Im ersten Schritt habe ich mir den Sachverhalt zwei Mal durchgelesen. Beim ersten Lesen habe ich noch keine Markierungen vorgenommen, sondern nur gelesen. Beim zweiten Lesen habe ich dann angefangen die ersten Markierungen vorzunehmen. Erst im dritten Schritt habe ich die Aufgabenstellung gelesen (heute weiß ich natürlich, dass ich zuerst die Aufgabenstellung/Hinweise zum Sachverhalt lesen muss und so dann den Sachverhalt ;-)). Und zu guter Letzt habe ich mir die Langlösung der Klausuren in die Hand genommen und mit der Bearbeitung, die jedoch zugleich auch eine Art Nacharbeit war, begonnen. Anfangs habe ich, beispielsweise im AO- und ErbSt-Teil, tatsächlich die Einleitungssätze 1:1 abgeschrieben (ohne diese kürzer zu fassen!), um so die „Standard-Sätze“ sowie Fußgängerpunkte verinnerlichen können. Zum Ende hingegen habe ich dann nur noch stichpunktartig die Lösung erarbeitet.
Intensive Nacharbeit der Klausuren
Nach den ersten Klausuren war ich total platt und natürlich frustriert, da ich so viel neues in meiner Festplatte habe speichern müssen und vieles nicht verstanden habe, auch nicht mit der Langlösung. Ich habe mir die Klausuren nach den Examenstagen aufgeteilt, d. h. ich habe zuerst nur Klausuren zur gemischten Klausur „geschrieben“, ich würde sagen eher „weitestgehend in eigenen Worten zusammengefasst“. Während ich die Klausur nur mit der Langlösung erarbeitet habe, habe ich natürlich meine roten Backsteine markiert, das Gesetz gelesen und versucht zu verstehen (mit dem Anwendungserlass sowie Lehrbüchern). Mit jeder erarbeiteten Klausur wusste ich, z. B. in Verfahrensrecht, wie ein Einspruch zu prüfen war, wie diverse Aufgabenstellungen lauten könnten, welche Paragraphen-Ketten ich zu zitieren hatte, was in der Klausur markiert werden musste. Die Klausuren enthielten immer wieder unnütze Informationen, die uns Klausurenbearbeiter verwirren sollten. Mit diesen ersten Kurzklausuren habe ich gelernt, mich auf die wichtigsten Informationen zu fokussieren. Auch heute, markiere ich weiterhin unnütze Informationen, die mich natürlich hin und wieder durcheinander bringen bzw. ich dadurch den falschen Weg einschlage. Das ist auch völlig in Ordnung, denn bis zum Examen im Oktober 2022 werde ich noch einige Klausuren schreiben und ganz wichtig – intensiv nacharbeiten.
Um die Klausurtechnik-/Taktik zu verfestigen, werde ich ab Juli die examio-Intensivkurse zur AO, ErbSt, USt, BilStR sowie ErtragSt online, belegen und noch einige examensrelevante Klausuren ab Juli schreiben und im September online besprechen.
Klassische Intensivkurse oder Examenskurse, bei denen jeden Tag Klausuren zu schreiben sind, über einen Zeitraum von drei Wochen und länger, werde ich nicht besuchen, da ich hiervon nicht viel halte. Diese Kurse enden kurz vor dem Examen, so dass keine Zeit mehr für die Nacharbeit bleibt. Eine Klausur ohne Nacharbeit ist keine geschriebene Klausur. Ich sage immer: Qualität vor Quantität.
Rückblickend war dieser Weg für mich der perfekte Einstieg in die Welt der Klausuren. Genau diese Vorgehensweise habe ich ab Mitte Dezember 2021 bis Mitte Februar 2022 mit den ersten 6-Stunden-(Alt)Klausuren wiederholt, so dass ich schon einige Problemstellungen gesehen und mir anhand der Langlösung erarbeitet hatte. Somit war der Einstieg, zumindest in der gemischten Klausur, nicht allzu frustrierend Übrigens habe ich während dessen, also im Juni 2021, noch einen Klausurtechnik-Kurs belegt gehabt, der mir leider nicht weitergeholfen hat. Erst mit dem Klausurtechnik-Kurs von examio habe ich weitere Klausurtechnik-/Taktik-Lücken schließen können.
Eure Gamze
Wer schreibt hier?
Gamze Sezer ist Steuerberater-Anwärterin 22/23 und Teilnehmerin bei steuerkurse.de. Gamze lebt in München und arbeitet dort bei WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH im Bereich Corporate Tax. Nach Ihrem Wirtschaftsrechts-Studium hat sie zuvor 5 Jahre bei Deloitte gearbeitet.