In der komplexen Welt der Steuerberatung stellt das Steuerberaterexamen einen entscheidenden Meilenstein dar, der den Übergang von der Ausbildung in die professionelle Praxis markiert. Doch nicht immer verläuft dieser Weg ohne Hindernisse. Der vorliegende Artikel widmet sich dem Überdenkungsverfahren und den Möglichkeiten einer Klage im Zusammenhang mit dem Steuerberaterexamen. Wir werden sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch praktische Erwägungen betrachten, die Kandidaten in Erwägung ziehen sollten, wenn sie mit unerwarteten Ergebnissen konfrontiert werden.
Die Anforderungen der Steuerberaterprüfung sind hoch, und ein Erstbestehen ist eher die Ausnahme als die Regel. Dennoch ist es für Prüflinge wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen und, falls nötig, einen erneuten Anlauf zu nehmen.
Es ist von zentraler Bedeutung, nach einem Prüfungsversuch die eigenen Ergebnisse zu überprüfen. Dies hilft nicht nur dabei zu erkennen, wo Fehler passiert sind oder wo Zeitmanagementprobleme bestanden, sondern auch zu verstehen, wie diese behoben wurden. Durch das Verstehen der Korrekturen können Kandidaten ihre Vorbereitungsstrategien optimieren.
Wenn Kandidaten Mängel in der Bewertung ihrer Prüfung feststellen, steht ihnen der Weg des Überdenkungsverfahrens offen. In gravierenden Fällen können sie auch eine gerichtliche Überprüfung durch das Finanzgericht in Erwägung ziehen.
Klausureinsicht
Wenn Sie Ihre Prüfungsergebnisse einsehen möchten, sollten Sie zunächst einen Termin mit der zuständigen Steuerberaterkammer koordinieren. Es empfiehlt sich, die Prüfungsinhalte im Vorfeld nochmals zu rekapitulieren.
Während der Prüfungseinsicht ist es essenziell, sicherzustellen, dass alle Bewertungskriterien korrekt zusammengefasst wurden. Fehler können insbesondere bei der Übertragung von Bewertungen zwischen dem ersten und zweiten Korrektor vorkommen.
Es ist zu beachten, dass Begleitpersonen in vielen Steuerberaterkammern nicht gestattet sind. Es ist ratsam, dies im Voraus zu klären. Auch wenn das Erstellen von Kopien oder das Fotografieren der Prüfungsunterlagen in der Regel nicht erlaubt ist, kann es Ausnahmen geben. Das Anfertigen von Notizen ist jedoch meistens gestattet.
In den meisten Fällen steht Ihnen für die Prüfungseinsicht ein Zeitfenster von zwei Stunden zur Verfügung. Allerdings können manche Kammern flexibel sein und Ihnen bei Bedarf mehr Zeit einräumen. Es kann von Vorteil sein, diesbezüglich beharrlich nachzufragen.
Überdenkungsverfahren nach § 29 DVStB
Wenn Prüflinge einen negativen Prüfungsbescheid erhalten, können sie gemäß § 29 DVStB binnen eines Monats ein Überdenkungsverfahren ohne Kosten einleiten. Allerdings erfordert dies detaillierte und gut begründete Argumente. Generelle Unzufriedenheit ist unzureichend; stattdessen müssen spezifische Beispiele, wie die Konformität mit der Standardlösung oder Hinweise auf relevante BMF-Dokumente, angeführt werden.
Es ist essentiell zu verstehen, dass die Prüfer im Rahmen des Überdenkungsverfahrens nicht unbedingt an die vorgebrachten Argumente gebunden sind. Sie sind berechtigt in diesem Prozess Punkte abziehen, falls sie der Meinung sind, dass die Bewertung zu milde war. Es ist wichtig zu unterstreichen, dass dieses Verfahren die Gültigkeit des ursprünglichen Bescheids nicht aufhebt. Sollte das Überdenkungsverfahren mehr als einen Monat in Anspruch nehmen, besteht keine Möglichkeit mehr, vor dem Finanzgericht Klage zu erheben. Deshalb ist beim Einreichen von Argumenten und Einwänden größte Sorgfalt geboten.
Folgend der exakte Wortlaut des § 29 DVStB:
§ 29 Überdenken der Prüfungsbewertung
"(1) Die Prüfer sind verpflichtet, ihre Bewertung der Prüfungsleistungen zu überdenken, wenn dies von einem Bewerber, der die Prüfung nicht bestanden hat, mit begründeten Einwendungen bei der zuständigen Steuerberaterkammer schriftlich beantragt wird und die Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung noch nicht bestandskräftig ist. Die Frist zur Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 47 der Finanzgerichtsordnung wird dadurch nicht berührt.
(2) Das Ergebnis des Überdenkens teilt die zuständige Steuerberaterkammer dem Antragsteller schriftlich mit."
Klage zum Finanzgericht
Nachdem ein negativer Prüfungsbescheid vorliegt, starten gleichzeitig zwei unterschiedliche Fristen: Innerhalb eines Monats kann das Überdenkungsverfahren beantragt oder eine Klage beim Finanzgericht eingereicht werden.
Eine Klageeinreichung verursacht Kosten. Üblicherweise liegt der Streitwert bei 25.000,00 Euro. Dabei fallen Gebühren in Höhe von 1.644,00 Euro (4,0) oder 822,00 Euro (2,0) im Falle einer Klagerücknahme an. Es können zudem weitere Kosten für einen Anwalt oder Steuerberater entstehen.
Für eine erfolgreiche Klage sind gut begründete Argumente nötig, ähnlich wie im Überdenkungsverfahren. Das Gericht hat das Recht, sämtliche Aspekte gründlich zu prüfen, einschließlich der Bewertungskriterien und der Einhaltung aller Verfahrensregeln durch die Prüfungskommission. Allerdings bleibt das sogenannte "Prüferermessen" in bestimmten, prüfungsrelevanten Szenarien bestehen und unterliegt der Beurteilung des Prüfers. Eine eingereichte Klage hat zudem zur Folge, dass sich die endgültige Entscheidung verzögert.
Es empfiehlt sich daher, die Prüfungsergebnisse zu Beginn genau anzusehen. Parallel dazu sollte man mit der zuständigen Steuerberaterkammer klären, ob neben der Klage auch das Überdenkungsverfahren in Erwägung gezogen werden sollte.
Fazit
Das Überdenkungsverfahren bietet Prüflingen, die mit ihrem Prüfungsbescheid nicht einverstanden sind, eine erste und kostenfreie Möglichkeit zur Neubewertung ihrer Ergebnisse. Es erfordert jedoch fundierte und präzise Einwendungen, wobei allgemeine Unzufriedenheit nicht ausreichend ist. Konkrete Beispiele und Anhaltspunkte sind hierbei von entscheidender Bedeutung.
Sollte das Überdenkungsverfahren nicht zum gewünschten Erfolg führen, steht als nächste Instanz das Klageverfahren beim Finanzgericht offen. Dieser Schritt ist mit Kosten verbunden und erfordert eine ebenso detaillierte Argumentation. Das Gericht prüft hierbei sämtliche Aspekte des Falles, wobei das Ermessen des Prüfers in bestimmten Situationen bestehen bleibt.
In beiden Verfahren ist eine sorgfältige Vorbereitung und Kenntnis der geltenden Verfahrensregeln und Bewertungskriterien unerlässlich. Es empfiehlt sich, rechtzeitig alle notwendigen Schritte zu unternehmen, und bei Bedarf professionelle Unterstützung, beispielsweise durch einen Anwalt oder Steuerberater, in Anspruch zu nehmen. Beide Verfahren bieten die Chance, das Prüfungsergebnis nochmals kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls korrigieren zu lassen, jedoch sollte man sich der Herausforderungen und Anforderungen, die sie mit sich bringen, bewusst sein.