Kursangebot | Volkswirtschaftslehre (Mündliche Prüfung) | Die Europäische Zentralbank

Volkswirtschaftslehre (Mündliche Prüfung)

Die Europäische Zentralbank

Die Europäische Zentralbank

Einführung, Aufgaben und Ziele

Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein Organ der Europäischen Union.

 

Sie ist die 1998 gegründete gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion und bildet mit den nationalen Zentralbanken (NZB) der EU-Staaten das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).

 

Die Arbeit und die Aufgaben der EZB wurden erstmals im Vertrag von Maastricht 1992 festgelegt; seit dem Vertrag von Lissabon 2007 besitzt sie formal den Status eines EU-Organs (Art. 13 EU-Vertrag). Die wichtigsten Bestimmungen zu ihrer Funktionsweise finden sich in Art. 282 ff. AEU-Vertrag; ihre Satzung ist dem Vertrag als Protokoll Nr. 4 angehängt. Im November 2014 wurde die EZB zusätzlich mit der Aufsicht systemrelevanter Banken im Euro-Raum unter dem einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) betraut. Die EZB ist eine supranationale Institution mit eigener Rechtspersönlichkeit.

 

Von 1998 bis 2014 war der Frankfurter Eurotower Sitz der Europäischen Zentralbank. Im November 2014 wurde der Sitz in den Neubau der Europäischen Zentralbank verlegt. Dieser wurde am 18. März 2015 unter Protesten, die von schweren Ausschreitungen begleitet waren, nach vier Jahren Bauzeit im Frankfurter Stadtteil Ostend eröffnet.

 

 

Aufgaben der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)

 

Mit der Gründung der EWG erfolgte die Errichtung eines gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik. Aufgaben der Gemeinschaft sind:

 

  • eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft,
  • eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung,
  • eine größere Stabilität,
  • eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und
  • die Förderung engerer Beziehungen zwischen den Staaten.

 

Die Römischen Verträge legten die Mitgliedsländer der EWG auf die Bildung einer Zollunion und die Durchführung einer gemeinsamen Handelspolitik nach außen fest. Die beteiligten Staaten verzichteten damit darauf eine wichtige wirtschaftspolitische Kompetenz nationaler Souveränität zugunsten der übergeordneten Ebene der EWG.

 

Euro-Währungsgebiet

 

Das Euro-Währungsgebiet entstand, wie im Maastrichter Vertrag von 1992 vorgesehen, als zum 1. Januar 1999 von elf nationalen Zentralbanken die Zuständigkeit für die Geldpolitik auf die Europäische Zentralbank (EZB) übertragen wurde. Dadurch kam es für diese Eurozone zu einer unwiderruflichen Verlagerung der geldpolitischen Kompetenz auf die EZB.

 

Mitglieder der Eurozone

 

Von den derzeit 27 EU-Mitgliedern (Stand März 2023) gehören mittlerweile 20 Länder der Eurozone an. Die nationalen Zentralbanken dieser Länder bilden zusammen mit der EZB das sog. „Eurosystem“. Sieben weitere EU-Länder sind der Eurozone (noch) nicht beigetreten.

 

Ziel der EZB

 

Das vorrangige Ziel der EZB nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die Gewährleistung von Preisstabilität. Das bedeutet, dass die Preise nicht übermäßig steigen (Inflation) und auch anhaltende Phasen fallender Preise (Deflation) vermieden werden sollen.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die EZB eine quantitative Definition von Preisstabilität entwickelt. Die jährliche Inflationsrate soll demnach auf mittlere Sicht unter, aber nahe bei 2 % liegen – gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI).

 

Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist, unterstützt die EZB auch die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft.

 

Aufgaben der EZB

 

Die grundlegenden Aufgaben der EZB bestehen darin, die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten sowie das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern.

Die Zwei-Säulen-Strategie

Preisstabilität

Das System der EZB soll nicht korrigierend auf festgestellte Änderungen des Verbraucherpreisindex reagieren, sondern vielmehr vorhersehbaren Entwicklungen vorgreifen, welche die künftige Preisstabilität gefährden können. Dieses Vorgehen basiert auf einer ausführlichen Analyse aller verfügbaren Informationen. Dabei orientiert sich die EZB innerhalb ihrer praktischen Geldpolitik grundlegend an der sogenannten Zwei-Säulen-Strategie. Diese basiert auf einer wirtschaftlichen und einer monetären Analyse.

 

Die erste Säule (wirtschaftliche Analyse) bezieht sich auf die Beurteilung der kurz- bis mittelfristigen Bestimmungsfaktoren der Preisentwicklung. Ihr Schwerpunkt liegt auf der realwirtschaftlichen Entwicklung und auf der Finanzlage. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass die Preisentwicklung weitgehend vom Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage an den Güter-, Dienstleistungs- und Faktormärkten beeinflusst wird.

 

Bei dieser Analyse überprüft die EZB unter anderem regelmäßig die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion, der Nachfrage und der Arbeitsmarktbedingungen, eine breite Palette von Preis- und Kostenindikatoren, die Finanzpolitik, die Zahlungsbilanz für das Euro-Währungsgebiet und die Preise für Vermögenswerte.

 

Die zweite Säule der geldpolitischen Strategie der EZB, die monetäre Analyse, macht sich den langfristigen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation zunutze und dient insbesondere der Gegenprüfung der kurz- bis mittelfristigen Hinweise, die sich aus der wirtschaftlichen Analyse für die Geldpolitik ableiten lassen. Sie besteht in einer sorgfältigen Analyse der Geldmengenentwicklung zur Beurteilung der Auswirkungen dieser Entwicklungen auf Inflation und Wirtschaftswachstum.

 

Die erste Säule der geldpolitischen Strategie ist eine breit fundierte Beurteilung der Aussichten für die Preisentwicklung und der Risiken für die Preisniveaustabilität im Euro-Währungsraum anhand einer Vielzahl von Indikatoren für die zukünftige Preisentwicklung. Damit sollen insbesondere solche Faktoren erfasst werden, die sich normalerweise auf kürzere Sicht auf die Preisentwicklung auswirken.

 

Unter anderem umfassen diese Faktoren die Löhne, den Wechselkurs, die Anleihekurse und die Zinsstrukturkurve, ferner verschiedene Messgrößen für die reale Wirtschaftstätigkeit, fiskalpolitische Indikatoren, Preis- und Kostenindizes sowie Branchen- und Verbraucherumfragen.

 

Zweimal jährlich wird von Mitarbeitern der Zentralbanken im Eurosystem eine gesamtwirtschaftliche Projektion erarbeitet. Diese Projektionen sollen eine Plattform für eine schlüssige Integration der Wirtschaftsanalyse bieten, in der sich die bisherigen Erfahrungen und grundlegenden volkswirtschaftlichen Zusammenhänge widerspiegeln.

 

Um die der Geldmenge zugewiesene herausragende Rolle zu unterstreichen, hat der EZB-Rat einen quantitativen Referenzwert für das Geldmengenwachstum als zweite Säule der gesamten stabilitätsorientierten Strategie bekannt gegeben. Dabei wurde die Geldmenge M3 als monetäres Aggregat bestimmt, welches gesteuert werden soll.

Der Referenzwert bezieht sich auf die Wachstumsrate der Geldmenge M3, die als mit dem Ziel der Preisstabilität auf mittlere Frist vereinbar gilt. Als Referenzwert gilt seit 1999 unverändert eine jährliche Wachstumsrate i. H. v. 4,5 %.

 

Die EZB ihre Zielmarke von 4,5 % für das Wachstum der Geldmenge M3 lange Zeit verfehlt. Bis zur Finanzkrise im Jahr 2008 lag das Wachstum des Geldaggregats M3 deutlich über dem Leitwert, nach der Krise sank sie dagegen auf ein Niveau von rd. 2 % ab. Seit dem Jahr 2015 wird der Referenzwert annähernd erreicht.

Geldpolitische Instrumente

Instrumente der Geldpolitik

 

Als drei wesentliche Instrumente der Geldpolitik der EZB sind zu nennen:

 

  • Offenmarktpolitik,
  • Refinanzierungspolitik,
  • Mindestreservepolitik.

 

Offenmarktpolitik

 

Offenmarktgeschäfte sind ein zentrales Instrument der Geldpolitik. Damit wird der Ankauf und Verkauf von Wertpapieren – vorwiegend Staatsanleihen – am allgemein zugänglichen („offenen“) Kapitalmarkt durch die Zentralbanken bezeichnet, wo sie neben privaten Finanzdienstleistern agieren.

 

Möchte die Zentralbank z. B. die Geldmenge erhöhen, kauft sie auf dem Wertpapiermarkt Staatsanleihen an und bezahlt diese mit neu geschöpftem Geld.

Mit Hilfe von offenmarktpolitischen Aktivitäten steuert die Zentralbank Zinssätze und Liquidität am Markt und setzt Signale mit Blick auf ihren geldpolitischen Kurs.

 

Refinanzierungspolitik

 

Mit den Refinanzierungsgeschäften steuert die Zentralbank die Liquidität der Geschäftsbanken in Form von im wöchentlichen Rhythmus angebotenen Krediten. Die Laufzeit dieser Kredite beträgt jeweils eine Woche. Mit der Rückzahlung des Kredites durch die Geschäftsbank ist i. d. R. gleichzeitig die Aufnahme eines neuen Kredits verbunden, da die Geschäftsbanken permanent auf die von der Zentralbank bereit gestellte Liquidität angewiesen sind. Der Zinssatz für die Refinanzierungsgeschäfte wird vom EZB-Rat einheitlich für die gesamte Eurozone festgelegt und ist der wichtigste Leitzins der EZB. Damit beeinflusst die EZB auch den Zinssatz, den die Geschäftsbanken ihrerseits von ihren Kunden verlangen. Mit dem Leitzins gibt die EZB somit dem Markt die entscheidenden Zinssignale bezüglich des geldpolitischen Kurses.

 

EXKURS: „ständigen Fazilitäten“

 

Gegenüber den Refinanzierungsgeschäften liegt die Bedeutung der ständigen Fazilitäten darin, dass die Geschäftsbanken von sich aus jederzeit Liquidität bei der Zentralbank beschaffen und damit Engpässe vermeiden können. Dabei lassen sich zwei Fazilitäten unterscheiden: die

Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität.

 

Über die Spitzenrefinanzierungsfazilität kann sich der Bankensektor zu einem vorgegebenen Zinssatz (gegen die Hinterlegung refinanzierungsfähiger Sicherheiten) bei den nationalen Zentralbanken „über Nacht“ mit Liquidität versorgen. Der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität (marginal lending facility) wird vom EZB-Rat festgelegt und bildet die Obergrenze für den Tagesgeldsatz.

 

Die Einlagenfazilität ist das Gegenstück zur Spitzenrefinanzierungsfazilität. Sie ermöglicht es dem Bankensektor, zu einem festen Zinssatz kurzfristig, d. h. „über Nacht“, überschüssige Liquidität bei den nationalen Zentralbanken anzulegen. Der Zinssatz der Einlagefazilität wird vom EZB-Rat festgelegt und bildet die Untergrenze für den Tagesgeldsatz.

Mit dem Zinssatz für die beiden Fazilitäten errichtet die EZB einen Zinskorridor, der die Zinsschwankungen auf dem Interbanken-Geldmarkt in Grenzen hält. Für beide Fazilitäten existieren im Allgemeinen keine Kredithöchstgrenzen, wenn die Zulassungskriterien erfüllt und die geforderten Sicherheiten hinterlegt worden sind.

 

Bedeutung des Negativzinssatzes

 

Der Zinssatz der Einlagenfazilität liegt seit Juni 2014 erstmals in der Geschichte der EZB im negativen Bereich. Aktuell beträgt er minus 0,5 % und ist ein „Strafzins“ für Einlagen der Geschäftsbanken bei den Zentralbanken. Da die Untergrenze des Tagesgeldsatzes i. d. R. vom Zinssatz der Einlagenfazilität gebildet wird, sind für Bankkunden die Zinsen auf kurzfristige Geldanlagen derzeit sehr niedrig.

 

Instrument der Mindestreserve

 

Durch die Mindestreservepflicht ist jede Geschäftsbank im Euro-Währungsgebiet verpflichtet, einen Mindestbetrag auf ihren Einlagenkonten bei der nationalen Zentralbank anzulegen. Auf diese Weise steuert die EZB die bei den Banken verbleibende freie Geldmenge.

 

Die Höhe der grundsätzlich von jeder Bank zu unterhaltenden Mindestreserve ergibt sich als Produkt einer Mindestreservebasis und eines Mindestreservesatzes. Dieser Mindestreservesatz wurde von der EZB zu Beginn auf 2 % festgesetzt und ab 2012 auf 1 % abgesenkt. Dabei muss die Mindestreserve nicht immer vollständig hinterlegt sein, sondern in zuvor festgelegten Perioden im Durchschnitt erfüllt werden.

 

Sofern eine Geschäftsbank der Hinterlegung ihrer Mindestreserve nicht nachkommt, kann als mögliche Sanktion z. B. der Zugang zu den ständigen Fazilitäten und dem Offenmarktgeschäft ausgesetzt werden.

 

Das Mindestreservesystem erfüllt in erster Linie folgende geldpolitische Funktionen:

 

Stabilisierung der Geldmarktsätze

Die Anforderung, dass die Mindestreserve nicht ständig, sondern im Durchschnitt erfüllt ist, trägt zur Stabilisierung der Geldmarktsätze bei. Kreditinstitute können dadurch die Auswirkungen von zeitweiligen Liquiditätsschwankungen besser ausgleichen.

 

Herbeiführung oder Vergrößerung einer strukturellen Liquiditätsknappheit

Das Mindestreservesystem des Eurosystems erleichtert die Herbeiführung oder Vergrößerung einer strukturellen Liquiditätsknappheit. Dies stärkt die Stellung der EZB als Bereitsteller von Liquidität und erhöht ihre Kontrolle über die Entwicklung der Geldmenge im Allgemeinen.

Wechselkursorientierung

Wechselkursentwicklungen werden von zahlreichen Faktoren direkt und indirekt beeinflusst.

 

Grundsätzlich entscheidend für die Entwicklung der Wechselkurse sind die realwirtschaftlichen Bedingungen. Allerdings kommt es dabei weniger auf den aktuellen Zustand der Volkswirtschaft an als auf die Erwartungen, welche die Marktteilnehmer hegen. Viele Devisenanalysten schauen bei ihren Analysen vor allem auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, den Saldo der Leistungsbilanz und die Frühindikatoren.

 

Die Theorie der Kaufkraftparität erklärt die Schwankungen des Wechselkurses anhand der internationalen Güterströme. Sie besagt, dass das gleiche Produkt auf der ganzen Welt den gleichen Preis haben muss. Andernfalls besteht ein Anreiz, das Produkt in dem Land zu kaufen, in dem es billiger ist. Damit steigt jedoch auch die Nachfrage nach der Währung dieses Landes, die dadurch eine Aufwertung erfährt. Der Wechselkurs passt sich so weit an, bis die Preisunterscheide ausgeglichen sind. In dieser strengen Form ist die Kaufkraftparität in der Realität nie erfüllt, da die betrachteten Güter nicht homogen sind und zudem ein Großteil der Güter nicht gehandelt werden kann (v. a. Dienstleistungen) oder der Handel zusätzliche Kosten verursacht, die den anfänglichen Preisvorteil zunichtemachen. In ihrer abgeschwächten Form besagt die Kaufkraftparität, dass Länder mit einer niedrigen Inflationsrate im Zeitablauf eine Aufwertung ihrer Landeswährung erfahren. Ein gutes Beispiel dafür die Wechselkursentwicklung der Deutschen Mark.

 

Ein weiteres Modell, die Zinsparitätentheorie, erklärt die Schwankungen des Wechselkurses anhand der internationalen Kapitalströme. Sie besagt, dass der Wechselkurs die Zinsdifferenz zwischen Ländern ausgleicht. Wenn die Rendite im Ausland höher ist, dann fließt das Kapital dorthin ab. Die höhere Nachfrage nach der ausländischen Währung lässt den Wechselkurs steigen, bis die Wechselkursdifferenz den Renditevorteil ausgeglichen hat.