Das Bundesministerium der Finanzen aktualisiert sein Schreiben (BMF v. 05.05.2021 IV C 6 - S 2240/19/10003 :017) zur gewinnneutralen Übertragung eines Mitunternehmeranteils vom 20. November 2019 (BStBl 2019 I S. 1291) und passt es an die aktuelle BFH-Rechtsprechung an. Ausschlaggebend dazu war das BFH-Urteil vom 10. September 2020.
Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils
Es geht um die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils ohne das vorhandene funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen, das auf einen Dritten übertragen oder entnommen wird.
Der Bundesfinanzhof hat am 10.9.2020 entschieden, dass im Rahmen des Buchwertprivilegs des § 6 Abs. 3 EStG eine zeitpunktbezogene Prüfung durchzuführen ist. Dabei soll geprüft werden ob das Sonderbetriebsvermögen vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils auf einen Dritten übertragen wird oder entnommen wird.
In zeitlicher Hinsicht genügt ein Abstand von einer juristischen Sekunde zwischen der Veräußerung beziehungsweise Entnahme des Sonderbetriebsvermögens und der darauffolgenden unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils.
Im oben genannten Fall ist die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG für den unentgeltlich übertragenen Mitunternehmeranteil möglich (so auch Randziffer 9a des aktuellen BMF-Schreibens).
Erfolgen beide Übertragungen zeitgleich, also während derselben Sekunde, ist die Buchwertfortführung für den unentgeltlich übertragenen Mitunternehmeranteil nicht möglich (so auch Randziffer 10 des aktuellen BMF-Schreibens).
Denn dann werden nicht alle - zu dem auch das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen gehört - in diesem Zeitpunkt vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des Mitunternehmeranteils unentgeltlich übertragen. Dies führt zu einer tarifbegünstigten Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils, bei der die gesamten stillen Reserven gewinnerhöhend aufzudecken sind (so auch Randziffer 9 des aktuellen BMF-Schreibens).
Sonderfall: Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf Kinder
Schon in seinem bisherigen Schreiben vom 20.11.2019 (damals Randziffer 9) hatte das Bundesministerium für Finanzen eine zeitgleiche Übertragung für schädlich gehalten. Durch das BFH-Urteil vom 10.9.2020 ist nun klargestellt, dass ein zeitlicher Abstand von einer juristischen Sekunde genügt, aber auch absolut notwendig ist.
Wird der gesamte Mitunternehmeranteil einschließlich Sonderbetriebsvermögen unentgeltlich auf das Kind übertragen, ist die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG risikofrei möglich.
Die im aktuellen BMF-Schreiben genannten Probleme entstehen erst dann, wenn das Kind nicht das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen (beispielsweise ein Grundstück) erhalten soll, sondern nur den Mitunternehmeranteil ohne Sonderbetriebsvermögen.
Für die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG ist dann erforderlich, dass die Übertragung in zwei Schritten durchgeführt wird.
- Zuerst muss das Sonderbetriebsvermögen entnommen oder an einen Dritten veräußert werden unter gewinnerhöhender Aufdeckung der stillen Reserven und
- danach wird der Mitunternehmeranteil auf das Kind unentgeltlich nach § 6 Abs. 3 EStG übertragen.
Zwischen beiden Übertragungen muss mindestens eine juristische Sekunde liegen; dabei kommt es in jedem Schritt auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO an.
Detaillierte Anpassungen des BMF-Schreibens vom 20. November 2019
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wurde das BMF-Schreiben vom 20. November 2019 (BStBl I S. 1291) wie folgt geändert:
Randziffer 9 wird wie folgt gefasst:
„Wird im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten und zeitgleich (vgl. hierzu Randziffer 9a) in das Privatvermögen des Übertragenden überführt, ist eine Buchwertfortführung nach § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG nicht zulässig, weil sich das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zum Zeitpunkt der Entnahme noch im Betriebsvermögen des Übertragenden befand und bei einer derartigen Konstellation gerade nicht alle im Übertragungszeitpunkt noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des vorhandenen Betriebs nach § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG übertragen werden (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 29. November 2017, I R 7/16, BStBl 2019 II S. 738).
Es liegt in diesem Fall insgesamt grundsätzlich eine tarifbegünstigte Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils vor (BFH-Beschluss vom 31. August 1995, VIII B 21/93, BStBl II S. 890). Die stillen Reserven im Gesamthandsvermögen und im Sonderbetriebsvermögen sind aufzudecken. § 6 Absatz 3 Satz 2 EStG ist nicht anwendbar, da der Übertragende mit der Übertragung des (gesamten) Anteils am Gesamthandsvermögen nicht mehr Mitunternehmer ist.“
Nach Randziffer 9 wird Randziffer 9a neu eingefügt:
„Bei der Prüfung, ob die Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen und die Ver-äußerung an Dritte oder die Überführung ins Privatvermögen zeitgleich vorgenommen werden, ist auf das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen abzustellen. Hierfür ist eine zeitpunktbezogene Prüfung vorzunehmen, bei der der Zeitpunkt des Über-gangs des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 AO) maßgeblich ist. Es ist unschädlich, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) gesamten Mitunternehmer-anteils eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn es sich nur um eine "juristische Sekunde" handelt (vgl. BFH-Urteil vom 10. September 2020 - IV R 14/18, BStBl 2021 II S. xxx). Randziffer 11 und 12 gelten sinngemäß.“
Randziffer 10 wird wie folgt geändert:
„Die gleichzeitige Anwendung der beiden Buchwertprivilegien nach § 6 Absatz 5 EStG Aus-lagerung von funktional wesentlichem Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen) und § 6 Absatz 3 EStG ist möglich, denn es steht der Anwendung des § 6 Absatz 3 EStG nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Absatz 3 EStG zum Betriebsvermögen/ Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehörende Wirtschaftsgüter zeitgleich nach § 6 Absatz 5 EStG überführt oder übertragen werden (BFH-Urteile vom 2. August 2012, IV R 41/11, BStBl 2019 II S. 715 und vom 12. Mai 2016, IV R 12/15, BStBl 2019 II S. 726).“
Randziffer 13 wird wie folgt gefasst:
„Wird aufgrund einheitlicher Planung zeitlich vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen unter Aufdeckung der stillen Reserven entweder entnommen (z. B. durch unentgeltliche Übertragung auf einen Angehörigen) oder zum gemeinen Wert veräußert, kann der Mitunternehmeranteil gleichwohl nach § 6 Absatz 3 EStG zum Buchwert übertragen werden, sofern es sich bei dem verbleiben-den „Restbetriebsvermögen“ weiterhin um eine funktionsfähige betriebliche Einheit handelt (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2014, IV R 29/14, BStBl 2019 II S. 723). § 6 Absatz 3 EStG ist hier also nur dann anwendbar, wenn funktional wesentliches Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen bereits vor dem Zeitpunkt der Übertragung des Mitunternehmeranteils entweder veräußert oder entnommen wurde. Zeitgleiche Veräußerungen oder Entnahmen sind dagegen - mit Ausnahme von Überführungen und Übertragungen nach § 6 Absatz 5 EStG -für eine Buchwertfortführung nach § 6 Absatz 3 EStG schädlich (siehe hierzu auch Randziffer 9a sowie BFH-Urteile vom 29. November 2017, I R 7/16, BStBl 2019 II S. 738 und vom 10. September 2020 - IV R 14/18, BStBl 2021 II S. xxx).“
Randziffer 19 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Die unter I. dargestellten Grundsätze zur Anwendung der BFH-Urteile vom 2. August 2012 - IV R 41/11 - (BStBl 2019 II S. 715), vom 12. Mai 2016 - IV R 12/15 - (BStBl 2019 II S. 726), vom 9. Dezember 2014 - IV R 29/14 - (BStBl 2019 II S. 723) und vom 10. September 2020 - IV R 14/18 - (BStBl 2021 II S. xxx) zur Übertragung des gesamten Anteils am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft sind bei der Übertragung eines Teils des Anteils am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft entsprechend anzuwenden.“
Randziffer 31 wird wie folgt gefasst:
„Voraussetzung für eine Buchwertübertragung im Sinne des § 6 Absatz 3 Satz 2 EStG ist nicht, dass das zurückbehaltene Sonderbetriebsvermögen dauerhaft zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehört. Denn nach dem BFH-Urteil vom 12. Mai 2016 - IV R 12/15 -(BStBl 2019 II S. 726) entfällt die Buchwertprivilegierung der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils unter Zurückbehaltung eines Wirtschaftsgutes des Sonderbetriebsvermögens nicht deshalb rückwirkend, weil das zurückbehaltene Wirtschaftsgut zu einem späteren Zeitpunkt von dem Übertragenden zum Buchwert nach § 6 Absatz 5 EStG in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wird. Wird Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen aufgrund einheitlicher Planung vor der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen oder der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils entnommen oder unter Aufdeckung der stillen Reserven zum Verkehrswert veräußert, schließt dies eine Buchwertübertragung nach § 6 Absatz 3 EStG nicht aus. Die zeitgleiche Entnahme oder Veräußerung ist jedoch schädlich (vgl. auch Randziffer 13 und 9a).“