Das Bundesministerium für Finanzen hat kürzlich eine Überarbeitung eines Schreibens vom 05. Mai 2021 vorgenommen, in welchem es um die Übereignung eines Mitunternehmeranteils geht. Dieses Update wurde infolge des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 10. September 2020 initiiert. Im Kern des Themas steht die Frage der unentgeltlichen Übertragung eines Mitgesellschafteranteils, insbesondere in Situationen, in denen kein relevantes Sonderbetriebsvermögen an Dritte weitergegeben wird. Wichtige Aspekte dieser Diskussion beinhalten zeitliche Überlegungen, insbesondere im Kontext des Buchwertprivilegs, sowie spezifische Anforderungen und Einschränkungen im Hinblick auf die Buchwertfortführung. Es ist von entscheidender Bedeutung, die genauen Rahmenbedingungen und Konsequenzen solcher Übertragungen zu verstehen, um steuerliche und rechtliche Fallstricke zu vermeiden.
Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils
Eine zentrale Thematik ist die kostenlose Übertragung eines Mitgesellschafteranteils, insbesondere wenn kein bestehendes funktional bedeutendes Sonderbetriebsvermögen an eine dritte Partei transferiert wird. Der Bundesfinanzhof entschied am 10. September 2020, dass eine zeitliche Prüfung gemäß § 6 Abs. 3 EStG notwendig ist. Dies bedeutet, dass überprüft werden muss, ob Sonderbetriebsvermögen vor der Übertragung des Anteils an Dritte weitergegeben oder entzogen wird. Interessanterweise reicht eine rechtliche Sekunde zwischen dem Verkauf oder der Entnahme und der anschließenden Übertragung für die zeitliche Anforderung aus. Wenn jedoch beide Transaktionen gleichzeitig erfolgen, ist die Buchwertfortführung nicht zulässig.
EXKURS: rechtliche bzw. juristische Sekunde
Eine "rechtliche oder juristische Sekunde" bezeichnet im übertragenen Sinne einen sehr kurzen Zeitraum, in dem ein rechtlich relevantes Ereignis eintritt oder eine Handlung vollzogen wird, die rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Der Begriff wird umgangssprachlich verwendet, um auf die Schnelligkeit und Präzision rechtlicher Prozesse oder Entscheidungen hinzuweisen, nicht auf eine tatsächliche Zeitspanne von einer Sekunde. Es ist wichtig zu beachten, dass "rechtliche oder juristische Sekunde" nicht als formeller juristischer Begriff anerkannt ist, sondern eher in einem informellen Kontext verwendet wird.
Besonderheit bei der Übertragung auf Kinder
Wenn Eltern beabsichtigen, den gesamten Mitgesellschafteranteil an ihre Kinder zu übertragen, gibt es spezielle Regelungen. Das Bundesministerium für Finanzen betonte bereits in einem früheren Schreiben die Bedeutung einer zeitlichen Differenz zwischen den Übertragungen. Die Hauptidee ist, dass, wenn das Kind nur den Anteil ohne das dazugehörige funktional bedeutende Sonderbetriebsvermögen (z.B. ein Grundstück) erhält, die Übertragung in zwei Schritten erfolgen muss. Zunächst muss das Sonderbetriebsvermögen verkauft oder entzogen werden, wobei alle stillen Reserven aufzudecken sind. Anschließend kann der Anteil gemäß § 6 Abs. 3 EStG an das Kind übertragen werden.
Mindestens eine rechtliche Sekunde muss zwischen beiden Übertragungsvorgängen verstrichen sein, wobei die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums bei jedem Schritt gem. § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO von essenzieller Bedeutung ist.
EXKURS: Stille Reserven
Stille Reserven beziehen sich auf Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten eines Unternehmens, die in der Bilanz nicht oder nicht vollständig erfasst sind. Sie können in verschiedenen Kontexten auftreten, aber im steuerrechtlichen und buchhalterischen Bereich haben sie spezifische Bedeutungen und Implikationen.
- Buchhalterischer Bereich:
- Stille Reserven entstehen, wenn Vermögenswerte in der Bilanz zu einem niedrigeren Wert angesetzt sind als ihrem tatsächlichen Wert oder Verbindlichkeiten zu einem höheren Wert als ihrem tatsächlichen Wert.
- Dies kann z.B. durch vorsichtige Bewertung, Abschreibungen oder durch nicht bilanzierte Vermögenswerte entstehen.
- Die Bildung stiller Reserven kann dazu dienen, das Unternehmensergebnis in bestimmten Jahren zu glätten oder für zukünftige Risiken Vorsorge zu treffen.
- Steuerrechtlicher Bereich:
- Stille Reserven sind im Steuerrecht von Bedeutung, weil sie zu Unterschieden zwischen dem Handelsbilanz- und dem steuerlichen Gewinn führen können.
- Wenn stille Reserven aufgelöst werden, z.B. durch den Verkauf eines Vermögenswertes, kann dies steuerliche Auswirkungen haben, da der erzielte Gewinn steuerpflichtig sein kann.
- In einigen Rechtsordnungen können stille Reserven unter bestimmten Umständen steuerlich anerkannt werden, während sie in anderen Fällen steuerlich nicht relevant sind.
Detaillierte Anpassungen
Das BMF-Schreiben vom 20. November 2019 wurde in Übereinstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder angepasst. Ein zentraler Punkt ist, dass die Buchwertfortführung gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG nicht erlaubt ist, wenn wesentliches Sonderbetriebsvermögen zum Zeitpunkt der Übertragung zurückgehalten und gleichzeitig in das Privatvermögen des Übertragers verschoben wird.
In Kooperation mit den obersten Finanzbehörden der Bundesländer hat man das BMF-Schreiben vom 20. November 2019, welches im Bundessteuerblatt I auf Seite 1291 veröffentlicht wurde, in bestimmten Aspekten überarbeitet. Die folgenden Punkte geben einen Überblick über die vorgenommenen Änderungen.
- Bei der Übertragung von Anteilen am Gesamthandsvermögen, wenn wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückgehalten und gleichzeitig in das Privatvermögen überführt wird, ist eine Buchwertfortführung gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG nicht erlaubt.
- Bei der Beurteilung der Zeitgleichheit einer Übertragung und einer Veräußerung oder Überführung ins Privatvermögen wird auf das zum Übertragungszeitpunkt vorhandene Betriebsvermögen geachtet.
- Man kann gleichzeitig die Buchwertprivilegien nach § 6 Absatz 5 EStG und § 6 Absatz 3 EStG anwenden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
- Bei einer einheitlichen Planung, wenn wesentliches Betriebsvermögen vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils entnommen oder veräußert wird, kann der Mitunternehmeranteil trotzdem nach § 6 Absatz 3 EStG zum Buchwert übertragen werden, solange bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
- Es gibt festgelegte Grundsätze zur Anwendung bestimmter BFH-Urteile im Kontext der Übertragung des gesamten Anteils am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft.
Fazit
Bei der Übertragung von Mitgesellschafteranteilen an Kinder müssen Eltern besondere Regelungen beachten. Das Bundesministerium für Finanzen hebt hervor, dass bei Übertragungen ohne zugehöriges, wesentliches Sonderbetriebsvermögen wie einem Grundstück, eine Zweistufenübertragung erforderlich ist. Hierbei müssen zunächst alle stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens offengelegt werden, bevor der eigentliche Anteil gemäß § 6 Abs. 3 EStG an das Kind weitergegeben wird. Es ist essenziell, dass zwischen diesen beiden Übertragungsschritten mindestens eine rechtliche Sekunde vergeht, wobei die Regelung des § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO von zentraler Relevanz ist.