Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
Eine neue, bisher nicht vorhandene Wohnung i. S. v. § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Streitjahres (2020) liegt nicht vor, wenn die durch eine Baumaßnahme geschaffene Wohnung zwar „neu“ im sprachlichen Sinne ist, hierdurch aber der zuvor vorhandene Bestand an Wohnungen auf dem Grundstück nicht vermehrt wurde.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 12.09.2024, 1 K 2206/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
(…)
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (A, B) wollen eine Sonderabschreibung nach § 7b EStG in der Fassung des Streitjahres (2020) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Anspruch nehmen.
A und B wurden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin B ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem Einfamilienhaus bebaut und zur Vermietung und Verpachtung zu Wohnzwecken verwendet wurde.
Ende 2018 veranlasste B das sanierungsbedürftige aber weiterhin bewohnte Einfamilienhaus abzureißen. Nach Kündigung des Mietverhältnisses entschloss sich B auf dem Grundstück ein neues Einfamilienhaus zu errichten. Die dafür notwendige Baugenehmigung wurde Juli 2019 beantragt.
Der Abriss des zuvor bewohnten Einfamilienhauses erfolgte Juni 2020. In der Zeit von Juli – Dezember 2020 wurde der Neubau errichtet.
Für das Streitjahr machte B bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine zusätzliche Sonderabschreibung i. H. v. 15.209,43 EUR als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt (Beklagte) lehnte den Ansatz einer Sonderabschreibung für Wohnungsneubau ab, da kein neuer Wohnraum geschaffen, sondern lediglich bestehender Wohnraum ersetzt wurde. Den daraufhin eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2021 zurück.
Auch die Klageerhebung von B wies das zuständige Finanzgericht mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2025, S. 401 veröffentlichtem Urteil ab.
A und B rügen mit der darauf eingelegten Revision die Verletzung von Bundesrecht. Sie sind der Auffassung, es könne nur darauf ankommen, ob durch den Bau ein neues Wohnobjekt geschaffen worden sei. Es sei allein die konkret nutzbare Wohnung als solche zu betrachten, ohne dass es auf die vorherige Bebauung ankomme.
A und B beantragen, das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 12.09.2024, 1 K 2206/21 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2021 dahingehend zu ändern, dass die Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung um die beanspruchte Sonderabschreibung (§ 7b EStG) erhöht werden.
Das Finanzamt beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der BFH sieht die Revision als unbegründet an und weißt diese ab (§ 126 Abs. 2 FGO).
Mit der Entscheidung des Finanzgerichts Köln wurde kein Bundesrecht i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 1 FGO verletzt. Es hat zutreffend die beanspruchte Sonderabschreibung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht gewährt.
Gem. § 7b Abs. 1 S. 1 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) können für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union belegen sind, unter den in § 7b Abs. 2 – 5 EStG genannten Voraussetzungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen von jährlich bis zu 5 % neben den AfA i. S. d. § 7 Abs. 4 ff. EStG in Anspruch genommen werden.
Mit dieser Begünstigung fordert der Gesetzgeber insbesondere, dass „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnungen geschaffen werden. Als Wohnungen gelten dabei Objekte, die § 181 Abs. 9 BewG erfüllen (§ 7b Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 EStG).
Die für die Praxis offene Frage, ob ein Neubau, der an der Stelle eines abgerissenen Hauses errichtet wurde, eine nach § 7b EStG begünstigte Baumaßnahme ist, äußern sich weder die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 19/4949) noch der Anwendungserlass der Finanzverwaltung (zuletzt BMF-Schreiben vom 21.05.2025, BStBl. I 2025, S. 1419).
Letztlich muss die Norm des § 7b EStG dem Willen des Gesetzgebers ausgelegt werden. Diese gebietet es, „eine neue, nicht vorhandene“ Wohnung i. S. d. § 7b Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 EStG nur anzunehmen, wenn durch die Baumaßnahme im Vergleich zum vorherigen Zustand ein zusätzlicher, d. h. vermehrter Wohnbestand geschaffen wurde. Ein im Zusammenhang mit dem Abriss einer bereits vorhandenen Wohnung errichteter Neubau, der lediglich an Stelle der abgerissenen Wohnung tritt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
§ 7b EStG enthält im Gesetzeswortlaut damit eine gewisse Unschärfe. Denn bei sprachlicher Beurteilung ist jede Wohnung, die vor der Baumaßnahme als solche noch nicht existiere, eine „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnung.
Allerdings ist es mit dem Zweck der Norm und dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar, die steuerliche Förderung auch dann zu gewähren, wenn die geschaffene Wohnung zwar „neu“ – im sprachlichen Sinne – ist, die Baumaßnahmen aber den auf dem Grundstück zuvor vorhandenen Bestand an Wohnungen gem. § 181 Abs. 9 BewG nicht vermehrt hat.
Hinweis
§ 7b EStG verfolgt einen außersteuerlichen Lenkungszweck (Pfirrmann in Kirchhof/Seer, EStG, 24. Aufl. § 7b EStG, Rz. 1). Das Gesetz knüpft an die von der seinerzeitigen Bundesregierung verfolgten Wohnraumoffensive an, mit der 1,5 Mio. neue Wohnungen zusätzlich gebaut werden sollten. Ziel des Gesetzgebers war es, steuerliche Anreize für den Mietwohnungsneubau im bezahlbaren Mietsegment zu schaffen und damit dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen sowie steigender Mieten entgegenzuwirken (BT-Drucks. 19/4949, S. 9, 12). Diese Zielsetzung belegt, dass die steuerlich geförderte Baumaßnahme dazu beitragen muss, den Wohnungsbestand zu vermehren und nicht nur zu ersetzen.
Dies deckt sich sodann mit dem Willen des Gesetzgebers, der in seiner Begründung das Kriterium „Neuheit“ in § 7b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 EStG daran knüpft, dass die Wohnung nicht nur "erstmalig“, sondern auch „zusätzlich“ geschaffen wird. Aus diesem Grund geht er davon aus, dass Baumaßnahmen, die lediglich zu seiner Verlegung von Wohnraum oder zu einer Erweiterung der Wohnfläche innerhalb eines Gebäudes führen, den Anforderungen des § 7b EStG nicht genügen (BT-Drucks. 19/4949, S. 12, m. w. N.).
Gemessen am Ziel und Willen der Norm muss der Neubau einer Wohnimmobilie sowie – diesem gleichgestellt – der Aus- oder Umbau bestehender Gebäudeflächen sowie die Aufstockung oder der Anbau (vgl. BMF-Schreiben vom 21.05.2025, BStBl. I 2025, S. 1419, Rz. 26) den vor der Baumaßnahme vorhandenen Wohnungsbestand vermehrt haben.
Für die Inanspruchnahme des § 7b EStG ist es wichtig, die Abfolge des entsprechenden Vorhabens zur Planung und den Baumaßnahmen einzuhalten. Beabsichtigt der Steuerpflichtige z. B. zum Zeitpunkt des Abrisses den Neubau, liegt eine einheitliche – der Anwendung von § 7b EStG schädliche – Maßnahme vor. Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn sich die Bauarbeiten für den Neubau ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung an den Abriss anschließen oder der Bauantrag/die Bauanzeige für den Neubau zum Zeitpunkt des Abrisses bereits gestellt (eingereicht) wurde. Gleiches gilt, wenn zu diesem Zeitpunkt die Planungen für die Errichtung des Neubaus so weit vorangeschritten sind, dass Abriss und Neubau als von einem einheitlichen Willen getragen wirken. In diesen Fällen verfestigt sich der durch den Abriss vollzogene Wegfall der vorherigen Wohnung nicht.
Anderes gilt, wenn der Steuerpflichtige nachvollziehbar darlegt, dass er zum Zeitpunkt des Abrisses noch keine näheren Planungen für einen Neubau hatte und sich dies durch den zeitlichen Ablauf der Baumaßnahmen (insbesondere im Fall der Aufnahme von Bauplanungen und -arbeiten erst nach einem längerfristigen Brachliegen des Grundstücks) bestätigt. In diesem Fall können die Voraussetzungen des § 7b Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 EStG erfüllt sein (vgl. Kahle, StuB 2025, S. 361, 366).
Fazit
Nach diesem Grundsatz hatte B keine neue Wohnung i. S. d. § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG geschaffen, sondern mit der Errichtung des neuen Einfamilienhauses lediglich eine bereits vorhandene Wohnung ersetzt.
Der nach Auszug der Mieter und nachfolgendem Abriss vorliegende Wegfall der Wohnung hatte sich nicht verfestigt, denn beim Abriss und Neubau handelte es sich nach Auffassung des Senats um eine einheitliche Maßnahme, die lediglich zu einer kurzfristigen und notwendigen Unterbrechung der Wohnraumnutzung geführt hat.
Die Klägerin hat den Abriss des vorherigen Einfamilienhauses in der Absicht vorgenommen, ein neues Einfamilienhaus zu errichten. Sie hat bereits vor dem Abriss einen Bauantrag für den Neubau gestellt. Darüber hinaus hat sich die Neubaumaßnahme unmittelbar an den Abriss angeschlossen.
Quelle: BFH-Urteil vom 12.08.2025, IX R 24/24
