Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
Nach der ab dem Veranlagungszeitraum 2015 geltende Legaldefinition in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 1 EStG kann eine Betriebsveranstaltung auch dann vorliegen, wenn sie nicht allen Angehörigen eines Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.
Das Tatbestandsmerkmal Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG entspricht der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 1 EStG.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 27.01.2022 (6 K 2175/20) und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24.08.2020 aufgehoben.
Der Nachforderungsbescheid des Beklagten vom 03.03.2020 wird dahin geändert, dass Arbeitslohn i. H. v. 176.473 EUR für Betriebsveranstaltungen einem Pauschalsteuersatz nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 25 % unterworfen wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (X) veranstaltete 2015 in eigenen Räumen eine Weihnachtsfeier, zu der nur die Vorstandsmitglieder eingeladen waren. Die Kosten betrugen 8.034 EUR.
Zusätzlich richtete die Klägerin im selben Jahr eine Weihnachtsfeier für Mitarbeiter am Standort A und B aus. Es waren nur Personen des oberen Führungskreises sowie dem Konzernführungskreis geladen. Es handelte sich um Mitarbeiter, die eine bestimmte Karrierestufe erreicht hatten, aber keinen eigenständigen Betriebsteil bildeten. Die Kosten dieser Sonderveranstaltung betrugen 168.439 EUR.
Die dem Führungskreis und Vorstandsmitgliedern zugewandte Vorteil wurde von X nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat das Finanzamt (Beklagte und Revisionsbeklagte) die Auffassung, X hatte die Lohnbesteuerung zu Unrecht unterlassen. Die beantragte Lohnsteuerpauschalierung könnte auch nicht nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG i. H. v. 25 % erfolgen. Der Begriff der Betriebsveranstaltung setzt - ungeachtet der eingeführten Legaldefinition in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 1 EStG mit Wirkung zum 01.01.2015 - weiterhin voraus, dass die Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung allen Arbeitnehmern offenstehen muss.
Auf Grundlage dieser Rechtsauffassung erließ das Finanzamt einen Nachforderungsbescheid.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 874 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügte X die Verletzung materiellen Rechts. Es wurde beantragt das Urteil des Finanzgerichts sowie die Einspruchsentscheidung vom 24.08.2020 aufzugeben und den Nachforderungsbescheid vom 03.03.2020 dahin zu ändern, dass Arbeitslohn i. H. v. 176.473 EUR für Betriebsveranstaltungen einem Pauschalsteuersatz von 25 % unterworfen wird (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG).
Das Finanzamt beantragte die Revision abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO).
Das Finanzgericht hat zu Unrecht entschieden, dass X den Arbeitslohn, den sie den Teilnehmern an der Weihnachtsfeier als Sachbezug zuwandte, nicht nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschalsteuersatz von 25 % versteuern kann.
Nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschalsteuersatz erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass einer Betriebsveranstaltung zahlt. Maßgebend für das Vorliegen von Arbeitslohn ist § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) EStG i. d. F. des Gesetzes zur Anpassung der AO an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl. I 2014, S. 2417).
Das Finanzgericht urteilt richtigerweise, dass die Weihnachtsfeier für die Vorstandsmitglieder und Führungskräfte einem Sachbezug entspricht und damit Arbeitslohn vorliegt. Hinsichtlich der Lohnzuwendungen an die Führungskräfte der Konzerngesellschaften handelt es sich um Drittlohn. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht auch kein Streit.
Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzgerichts (Vorinstanz) handelt es sich bei der Weihnachtsfeier für die Vorstandsmitglieder und Führungskräfte jedoch um eine Betriebsveranstaltung i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) EStG. Dass die Teilnahme nicht jedem ermöglicht wurde, steht dem nicht entgegen.
Mit Rechtslage ab 01.01.2015 (a.a.O.) gelten Betriebsveranstaltungen durch die Legaldefinition in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 1 EStG als Veranstaltung auf betrieblicher Ebene mit einem gesellschaftlichen Charakter.
Bis zu dieser gesetzlichen Neuregelung hat der Senat unter Berücksichtigung ständiger Rechtsprechung unter dem Begriff der Betriebsveranstaltung nur Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter subsumiert, bei denen die Teilnahme grundsätzlich jedem Betriebsangehörigen offenstand.
Die Möglichkeit zur Teilnahme und Offenstehen der Veranstaltung ist nun in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 1 EStG explizit nicht mehr vorgesehen. Diese Voraussetzung findet sich jetzt in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 3 EStG wieder.
Eine Veranstaltung, an der - wie die Weihnachtsfeiern - ausschließlich Beschäftige des Betriebs und deren Begleitpersonen teilnehmen können, ist vom Wortsinn her eine Betriebsveranstaltung, selbst wenn die Veranstaltung nicht allen Betriebsangehörigen offensteht (vgl. BMF-Schreiben vom 14.10.2015, BStBl. I 2015, S. 832, Rz. 1).
Eine solche Wortauslegung ist auch durch die Gesetzessystematik zu bestätigen. Lediglich § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 3 EStG nimmt das früher von der Rechtsprechung geforderte „Offenstehen“ auf, aber stellt es in einen anderen Kontext. Nunmehr ist das Offenstehen allein auf die 110 EUR-Freigrenze zu beschränken und kann daher nicht in den Betriebsveranstaltungsbegriff i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 1 EStG einbezogen werden.
Ferner ist der Begriff der Betriebsveranstaltung i. S. d. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG der Betriebsveranstaltung gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S.1 EStG identisch auszulegen. Heißt, § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG erfordert vorliegend keine andere, normspezifische Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Betriebsveranstaltung.
Hinweis
Begriffe, die in verschiedenen Vorschriften desselben Gesetzes verwendet werden, sind grundsätzlich einheitlich auszulegen. Definiert der Gesetzgeber selbst einen Begriff, komme eine Abweichung davon in einer anderen Vorschrift desselben Gesetzes nur in Betracht, wenn der Zweck der Regelung, ihr Zusammenhang mit anderen Vorschriften und/oder die Entscheidungsgeschichte eindeutig erkennen lassen, dass der Begriff in dieser Vorschrift abweichend von der Legaldefinition zu verstehen sein soll (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.11.2002 - GrS 2/01; BFHE 201, 1, BStBl. II 2003, S. 548).
Fazit
Das Finanzgericht ist zunächst von anderen Grundsätzen im Urteilsfall ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.
Der Senat kann in der Sache entscheiden, da zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit steht, dass die beiden hier in Rede stehenden Veranstaltungen, soweit - wie dargelegt - nicht auf das Offenstehen abzustellen ist, Betriebsveranstaltungen i. S. d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) S. 1 EStG sind. Ebenso wenig ist die Höhe der Sachbezüge, für die der Pauschalsteuersatz von 25 % zu erheben ist, streitig. Der Klage ist daher stattzugeben.
Quelle:
- BFH-Urteil vom 27.03.2024, VI R 5/22