Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsätze
- Zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten für sonstige berufliche Fahrten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 1 EStG ist eine Leasingsonderzahlung den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags zuzuordnen (Änderung der Rechtsprechung).
- Auch andere (Voraus-)Zahlungen, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken, sind periodengerecht auf die einzelnen Veranlagungszeiträume während der Laufzeit des Leasingvertrags zu verteilen.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 12.10.2021, 2 K 667/21 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger und zugleich Revisionsbeklagte (A) erzielt im Streitjahr (2019) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG).
Zum 01.01.2019 tritt A ein neues Dienstverhältnis als Außendienstmitarbeiter an. Dafür least A ab Dezember 2018 einen neuen Pkw. Dafür wurde eine Leasingsonderzahlung i. H. v. 15.000 EUR geleistet. Zusätzlich fielen Kosten für Fahrzeugzubehör, Zusatzleitungen sowie einen Satz Reifen an.
Für das Veranlagungsjahr 2018 ermittelte A folgende Gesamtkosten für den Pkw:
Einzelkosten | Kosten in EUR |
Leasingsonderzahlung für den Zeitraum 20.12.2018 bis 19.12.2021 | 15.000,00 |
Zubehör | 2.504,89 |
Zusatzleistung | 719,00 |
Reifen | 1.357,31 |
Steuer | 449,00 |
Beitrag zum Automobilclub | 109,00 |
Versicherung | 1.252,97 |
Leasingraten | 5.492,04 |
Reifenwechsel | 118,00 |
Verbrauchs-/Treibstoffkosten | 3.416,00 |
Gesamtkosten | 30.418,21 |
Die Jahresfahrleistung wies A über ein Fahrtenbuch nach. Folgende Eckdaten für die Pkw-Nutzung wurden dabei ermittelt:
Ermittlung des km-Satzes | Entfernung in km |
Jahresfahrleistung | 15.000,00 |
| 1.025 |
Anteiliger Kilometersatz | 0,93 EUR/km |
Für das Streitjahr (2019) macht A den anteiligen Kilometersatz von 0,93 EUR/km erneut geltend.
Nach Abzug der vom Arbeitgeber erstatteten Fahrtkosten hatte A Werbungskosten für seine berufliche Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter i. H. v. 15.763 EUR angesetzt.
Das Finanzamt erkannte die Fahrtkosten aber nicht an. Der für 2018 ermittelte Kilometersatz sei im Streitjahr nicht anwendbar, da sich die Verhältnisse gegenüber dem Vorjahr wesentlich geändert hätten. Mangels anderweitiger Berechnungen sei lediglich der pauschale Kilometersatz von 0,30 EUR/km berücksichtigungsfähig.
Der darauf eingelegte Einspruch des A blieb erfolglos. Der im Anschluss erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt. Mit der Revision rügte das Finanzgericht die Verletzung materiellen Rechts.
Die Parteien stellen dazu im Streitfall folgende Anträge:
- Das Finanzamt beantragt die Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts München vom 12.10.2021, 2 K 667/21 und die Klage abzuweisen,
- A beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FGO).
Das Finanzgericht hat bei der Ermittlung der tatsächlichen Kosten für die sonstigen beruflichen Fahrten des A zu Unrecht den unter Einbeziehung der im Vorjahr geleisteten Leasingsonderzahlung ermittelten Kilometersatz zugrunde gelegt. Die Feststellungen der Vorinstanz reichen allerdings nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, in welcher Höhe A durch die Benutzung des eigenen Pkw abziehbare Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 1 EStG entstanden sind. Die Sache muss daher an die Vorinstanz zurückgegeben werden.
Die aktuelle Rechtslage sieht vor, dass berufliche Fahrkosten, die keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie keine Familienheimfahrten sind, gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 1 EStG in ihrer tatsächlichen Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Anstelle der tatsächlichen Kosten kann der Steuerpflichtige aus Gründen der Vereinfachung einen pauschalen Kilometersatz annehmen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG).
Somit erlaubt das Gesetz einem Arbeitnehmer für den durch sonstige berufliche Fahrten veranlassten Anteil an den jährlichen Gesamtkosten des eigenen Fahrzeugs und abzüglich vom Arbeitgeber erhaltene Kostenerstattungen die tatsächlichen Wegekosten wahlweise ohne Einzelnachweis mit einem pauschalen Kilometersatz oder nach einem individuellen – anhand nachgewiesener Fahrzeugaufwendungen ermittelten – Kilometersatzes zu ermitteln (Senatsurteil vom 14.06.2012, VI R 89/19, BFHE 238, 55, BStBl. II 2012, S. 835, Rz. 11).
Für die Ermittlung des individuellen Kilometersatzes sind die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 14.06.2012, VI R 89/19, BFHE 238, 55, BStBl. II 2012, S. 835, Rz. 12, m. w. N.).
Dazu gehören alle Aufwendungen, die unmittelbar mit dem Halten und Betrieb des Kfz entstehen. Hierzu zählen insbesondere die Kosten für Treib- und Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung oder auch Leasing(sonder-)zahlungen (Senatsurteil vom 03.09.2015, VI R 27/14, BFHE 251, 5 BStBl. II 2016, S. 174, Rz. 16).
Verwendet also ein Arbeitnehmer einen Leasing-Pkw für sonstige berufliche Zwecke und macht er dafür die tatsächlichen Kosten geltend, so gehört eine Leasingsonderzahlung in Höhe des auf die Auswärtstätigkeit entfallende Nutzungsanteils nach der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich zu den sofort abziehbaren Werbungskosten (Senatsurteil vom 05.05.1994, VI R 100/93, BFHE 174, 359, BStBl. II 1994, S. 643). Etwas anderes galt nur, wenn es sich bei der Leasingsonderzahlung um Anschaffungskosten für den Eigentumserwerb (…) handelte, die nur in Form von Abschreibungen berücksichtigt werden können (Senatsurteil vom 05.05.1994, VI R 100/93, BFHE 174, 359, BStBl. II 1994, S. 643; Senatsurteil vom 15.04.2010, VI R 20/08, BFHE 229, 230, BStBl. 2010, S. 805, Rz. 18).
Ein Sofortabzug der Leasingsonderzahlung schied auch aus, soweit der Arbeitnehmer während der Laufzeit des Leasingvertrags die Fahrzeugkosten nach pauschalem Kilometersätzen als Werbungskosten geltend machte. Denn durch den pauschalierten Ansatz von Werbungskosten sind sämtliche Kfz-Kosten abgegolten (Senatsurteil vom 15.04.2010, VI R 20/08, BFHE 229, 230, BStBl. 2010, S. 805, Rz. 14).
Insoweit kam es für die Frage des Abzugs der Leasingsonderzahlung im Abflussjahr auf die beabsichtigte zukünftige Nutzung im Vertragszeitraum an.
An der bisherigen Rechtsprechung hält der Senat nicht länger fest. Der Senat kommt zu dem Entschluss, dass es für die zutreffende Ermittlung des beruflichen Anteils an den Kfz-Gesamtkosten notwendig ist, die angefallenen Leasingsonderzahlungen periodengerecht zuzuordnen (Senatsurteil vom 03.09.2015, VI R 27/14, BFHE 251, 5, BStBl. II 2016, S. 174, Rz. 17).
Der BFH argumentiert dabei wie folgt:
Der auf das Jahr der Zahlung entfallende Anteil einer Leasingsonderzahlung an den tatsächlichen Gesamtaufwendungen für die sonstigen beruflichen Fahrten ist wegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs der Leasingsonderzahlung zu allen Fahrten während des vertragliche bestimmten Leasingzeitraums und des damit vorliegenden kausalen Zusammenhangs im Rahmen einer wertenden Betrachtung typisierend nach dem Verhältnis der auf das jeweilige Jahr entfallenden vollen Monate zum Gesamtleasingzeitraum zu bestimmen.
Mindert eine Leasingsonderzahlung die Höhe der monatlichen Leasingraten über die gesamte Vertragslaufzeit, ist sie daher bei der Ermittlung der jährlichen Gesamtaufwendungen unabhängig vom Abflusszeitpunkt linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen (BFH-Urteil vom 12.03.2024, VIII R 1/21, BStBl. II 2024, S. 633, Rz. 27).
Soweit die Leasingsonderzahlung Fahrten in den folgenden Veranlagungszeiträumen nach dem Abflussjahr finanziert, die in den Leasingzeitraum fallen, zählt sie dort ebenfalls zeitanteilig zu den jährlichen Gesamtaufwendungen für sonstige berufliche Fahrten des entsprechenden Veranlagungszeitraums (BFH-Urteil vom 12.03.2024, VIII R 1/21, BStBl. II 2024, S. 633, Rz. 28).
Hinweis
Die vorstehenden Grundsätze sind auch auf andere (Voraus-)Zahlungen anzuwenden, die sich wirtschaftlich auf die Dauer des Leasingvertrags erstrecken. Da zu den jährlichen Gesamtaufwendungen neben sämtlichen Fixkosten zudem die Absetzung für Abnutzung zählt, sind bspw. auch Aufwendungen für einen weiteren Satz Reifen nicht sofort im Jahr der Zahlung als Fahrzeugkosten zu berücksichtigen, sondern i. H. d. Absetzung für Abnutzung in die jährlichen Gesamtaufwendungen für die sonstigen beruflichen Fahrten des jeweiligen Veranlagungszeitraums einzubeziehen.
Quelle:
- BFH-Urteil vom 21.11.2024, VI R 9/22