von Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
Der Abschluss einer energetischen Maßnahme i. S. d. § 35c EStG liegt nicht bereits mit deren Fertigstellung, sondern erst mit der vollständigen Zahlung des Rechnungsbetrags auf das Konto des Erbringers der Leistung vor.
Tatbestand
Streitpunkt in diesem Urteil ist die Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen i. S. d. § 35c EStG bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden.
Im Urteilsfall hatten die zusammenveranlagten Kläger und Revisionskläger in ihrer Einkommensteuererklärung 2021 Steuerermäßigungen nach § 35c EStG beantragt. Diese Ermäßigungen galten für ein Gebäude, dessen Herstellung am 01.01.2001 begonnen wurde. Das Einfamilienhaus wurde von den Steuerpflichtigen selbst bewohnt.
Bei den Aufwendungen handelte es sich um den Einbau eines Gasbrennwertheizkessels für eine Heizung, die nach Bestätigung des Installationsunternehmens nicht älter als zwei Jahre war.
Die Kosten für Lieferung und Montage beliefen sich im Februar 2021 auf 8.118,10 EUR. Darin enthalten waren auch Kosten für die Monteurstunden und Fachhelferstunden. Seit März 2021 zahlten die Kläger gleichbleibende monatliche Raten in Höhe von 200 EUR. Im Streitjahr 2021 wurden insgesamt 2.000 EUR bezahlt.
Das Installationsunternehmen bestätigte den Einbau des Gasbrennwertheizkessels, nicht aber den hydraulischen Abgleich. Deshalb wurde vom Beklagten (Finanzamt) im Einkommensteuerbescheid 2021 vom 10.03.2023 die Steuerermäßigung nach § 35c EStG nicht berücksichtigt.
Auch nachdem die Kläger im Einspruchsverfahren die von dem ausführenden Heizungsbauunternehmen unterzeichnete „Bestätigung des hydraulischen Abgleichs u. a. für die BEG Förderung“ vorgelegt hatten, lehnte das Finanzamt (Beklagte) mit Einspruchsentscheidung vom 12.07.2023 die Berücksichtigung der Steuerermäßigung unter Verweis auf das BMF-Schreiben vom 14.01.2021 (BStBl. I 2021, S. 103) ab.
Begründet wurde die Ablehnung damit, dass die energetische Maßnahme erst dann abgeschlossen ist, wenn die Leistung tatsächlich erbracht wurde, die Steuerpflichtigen eine Rechnung erhalten und den Rechnungsbetrag auf ein Konto des Leistungserbringers überwiesen haben. An dieser Zahlung fehlte es im Veranlagungsjahr 2021. Erst mit Begleichung der letzten Rate im Jahr 2024 komme eine Steuerermäßigung nach § 35c EStG in Betracht.
Entscheidung des Finanzgerichts
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht urteilte, dass grundsätzlich alle Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung des § 35c EStG vorlagen, lediglich aber die vollständige Bezahlung der Handwerkerleistung fehlte.
Eine energetische Maßnahme gilt erst dann als abgeschlossen, wenn nicht nur die Leistung vollständig erbracht, sondern der Steuerpflichtige auch eine (Schluss)Rechnung erhalten und den gesamten Rechnungsbetrag auf das Konto des Leistungsempfängers gezahlt hat.
Die Steuerpflichtigen (Kläger) legten Revision ein. Die Kläger sind der Ansicht, dass im Streitjahr 2021 die Steuerermäßigung nach § 35c EStG zumindest auf den gezahlten Ratenbetrag von 2.000 EUR zu gewähren sei. Es gelte das Abfluss-Prinzip gem. § 11 Abs. 2 EStG.
Dem Gesetzeswortlaut „(…) Abschluss der Maßnahme (…)“ sei nicht zu entnehmen, dass die Steuerermäßigung erst zu gewähren ist, wenn der Rechnungsbetrag vollständig gezahlt wurde. Der Steuerpflichtige sei auch mit Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung wirtschaftlich belastet.
Entscheidungsgründe im Revisionsverfahren
Die Revision wurde als begründet angesehen. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FGO).
Das Finanzgericht hat zurecht entschieden, dass die Steuerermäßigung des § 35c EStG nicht in Anspruch genommen werden kann, bevor der Steuerpflichtige eine Rechnung über die förderungsfähige energetische Maßnahme erhalten und den Rechnungsbetrag vollständig auf das Konto des Leistenden gezahlt hat.
Nach Feststellung des Finanzgerichts liegen im Streitjahr 2021 – bis auf den vollständigen Ausgleich des Rechnungsbetrags – alle Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des § 35c EStG vor.
Ein Abschluss der energetischen Maßnahme liegt aber nicht vor, bevor die vollständige Zahlung auf das Konto des Leistenden überwiesen wurde.
Wann der Abschluss einer energetischen Maßnahme nach § 35c Abs. 1 S. 1 EStG anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber nicht weiter definiert.
Die Finanzverwaltung und das Schrifttum vertreten die Ansicht, dass die energetische Sanierung erst mit vollständigem Ausgleich des Rechnungsbetrags als abgeschlossen gilt.
Gemäß des BMF-Schreibens vom 14.03.2021, Rz. 43, 61 (BStBl. I 2021, S. 103) ist die Steuerermäßigung erstmalig im Veranlagungszeitraum zu gewähren, in dem die energetische Maßnahme abgeschlossen wurde. Die Maßnahme gilt dann als abgeschlossen, wenn die Leistung tatsächlich erbracht, der Steuerpflichtige eine (Schluss)Rechnung erhalten und den Rechnungsbetrag auf das Konto des Leistenden eingezahlt hat.
Das Schrifttum verweist in dieser Sache auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/14338, S. 22 f.) und fordert zugleich für die Fertigstellung einer energetischen Maßnahme die Zahlung des Rechnungsbetrags.
Für den zuständigen Richter des Revisionsverfahrens ist für die Interpretation einer Norm der zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers maßgebend. Eins olche Auslegung nutzt der Richter und interpretiert die grammatikalische, teleologische, systematische und historische Auslegung gleichzeitig und nebeneinander.
Fazit
Der Richter urteilt, dass im Streitfall nicht von einem Abschluss einer energetischen Maßnahme auszugehen ist, weil die Kläger den Rechnungsbetrag im Streitjahr 2021 nach den Feststellungen des Finanzgerichts nicht vollständig auf das Konto des Leistungserbringers gezahlt haben.
Der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung kann der vollständigen Zahlung nicht gleichgestellt werden.
Hinweis
Dieser Urteilsgrundsatz könnte noch weiterführende Auswirkungen hinsichtlich der Abzugsmöglichkeit von Werbungskosten (§ 9 EStG) im Zusammenspiel mit Ratenzahlungsvereinbarungen und des Abfluss-Prinzips i. S. d. § 11 Abs. 2 EStG haben.
Die weiterführende Rechtsprechung bleibt abzuwarten.
Quellen:
- BFH-Urteil vom 13.08.2024, IX R 31/23
- BMF-Schreiben vom 14.01.2021 (BStBl. I 2021, S. 103)