Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
Bei der Bestimmung der Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) ist auf die Mitunternehmer abzustellen, die am Ende des (ggf. abweichenden) Wirtschaftsjahres an der Mitunternehmerschaft beteiligt waren (Bestätigung und Fortführung der Urteile des Bundesfinanzhofs vom 14.01.2016, IV R 5/14, BFHE 253, 67, BStBl. II 2016, S. 875; vom 14.01.2016, IV R 48/12).
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20.07.2022, 10 K 686/20 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
(…)
Tatbestand
Streitpunkt des in diesem Blogbeitrag erörterten BFH-Urteils ist, ob eine Steuerermäßigung i. S. d. § 35 EStG für Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) im Jahr 2018 Anwendung finden, wenn ein Mitunternehmer bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr nach dem Ende des Wirtschaftsjahres, aber noch vor Ende des Kalenderjahres ausgeschieden ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte ist eine Kommanditgesellschaft (A-GmbH & Co. KG), an der im Jahr ihrer Gründung (2004) neben der Komplementärin (A-GmbH) B als Kommanditist beteiligt war. Die Gesellschafter der A-GmbH & Co. KG sind nach den Verhältnissen am Festkapital der Gesellschaft beteiligt. Das Festkapital beträgt 26.000 EUR. Die A-GmbH hält davon einen Anteil von 1.000 EUR (= 3,85 %). Der Anteil des B beträgt 25.000 EUR (= 96,15 %). Die A-GmbH & Co. KG hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (01.07. – 30.06.).
Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass die Gesellschaft bei Tod eines Gesellschafters mit den Erben fortgesetzt wird, wenn es sich hierbei um den Ehegatten oder einen Abkömmling handelt.
Im August 2018 verstarb B. Er wurde je zu 50 % von seiner Ehefrau (I) und seiner Tochter (S) beerbt. Im Januar 2019 erfolgte die Eintragung von I und S als neue Gesellschafter im Handelsregister.
Für das Jahr 2018 gab die A-GmbH & Co. KG am 12.08.2019 eine Steuererklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für die Einkommensbesteuerung ab (§ 179, § 180 AO). Feststellungsbeteiligte waren die A-GmbH und B.
Am 10.10.2019 erließ das Finanzamt (Beklagte und Revisionskläger) den Steuerbescheid sowie den Bescheid über den verrechenbaren Verlust (§ 15a Abs. 4 EStG). Als Feststellungsbeteiligte führte das Finanzamt neben der A-GmbH den/die „Gesamtrechtsnachfolger/in nach B“ auf. In den Erläuterungen des Steuerbescheids stand zudem, dass B verstorben ist und von seiner Frau und seiner Tochter beerbt wurde.
Ebenfalls am 10.10.2019 erließ das Finanzamt einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung (Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG) von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2018 gegen die A-GmbH & Co. KG. Darin wurde der Gewerbesteuermessbetrag i. H. v. 3.465 EUR auf die A-GmbH (133,40 EUR), die Ehefrau (1.665,80 EUR) und die Tochter (1.665,80 EUR) verteilt.
Die tatsächliche Gewerbesteuerzahllast der A-GmbH & Co. KG beträgt (16.979 EUR). Auch diese wurde i. R. d. Steuerfestsetzung auf die A-GmbH (653,70 EUR), I (8.162,65 EUR) und S (8.162,65 EUR) verteilt.
Dagegen erhob die A-GmbH & Co. KG Einspruch, welcher aber erfolgslos blieb. Mit der daraufhin eingereichten Klage beim Finanzgericht Düsseldorf soll das Ziel verfolgt werden, dass die Gewerbesteuermessbeträge B und nicht I uns S zugerechnet werden.
Das Finanzgericht gab der Klage mit Urteil vom 20.07.2022 (10 K 686/20 F) überwiegend statt. Es änderte den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG vom 10.10.2019 insoweit, als I und S nicht selbst als Feststellungsbeteiligte aufzunehmen seien, sondern ihnen als Erben des B ein Anteil an dem Gewerbesteuermessbetrag von 3.331,60 EUR sowie eine anteilig tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer von 16.325,30 EUR zuzuweisen sei. Im Übrigen wies das Finanzgericht die Klage hinsichtlich des Gewinnfeststellungsbescheids und der Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG ab. Die Revision ließ es nur wegen der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG zu.
Das Finanzamt rügt mit seiner Revision die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere eine fehlerhafte Anwendung des § 35 Abs. 2 EStG durch das Finanzgericht. Das Finanzamt habe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom 14.01.2016, IV R 5/14 und vom 14.01.2016, IV R 48/12 die Zurechnung des Gewerbesteuermessbetrags und der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer auf die am Ende des Erhebungszeitraums beteiligten Mitunternehmer (Ehefrau und Tochter) vorgenommen. An dieser Rechtsprechung sei auch im Fall eines abweichenden Wirtschaftsjahres festzuhalten und auf die Verhältnisse zum Ende des Erhebungszeitraums am 31.12. abzustellen.
Das Finanzamt beantragt daraufhin das Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf vom 20.07.2022, 10 K 686/20 F insoweit aufzuheben, als es der Klage gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG (für 2018) stattgegeben hat und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Die A-GmbH & Co. KG beantragt die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der BFH weist darauf hin, dass die strittigen Steuerbescheide isoliert voneinander erlassen wurden. Das Finanzgericht hat über beide Bescheide entschieden und die Revision nur auf die Entscheidung über den Feststellungsbescheid nach § 35 Abs. 2 EStG zugelassen. Nur dieser Steuerbescheid ist damit Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Die zulässige Revision des Finanzamts ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Finanzgericht hat richtigerweise die Zulässigkeit der auf Abänderung des Feststellungsbescheids nach § 35 Abs. 2 EStG gerichteten Klage bejaht und zutreffend der Klage in dieser Sache stattgegeben.
Für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags waren der Steuermessbetrag sowie die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des abweichenden Wirtschaftsjahres am 30.06.2018 an der Klägerin beteiligt waren. Dazu gehörte neben der A-GmbH auch der ausgeschiedene Kommanditist B. I und S sind lediglich als dessen Sonderrechtsnachfolger Empfänger der geänderten Feststellungsbescheids.
Der BFH hat in seiner Rechtsprechung entschieden, dass § 35 EStG an die gesetzliche Typisierung anknüpft, die [gewerbesteuerlichen, Anm. d. Verf.] Verteilungen anhand des allgemeinem Gewinnverteilungsschlüssels vorzunehmen (§ 35 Abs. 2 S. 2 EStG). Schuldner der Gewerbesteuer ist die (Personen)Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 S. 3 GewStG). Die Gewerbesteuer mindert folglich den Gesamthandsgewinn der Personengesellschaft, der nach dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel den Gesellschaftern zuzuweisen ist. Insoweit trifft der Aufwand alle Gesellschafter auf der Grundlage des gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsschlüssels (zuletzt BFH-Urteil vom 14.01.2016, IV R 48/21, Rz. 31). Im Urteil vom 14.01.2016, IV R 5/14 und vom 14.01.2016, IV R 48/12 hat der BFH aus der Anknüpfung an die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft gefolgert, dass der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel als Maßstab der Aufteilung für die Ermittlung der Steuerermäßigung für den Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbesteuer am Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums zu bestimmen sei.
Hervorzuheben ist, dass die in diesen Urteilen zugrunde liegenden Fallkonstellationen kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahre hatten. Eine Entscheidung über den zeitlichen Bezugspunkt des Verteilungsmaßstabs i. S. d. § 35 Abs. 2 EStG hatte der BFH bislang noch nicht zu entscheiden.
Richtigerweise hat das Finanzgericht entschieden, dass unter Berücksichtigung auch derartiger Fälle letztlich nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen ist, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres. Mit dem Finanzgericht geht auch der BFH davon aus, dass der zeitliche Bezugspunkt des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels als maßgeblicher Verteilungsmaßstab in § 35 Abs. 2 EStG stets das Ende des Wirtschaftsjahres ist, das der Ermittlung des Gewerbeertrags für den jeweiligen Erhebungszeitraum zugrunde lag. Ein solch modifizierter Ansatz führt in den Fällen eines kalenderjahrgleichen Erhebungseitraums zu keinem anderen Ergebnis als bisher.
Der BFH betont in seiner Urteilsentscheidung, dass der Stichtag für die Anwendung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels so gewählt sein muss, dass sowohl bei kalenderjahrgleichen, wie auch bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr, jedenfalls eine teilweise Identität und damit ein teilweiser Gleichlauf besteht zwischen denjenigen Mitunternehmern, die den erwirtschafteten Gewinn versteuern müssen und denjenigen Mitunternehmern, die angesichts der Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft eine Steuerermäßigung erhalten.
Das ist bei einem Abstellen auf das Ende des Erhebungszeitraums bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr jedoch nicht der Fall, denn der Stichtag steht zu dem abweichenden Wirtschaftsjahr – und dessen Bilanzstichtag – in keinerlei Beziehung.
Der BFH führt weiter aus, dass wenn man hingegen für die Bestimmung des Anteils eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag auf den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres abstellt, erhalten zwar auch bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr vor dessen Ablauf ausgeschiedene Mitunternehmer keinen Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zugeordnet. Ebenso wie im Fall des kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahres werden jedoch diejenigen Mitunternehmer berücksichtigt, die am Ende des Wirtschaftsjahres an der Mitunternehmerschaft noch beteiligt waren und erst danach ausgeschieden sind. Insoweit sieht der BFH in beiden Fällen eine Teilidentität zwischen denjenigen Mitunternehmern, die den erwirtschafteten Gewinn versteuern müssen und denjenigen Mitunternehmern, die angesichts der Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft eine Steuerermäßigung erhalten.
Für diese Entscheidung spricht auch die Gesetzessystematik des Einkommensteuer- und Gewerbesteuergesetzes in Bezug auf abweichende Wirtschaftsjahre, den zeitlichen Bezugspunkt des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels als maßgeblichen Verteilungsmaßstab in § 35 Abs. 2 S. 2 EStG stets auf das Ende des Wirtschaftsjahres zu bestimmen, welches der Ermittlung des Gewerbeertrags für den jeweiligen Erhebungszeitraum zugrunde liegt.
Fazit
Waren für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags der Steuermessbetrag sowie die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen, die zum Ende des abweichenden Wirtschaftsjahres am 30.06.2018 an der A-GmbH & Co. KG beteiligt waren, hat das Finanzgericht an angefochtenen Feststellungsbescheid nach § 35 Abs. 2 EStG insoweit zutreffend geändert, dass die Ehefrau (I) und die Tochter (S) nicht selbst als Feststellungsbeteiligte, sondern in ihrer Funktion als Rechtsnachfolger des B zu erfassen sind. Da dies zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.
Quelle:
BFH-Urteil vom 10.04.2025, IV R 21/22