Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsätze
Ein einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gewährtes Gesellschafterdarlehen ist steuerrechtlich insoweit nicht anzuerkennen, als die Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft ihrem Gesellschafter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnen ist. Das Darlehensverhältnis führt in diesem Umfang weder beim Darlehensnehmer zu abzugsfähigen Werbungskosten noch beim Darlehensgeber zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, sondern ist als eine steuerneutrale Einlage zu behandeln.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg, vom 18.03.2021, 10 K 2756/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Tatbestand
Die A-GmbH & Co. KG (Klägerin und Revisionsklägerin) ist eine vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft. Gesellschafter der GmbH & Co. KG sind eine zu 0 % beteiligte Komplementär-GmbH (B-GmbH) und die in Russland lebende Kommanditisten F (Beteiligungsquote 100 %).
Die A-GmbH & Co. KG wurde nach deutschem Recht gegründet. Die B-GmbH als auch F sind zur Geschäftsführung befugt.
Die A-GmbH & Co. KG erwarb im Juni 2012 ein inländisches (bebautes) Grundstück und erzielte daraus entsprechende Mieteinnahmen. Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte F ein Darlehen mit einer Laufzeit von 15 Jahren und 6 % jährlicher Verzinsung. In 2012 (Streitjahr) zahlte die A-GmbH & Co. KG die Zinsaufwendungen an F.
Nach einer steuerlichen Außenprüfung qualifizierte das Finanzamt (Beklagte und Revisionsbeklagte) die von der A-GmbH & Co. KG als gewerblich erklärten Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG).
Die Darlehenszinsen berücksichtigte das Finanzamt nicht als Werbungskosten, weil das Darlehen auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung zur Nichtanerkennung von Mietverträgen zwischen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei (BFH-Urteil vom 18.05.2004, IX R 83/00, BFHE 206, 162, BStBl. II 2004, S. 898).
Dementsprechend änderte das Finanzamt den Steuerbescheid vom 28.06.2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012 und stellte nicht nach Quote zu verteilende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest.
Der Einspruch einschließlich Klage der A-GmbH & Co. KG blieben erfolglos (vgl. Finanzgericht München vom 18.03.2021, 10 K 2756/19).
Die A-GmbH & Co. KG macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, das Urteil des Finanzgerichts München aufzuheben und den Feststellungsbescheid 2012 vom 28.06.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um den strittigen Betrag gemindert werden, hilfsweise die auf F entfallenden Zinsen nicht zur Einkommensbesteuerung herangezogen werden.
Das Finanzamt beantragt die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet und wird deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückverwiesen. Der Steuerbescheid 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung ist damit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das Finanzgericht hat zutreffend geurteilt, dass die A-GmbH & Co. KG eine vermögensverwaltende Personengesellschaft ist und aus der Überlassung des Grundstücks Einkünfte i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Eine Qualifizierung hinzu gewerblichen Einkünften i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG scheidet aus, weil zur Geschäftsführung nicht ausschließlich die B-GmbH alleine befugt ist, sondern auch F.
Das Finanzgericht ist auch richtigerweise davon ausgegangen, dass die den Gesellschaftern der A-GmbH & Co. KG steuerrechtlich zuzurechnende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert und einheitlich festzustellen sind (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a) AO). Im Streitfall hat die Klägerin (Kommanditgesellschaft) selbst die Mietverträge abgeschlossen, sodass F und die B-GmbH als ihre Gesellschafter gemeinschaftlich Mieterträge erzielt haben. Dem steht nicht entgegen, dass nur F vermögensmäßig an der A-GmbH & Co. KG beteiligt war. Denn die B-GmbH hat von den gemeinschaftlich erzielten Einkünften einen Anteil in Form der vereinbarten Haftungsvergütung erhalten, während F der darüber hinaus verbleibende Anteil als Einkünfte zusteht (BFH-Urteil vom 07.04.1987, IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl. II 1987, S. 707).
Die Tatsache, dass F in Russland ansässig ist, ist unerheblich. Nach dem Belegenheitsprinzip unterliegen die Vermietungseinkünfte vollumfänglich der deutschen Besteuerung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Auch das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen enthält keine Ausnahme die Einkünfte von der deutschen Besteuerung auszunehmen (Art. 4, Art. 6 Abs. 1, DBA-Russland).
Richtigerweise hat das Finanzgericht auch die Zinsaufwendungen aus dem von F gewährten Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises des Vermietungsgrundstücks nicht als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften berücksichtigt.
Eine Personengesellschaft ist zivilrechtlich als selbstständiges Rechtssubjekt einzuordnen und in begrenztem Umfang auch als Steuerrechtssubjekt anerkannt (zuletzt BFH-Urteil vom 29.10.2019, IX R 38/17, BFHE 267, 18, BStBl. II 2021, S. 202, Rz. 27).
Bei der Anerkennung schuldrechtlicher Beziehungen zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern differenziert das Steuerrecht [streng, Anm. d. Verf.] zwischen (gewerblichen) Mitunternehmerschaften und vermögensverwaltenden Personengesellschaften. Diese Differenzierung ergibt sich daraus, dass der grundsätzlich für alle Personengesellschaften anwendbare § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO durch die ausschließlich für Mitunternehmerschaften geltenden Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG verdrängt wird (zuletzt BFH-Urteil vom 20.02.2003, III R 34/01, BFHE 201, 507, BStBl. II 2003, S. 700).
Vertiefung
§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO
Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zustehen, werden den Beteiligten oder Gesellschaftern anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Rechtsfähige Personengesellschaften gelten für Zwecke der Ertragsbesteuerung als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen.
Durch die Grundstücksvermietung folgt für die A-GmbH & Co. KG daraus, dass Mietverträge zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind, wenn und soweit diesen das Grundstück bzw. das Nutzungsrecht an dem Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 18.05.2004, IX R 42/01, BFH/NV 2005, S. 168; BFH-Urteil vom 18.05.2004, IX R 49/02, BFHE 206, 168, BStBl. II 2004, S. 929; BFH-Urteil vom 07.06.2006, IX R 14/04, BFH/NV 2006, S. 2053; BFH-Beschluss vom 16.11.2021, IX B 37/21, BFH/NV 2022, S. 115).
Denn hierbei fehlt es zur steuerrechtlichen Anerkennung eines entsprechenden Schuldverhältnisses an der notwendigen Personenverschiedenheit zwischen Gläubiger und Schuldner (BFH-Urteil vom 18.05.2004, IX R 42/91, BFH/NV 2005, S. 168; BFH-Urteil vom 07.06.2006, IX R 14/04, BFH/NV 2006, S. 2053).
Dieser Grundsatz gilt auch für Darlehensvereinbarungen zwischen der vermögensverwaltenden Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter. Soweit dem Gesellschafter eine Forderung oder eine Verbindlichkeit aus einem Darlehensvertrag mit seiner Gesellschaft nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerrechtlich zuzurechnen ist, fallen Gläubiger und Schuldner des Vertrags zusammen, sodass die Forderung aus steuerlicher Sicht erlischt (sog. Konfusionsprinzip).
In diesem Umfang ist insoweit die schuldrechtlich wirksame Vereinbarung steuerrechtlich nicht anzuerkennen mit der Folge, dass Zinsaufwendungen des Darlehensnehmers keine Werbungskosten und analog die Zinseinnahmen keine Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) sind.
Die Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO auf Verbindlichkeiten einer vermögensverwaltenden Gesellschaft aufgrund einer Darlehensgewährung durch ihren Gesellschafter steht – anders als von der A-GmbH & Co. KG angenommen – auch nicht im Widerspruch zur bisherigen BFH-Rechtsprechung. Die A-GmbH & Co. KG bezieht sich hierbei auf das BFH-Urteil vom 18.11.1980, VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl. II 1981, S. 510 und übersieht, dass diese Ausführungen nicht durch die neuere BFH-Rechtsprechung überholt sind, sondern auch, dass der dort entschiedene Streitfall die Jahre 1960 – 1970 betraf und die damals geltende Reichsabgabenordnung anzuwenden war. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO hat seine Gültigkeit erst ab dem 01.01.1977 erlangt (§ 415 Abs. 1 AO 1977).
Fazit
Das Finanzgericht hat auf Grundlage dieser Rechtsprechung zu Recht das der A-GmbH & Co. KG von ihrer zu 100 % am Vermögen beteiligten Gesellschafterin F gewährte Darlehen steuerrechtlich unberücksichtigt gelassen und die geleisteten Darlehenszinsen steuerrechtlich als Ergebnisvorab gegenüber F qualifiziert.
Für die Nichtanerkennung der Darlehensverbindlichkeit ist § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anzuwenden, weil dessen Anwendungsbereich nicht durch § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG verdrängt wird. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist weder auf die Klägerin noch auf F und die B-GmbH anwendbar.
Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO liegen hier vor, weil die A-GmbH & Co. KG als Gesamthand den Steuertatbestand des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfüllt hat, indem sie selbst Vertragspartei der Mietverträge gewesen ist. Da F die Darlehensverbindlichkeit in voller Höhe zuzurechnen ist, mangelt es steuerrechtlich an einer Personenverschiedenheit zwischen Gläubiger und Schuldner.
Das Finanzgericht hat die Klage zurecht mit dem Hilfsantrag abgewiesen.
Hinweis
Prüfen Sie Ihren Sachverhalt im Examen, ob gesellschaftsrechtliche Verflechtungen (z. B. durch allgemeine Schuldverhältnisse und/oder durch gegenseitige Darlehensgewährungen) zwischen einer Mitunternehmerschaft bzw. einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft und dessen Gesellschafter(n) besteht.
Inhaltlich könnte sein solcher Fall u. a. im nationalen und internationalen Ertragssteuerrecht, in Bilanzierung von Personengesellschaften oder auch in der mündlichen Examensprüfung abgeprüft werden.
Quelle:
- BFH-Urteil vom 27.11.2024, I R 19/21