Florian Solich - Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.), Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
NV: Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht, wenn die aufgeworfene materiell-rechtliche Rechtsfrage (hier: § 224 AO) nicht klärungsfähig ist, weil das Finanzgericht die Klage zu einzelnen Streitgegenständen als unzulässig abgewiesen hat und es im Übrigen für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Beantwortung der Rechtsfrage nicht ankommt.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hessen vom 12.12.2017, 11 K 1497/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Sachverhalt und Verfahrensgang
Der Kläger (A) begehrte die Tilgung seiner Steuerschulden durch Barzahlung. Er vertrat die Auffassung, die Finanzbehörden seien aufgrund der gesetzlichen Eigenschaften von €-Banknoten dazu verpflichtet, Bargeld zur Begleichung von Steuerschulden anzunehmen. Konkret verlangte A u. a.
- die Verpflichtung des Finanzamts, ein Kreditinstitut nach § 224 Abs. 4 AO zur Entgegennahme von Barzahlungen zu ermächtigen,
- die Feststellung, dass er ohne eine solche Ermächtigung nicht in Säumnis geraten könne sowie
- die Erstattung von Bankgebühren, die ihm im Zusammenhang mit einer Bareinzahlung entstanden waren.
Das Finanzgericht Hessen wies die Klage teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurück (vgl. BFH-Beschluss vom 17.06.2009, II B 23/09). Gegen die Nichtzulassung der Revision legte A Beschwerde ein und machte insbesondere die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend, zu welchem Zeitpunkt eine Barzahlung an ein ermächtigtes Kreditinstitut Tilgungswirkung entfaltet.
Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück. Eine Revision sei weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch wegen Divergenz zuzulassen.
Dabei führte der BFH folgende Gründe an:
1. Keine Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage
Der VIII. Senat stellt maßgeblich darauf ab, dass die von A formulierte Rechtsfrage, ob die Tilgungswirkung bereits mit Übergabe der Banknoten an das ermächtigte Kreditinstitut oder erst mit Gutschrift auf dem Konto der Finanzbehörde eintritt, im konkreten Verfahren nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Teile der Klage seien bereits als unzulässig abgewiesen worden. Im Übrigen komme es auf die Beantwortung dieser Frage für die Entscheidung auch nicht an.
Damit bekräftigt der BFH seine ständige Rechtsprechung, wonach eine Rechtsfrage nur dann grundsätzlich an Bedeutung i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO haben kann, wenn sie für die Entscheidung des konkreten Streitfalls klärungsfähig ist.
2. Entrichtungszeitpunkt bei Barzahlungen (§ 224 AO)
In einem obiter dictum verweist der BFH darauf, dass der Entrichtungszeitpunkt für Barzahlungen gesetzlich geregelt ist. Nach § 224 Abs. 2 S. 1 AO gilt eine Zahlung bei Einzahlung oder Überweisung grundsätzlich erst mit Gutschrift auf dem Konto der Finanzbehörde als entrichtet. Für Barzahlungen bei einem nach § 224 Abs. 4 AO ermächtigten Kreditinstitut bestimmt § 224 Abs. 4 S. 2 AO ausdrücklich, dass die Zahlung an dem Tag als entrichtet gilt, an dem der Betrag dem Kreditinstitut zugeht.
3. Verhältnis von § 224 AO zu § 14 BBankG
A (Kläger) argumentiert, aus § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG folgt eine Verpflichtung der Finanzbehörde zur Annahme von Bargeld. Dieser Ansicht ist der BFH in Übereinstimmung mit dem Finanzgericht Hessen nicht gefolgt.
§ 224 AO stellt als lex specialis die maßgebliche Norm für die Entrichtung von Steuern dar und konkretisiert in welcher Form Zahlungen an die Finanzverwaltung zu leisten sind. Eine unmittelbare Anwendung des BBankG zur Begründung eines Anspruchs auf Barzahlung gegenüber dem Finanzamt scheidet daher aus.
4. Keine Divergenz
Auch eine Divergenz zu einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster verneinte der BFH. Es fehle bereits an vergleichbaren tragenden Rechtsgrundsätzen; zudem hätten die Entscheidungen unterschiedliche Sachverhalte und Rechtsfragen betroffen.
Einordnung der Rechtsentscheidung
1. Bestätigung der Gestaltungsfreiheit der Finanzverwaltung
Die Entscheidung bestätigt die weitgehende Gestaltungsfreiheit der Finanzverwaltung bei der Organisation des Zahlungsverkehrs. Steuerpflichtige haben keinen Anspruch darauf ihre Steuerschulden unmittelbar in bar bei der Finanzkasse zu entrichten.
Die Möglichkeit der Barzahlung besteht nur i. R. d. von der Verwaltung vorgesehenen und nach § 224 Abs. 4 AO eröffneten Verfahren.
2. Klarheit und Eintritt der Tilgungswirkung
Für die Praxis bedeutsam ist – wenn auch nur beiläufig – die Klarstellung zum Entrichtungszeitpunkt. Bei Barzahlungen an ein ermächtigtes Kreditinstitut tritt die Tilgungswirkung bereits mit dem Eingang des Bargelds bei der Bank ein. Damit unterscheidet sich diese Zahlungsform von Überweisungen, bei denen es auf die Gutschrift bei der Finanzbehörde ankommt. Für Fragen der Säumnis und Säumniszuschläge kann dies im Einzelfall erhebliche Bedeutung haben.
3. Prozessuale Lehren
Schließlich verdeutlicht der BFH-Beschluss die hohen Darlegungsforderungen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Wer sich auf grundsätzliche Bedeutung oder Divergenz beruft, muss präzise herausarbeiten, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage entscheidungserheblich ist bzw. welche abstrakten Rechtssätze voneinander abweichen.
Eine rein materiell-rechtliche Kritik am Urteil des Finanzgerichts genügt nicht.
Fazit
Die Diskussion um die Zulässigkeit und Reichweite von Barzahlungen an staatliche Stellen wird auch künftig nicht abreißen, insbesondere vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben und gesellschaftsrechtlichen Debatten um den Einsatz von Bargeld.
Der BFH-Beschluss (VIII B 19/18) setzt hier zwar keinen neuen materiell-rechtlichen Maßstab, stärkt jedoch die Linie, dass § 224 AO als zentrale Norm des steuerlichen Zahlungsverkehrs maßgeblich ist und verfassungs- oder unionsrechtliche Einwände im Regelfall nicht durchgreifen.
Für die Beratungspraxis bedeutet dies: Steuerpflichtige sollten sich frühzeitig auf die von der Finanzverwaltung vorgesehenen Zahlungswege einstellen. Wer gleichwohl auf Barzahlung besteht, bewegt sich rechtlich auf engem Raum und wird seine Ansprüche nur in seltenen Ausnahmefällen durchsetzen können.
Quelle: BFH-Beschluss vom 21.08.2018, VIII B 19/18
