Die steuerrechtliche Klassifizierung von Aufsichtsratsmitgliedern hat eine bedeutende Wende erfahren. Bis 2019 wurden Mitglieder von Aufsichtsräten generell als umsatzsteuerpflichtige Unternehmer angesehen, ein Standpunkt, der die Verantwortung für das unternehmerische Risiko implizierte. Diese Auffassung wurde jedoch durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Juni 2019 auf den Prüfstand gestellt. Es folgte eine Phase der Rechtsunsicherheit, die durch unterschiedliche Interpretationen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie durch den EuGH und die nationale Finanzverwaltung geprägt war. Mit den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und den daraufhin angepassten Verwaltungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) wurde schließlich ein neuer Rahmen für die Umsatzsteuerpflicht von Aufsichtsratsmitgliedern geschaffen. Dieser Artikel beleuchtet die Neuausrichtung und deren Auswirkungen auf die Vergütungsstrukturen sowie die Steuerbarkeit der Tätigkeiten von Aufsichtsratsmitgliedern ein. Eine Entwicklung, die nicht nur für die betroffenen Personen, sondern auch für die unternehmerische Praxis von großer Bedeutung ist.
Im Wandel des Steuerrechts: Neuausrichtung der Umsatzsteuerpflicht für Aufsichtsratsmitglieder
Die steuerliche Behandlung von Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder hat sich deutlich gewandelt. Fortan steht nun nicht mehr die Vergütungsform - ob monetär oder in Sachleistungen - im Vordergrund, sondern die Frage, ob Aktienpakete und Optionen als variable Vergütung aufgrund von Kursvolatilitäten gelten können. Der Aktienkurs, ist häufig durch die getroffenen Vorstandsentscheidungen beeinflusst. Dadurch kann dieser als Basis für eine variable Vergütung verwendet werden. Aktienpakete oder deren Auszahlungen hängen hingegen nicht direkt von den Entscheidungen des Vorstands ab, womit eher die Anforderungen an eine fixe Vergütung erfüllt sind.
Eine Aufsichtsratsvergütung besteht häufig aus fixen und variablen Teilen. Besteht die Gesamtvergütung zu mindestens 10% aus einem variablen Anteil, so wird eine selbstständige unternehmerische Tätigkeit unterstellt. Die Finanzverwaltung hat diese 10 %-Regelung präzisiert, indem sie festlegte, dass die Berechnung auf den geplanten Vergütungen zu Beginn des Geschäftsjahres basieren muss, unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme an Sitzungen.
Die steuerlichen Richtlinien des BMF verlangen eine strikte Anwendung der 10 %-Grenze auf den vorgesehenen Leistungszeitraum und zwar unabhängig von ertragsteuerlichen Überlegungen, wobei Reisekosten nicht in die Berechnung einfließen. Dadurch ergeben sich verschiedene steuerliche Implikationen für den Vorsteuerabzug, je nachdem, ob Aufsichtsratsmitglieder als umsatzsteuerpflichtige Unternehmer gelten oder nicht.
Unternehmen mit Vorsteuerabzug haben ihre Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen anzupassen, wobei die Veränderungen seit Anfang 2022 in Kraft sind. Risiken bestehen für Unternehmen, die auf Änderungen nicht rechtzeitig reagieren und irrtümlich an der Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten festhalten, was zu steuerlichen Verpflichtungen führen kann.
Für Unternehmen, die nicht vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, resultieren aus der Umstellung auf Nichtunternehmerstatus steuerliche Nachteile, da Aufsichtsratsmitglieder nun diese Kosten in der Einkommensteuererklärung als Betriebsausgaben deklarieren müssen. Dies könnte jedoch durch die Betriebsausgabenregelung gemäß § 9b Abs. 1 EStG teilweise kompensiert werden.
Besonders Beamte und Politiker mit Aufsichtsratsmandaten müssen ihre steuerliche Situation überdenken, da ihre Selbständigkeit nicht automatisch aus einem Vergütungsrisiko abgeleitet werden kann. Die Finanzverwaltung verlangt eine differenzierte Betrachtung ihrer Tätigkeiten und der damit verbundenen Vergütungsstrukturen.
Effekte auf den Vorsteuerabzug
Die Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug können je nach den spezifischen Bedingungen sowohl für Aufsichtsräte als auch für Unternehmen variieren, wenn Aufsichtsratsvergütungen nicht mehr steuerpflichtig sind. Dabei sind unterschiedliche Szenarien zu berücksichtigen.
Unternehmen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind:
Auswirkungen für Aufsichtsräte
Die steuerrechtliche Einstufung von Aufsichtsratsmitgliedern hat eine Neubewertung erfahren: Sie werden nicht länger als umsatzsteuerpflichtige Unternehmer betrachtet, was den Vorsteuerabzug für bezogene Leistungen ausschließt. Diese aktualisierte Sichtweise entzieht den Aufsichtsräten somit die Möglichkeit, Eingangsleistungen steuerlich geltend zu machen.
Bei der Nutzung eines Büros für ausschließlich Aufsichtsratstätigkeiten ergibt sich durch diese Neubeurteilung ein weiterer steuerlicher Effekt. Mangels Unternehmereigenschaft dürfen solche Räumlichkeiten nicht mehr umsatzsteuerpflichtig an die Aufsichtsratsmitglieder überlassen werden. Sollten in den vergangenen fünf Jahren erhebliche Investitionen in das Büro geflossen sein, könnte nun eine Entnahmeversteuerung oder eine Anpassung der Vorsteuer notwendig werden.
Die Reform wirkt sich zudem nachteilig auf zukünftige Rechnungsstellungen aus. Dennoch ist es möglich, diese Ausgaben im Rahmen der Ertragsteuer als Betriebsausgaben zu deklarieren. Das hat zur Folge, dass der potenzielle Verlust des Vorsteuerabzugs durch einen hohen Steuersatz effektiv um bis zu 50 % reduziert werden kann.
Auswirkungen für Unternehmen
Die revidierte steuerrechtliche Klassifizierung von Aufsichtsratsmitgliedern als Nichtunternehmer kann für die Betroffenen gewisse Herausforderungen mit sich bringen. Unternehmen, die bisher von Aufsichtsratsdiensten profitierten und vorsteuerabzugsfähig waren, stehen vor einer Anpassung: Leistungen von Aufsichtsräten werden fortan ohne Umsatzsteuerausweis erbracht, womit keine Vorsteueransprüche mehr für die Unternehmen bestehen.
Die Umstellung auf die neuen Bestimmungen, die seit Anfang 2022 gelten, sollte für Unternehmen ohne größere Schwierigkeiten verlaufen, sofern sie sich zeitnah anpassen. Ein potentielles Risiko ergibt sich für den Fall, dass Aufsichtsräte den Wandel in der Steuergesetzgebung ignorieren oder irrtümlich annehmen, sie würden weiterhin als umsatzsteuerpflichtige Unternehmer agieren. In solchen Fällen könnten fehlerhaft Umsatzsteuer ausweisende Rechnungen entstehen, was für die Unternehmen nach § 14c Abs. 2 UStG zu ungewollten Steuerbelastungen führen könnte.
Unternehmen, die nicht zum vollen bzw. teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt sind:
Auswirkungen für Aufsichtsräte
Die Neukategorisierung von Aufsichtsratsmitgliedern als Nicht-Unternehmer führt steuerlich zu Nachteilen im Bereich des Vorsteuerabzugs, den eigentlich nur Unternehmer geltend machen können. Festvergütungen für Aufsichtsratsmitglieder werden nun in der Einkommensteuererklärung als Betriebsausgaben erfasst. Dieser Wechsel könnte den administrativen Aufwand bei der Steuererklärung verringern, da nicht abzugsfähige Vorsteuern, die sich aus der veränderten umsatzsteuerlichen Situation ergeben, als Betriebsausgaben verbucht werden. Dieser Prozess kann möglicherweise die finanzielle Last der Vorsteuern für Aufsichtsratsmitglieder ausgleichen oder sogar übersteigen.
Auswirkungen für Unternehmen
Für Unternehmen, die sich auf steuerfreie Leistungen spezialisieren, wie etwa Bildungseinrichtungen gemäß § 4 Nr. 21 UStG, und die daher keinen Anspruch auf den Vorsteuerabzug haben, ergibt sich eine spezielle steuerliche Situation: Die Umsatzsteuer, die auf den Honorarnoten von Aufsichtsräten ausgewiesen wird, kann nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden. Dies resultiert in einer zusätzlichen finanziellen Belastung, denn bei einer Vergütung an Aufsichtsratsmitglieder von 10.000 Euro ohne Umsatzsteuer entsteht eine zusätzliche Steuerlast von 1.900 Euro.
Fazit
Das BMF-Schreiben bringt eine signifikante Klarheit in der Handhabung der Aufsichtsratsvergütungen, insbesondere hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Reisekosten bei der Bestimmung der 10%-Grenze. Für Beamte und Politiker, die ihre Positionen aufgrund ihres öffentlichen Amtes bekleiden, gelten spezielle Ausnahmen. Diese Regelung erleichtert die steuerliche Last für Unternehmen, vor allem in Sektoren wie Gesundheit, Finanzwesen und Bildung, die nur eingeschränkt oder gar nicht zum Vorsteuerabzug fähig sind. Aufsichtsräte, die als Kleinunternehmer gelten könnten, verursachen durch ihre Fixvergütungen nun keine weiteren steuerlichen Belastungen für diese Unternehmen, was zu einer gerechteren und steuerlich effizienteren Unternehmenslandschaft führt.