Florian Solich - Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.), Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
Steuerberatungskosten, die für die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärung anfallen, stellen keine Veräußerungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG dar.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 22.02.2024, 10 K 1208/23 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
(…)
Tatbestand
Streitgegenstand des BFH-Verfahrens ist die Anerkennung von Steuerberatungskosten für die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.
A und B (Kläger und Revisionsbeklagte) werden i. R. d. Einkommensteuererklärung zur Zusammenveranlagung veranlagt. Die Klägerin B veräußerte 2021 die im Privatvermögen gehaltenen Anteile an der C-AG i. H. v. 5,93 %.
Für die Erstellung der Einkommensteuererklärung wurde der Steuerberater D beauftragt. Für seine Tätigkeiten, insbesondere für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns (§ 17 Abs. 2 S. 1 EStG) erhob der Steuerberater ein angemessenes Honorar.
Das Finanzamt (Beklagte und Revisionskläger) versagte den Abzug der Steuerberatungskosten als Veräußerungsnebenkosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns. A und B erhoben dagegen Einspruch, welcher aber erfolglos blieb.
Das zuständige Finanzgericht hat der Klage mit in Entscheidung der Finanzgerichte 2024, S. 1379 veröffentlichtem Urteil stattgegeben. Der Begriff der Veräußerungskosten setzt keinen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Veräußerung voraus. Vielmehr komme es allein auf den Veranlassungszusammenhang an, der auch mittelbar veranlasste Aufwendungen erfassen könne. Die Steuerberatungskosten seien durch den Veräußerungsvorgang veranlasst, da der auslösende Moment für die Entstehung dieser Aufwendungen in dem Veräußerungsvorgang selbst bestehe.
Das Finanzamt erhob Revision und rügte die Verletzung von Bundesrecht. Der Begriff der Veräußerungskosten in § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sei dahingehend auszulegen, dass ein unmittelbarer sachlicher Bezug der Aufwendungen zur Veräußerung erforderlich sei. Dieses Rechtsverständnis folgte u. a. aus dem Vergleich zur Regelung in § 20 Abs. 4 S. 1 EStG. Selbst unter Anwendung des weitergehenden Veranlassungszusammenhangs seien die Kosten allein durch die Steuererklärungspflicht und nicht durch die Veräußerung selbst ausgelöst worden.
Das Finanzamt beantragt das Urteil des Finanzgerichts vom 22.02.2024, 10 K 1208/23 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO).
Der BFH bestätigt in seiner Urteilsentscheidung, dass das Finanzgericht richtigerweise erkannt hat, dass die Veräußerung der Anteile an der C-AG dem Grunde nach § 17 EStG erfüllt.
Das Finanzgericht hat aber rechtsfehlerhaft entschieden, dass die von B getragenen Steuerberatungskosten Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 S. 1 EStG darstellen.
Der Begriff der Veräußerungskosten ist weder in § 17 Abs. 2 S. 1 EStG noch in den weiteren Vorschriften des Ertragssteuerrechts genau definiert. Die Auslegung der „Veräußerungskosten“ im EStG hat aber gemeinsam, dass sie die Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsguts oder einer Gesamtheit von Wirtschaftsgütern zum Gegenstand haben (BFH-Urteil vom 09.04.2014, I R 52/12, BFHE 245, 59, BStBl. II 2014, S. 861, Rz. 13).
Der Begriff der Veräußerungskosten ist nach Auffassung des BFH aber einheitlich auszulegen (BFH-Urteil vom 27.10.1977, IV R 60/74, BFHE 123, 553, BStBl. II 1978, 100; BFH-Urteil vom 09.04.2014, I R 52/12, BFHE 245, 59, BStBl. II 2014, S. 861, Rz. 13). Veräußerungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG sind daher auch diejenigen Kosten, die durch eine Veräußerung veranlasst sind.
Nach Ansicht des BFH kommt es darauf an, ob die Aufwendungen bei wertender Betrachtung ihren auslösenden Moment in der Veräußerung haben und eine größere Nähe zur Veräußerung als zu den laufenden Einkünften aufweisen (BFH-Urteil vom 07.03.2019, IV R 18/17, BFHE 264, 348, BStBl. II 2019, S. 696, Rz. 15; m. w. N.).
Der BFH betont, dass der maßgebliche Veranlassungszusammenhang nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen ist. Die die Aufwendungen auslösenden Momente müssen gewichtet und gegeneinander abgewogen werden, um feststellen, welcher Moment der entscheidende für den Ursprung der Kostenentstehung war.
Der erkennende Senat hat in einer früheren Entscheidung vom 09.10.2013, IX 25/12 (BFHE 242, 513, BStBl. II 2014, S. 102) die Kosten eines abkommensrechtlichen Verständigungsverfahrens nicht als Veräußerungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG eingeordnet. Dabei hat er einen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Veräußerung verlangt und darauf abgestellt, dass der auslösende Moment für den Kostenaufwand nicht die Veräußerung, sondern deren Steuerbarkeit ist (vgl. dort Rz. 10, 12).
Der BFH hebt in der Urteilsentscheidung hervor, dass er einen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und dem Rechtsgeschäft der Veräußerung nicht für zwingend erforderlich hält. Vielmehr genüge auch i. R. d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG ein Veranlassungszusammenhang mit der Veräußerung, um Aufwendungen als Veräußerungskosten zu behandeln. Somit werden auch mittelbare Veräußerungskosten in den allgemeinem Kostenbegriff „Veräußerungskosten“ einbezogen, sofern eine Kausalität zum Veräußerungsvorgang besteht.
Gegen eine solche Auslegung spricht auch nicht die Regelung des § 20 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 EStG (BT-Drucks. 16/4841, S. 57; BFH-Urteil vom 09.09.2025, IX R 12/24, Rz. 18).
Der Senat kann offenlassen, ob der in § 20 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 EStG geforderte „unmittelbare sachliche Zusammenhang“ dahingehend zu verstehen ist, dass es auf den auslösenden Moment ankommt. Jedenfalls hätte es dem Gesetzgeber freigestanden, den Abzug von veräußerungsbedingten Aufwendungen im Bereich des § 20 EStG im Vergleich zu § 17 EStG abweichend zu regeln. Eine vollständige Belastungsgleichheit von Einkünften aus § 17 Abs. 1 S. 1 EStG und solchen nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG kann schon durch die unterschiedlichen tariflichen Regelungen nicht erzielt werden.
Fazit
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das Finanzgericht Hessen zwar zutreffend einen Veräußerungsvorgang nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 EStG bejaht und für die Annahme von Veräußerungskosten den auflösenden Moment für den Kostenaufwand abgestellt.
Die Feststellung der Vorinstanz, der auslösende Moment für die Entstehung der streitgegenständlichen Steuerberatungskosten sei der Veräußerungsvorgang selbst, widerspricht jedoch den dargestellten Anforderungen.
Denn diese Aufwendungen sind Folge der sachlichen Steuerpflicht des Veräußerungsvorgangs und dem hierauf beruhenden Entschluss von A und B (Kläger), für die Ermittlung ihrer steuerlichen Erklärungspflichten einen Steuerberater zu beauftragen (vgl. Senatsurteil vom 09.10.2013, IX R 25/12, BFHE 242, 513, BStBl. II 2014, S. 102, Rz. 12).
Das Urteil bringt für privat gehaltene Beteiligungen somit eine klare Abgrenzung mit sich. Kosten, die erst nach der Veräußerung entstehen und der steuerlichen Deklaration dienen, sind nicht den Veräußerungskosten zuzuordnen. Dazu zählen z. B.:
- Steuerberatungskosten zur Erstellung der Steuererklärung,
- Kosten für die Dokumentation des Veräußerungsgewinns,
- Kosten im Einspruchsverfahren gegen die steuerliche Erfassung.
Als Veräußerungskosten sind weiterhin anerkennungsfähig:
- Rechts- und Beratungskosten zur Vorbereitung und Durchführung der Veräußerungskosten
- Notar- und Vertragskosten
- Kosten für die Unternehmensbewertung sowie
- Makler- und Vermittlungskosten.
Quelle: BFH-Urteil vom 09.09.2025, IX R 12/24
