Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG für ein Grundstücksunternehmen ist zu versagen, wenn es sich bei diesem Unternehmen um eine Organgesellschaft handelt, die sämtliche Grundstücke an eine andere Organgesellschaft derselben Organschaft verpachtet (Anschluss an Urteile des BFH vom 18.05.2011, X R 4/10, BFHE 233, 539, BStBl. II 2011, 887 und vom 30.10.2024, IV R 9/11, BFH/NV 2025, 227). Dies gilt auch, wenn die pachtende Organgesellschaft diesen Grundbesitz an außerhalb des Organkreises stehende Dritte weitervermietet oder weiterverpachtet.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22.09.2022, 9 K 2833/21 G aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision der Klägerin wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin, Revisionsbeklagten und Revisionsklägerin (Klägerin) im Veranlagungsjahr 2016 die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zusteht.
Die Klägerin ist eine Wohnungsbauanbieterin. Sie ist als GmbH eine Obergesellschaft mit Holdingfunktion (Konzernmutter) und ertrag- wie umsatzsteuerlich Organträgerin. Zum Konzern gehören neben der W-GmbH noch weitere 17 organisierte Schwesterorgangesellschaften, die ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH geführt werden. Die Organgesellschaften verfügen ebenfalls über einen eigenen Immobilienbestand.
Die W-GmbH war im Veranlagungsjahr 2016 als Dienstleisterin für die zum Konzern gehörende Immobiliengesellschaften tätig. Sie war die zentrale Managementgesellschaft und war für die Verwaltung des Immobilienbesitzes zuständig.
Die 17 weiteren Organgesellschaften hatten ihren Immobilienbesitz an die W-GmbH zur Weitervermietung verpachtet.
Die W-GmbH verpachtete bzw. vermietete die Immobilien im eigenen Namen an fremde Dritte außerhalb des Organkreises, trug sämtliche Aufwendungen und war für die Immobilienverwaltung zuständig. Diese Konzernstruktur bestand seit 2007.
Die W-GmbH verbuchte die Pachtzahlungen an die anderen Organtöchter (Schwestergesellschaften) als Aufwand. Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 e) GewStG nahmen sie nicht vor.
Die Organtöchter beanspruchten die erweiterte Gewerbesteuerkürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in der Klagebegründung weiterhin.
Der Gewerbesteuermessbetrag 2016 war ursprünglich unter Berücksichtigung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung festgesetzt worden. Bei einer steuerlichen Außenprüfung für 2016 – 2018 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der Klägerin die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht zustehe. Hierzu verwies er auf die Urteile des BFH vom 18.05.2021, X R 4/10 (BFHE 233, 539, BStBl. II 2011, 887) und vom 30.10.2024, IV R (BFH/NV 2015, 227).
In den früheren Betriebsprüfungen bis einschließlich zum Veranlagungsjahr 2015 wurde die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht beanstandet.
Der Beklagte (Finanzamt) änderte daraufhin den Ausgangsbescheid und beschränkte die gewerbesteuerliche Kürzung auf 1,2% des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes (§ 9 Nr. 1 S. 1 GewStG). Der Gewerbesteuermessbetrag wurde entsprechend geändert.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit einer Sprungklage, welcher das Finanzamt zustimmte.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht gewährte statt der einfachen Kürzung i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die erweiterte Kürzung als Differenz zwischen dem Gesamtbetrag der erweiterten Kürzung und dem Hinzurechnungsbetrag nach § 8 Nr. 1 e) GewStG. In den übrigen Punkten wurde die Klage abgewiesen.
Das Finanzamt beantragte das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragte das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag dahingehend zu ändern, dass die erweiterte Gewerbesteuerkürzung gewährt wird. Ebenso soll die Revision des Finanzamts zurückgewiesen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts war begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Revision des Klägers ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Das ausgesprochene Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 S. 1 FGO). Das Finanzgericht hat unrechtmäßig bei der Klägerin (in korrigierter Höhe) die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG berücksichtigt, denn die besonderen Vorschriften der gewerbesteuerlichen Organschaft stehen dieser Vorschrift entgegen.
Begründung:
- Die Organschaft führt dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaft für die Dauer des Organschaftsverhältnisses auf den Organträger übergeht. Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden (selbstständigen [Anm. d. Verf.]) Gewerbebetriebe allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.
- Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnung um 1,2% des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes gekürzt. An Stelle der Kürzung kann auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, die erweiterte Kürzung beansprucht werden. Gemäß § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG ist die erweiterte Kürzung ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil des Gewerbebetriebs eines Gesellschafters dient.
- Im Streitfall steht § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG einer Anwendung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung bei den Organgesellschaften entgegen.
§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG bestimmt, dass eine Kapitalgesellschaft, die Organgesellschaft i. S. d. § 14 – § 17 KStG ist, als Betriebsstätte des Organträgers gilt. Trotz dieser Fiktion binden die Organgesellschaften und der Organträger kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbstständige Gewerbebetriebe, die für sich selbst bilanzieren und den Gewerbeertrag getrennt ermitteln.
Da Organträger und Organgesellschaft nicht als einheitliches Unternehmen i. S. d. Gewerbesteuergesetzes angesehen werden können, ist für den Organträger und die Organgesellschaft gesondert zu prüfen, ob die jeweils ausgeübte Tätigkeit den Voraussetzungen dieser Vorschrift entspricht. Dem Organträger kann die erweiterte Kürzung nicht allein deshalb versagt werden, weil das Organ eine schädliche Tätigkeit ausübt.
Um den maßgebenden Gewerbeertrag für den Organkreis zu ermitteln, sind die unter Beachtung der § 8, § 9 GewStG getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaft zusammenzurechnen. Unberechtigte Steube- und -entlastungen sind dabei auszuscheiden.
Je nachdem, um welche Rechenposten es sich handelt, sind die Korrekturen entweder bereits bei den selbstständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder auf zweiter Stufe durch Hinzurechnung bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen.
Im Ergebnis führen Geschäftsbeziehungen innerhalb des Organkreises grundsätzlich nicht zu Hinzurechnungen und Kürzungen. Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften sind innerhalb des Organkreises nur dann anzuwenden, wenn sich ihre Wirkungen ausgleichen.
Der BFH hat im Urteil vom 18.05.2011, X R 4/10, BStBl. II 2011, 887, Rz. 37 durch teleologische Reduktion entschieden, dass nach diesen Grundsätzen die erweiterte Kürzung im Fall einer Vermietung von Grundstücken innerhalb eines Organkreises ausgeschlossen ist. Der BFH begründet dies, dass sich bei der Vermietung zusammenhängende Aufwendungen und Erträge im Organkreis neutralisieren und die aus der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG folgende Korrespondenz zwischen der Aufwands- und Ertragsseite gestört würde, wenn die Mieterträge durch Anwendung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage herausgenommen werden würde, obwohl die korrespondierenden Aufwendungen weiterhin abgezogen werden können (BFH-Urteil vom 18.05.2011, X R 4/10, BStBl. II 2011, 887, Rz. 46).
Fazit
Im Ergebnis erzielen die Organgesellschaften sämtliche Pachterlöse von der W-GmbH, welche die Pachtzahlungen als Betriebsausgabe verbucht. Auf der Ebene der Organträgerin (Klägerin) glichen sich Aufwand und Ertrag aus, so dass eine Korrektur des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bei den Organgesellschaften nicht geboten ist. Eine solche Korrektur würde dazu führen, dass auf der Ebene der Organträgerin Erträge nicht der Gewerbesteuer unterworfen wären, obwohl die korrespondierenden Aufwendungen abgezogen werden können, was zu einer ungerechtfertigten Steuerentlastung bei der Klägerin führen würde.
Die durch die Organschaft bedingten Besonderheiten der Ermittlung des Gewerbegewinns (§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG) verlangen es, auch im Fall des Weitervermietungsmodells nur die Geschäftsbeziehungen zwischen den Organgesellschaften zu betrachten.
Bei der W-GmbH ist die erweiterte Kürzung schon deswegen ausgeschlossen, weil sie nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt, sondern fremden Grundbesitz nutzt und zusätzliche Service- und Managementleistungen erbringt.
Quellen:
- BFH-Urteil vom 11.07.2024, III R 41/22