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Abgabenordnung | Steuerfachwirtprüfung - Übungsfall

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Übungsfall

Die Beteiligten der A+B+C-KG hatten einvernehmlich auf Anforderung des Finanzamts den A (Komplementär) als Empfangsbevollmächtigen benannt. Zum 31.12.02 löst sich die KG ohne Liquidation auf.

Die Feststellungserklärung für 01 reichen die ehemaligen Gesellschafter der KG dem Finanzamt erst mit erheblicher Verspätung im Februar 06 ein. Den gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen F-Bescheid 01 vom 22.10.08 gibt das FA am 25.10.08 an A bekannt, obwohl das FA durch einen vorliegenden HR-Auszug davon Kenntnis hat, dass die KG nicht mehr besteht. In der Erläuterung zum F-Bescheid weist das FA darauf hin, dass die Bekanntgabe an A für und gegen alle ehemaligen Gesellschafter der zum 31.12.02 aufgelösten KG erfolgt.

B (Kommanditist) erhält erst durch den gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 01 vom 02.12.08 am 05.12.08 (Abgabe der ESt-Erklärung in 02) von der Höhe seiner Beteiligungseinkünfte Kenntnis und stellt fest, dass Darlehenszinsen zur Finanzierung seiner Beteiligung nicht als Sonder-BA berücksichtigt worden sind (10.000 €). Er bittet um umfassenden Rechtsrat zu folgenden Fragen:

1. Ist der Feststellungsbescheid 01 vom 22.10.08 zutreffend bekannt gegeben worden?

2. Ist sowohl der Feststellungsbescheid 01 für die Gesellschafter der KG als auch der Einkommensteuerbescheid 01 für B innerhalb der Feststellungs- bzw. Festsetzungsfrist erlassen worden?

3. Besteht noch eine Möglichkeit, die Darlehenszinsen steuermindernd zu berücksichtigen? Nehmen sie auch dazu Stellung, bis zu welchem Termin B tätig werden muss und welche Auswirkungen sich auf den Einkommensteuerbescheid 01 ergeben!

 

1. Ist der Feststellungsbescheid 01 vom 22.10.08 zutreffend bekanntgegeben worden?

  • Der Feststellungsbescheid ist zutreffend bekanntgegeben worden, da die Bekanntgabe im vorliegenden Fall nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AO erfolgt ist.
  • Demzufolge kann das FA Feststellungsbescheide gegen die zwischenzeitlich aufgelöste KG bis zum Zugang eines Widerrufes der Vollmacht weiterhin an den - von den ehemaligen Gesellschaftern - benannten Empfangsbevollmächtigten bekanntgeben, § 183 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AO.
  • § 183 Abs. 3 AO hat als Spezialvorschrift Vorrang vor der Grundregelung in § 183 Abs. 2 Satz 1 AO = Unabhängig von der tatsächlichen Kenntnisnahme wirkt die Bekanntgabe an A für alle Beteiligten, § 183 Abs. 1 Satz 5 AO!

 

2. Ist sowohl der Feststellungsbescheid 01 vom 22.10.08 für die Gesellschafter der KG als auch der Einkommensteuerbescheid 01 für B innerhalb der Feststellungs- bzw. Festsetzungsfrist erlassen worden?

 

Erläuterungen

Feststellungsbescheid 01

-§ 181 Abs. 1 AO-

Einkommensteuer-

bescheid 01

Beginn der Frist, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO31.12.04 (Höchstzulässige Anlaufhemmung von 3 Jahren)31.12.02
Dauer der Frist, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO4 Jahre4 Jahre
Reguläres EndeAblauf 31.12.08Ablauf 31.12.06
Ablaufhemmung? Ablaufhemmung gemäß
§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO bis zum 25.10.10
ErgebnisDer Feststellungsbescheid 01 vom 25.10.08 ist innerhalb der regulären Feststellungsfrist erlassen worden.Der geänderte Einkommensteuerbescheid 01 vom 02.12.08 ist innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen worden.

3. Besteht noch eine Möglichkeit, die Darlehenszinsen steuermindernd zu berücksichtigen? Nehmen sie auch dazu Stellung, bis zu welchem Termin B tätig werden muss und welche Auswirkungen sich auf den Einkommensteuerbescheid 01 ergeben!

Die Darlehenszinsen sind zwingend als Sonder-Betriebsausgaben in der Feststellungserklärung geltend zu machen; die Einheitlichkeit der Feststellung geht dem eventuellem Geheimhaltungsinteresse des Gesellschafters vor, BFH, BStBl II 1992, S. 4!

Zu prüfen sind das Rechtsbehelfsverfahren und das Korrekturverfahren als jeweils gesonderte Verfahren:

Rechtsbehelfsverfahren

Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid

Der Einspruch würde wegen der Bindungswirkung des F-Bescheides an den Folgebescheid EStB (vgl. § 182 I AO) als unbegründet zurückgewiesen werden, § 351 II AO

Einspruch gegen den Feststellungsbescheid

Der Einspruch würde wegen Versäumnis der Einspruchsfrist (Ende mit Ablauf des 25.11.08) als unzulässig zurückgewiesen werden, §§ 355 I Satz 1, 358 AO

Korrekturverfahren

Es kommt ein Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides gemäß § 164 II Satz 2 AO in Betracht, weil der Vorbehalt der Nachprüfung den gesamten Bescheid erfasst und für materielle Fehler jeglicher Art gilt

  • Die Befugnis des B für den Änderungsantrag ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 352 AO im Korrekturverfahren; hierzu wird auf § 352 I Nr. 3 AO hingewiesen.
  • Der Antrag gemäß § 164 Abs. 2 AO muss nach den Grundsätzen der Feststellungsverjährung spätestens bis zum 31.12.08 beim Finanzamt eingehen; wird der Antrag fristgerecht gestellt, gilt die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 AO bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Antrag.
  • Als Folgewirkung ist der Einkommensteuerbescheid 01 erneut innerhalb der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO zu ändern!