Inhaltsverzeichnis
Offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsaktes gem. § 129 AO
Vorbemerkungen
Nach § 129 AO können offenbare Unrichtigkeiten bei allen Arten von Verwaltungsakten berichtigt werden.
- Steuerbescheide nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO
- Freistellungsbescheide nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AO
- Vorauszahlungsbescheide nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO
- Steueranmeldungen nach § 168 AO
- entsprechende Änderungsbescheide
- Antragsbescheide nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AO
- Feststellungsbescheide nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO
- Steuermessbescheide nach § 184 Abs. 1 Satz 3 AO
- Vergütungsbescheide nach § 155 Abs. 5 AO
- Zinsbescheide nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO
- entsprechende Änderungsbescheide
- Antragsbescheide
- Zwangsgelder,
- Verspätungszuschläge,
- Fristverlängerungen oder deren Ablehnung,
- Aufforderungen des Finanzamts,
- Auskünfte zu erteilen oder Urkunden vorzulegen,
- Prüfungsanordnungen nach § 196 AO,
- Haftungsbescheide,
- Pfändungsmaßnahmen,
- Anrechnungsverfügungen im Steuerbescheid,
- Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs. 2 AO
Als offenbare Unrichtigkeit gelten Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, welche beim Erlass eines Verwaltungakts unterlaufen sind. Nach § 129 AO besteht die Möglichkeit die Fehler zu korrigieren.
Begriff der offenbaren Unrichtigkeit
Es muss sich um unbewusste und routinemäßige sogenannte mechanische Fehler handeln, bei denen ein Rechtsirrtum ausgeschlossen ist siehe hierzu AEAO Nr. 1 u. 2 zu § 129.
Neben Schreib- und Rechenfehlern fallen darunter auch Ablese- und Übernahmefehler aus Tabellen, Übertragungsfehler bei der Eingabe von Daten aus der Steuererklärung in das Datenerfassungsprogramm, das die Grundlagen für den Ausdruck des Steuerbescheids im Rechenzentrum der Steuerverwaltung enthält.
Nicht erforderlich ist, dass sich der mechanische Fehler unmittelbar aus dem Steuerbescheid selbst offenkundig ergibt nach AEAO Nr. 3 zu § 129.
Merke
Bei einer offenbaren Unrichtigkeit liegt oft eine Diskrepanz von im Verwaltungsakt Erklärten und vom Amtsträger tatsächlich Gewollten vor.
Beispiel
Der Steuerinspektor überprüft die Steuererklärung des Steuerpflichtigen. Er hakt in der Erklärung des Steuerpflichtigen die Einkünfte ab, die er dann in den Eingabebogen übernimmt. So verfährt er auch bei den Zinseinkünften des Steuerpflichtigen, vergisst allerdings die Eingabe in das Datenerfassungsprogramm. Der Einkommensteuer-Bescheid enthält nunmehr keine Einkünfte aus Kapitalvermögen. Zwei Monate später bemerkt der Steuerinspektor sein Versehen.
Dem Beamten ist beim Erlass des EInkommensteuer-Bescheids ein mechanischer Fehler unterlaufen. Durch das Abhaken hat der Steuerinspektor klar zu erkennen gegeben, dass er die Zinseinkünfte des Steuerpflichtigen der Besteuerung unterwerfen wollte. Ein Rechtsirrtum des Beamten, dass diese Einkünfte nicht steuerpflichtig seien, ist praktisch ausgeschlossen. Eine Berichtigung des Steuerbescheids nach § 129 AO kommt daher in Betracht.
Nicht erforderlich ist, dass die offenbare Unrichtigkeit aus dem Steuerbescheid selbst ersichtlich ist. Dieser ist in sich schlüssig.
Beispiel
Der Steuerinspektor hat auch die Steuererklärung eines weiteren Steuerpflichtigen bearbeitet. Dieser hat unter anderem Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 48.000 € erklärt.
Bei der Eingabe in das Datenerfassungsprogramm setzt er aus Versehen einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 84.000 € ein. Der Einkommensteuer-Bescheid wird entsprechend bekannt gegeben. Später bemerkt der Steuerinspektor seinen Fehler.
Auch hier handelt es sich um einen mechanischen Fehler des Steuerinspektors in Form eines Übertragungsfehlers. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Rechtsirrtums sind nicht ersichtlich. Der Fehler ist auch offenbar, weil die Höhe des Verlusts im Einkommensteuer-Bescheid eindeutig auf einen Zahlendreher zurückzuführen ist. Der Bescheid wird nach § 129 AO berichtigt.
Beispiel
Im September des Jahres 02 gewährt der Steuerinspektor der Unternehmerin eine Stundung ihrer Einkommensteuer des Jahres 01 bis zum März des Jahres 03 nach § 222 AO. Er setzt die Stundung auf einem Blatt Papier ab und lässt sie von seiner Mitarbeiterin eingeben. Diese tippt versehentlich als Ende der Stundung den März des Jahres 04 ein. Die Stundung wird der Unternehmerin bekannt gegeben, ohne dass jemand den Fehler bemerkt.
Auch dieser sonstige Verwaltungsakt enthält eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO.
Zusammenfassung offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass von Verwaltungsakten § 129
Fehler beim Erlass eines Verwaltungsaktes
Nach § 129 AO können nur Fehler korrigiert werden, die im Zuge des Erlasses eines Verwaltungsakts unterlaufen sind. Der Fehler muss also vom Finanzamt begangen worden sein. Mechanische Fehler, die dem Steuerpflichtigen unterlaufen sind, scheiden damit grundsätzlich für eine Korrektur nach § 129 AO aus.
Ein Fehler, der dem Steuerpflichtigen unterlaufen ist, kann nur dann zu einer Berichtigung nach § 129 AO führen, wenn der Fehler für das Finanzamt erkennbar war - etwa aus eingereichten Unterlagen oder einer offengelegten Berechnung - und vom Finanzamt übernommen wurde sogenannter Übernahmefehler. Siehe hierzu AEAO Nr. 4 zu § 129.
Beispiel
Der Steuerpflichtige erklärt in seiner Einkommensteuer-Erklärung unter anderem Einkünfte aus Vermietung & Verpachtung in Höhe von 17.400. €. Diese werden seiner Besteuerung zugrunde gelegt.
Nach formeller Bestandskraft seines Einkommensteuer-Bescheids bemerkt der Steuerpflichtige, dass seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Wirklichkeit nur 17.040 € betrugen. Er bittet das Finanzamt, den Zahlendreher nach § 129 AO zu berichtigen.
Der mechanische Fehler ist nicht dem Finanzamt, sondern dem Steuerpflichtigen unterlaufen. Da der Steuerpflichtige seine Berechnung nicht offengelegt hatte, konnte das Finanzamt den Fehler auch nicht erkennen. Es liegt damit auch kein sogenannter Übernahmefehler vor. Eine Berichtigung nach § 129 AO scheidet aus.
Hätte der Steuerpflichtige seinen Fehler innerhalb der Einspruchsfrist entdeckt, so hätte er Einspruch gegen den Bescheid einlegen können nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Im sogenannten Wiederaufrollungsverfahren siehe hierzu § 367 Abs. 2 AO wäre dann sein Versehen bereinigt worden.
Handelt es sich allerdings um die Übernahme eines sogenannten „vermeintlichen“ mechanischen Fehlers des Steuerpflichtigen, welcher tatsächlich auf der unzutreffenden Anwendung einer Rechtsnorm beruht. Scheidet eine Berichtigung nach § 129 AO aus, auch wenn der Fehler von der übernehmenden Finanzbehörde als offenbare Unrichtigkeit übernommen wurde.
Verfahren
§ 129 AO stellt die Berichtigung eines Verwaltungsaktes in das pflichtgemäße Ermessen nach § 5 AO des Finanzamtes.
Beeinflusst der mechanische Fehler die Höhe einer Steuer oder des festgestellten Betrages in einem Feststellungsbescheid, so wird das Finanzamt im Allgemeinen nur ermessensgemäß handeln, wenn es die Berichtigung durchführt. Dies erfordert das Interesse des Steuerpflichtigen bei einer offenbar unrichtigen zu hohen Steuer (§ 129 Satz 2 AO) beziehungsweise das Interesse der Finanzbehörde bei einer offenbar unrichtigen zu niedrigen Steuer in entsprechender Anwendung von § 85 AO.
Im Einzelfall kann das Finanzamt die Berichtigung auf dem steuerlichen Verwaltungsakt selbst durchführen nach § 129 Satz 3 AO. Wurde etwa der Name des Betroffenen falsch geschrieben, so handelt es sich auch hier um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO. Hier kann die Korrektur ohne weiteres auf dem Verwaltungsakt durchgeführt werden.
Prüfungstipp
Die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeiten gemäß § 129 AO ist regelmäßig Prüfungsbestandteil gerade in den Prüfungen zum Steuerfachwirt!