ZU DEN KURSEN!

Abgabenordnung (Vertiefung) - Teil B: Überblick der Regelungen für eine strafaufhebende Selbstanzeige, § 371 AO

Kursangebot | Abgabenordnung (Vertiefung) | Teil B: Überblick der Regelungen für eine strafaufhebende Selbstanzeige, § 371 AO

Abgabenordnung (Vertiefung)

Teil B: Überblick der Regelungen für eine strafaufhebende Selbstanzeige, § 371 AO

Es ist eine getrennte Prüfung der an der Straftat Beteiligten (Täter und Teilnehmer) vorzunehmen = Wer hat die Selbstanzeige zu welchem Zeitpunkt erstattet! 

1.  Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige

  • Steuerhinterziehung gemäß 370 AO mit Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen = Hinweis auf das Prüfungsschema! 
  • Berichtigung oder Nachholung der bisherigen falschen Angaben, 371 I AO
    Getrennte Betrachtung der strafrechtlich relevanten Steuerarten („allen Steuerstraftaten einer Steuerart“)!
  • Kein Fall der Sperrwirkung des § 371 II Satz 1 bis 4 und Satz 2 AO
    Prüfung aller in Betracht kommenden Negativgründe! 
  • Fristgerechte Zahlung der hinterzogenen Steuern und der Zinsen nach den §§ 233a und 235 AO, § 371 Abs. 3 AO
  • Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages in den Fallgestaltungen des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nummern 3 und 4 AO gemäß § 398a AO

  • Sonderregelungen hinsichtlich der Wirksamkeit einer Selbstanzeige bezüglich der Berichtigung von unrichtigen Angaben in Umsatzsteuer- Voranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen sind zu beachten, § 371 Abs. 2a AO

Die Anwendung des § 371 AO indiziert, dass der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO erfüllt ist!

Eine Selbstanzeige wirkt strafaufhebend sowohl für eine vollendete Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 iVm Abs. 4 AO als auch für die versuchte Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 2 AO. Bei versuchter Steuerhinterziehung besteht zur Erlangung der Straffreiheit mangels Taterfolg naturgemäß keine Nachzahlungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO, da noch keine Steuerverkürzung oder Steuervorteile eingetreten sind.

 

2. Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige

Die Selbstanzeige beseitigt nicht die Straftat "Steuerhinterziehung" (§ 370 AO), sondern nur die strafrechtliche Ahndung der Tat nach den Vorschriften des StGB.

Deshalb ist eine wirksame Selbstanzeige unerheblich für folgende steuerrechtliche Rechtsfolgen einer vollendeten Steuerhinterziehung:

  • Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO
    • Abgrenzung zwischen den Tatbestandsmerkmalen der §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO wegen der Dauer der Festsetzungsfrist
    • Die Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO geht über das Ende der „regulären“ bzw. „verlängerten“ Festsetzungsfrist hinaus! 
  • Verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 II Satz 2 AO
    • Grundsatz der Teilverjährung; die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 370 AO indiziert die verlängerte Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist von 10 Jahren!

  • Durchbrechung der Sperrwirkung des § 173 II AO
    • Geltung in den Fällen der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO), wenn materielle Fehler erst nach Abschluss einer Außenprüfung bekannt werden!

  • Haftung nach den §§ 69 und 71 AO und Vorschriften des Zivilrechts
    • Die Haftung kommt immer dann in Betracht, wenn der strafrechtliche Täter nicht der Steuerpflichtige ist = Steuerhinterziehung zum fremden Vorteil!

  • Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO

 

3. Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund, § 28 Abs. 2 StGB

  • Eine Selbstanzeige wirkt straffrei sowohl für eine vollendete Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 AO als auch für die versuchte Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 2 AO. Bei letzterer besteht zur Erlangung der Straffreiheit naturgemäß keine Nachzahlungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO, da noch keine Steuerverkürzung eintrat.

Getrennte Prüfung für die an der Steuerhinterziehung Beteiligten:
„Wer hat was zu welchem Zeitpunkt angezeigt?"

  • Die Selbstanzeige wirkt nur für denjenigen, der von ihr selbst Gebrauch macht, dh nicht automatisch für andere Mittäter oder Teilnehmer an der Straftat, § 28 II StGB
  • Bei Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) ist für jeden Täter getrennt zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt sind

  • Dieses gilt auch für Personen, die im Wege der Teilnahme als Anstifter (§ 26 StGB) an der Tat beteiligt waren oder die Beihilfe (§ 27 StGB) geleistet haben

  • Selbstanzeige durch "Dritte" ist wirksam bei vorheriger Zustimmung bzw. Vollmacht; nachträgliche Genehmigung ist wirkungslos.

Beispiel

Hier klicken zum Ausklappen

Mit "Gehaltserhöhung" bestochener Buchhalter zeigt seinen Chef beim FA an und gesteht gleichzeitig, dass er als Gehilfe an der vorsätzlichen Nichterfassung von 10.000 € Betriebseinnahmen beteiligt war.

Im Rahmen der weiteren Prüfung durch das Finanzamt wird zweifelsfrei festgestellt, dass der Unternehmer der Alleintäter (§ 25 StGB) war und der Buchhalter Beihilfe (§ 27 StGB) geleistet hat.

Nachdem das Finanzamt beim Unternehmer wegen des Sachverhalts nachgefragt hat, bittet er ebenfalls um Straffreiheit und genehmigt die Anzeige des Buchhalters.

-> Selbstanzeige ist nur wirksam für den Buchhalter; insoweit liegen die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 und 2 AO vor

-> Für den Täter der Steuerhinterziehung ist eine wirksame Selbstanzeige nicht mehr möglich. Die nachträgliche Genehmigung fällt unter die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO. Eine Rückwirkung der Genehmigung ist nicht zulässig!

 

4. Berichtigungserklärung, § 371 I AO

Tatbestandsmerkmale des § 371 Abs. 1 Satz 1 AO

  • Anzeigeberechtigter = Täter oder Teilnehmer an einer Steuerstraftat nach § 370 AO; getrennte Prüfung des persönlichen Strafaufhebungsgrundes für die Beteiligten an der Steuerhinterziehung! 
  • Gegenüber der Finanzbehörde = Sachlich und örtlich zuständiges Finanzamt oder Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung 
  • Vollständige Darlegung aller Steuerstraftaten im Sinne des 370 AO („Materiallieferung“) 
    • Berichtigung der unrichtigen und unvollständigen Angaben bei einer Tathandlung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
    • Nachholung der unterlassenen Angaben bei einer Tathandlung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
  • Zu einer Steuerart (getrennte Betrachtung)

 

Tatbestandsmerkmale des § 371 Abs. 1 Satz 2 AO

  • Vollständige Angaben im Sinne des 371 Abs. 1 Satz 1 AO
    • zu einer Steuerart (getrennte Betrachtung) und
    • zu allen strafrechtlich noch nicht verjährten Steuerstraftaten und
    • mindestens für alle Steuerstraftaten innerhalb der letzten 10 Kalenderjahre vor Eingang der Selbstanzeige

 

Sämtliche Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO müssen zur Wirksamkeit der Selbstanzeige erfüllt sein!

 4.1 Notwendiger Inhalt

  • Die Selbstanzeige muss eine möglichst ausführliche Darstellung des unrichtigen bzw. unvollständigen oder fehlenden Sachverhalts geben. Dem FA muss es auf dieser Grundlage möglich sein, ohne langwierige größere Nachforschungen den Sachverhalt vollständig aufzuklären und die richtige Steuer zu Es sind somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen mitzuteilen, die für die zutreffende Besteuerung erforderlich sind.
  • ergänzende Ermittlungsmaßnahmen des FA sind unschädlich, wenn der wesentliche Aufklärungsbeitrag vom Stpfl./Täter kommt = Zu hohe Schätzung der hinterzogenen Beträge ist unschädlich, wenn noch Unterlagen (zB Bankbelege) beigebracht werden müssen.
  • Die Selbstanzeige darf keine erheblichen neuen Unrichtigkeiten zugunsten des Steuerpflichtigen enthalten, wobei es gleichgültig ist, ob er diese unrichtige oder mangelhafte Berichtigung verschuldet hat.
  • In einfachen Fällen kann ausnahmsweise die schlichte Vorlage von Kontounterlagen, Depotauszügen und Erträgnisaufstellungen ausreichend sein, wenn sich aus ihnen die nachzuversteuernden Kapitalerträge unmittelbar und eindeutig ergeben. 
  • Rechtsfolge der Unvollständigkeit
    Unvollständige Selbstanzeigen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht wirksam sein und daher auch nicht zum „Abschluss von einzelnen Steuerstraftaten“ führen.

    Sie führen auch nicht für die einzelnen Taten, hinsichtlich derer die isoliert betrachtete Selbstanzeige vollständig ist, zur Straffreiheit. Eine Berücksichtigung kann ggf. im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd erfolgen!

 

 4.3 Form

Die Selbstanzeige bedarf keiner bestimmten Form. Sie kann schriftlich oder mündlich, per Fax oder E-Mail abgegeben werden. Sie muss auch nicht zwingend als „Selbstanzeige“ bezeichnet werden. Aus Beweisgründen sollte eine Selbstanzeige jedoch immer schriftlich erfolgen.

Folglich kann auch eine verspätet abgegebene Steuererklärung (zB nach zu niedriger Schätzung) eine Selbstanzeige darstellen.

 

 4.3 Eine Steuerart

  • Getrennte Betrachtung der Steuerarten für das Vollständigkeitsgebot des § 371 AO    und    die    weiteren    Voraussetzungen    für    eine    wirksame Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 und 3 AO
  • Eine Selbstanzeige, die mehrere Steuerarten umfasst, ist hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO für jede Steuerart getrennt zu prüfen!

  • Somit kann eine wirksame Selbstanzeige hinsichtlich der Umsatzsteuer auch dann noch abgegeben werden, wenn bezüglich der Einkommensteuer die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO nicht erfüllt sind oder diesbezüglich ein Fall der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO vorliegt!

 

Beispiel

Hier klicken zum Ausklappen

Hinterziehung von Einkommensteuer und Umsatzsteuer für 14 bis 20

 

Es besteht die Möglichkeit, gleichzeitig zwei Selbstanzeigen gemäß § 371 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO für alle Hinterziehungen der Einkommensteuer bzw. der Umsatzsteuer 14 bis 20 abzugeben, die selbständig nach den Kriterien des § 371 Abs. 1 bis 3 AO zu beurteilen sind.

Nach Eingang der 1. Selbstanzeige bezüglich Einkommensteuer werden in der Regel wegen der später erstatteten 2. Selbstanzeige bezüglich Umsatzsteuer die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO erfüllt sein!

 

4.4  Keine Teilselbstanzeige zu hinterzogenen Steuern einer Steuerart

Eine Selbstanzeige muss umfassend alle Hinterziehungssachverhalte enthalten, damit Straffreiheit eintritt. Unrichtige oder unvollständige Angaben müssen gegenüber der Finanzbehörde berichtigt, ergänzt oder unterlassene Angaben nachgeholt werden (§ 371 Abs. 1 AO). 

Damit bringt die Selbstanzeige nur dann Straffreiheit, wenn die Besteuerungsgrundlagen aller maßgebenden Besteuerungszeiträume einer Steuerart erfasst sind = Getrennte Betrachtung bei Steuerhinterziehungen mehrerer Steuerarten im Hinblick auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige! 

Vollständigkeitsgebot
Eine wirksame Selbstanzeige liegt nur vor, wenn alle vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Besteuerungsgrundlagen der maßgebenden Steuerart/en zutreffend nacherklärt werden

  • Eine Geringfügigkeitsgrenze von 5 % ist zu beachten = Bei Abweichungen innerhalb dieser Grenze in Bezug auf die materiell zutreffend hinterzogene Steuer bleibt die Selbstanzeige nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) wirksam
  • Entscheidend hierfür sind sämtliche Steuerverkürzungen in den nach 371 Abs. 1 Satz 2 AO maßgebenden Veranlagungszeiträumen; zB Nichterfassung von Betriebseinnahmen, Erträge aus einem Grundstück werden nicht erklärt und außergewöhnliche Belastungen werden fingiert = Je Veranlagungszeitraum liegt eine vollendete Steuerhinterziehung als Straftat im Sinne des 370 AO vor!

 

4.5 Ausnahmefälle und wirksame Teilselbstanzeige

  • Bei der Sperrwirkung gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1a und 1c AO ist eine Teilselbstanzeige für die nicht von der Außenprüfung umfassten Steuerarten und Veranlagungszeiträume wirksam!
  • Fallgestaltungen des § 371 Abs. 2a AO liegen bei USt-Voranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen vor

 

4.6 Frist von 10 Jahren

Für den Umfang der Vollständigkeit gilt eine feste Frist von 10 Jahren, § 371 Abs. 1 Satz 2 AO. Selbstanzeigen müssen stets mindestens die letzten 10 Kalenderjahre umfassen.

„Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen."

Somit sind im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige drei unterschiedlich zu berechnende Fristen zu beachten:

  • die strafrechtliche Verjährung der Steuerhinterziehung §§ 78ff StGB, § 376 AO
  • die feste Frist von 10 Jahren § 371 Abs. 1 Satz 2 AO
  • die steuerliche Festsetzungsverjährung § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 Satz 2 AO und die Ablaufhemmungen des § 171 AO

 

4.7  Erläuterungen zum „10-Jahreszeitraum“

--Hinweis auf die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) vom 01.12.2019, Teil 12, Nr. 11, Abs. 3--

Berechnung des „10-Jahreszeitraums“
„Bei der Bestimmung des Zehn-Jahres-Zeitraums erfolgt keine taggenaue Abrechnung, die auf den Tag des Eingangs der Selbstanzeige abstellt, sondern es ist auf volle Kalenderjahre abzustellen. Danach ist auf die Steuerstraftaten der letzten zehn Kalenderjahre abzustellen, die dem Jahr des Eingangs der Selbstanzeige vorangehen. Damit von einer wirksamen Selbstanzeige ausgegangen werden kann, müssen auch die Steuerstraftaten, die im Kalenderjahr der Abgabe der Selbstanzeige begangen wurden, mit erklärt werden.“

 

Bestimmung der in den „10-Jahreszeitraum“ fallenden Taten:
„Zur Bestimmung der in den maßgebenden Zeitraum fallenden Taten im Sinne des § 371 AO ist grundsätzlich hinsichtlich des Zeitpunkts der Tatbegehung bei Abgabe einer falschen Erklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in Anlehnung an § 8 StGB auf den Abgabezeitpunkt der Erklärung abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt der Tatvollendung (Veranlagung).

Bei Unterlassungsdelikten (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist hiervon abweichend auf die Tatvollendung abzustellen, d.h. Abschluss der wesentlichen Veranlagungsarbeiten der entsprechenden Steuerart (95%-Grenze).“

 

Fallbeispiel zur Berechnung der maßgebenden Berichtigungszeitraumes im Sinne von § 371 Abs. 1 Satz 2 AO

Der steuerlich nicht beratende Steuerpflichtige hat bis 2016 seine Einkommensteuererklärung jeweils pünktlich eingereicht. In den Veranlagungszeiträumen ab 2005 hat er Einkünfte aus ausländischem Kapitalvermögen in Höhe von jeweils 10.000 € (ESt +2.500 €) nicht erklärt und hierdurch jeweils pro Veranlagungszeitraum eine selbständig zu ahndende Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO begangen = 12 vollendete Steuerstraftaten im Sinne des § 370 AO!

Für die Abgabe einer Selbstanzeige am 25.10.2017 ist zu ermitteln, welche Zeiträume einzubeziehen sind, um das Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 Satz 2 AO zu erfüllen:

 

Steuerjahr

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Abgabe

29.04.2006

03.05.2007

02.04.2008

09.05.2009

14.04.2010

20.04.2011

Bekannt-

gabe EStB

11.07.2006

04.08.2007

09.07.2008

15.05.2009

02.06.2010

30.07.2011

Steuerjahr

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Abgabe

30.05.2012

07.05.2013

02.05.2014

01.04.2015

11.05.2016

09.05.2017

Bekannt-

gabe EStB

17.08.2012

13.07.2013

05.08.2014

25.07.2015

17.08.2016

23.08.2017

Prüfungsschritt I
Strafrechtliche Verjährung der Steuerstraftaten

Der unrichtige Einkommensteuerbescheid 2012 wurde am 13. 7. 2013 bekannt gegeben. Die strafrechtliche Verjährung läuft somit gemäß §§ 78a, 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB (Dauer: 5 Jahre) erst mit Ablauf des 13. 7. 2018 ab.

Die Hinterziehung der Einkommensteuer 2011 ist hingegen bereits am 17. 8. 2017 und damit vor Eingang der Selbstanzeige verjährt.

Folglich sind mindestens die Einkommensteuerhinterziehungen 2012 bis 2016 im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige noch nicht verjährt und gem. § 371 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO anzugeben.

 

Prüfungsschritt II
Fiktive Frist von zehn Kalenderjahren

 Der Gesetzgeber hat neben der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung aufgrund der divergierenden steuerlichen Verjährungsfristen einen Mindesterklärungszeitraum von zehn Jahren eingefügt, wobei nach dem Wortlaut auf abgeschlossene vollständige Kalenderjahre und nicht auf eine stichtagsbezogene Betrachtung abzustellen ist. Folglich ist dieser Zeitraum unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung und auch von der steuerlichen Festsetzungsverjährung.

Ausgehend von obigem Beispiel ergibt sich daraus für den zweiten Prüfungsschritt Folgendes: In der Selbstanzeige sind zu allen Einkommensteuerhinterziehungen Angaben zu machen, die in den letzten zehn Kalenderjahren vor Abgabe der Selbstanzeige begangen wurden.

Hier ist jedoch nicht auf den Zeitpunkt des Taterfolgs abzustellen, sondern in den Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auf die Tathandlung und somit auf die Abgabe der jeweils falschen Steuererklärung.

Daher sind alle Taten offenzulegen, die in den zehn Kalenderjahren (2007 bis 2016) vor dem Jahr der Abgabe der Selbstanzeige (2017) begangen wurden. Mithin sind zu den Einkommensteuerhinterziehungen bzgl. der Besteuerungszeiträume 2006 (begangen am 3. 5. 2007 mit Abgabe der Erklärung) bis 2016 (begangen am 09.05.17 mit Abgabe der Erklärung) Angaben zu machen, damit die Selbstanzeige vollständig ist. 

Abwandlung
Wie wäre zu entscheiden, wenn der Stpfl. trotz hoher Kapitaleinkünfte für die Jahre 2005 bis 2016 vorsätzlich keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hätte? Das zuständige Finanzamt hatte die Veranlagungsarbeiten für die Jahre 2005 bis 2016 jeweils 21 Monate nach Ende des Veranlagungszeitraums erledigt.

Berechnung der fiktiven Frist von zehn Kalenderjahren
Bei Tathandlungen durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist auf den Zeitpunkt des Taterfolgs (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO) abzustellen.

Somit fällt die Nichtabgabe der ESt-Erklärung 05 noch in den 10-Jahreszeitraum, weil der Taterfolg erst am 01.10.07 eingetreten ist.

Ebenso fällt die Nichtabgabe der ESt-Erklärung 15 in den 10-Jahreszeitraum, weil der Taterfolg am 01.10.17 und damit vor Abgabe der Selbstanzeige eingetreten ist.

Die Nichtabgabe der ESt-Erklärung 16 fällt demgegenüber nicht in den für die Wirksamkeit der Selbstanzeige maßgebenden Zeitraum.

Nach alledem hat die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 Satz 2 AO die Veranlagungszeiträume 05 bis 15 zu umfassen.

 

5. Kein Fall der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO

Hinweis

Hier klicken zum Ausklappen

Eine wirksame Selbstanzeige ist ganz oder teilweise nicht mehr möglich, wenn einer oder gegebenenfalls mehrere Tatbestände des § 371 Abs. 2 AO erfüllt sind!

 

5.1 Nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung, 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a AO 

Eine Straffreiheit tritt nicht mehr ein, wenn alternativ

  • dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter = Täter oder Teilnehmer
    oder
  • dem Begünstigten im Sinne des § 370 Abs. 1 AO oder dessen Vertreter = Stpfl., zu dessen Gunsten Steuern hinterzogen worden sind
  • eine Prüfungsanordnung gemäß 196 AO
  • beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung
  • nach § 197 AO ordnungsgemäß bekannt gegeben und wirksam worden ist (§§ 122, 124 Abs. 1 AO)
  • Vertreter i.S. des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO sind die Bekanntgabeadressaten, also die gesetzlichen Vertreter, aber auch die durch besondere Vollmacht gewillkürten Vertreter i.S. des § 80 AO (zB Steuerberater).
  • Durch den Begriff des "an der Tat Beteiligten" werden nun alle Beteiligungsformen erfasst; also auch Gehilfen und Anstifter können nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung keine wirksame Selbstanzeige mehr erstatten, wenn die Prüfungsanordnung einer der in 371 Abs. 2 Satz 1a AO genannten Personen bekanntgegeben worden ist.
  • Der Sperrgrund der Prüfungsanordnung (PA) gem. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a AO gilt zB auch für den Mitarbeiter (Beihilfe durch Fälschung von Belegen über Betriebsausgaben), der nicht selbst Adressat der Prüfungsanordnung ist. Es ist nicht notwendig, dass der an der Tat Beteiligte von der Prüfungsanordnung Kenntnis erhalten muss.

Beispiel

Hier klicken zum Ausklappen

Wenn dem Täter die PA bekanntgegeben wird, so kann auch der Anstifter keine wirksame Selbstanzeige mehr abgeben. Es ist unerheblich, ob der Anstifter von der PA Kenntnis hat oder nicht. Er kann somit eine "böse" Überraschung nach Abgabe seiner Selbstanzeige erleben, wenn sich die Sperrwirkung herausstellt.

Beispiel

Hier klicken zum Ausklappen

Begünstigte im Sinne von § 371 Abs. 1 AO ist die A+B+C-KG als Unternehmer hinsichtlich der hinterzogenen Umsatzsteuer. Tatbeteiligte sind der Kommanditist als Täter und der Arbeitnehmer als Teilnehmer, der Beihilfe geleistet hat.

„Durch die wirksame Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an die KG bzw. deren gewillkürten Vertreter oder Empfangsbevollmächtigten nach Maßgabe des § 197 AO tritt für alle an der Tat Beteiligten (Täter/Teilnehmer) eine Sperrwirkung gemäß § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a AO ein!“

In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, ob die an der Tat beteiligten Personen tatsächlich Kenntnis von der Prüfungsanordnung erlangt haben = Mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe tritt die Sperrwirkung für alle Täter und Teilnehmer ein!

 

5.2 Umfang der Sperrwirkung - Möglichkeit der Teilselbstanzeige, § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 AO

  • Die Bekanntgabe und Wirksamkeit (§§ 122 und 124 Abs. 1 AO) einer Prüfungsanordnung bewirkt jedoch keine umfassende Sperrwirkung für alle von einer Steuerhinterziehung betroffenen Steuerarten und Veranlagungszeiträume der letzten 10 Kalenderjahre nach den Regelungen in § 371 Abs. 1 AO.
  • Das Gesetz formuliert in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO: "Prüfungsanordnung […] bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen (Steuerarten) und zeitlichen (Veranlagungszeiträume) Umfang der angekündigten Außenprüfung = Maßgebend ist der Inhalt der wirksamen Prüfungsanordnung! 
  • 371 Abs. 2 Satz 2 AO trifft korrespondierend zu vorgenannter Regelung folgende Aussage: "Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart." 
  • Dies bedeutet, dass für die nicht in der Prüfungsanordnung genannten Besteuerungszeiträume und Steuerarten eine Teilselbstanzeige nach Maßgabe des 371 Abs. 1 AO zulässig und insoweit das Vollständigkeitsgebot nicht anzuwenden ist.

Beispiel

Hier klicken zum Ausklappen

Unternehmer U hat Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 06 bis 14 hinterzogen. U wird eine PA für die ESt 11-13 bekanntgegeben.

Eine wirksame Selbstanzeige für die ESt 11 bis 13 ist gemäß § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a AO nicht mehr möglich.

Jedoch ist eine Selbstanzeige für die hinterzogenen Einkommensteuerbeträge 06 bis 10 und 14 nicht ausgeschlossen und weiterhin wirksam.

Zu beachten ist jedoch der notwendige Umfang der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO und nach Beginn der Außenprüfung mit Prüfungshandlungen die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO.

 

5.3 Dauer der Sperrwirkung des 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a AO

Mit Bekanntgabe und Wirksamkeit (§§ 122, 124 Abs. 1 AO) der berichtigten Bescheide nach Abschluss der Außenprüfung lebt die Möglichkeit der wirksamen Selbstanzeige „in vollem Umfang“ somit unter den Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 bis 3 AO wieder auf!

Somit ist grundsätzlich nach Wirksamkeit der Änderungsbescheide für den Prüfungszeitraum wieder eine Selbstanzeige für alle Steuerarten und Veranlagungszeiträume möglich

 

5.4 Nach Einleitung und Bekanntgabe des Straf- oder Bußgeldverfahrens, § 371 2 Satz 1 Nr. 1b AO iVm § 397 AO

Nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO ist die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige ausgeschlossen, wenn nur einem der Tatbeteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bereits bekannt gegeben wurde. Dies kann z. B. durch ein Einleitungsschreiben oder die Übergabe einer Durchsuchungsanordnung geschehen.

  • Auch hier gilt eine umfassende Sperrwirkung für alle an der Tat Beteiligten bei Einleitung und Bekanntgabe gegenüber einem Beteiligten!

Umfang der Ausschlusswirkung
Aus der Einleitungsverfügung oder dem Durchsuchungsbeschluss ergibt sich in Form der darin nach Steuerart, Zeitraum und Steuerpflichtigem beschriebenen Tat auch der Umfang der Ausschlusswirkung.

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass bezüglich des Umfangs der Sperrwirkung nicht mehr auf die in der Einleitungsverfügung angeführten Besteuerungszeiträume abzustellen ist. Gesperrt sind vielmehr alle strafrechtlich nicht verjährten Zeiträume, die von Hinterziehungen der in der Einleitungsverfügung genannten Steuerart betroffen sind.

 

5.5 Amtsträger ist zur steuerlichen Prüfung erschienen, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1c AO

Hinweis

Hier klicken zum Ausklappen

Bei der steuerlichen Prüfung muss es sich um eine Außenprüfung nach §§ 193ff. AO handeln, deren Anordnung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO bereits einen selbstständigen Ausschlussgrund darstellt.

  • Auffangtatbestand zur vorrangig zu prüfenden Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a AO
  • Die Sperrwirkung des 371 Abs. 2 Nr. 1c AO kommt beispielsweise in Betracht, wenn die Prüfungsanordnung aufgrund schwerwiegender Entstehungsfehler unwirksam oder keine ordnungsgemäße Bekanntgabe erfolgt ist. 

Umfang der Sperrwirkung
Auch für den Sperrgrund des Erscheinens eines Amtsträgers zur Prüfung gem. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1c AO gelten gleichermaßen die Regelungen des § 371 II Satz 2 AO = Keine Infektionswirkung und somit Möglichkeit der Teilselbstanzeige!

  • Hinweis auf die Ausführungen zur Sperrwirkung des 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a AO; vgl. Tz. 5.1ff!

Regelungsinhalt der Sperrwirkung; Erlass des FinMin NRW vom 12.01.2016, Tz. 6 Das Tatbestandsmerkmal    „zur steuerlichen Prüfung“ ist aufgrund der Formulierung „auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung beschränkt“ eng auszulegen, so das mit der steuerlichen Prüfung nur die Außenprüfung im Sinne der §§ 194ff. AO gemeint ist. Eine Sachverhaltsermittlung vor Ort löst daher keine Sperrwirkung aus.

 

  • Somit führen Sachverhaltsermittlungen vor Ort außerhalb einer Außenprüfung nicht zur Sperrwirkung nach 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1c AO; zB Einnahme des Augenscheins gem. § 98 AO, die "betriebsnahe Veranlagung" (vgl. hierzu AEAO zu § 85 AO, Tz. 3), die Einsichtnahme in einzelne Unterlagen oder die Besichtigung des "Arbeitszimmers"! 
  • Auf die Sperrwirkung gemäß 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1e AO bezüglich einer USt- Nachschau, einer LSt-Nachschau und einer Kassen-Nachschau wird hingewiesen.

 

5.6 Amtsträger der Finanzbehörde erscheint zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1d AO

  • Hierbei handelt es sich um Maßnahmen der Steuerfahndung vor Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens (Vorfeldermittlungen gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO), die somit noch nicht die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO erfüllen!
  • Bei Erscheinen des Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit ist die Sperrwirkung nicht allein auf den Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses begrenzt.

Es bleibt insofern bei der bisherigen Rechtsprechung des BGH, welche die Veranlagungszeiträume derselben Steuerart als gesperrt ansieht, die aufgrund gleicher Einkunftsquelle im Zusammenhang mit den Ermittlungen stehen; BGH v. 20.5.2010, 1 StR 577/09

 

5.7 Amtsträger erscheint zu einer Umsatzsteuer-Nachschau, einer Lohnsteuer- Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften, § 371 II Satz 1 Nr. 1e AO

Es wird klargestellt, dass eine Selbstanzeige gesperrt ist, "wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer USt-Nachschau nach § 27b UStG, einer LSt-Nachschau nach § 42g EStG oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften (zB Kassennachschau gemäß § 146b AO) erschienen ist und sich ausgewiesen hat."

Damit der Prüfer vor Ort erschienen ist, muss er am Ort der beabsichtigten Prüfung eingetroffen oder zumindest in das Blickfeld des Steuerpflichtigen getreten sein. Er muss somit bildlich gesprochen bereits auf der Fußmatte vor der Tür des Betroffenen stehen und sich ausgewiesen haben.

  • Strittig ist der sachliche Umfang der Sperrwirkung; es wird einerseits vertreten, dass die Sperrwirkung bei der USt-Nachschau nur für die Umsatzsteuer und bei einer LSt-Nachschau nur für die Lohnsteuer und andererseits für sämtliche Steuerarten gilt!

 

5.8 Objektive und subjektive Tatentdeckung, 371 Abs. 2 Nr. 2 AO

 

Objektive Tatentdeckung

Eine von ggf. mehreren Steuerstraftaten muss durch die Finanzbehörden objektiv ganz oder teilweise entdeckt sein

Bloßer Tatverdacht genügt nicht, zB allgemeine Kontrollmitteilung über eine Vielzahl von Stpfl., Ankauf einer CD mit Daten über Konten in der Schweiz

  • Bei dem Begriff des Entdeckens der Tat S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal, das mit den üblichen strafprozessualen Verdachtsgründen nicht gleichgesetzt werden kann; er hat einen eigenständigen Bedeutungsinhalt.
  • Ein hinreichender Tatverdacht ist nicht erforderlich und kann auch nicht gefordert Es genügt, dass konkrete Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt sind.

und

Subjektive Tatentdeckung

Der Täter/Teilnehmer muss von der Entdeckung gewusst haben oder er musste damit rechnen
= subjektive Voraussetzung (zB durch Berichterstattung in der Presse)

  • Die Tat ist stets dann entdeckt, wenn ein Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht oder nicht vollständig angegeben wurde.
  • Nicht erforderlich für die Tatentdeckung ist, dass auf Grund der Tatsachen bereits ein Schluss auf vorsätzliches Handeln gezogen werden kann.

 

5.9 Umfang der Steuerverkürzung oder nicht gerechtfertigter Steuervorteil beträgt mehr als 25.000 € je Tat, § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO 

Eine Selbstanzeige begründet nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO auch dann keine Anwartschaft auf Straffreiheit, wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000 € je Tat übersteigt.

Berechnung der Betragsgrenze
Der Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO erfasst nur die einzelne Tat, bei der die Betragsgrenze von 25.000 € überschritten wird. Somit ist für die Grenze vom 25.000 € auf die einzelne Steuerart und den einzelnen Veranlagungszeitraum abzustellen.

Übersteigt der Hinterziehungsbetrag 25 000 Euro, tritt die Rechtsfolge Straffreiheit für diese Tat nach den Regelungen des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO nicht ein.

Vorsicht

Hier klicken zum Ausklappen

Das weitere Verfahren bestimmt sich dann nach § 398a AO, der ein Absehen von der Verfolgung wegen dieser Tat vorsieht, wenn der Täter die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern und die Hinterziehungszinsen und ergänzend einen nach dieser Vorschrift vorgese- henen Geldbetrag, der sich nach einem Prozentsatz der hinterzogenen Steuer richtet, zugunsten der Staatskasse zahlt = Strafaufhebungsgrund unter den weiteren Voraussetzungen des § 398a AO!

Für alle anderen angezeigten materiellen Taten, deren Verkürzungserfolg unter 25 000 Euro bleibt, tritt dagegen insoweit Straffreiheit ein, wenn die Steuern und die Hinterziehungszinsen nachentrichtet wurden. Die Selbstanzeige kann also für einzelne Taten wirksam und für andere unwirksam sein = Entsprechende Anwendung der Grundsätze für eine Teilselbstanzeige!

Weiteres Verfahren in den Fällen des § 370 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO

Für diese Tat bestimmt sich das weitere Verfahren nach der Vorschrift des § 398a AO. Danach wird von der weiteren Verfolgung der Tat nur abgesehen, wenn der Täter innerhalb der ihm gesetzten angemessenen Frist

  • die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern nachzahlt 
  • Hinterziehungszinsen nach 235 AO und Zinsen nach § 233a AO sowie
  • zusätzlich einen nach der Höhe des Hinterziehungsbetrags gestaffelten Geldbetrag zugunsten der Staatskasse entrichtet.

 

 

5.10 Schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 § 371 Abs. 2 Nr. 4 AO 

Ein weiterer Sperrgrund ist, dass einer der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 genannten besonders schweren Fälle vorliegt.

 

6.  Teilselbstanzeige bei Umsatzsteuer- und Lohnsteueranmeldungen, § 371 Abs. 2a AO

Um den gesetzlichen Regelungen des § 371 AO für den Bereich der Steueranmeldungen (Umsatzsteuer und Lohnsteuer) die Schärfe zu nehmen, ermöglicht der Gesetzgeber in diesem Bereich eine Teilselbstanzeige. 

Eine wichtige Besonderheit gilt für die USt-Voranmeldungen, soweit es sich nicht um eine Jahresanmeldung handelt, und Lohnsteuer-Anmeldungen, da § 371 Abs. 2a AO insoweit eine Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO vorsieht. Danach gilt eine korrigierte oder verspätete USt-Voranmeldung bzw. LSt-Anmeldung als wirksame Teilselbstanzeige.

Es handelt sich um eine Teilselbstanzeige, wenn die in der Selbstanzeige gemachten Angaben nicht vollständig sind. Im Rahmen des § 371 Abs. 2a AO ist die Selbstanzeige im nacherklärten Umfang wirksam und (nur) für die in der Selbstanzeige nicht berücksichtigten Einnahmen tritt keine Straffreiheit ein. Durch die Unvollständigkeit wird die Erklärung aber nicht insgesamt unwirksam. Ob die Erklärung bewusst oder unbewusst unvollständig abgegeben wurde, ist insoweit unerheblich.

Es besteht also die Möglichkeit, die einzelne USt- Voranmeldung oder LSt-Anmeldung wirksam zu korrigieren, ohne weitere falsche Erklärungen mit berichtigen zu müssen.

Beispiel

Hier klicken zum Ausklappen

Unternehmer U hat in den USt-Voranmeldungen für Januar bis März 17 seine Umsätze jeweils um 10 % zu gering angegeben. Im Mai 17 gibt er durch die Abgabe einer berichtigten und zutreffenden Voranmeldung für Januar 17 eine Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO ab. Eine Berichtigung für Februar und März 17 erfolgt nicht. 

Würde insoweit das Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO gelten, wäre die Selbstanzeige des T für den Zeitraum Januar 17 unwirksam, da nicht die anderen Hinterziehungen der Umsatzsteuer mit korrigiert werden.

Durch die Regelung des § 371 Abs. 2a AO ist die (Teil-)Selbstanzeige des T jedoch wirksam. Dann erlangt er Straffreiheit für die USt-Voranmeldung Januar 17.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist in diesem Fall ebenfalls eine wirksame Selbstanzeige gegeben, wenn der Unternehmer die unrichtigen Angaben in der USt-Jahreserklärung für 17 berichtigt; vgl. BGH-Urteil vom 13.07.2017, Az. 1 StR 536/16.

 

  • 371 Abs. 2a gilt grundsätzlich nicht für die Berichtigung von USt-Jahresanmeldungen; hier ist grundsätzlich das Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO uneingeschränkt zu beachten!
  • Eine Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot gilt jedoch im Hinblick darauf, dass die USt- Jahreserklärung für das Vorjahr nicht auch Berichtigungen für die USt-Voranmeldungen des laufenden Jahres umfassen muss, § 371 Abs. 2a Satz 4 AO

 

7. Fristgerechte Zahlung der hinterzogenen Steuern bei vollendeter Steuerhinterziehung, § 371 III AO

Bei versuchter Steuerhinterziehung besteht zur Erlangung der Straffreiheit mangels Taterfolg naturgemäß keine Nachzahlungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO, da noch keine Steuerverkürzung oder Steuervorteile eingetreten sind.

 

7.1 Selbständigkeit der strafrechtlichen Zahlungsfrist

Bei Erfolgseintritt ist grundsätzlich ferner die vollständige Zahlung der Mehrsteuern einschließlich der Zinsen und ggf. des Zuschlags gemäß § 398a AO durch den Täter/Begünstigten innerhalb der ihm strafrechtlich gesetzten Frist gemäß § 371 III AO erforderlich = Keine Teilstraffreiheit bei Teilzahlung!

  • Hinweis auf die vorherige Festsetzung durch korrigierte Steuerbescheide im Hinblick auf die genaue Höhe der hinterzogenen Steuern!
  • Zu den steuerlichen Zahlungsfristen besteht keine notwendige Abhängigkeit = Fristsetzung erfolgt durch das FA für Strafsachen; Stundung --in Absprache mit der StraBu-Stelle-- ist grundsätzlich möglich

  

7.2 Ermittlung des Nachzahlungsbetrags

Nachzahlungsbetrag ist maximal die subjektiv hinterzogene Steuer; ABER: Sollte der sich aus dem Leistungsgebot des korrigierten Steuerbescheides ergebende Nachzahlungsbetrag niedriger sein, ist dieser maßgebend (Berücksichtigung der Regelungen des § 177 AO und Abzug von Anrechnungsbeträgen)

Begründung
Das § 371 Abs. 3 tragende Prinzip ist das der Schadenswiedergutmachung. Dieses begrenzt die Norm aber auf den vom Täter oder Teilnehmer erlangten wirtschaftlichen Vorteil:

Nachzuzahlen sind zwar grundsätzlich die strafrechtlich relevanten Verkürzungsbeträge.

Jedoch folgt aus dem Zweck der Schadenswiedergutmachung, dass das sog. Kompensationsverbot des § 370 IV Satz 3 AO keine Anwendung findet und steuerliche Sonderregelungen (zB § 177 AO) zu beachten sind. Andernfalls würde der Nachzahlungspflichtige zum Ausgleich eines fiktiven Steuerschadens gezwungen, der in dieser Höhe in Wirklichkeit gar nicht entstanden ist.

Die Zahlung der Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO einschließlich der Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, sind eine weitere Wirksamkeitsvoraussetzung für die Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 3 AO.

 

7.3 Grenzen der Zahlungspflicht als Voraussetzung für die Straffreiheit

  • Die Pflicht, die hinterzogenen Steuern –nach erfolgter Selbstanzeige- zu entrichten, ist nur von dem Täter zu erfüllen, der Steuern "zu seinen Gunsten" hinterzogen hat 

Steuerschuldner          =         Steuerhinterzieher

  • Derjenige, der Steuern "zum Vorteil eines anderen" verkürzt hat, bleibt schon bei Erfüllung der in § 371 I und II normierten Voraussetzungen straffrei, wenn er die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben berichtigt. Auf die Nachzahlung kommt es in diesen Fällen grundsätzlich nicht an.
  • Unberührt von einer wirksamen Selbstanzeige bleibt jedoch eine Haftung nach § 71 AO, zB für Angestellte, Buchhalter.

  

7.4 Ausnahmen bei Steuerhinterziehung zum "Vorteil eines anderen"

  • 371 III AO gilt jedoch für Täter, der zwar nicht selbst Steuerschuldner ist, dem aber bei wirtschaftlicher Betrachtung der unmittelbare Vorteil aus der Tat zugeflossen ist. Hierbei sind folgende Fallgestaltungen zu unterscheiden:
  1. Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einmann-GmbH

    Voraussetzung für die wirksame Selbstanzeige iS des § 371 III AO eines Gesellschafter-GF einer Einmann-GmbH ist, dass er die hinterzogenen Steuern fristgerecht nach Erlass der geänderten Steuerbescheide (gegen die GmbH!) bzw. innerhalb der ihm durch die StraBu- Stelle ggf hiervon abweichenden Frist zahlt.
  1. Angestellter, der für den Arbeitgeber unrichtige USt-VAen abgibt und den der Steuerersparnis entsprechenden Betrag aus der Kasse unterschlägt und für Spielschulden verwendet

    Unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil iSv § 371 III AO und somit Zahlungspflicht der „fremden Steuern“ als Voraussetzung für eine wirksame Selbstanzeige!