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Begründung eines Arbeitsverhältnisses
Ein Arbeitsverhältnis kommt durch den Abschluss eines wirksamen Arbeitsvertrages zustande. Erforderlich sind zwei inhaltlich korrespondierende Willenserklärungen der Vertragspartner, Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB).
Zudem müssen die sog, „essentialia negotii“ gegeben sein. Feststehen müssen die Vertragsparteien, die Art der zu erbringenden Dienstleistung und der Beginn der Tätigkeit. Kein vertragswesentlicher Bestandteil ist dagegen die Höhe der Vergütung.Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 23. Auflage 2024, Rn. 175
Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gibt es einige Besonderheiten, die die Vertragsparteien zu beachten haben.
Vertragsanbahnung
Im Status der Vertragsanbahnung, also vor Abschluss des Arbeitsvertrages, sind insbesondere die richtige Ausschreibung der Stelle und die Zulässigkeit einer Frage im Bewerbungsgespräch zu beachten.
Bei der Stellenanzeige handelt es sich um eine sog. invitatio ad offerendum, d.h. eine Aufforderung an potenzielle Vertragspartner, ihrerseits ein Angebot abzugeben.
AGG
Bei der Stellenausschreibung wird insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) relevant: Die Stellenausschreibung darf den Arbeitnehmer nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligen, §§ 11 AGG.
Verstößt der Arbeitgeber gegen das Verbot der benachteiligenden Ausschreibung, kann der benachteiligte Bewerber einen Schadensersatz gegen den Arbeitgeber gem. § 15 AGG geltend machen.
Beispiel
Beispiel: Ein Beispiel für eine diskriminierende Ausschreibung wäre folgende Anzeige: „Suche junge, sprachbegabte Frau für die Position als Sekretärin in meiner Firma“.
Das AGG schauen wir uns in folgendem Video genauer an:
Fragerecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat im Bewerbungsgespräch naturgemäß das Anliegen, so viel wie möglich über seinen potenziellen neuen Mitarbeiter zu erfahren. Auf der anderen Seite gilt es, das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu schützen und ihn vor übergriffigen Fragen zu bewahren.
Der Arbeitgeber darf daher im Bewerbungsverfahren nur Fragen stellen, deren Inhalt für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung ist. Er muss also ein berechtigtes und schützenswertes Interesse an der Beantwortung der gestellten Fragen haben.BAG, NZA 2001, 315, m.w.N.
Nach den fachlichen Eignungen des Bewerbers für die jeweilige Stelle darf in jedem Fall gefragt werden. Je weiter die Frage in die Privatsphäre des Bewerbers eingreift, desto limitierter ist das Fragerecht des Arbeitgebers.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 152
Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine unzulässige Frage, darf der Arbeitnehmer lügen (sog. Recht zur Lüge). Der Arbeitgeber hat dann kein Recht, den Arbeitsvertrag wegen der „Täuschung" anzufechten, § 123 BGB.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 155
Hinweis
Die Anfechtung haben Sie schon im Skript zum Vertragsrecht kennengelernt. Eine Anfechtung ist wegen arglistiger Täuschung oder Drohung möglich, wenn eine Partei die andere Partei beim Abschluss des Vertrages täuscht oder bedroht, § 123 BGB. Eine Anfechtung ist zudem dann möglich, wenn eine Partei sich bei dem Abschluss des Vertrages geirrt hat, § 119 BGB.
Vertiefung
Zulässigkeit einzelner Fragen
Nach Vorstrafen darf der Arbeitgeber nur fragen, wenn die Auskunft nach der Art der jeweiligen Arbeit erforderlich ist. Erforderlich ist die Frage nach Vorstrafen, wenn diese mit der ausgeschriebenen Tätigkeit zusammenhängen. So darf etwa ein Lkw-Fahrer nach Verkehrsdelikten oder eine Kassiererin nach Vermögensdelikten gefragt werden.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 153, m.w.N.
Nach einer Schwangerschaft darf nie gefragt werden. Die Frage, ob eine Schwangerschaft vorliegt, trifft immer Frauen und ist daher eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts (§ 7 Abs. 1 AGG).EuGH NZA, 2001, 1241; Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 154
Die Frage nach einer Behinderung ist nur zulässig, wenn der Bewerber aufgrund der Behinderung an der Ausübung der Tätigkeit gehindert wäre, § 8 Abs. 1 AGG.
Vertragsfreiheit bei dem Abschluss eines Arbeitsvertrags
Auch im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, § 105 GewO). Der Arbeitgeber kann grundsätzlich frei entscheiden, wen er einstellt, der Arbeitnehmer kann frei entscheiden, wo er arbeiten möchte. Dieser Grundsatz kann unter engen Voraussetzungen eingeschränkt sein.
Eine Einschränkung findet der Grundsatz der Privatautonomie zum Schutz schwerbehinderter Menschen. So müssen Unternehmen gem. § 154 Abs. 1 SGB IX ab einer Größe von 20 Arbeitnehmern mindestens fünf Prozent schwerbehinderte Personen beschäftigen. Bei dieser Norm handelt es sich jedoch nicht um einen Abschlusszwang im eigentlichen Sinn, da ein Arbeitsverhältnis nicht gegen den Willen des Arbeitgebers zustande kommt. Ein Einstellungsanspruch eines einzelnen schwerbehinderten Menschen besteht nicht.Waltermann, Arbeitsrecht, 20. Auflage 2021, Rn. 155 Vielmehr müssen Arbeitgeber, die entgegen der Verpflichtung keine Schwerbehinderten beschäftigen, eine Ausgleichsabgabe gem. § 160 SGB IX bezahlen. Es handelt sich also vielmehr um ein „Einstellungsgebot“.Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage, 2025, Rn. 185
Eine weitere Durchbrechung des Grundsatzes der Privatautonomie erfolgt durch Abschlussverbote. Unter gewissen Umständen kann der Abschluss eines Arbeitsvertrages gesetzlich verboten sein. Wird dennoch ein Vertrag geschlossen, verstößt dieser gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB.
Beispiel
Beispiel für ein Abschlussverbot ist § 5 JArbSchG, welcher die Beschäftigung von Kindern unter fünf Jahren verbietet.
Abschlussverbote sind von Beschäftigungsverboten abzugrenzen. Während Abschlussverbote zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages führen, dürfen von einem Beschäftigungsverbot umfasste Arbeitnehmer lediglich nicht tätig werden. Die Wirksamkeit des Vertrages wird durch ein Beschäftigungsverbot nicht berührt.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 23. Auflage, 2024, Rn. 183 f.
Beispiel
Ein Beschäftigungsverbot ergibt sich beispielsweise aus § 16 MuSchG. Nach § 16 MuSchG darf eine schwangere Frau nicht beschäftigt werden, wenn die Gesundheit des Kindes durch die Beschäftigung gefährdet werden würde. Schließt die werdende Mutter zu dem Zeitpunkt des Beschäftigungsverbotes einen Arbeitsvertrag, ist dieser nicht nichtig, sondern Arbeitnehmerin muss lediglich das Ende des Beschäftigungsverbotes abwarten, um mit der Arbeit beginnen zu dürfen.