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Arbeits- und Sozialversicherungsrecht (Mündliche Prüfung)

Kollektives Arbeitsrecht

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Kollektives Arbeitsrecht

Dem soeben erläuterten individuellen Arbeitsrecht steht das kollektive Arbeitsrecht gegenüber. Anders als beim individuellen Arbeitsrecht geht es nicht um die Beziehung eines einzelnen Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber, sondern um die kollektive Geltendmachung von Rechten durch die Arbeitnehmer

Zum Einstieg in das kollektive Arbeitsrecht schauen wir uns folgendes Video an:

Dieses kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer ist der Grund, warum in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen Dinge vereinbart werden können, die in Einzelverträgen nicht möglich wären. Das kollektive Arbeitsrecht ist – anders als das individuelle Arbeitsrecht – nicht von einem Machtungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geprägt. Die Parteien stehen sich vielmehr gleichberechtigt gegenüber, die Arbeitnehmer sind daher weniger schutzbedürftig.

Koalitionsrecht

Zentrale Norm des Koalitionsrechts ist die Koalitionsfreiheit. Diese ist in Art. 9 Abs. 3 GG geregelt. Die Koalitionsfreiheit garantiert das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und alle Berufe. Abreden, die dieses Recht einschränken, sind nichtig, darauf gerichtete Maßnahmen unwirksam.

Die Koalitionsfreiheit umfasst nicht nur die individuelle Koalitionsfreiheit („jedermann“), sondern auch die kollektive Koalitionsfreiheit.Dütz/Thüsing, Arbeitsrecht, 29. Auflage 2024, Rn. 542 

Die individuelle Koalitionsfreiheit beinhaltet sowohl die positive Freiheit, Koalitionen zu gründen, ihnen beizutreten und in ihnen aktiv zu sein, als auch die negative Freiheit, Koalitionen fernzubleiben oder aus ihnen auszutreten.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 467 ff.

Beispiel

Ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit ist unter anderem bei Klauseln gegeben, in denen sich der Arbeitgeber verpflichtet, nur Gewerkschaftsmitglieder einzustellen („closed-shop-Klauseln“), da diese einen unzulässigen Druck auf Arbeitnehmer ausüben, einer Gewerkschaft beizutreten.Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 469 ff.

Die kollektive Koalitionsfreiheit umfasst den Bestand der Koalitionen (Bestandsgarantie) sowie die „koalitionsspezifischen Betätigungsweisen“BAG, NZA 2015, 306, Rn. 30 (Betätigungsfreiheit).Waltermann, Arbeitsrecht, 20. Auflage 2021, Rn. 499 ff.

Beispiel

Zu der von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigung zählt unter anderem die Werbung neuer Gewerkschaftsmitglieder.BAG, NJW 1970, 1635 (1635)

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Koalitionen können sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Arbeitnehmerseite gebildet werden. Bei einer Koalition von Arbeitgebern spricht man von einem Arbeitgeberverband, bei einer Koalition von Arbeitnehmern von einer Gewerkschaft.

Tarifvertragsrecht

Eng einher mit dem Koalitionsrecht geht das Tarifvertragsrecht. Gemeint ist damit das Recht, von wem und worüber Tarifverträge geschlossen werden dürfen. 

Ein Tarifvertrag kann von Gewerkschaften mit einem einzelnen Arbeitnehmer (Firmentarifvertrag) oder mit einem Arbeitgeberverband (Verbandstarifvertrag) geschlossen werden (§ 2 TVG).

Ein Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien (schuldrechtlicher Teil) und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können (normativer Teil), § 1 Abs. 1 TVG. 

Der normative Teil des Tarifvertrages gilt unmittelbar und zwingend für alle unter den Tarifvertrag fallenden Arbeitsverhältnisse, § 4 Abs. 1 TVG. Tarifnormen müssen also nicht erst arbeitsvertraglich umgesetzt werden. In der Normenhierarchie unter den Tarifnormen stehende Regelungen finden keine Anwendung.

Hinweis

Den schuldrechtlichen Teil können Sie sich vorstellen wie einen “normalen” Vertrag zwischen zwei Vertragsparteien, der die jeweiligen Rechte und Pflichten regelt. Der normative Teil des Tarifvertrages ist aufgrund der unmittelbaren und zwingenden Wirkung eher vergleichbar mit Normen, wie sie in Gesetzen zu finden sind. 

Eine Ausnahme von der unmittelbaren und zwingenden Wirkung ist in § 4 Abs. 3 TVG normiert. Von Tarifnormen abweichende Regelungen sind zulässig, wenn die Abweichung durch den Tarifvertrag gestattet ist (Öffnungsklausel) oder die Abweichung für den Arbeitgeber günstiger ist (Günstigkeitsprinzip).

Vertiefung

Günstigkeitsprinzip

Arbeitnehmer und Arbeitgeber können aufgrund des Günstigkeitsprinzips einzelvertraglich also immer eine Regelung treffen, die für den Arbeitnehmer besser ist, als die tarifliche Vereinbarung. Der Tarifvertrag setzt insoweit nur Mindeststandards. Schlechtere Vereinbarungen sind einzelvertraglich nur zulässig, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich zulässt.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 548, 549

Im normativen Teil des Tarifvertrages werden etwa Regelungen über die Vergütung der tarifgebundenen Arbeitnehmer getroffen (Entgelttarifvertrag). Daneben gibt es sog. Manteltarifverträge, welche die Arbeitsbedingungen (also z.B. die Höhe des Urlaubsanspruchs oder die Arbeitszeit) regeln.Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 504

Aus dem schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages ergibt sich u.a. die sog. Friedenspflicht, d.h. die Pflicht der Tarifvertragsparteien, während der Dauer des Tarifvertrages keinen Arbeitskampf zu beginnen.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 502

Eine Zusammenfassung der Grundlagen des Tarifvertragsrechts erhalten Sie in folgendem Lernvideo:

Arbeitskampfrecht

Mit dem Tarifrecht eng verbunden ist der Arbeitskampf. Der Arbeitskampf ist die Möglichkeit der Tarifvertragsparteien – meistens der Gewerkschaften –, den Abschluss eines Tarifvertrages zu erzwingen, wenn dies im Verhandlungsweg nicht möglich ist. 

Das bedeutendste Arbeitskampfmittel auf Arbeitnehmerseite ist der Streik. Wichtigstes Kampfmittel auf Arbeitgeberseite ist die Aussperrung.

Definition

Eine Aussperrung liegt vor, wenn der Arbeitgeber mehrere Arbeitnehmer nicht arbeiten lässt und sich weigert, das Arbeitsentgelt zu zahlen.Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 594

Neben dem Streik und der Aussperrung kommen auch andere Arbeitskampfmittel wie z.B. „Flashmob-Aktionen“, bei denen die „Kunden“ Waren in Einkaufswägen legen und diese dann im Geschäft zurücklassen, in Betracht.Vgl. BAG, NZA 2009, 1347 Rn. 19 ff.

Vertiefung

Rechtsfolgen eines rechtmäßigen Arbeitskampfs

Ein rechtmäßiger Arbeitskampf stellt keine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis dar: Ein Arbeitnehmer kann nicht aufgrund der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik gekündigt werden. Während eines rechtmäßigen Streiks ruhen die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 622 ff. Der Arbeitgeber ist also auch nicht zur Zahlung der Vergütung verpflichtet.BAG, NZA 2012, 1432, Rn. 21

 

Mitbestimmungsrecht – insbesondere Betriebsverfassungsrecht

Den Arbeitnehmern kommt im Betrieb (und auch im Unternehmen) ein gewisses Mitspracherecht bei Entscheidungen zu. Grund dafür ist, dass diejenigen, die von den betrieblichen Entscheidungen betroffen sind, auch an ihnen mitwirken sollen.Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 641

Mitbestimmung auf Betriebsebene

Diese Mitwirkungsbefugnis wird in den meisten Fällen durch den Betriebsrat ausgeübt.

Vertiefung

Vertretung von leitenden Angestellten und Beschäftigen im öffentlichen Dienst

Für leitende Angestellte ist nicht der Betriebsrat, sondern der Sprecherausschuss zuständig, § 5 Abs. 3 BetrVG. Auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden nicht vom Betriebsrat, sondern von der Personalvertretung repräsentiert (§ 130 BetrVG).

Definition

Unter einem Betrieb versteht man “eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.”LAG Köln, NZA 2025, 1342, Rn. 34, m.w.N.

Ein Betriebsrat kann in Unternehmen mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern gewählt werden, wenn mindestens drei der fünf Arbeitnehmer wählbar sind, § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Wahlberechtigt sind Arbeitnehmer des Betriebes, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, § 7 S. 1 BetrVG. Wählbar sind Wahlberechtigte, die mindestens 18 Jahre alt sind und mindestens sechs Monate dem Betrieb angehören, § 8 BetrVG. 

Die Größe des Betriebsrates hängt von der Anzahl der (wahlberechtigten) Arbeitnehmer im Betrieb ab, § 9 BetrVG. So besteht der Betriebsrat in Betrieben mit fünf bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern z.B. nur aus einer Person; in Betrieben mit 51 bis 100 Arbeitnehmern erreicht er demgegenüber schon eine Größe von fünf Mitgliedern. 

Dem Betriebsrat kommen verschiedene Beteiligungsrechte zu. Diese sind im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Die wichtigsten Beteiligungsrechte des Betriebsrates sind die Folgenden: 

§ 87 BetrVG – Erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats: Erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen z.B. hinsichtlich des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit (Nr. 2), der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze (Nr. 5) und Fragen der betrieblichen Lohngestaltung (Nr. 10). Beachtet der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht, sind getroffene, den Arbeitnehmer belastende Maßnahmen im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwirksam.BAG, NZA 1992, 749 (759)

§ 99 BetrVG – Mitbestimmung in personellen Einzelmaßnahmen: In Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung unterrichten, § 99 Abs. 1 BetrVG. 

§ 102 BetrVG – Anhörung bei Kündigung: Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung durch den Arbeitgeber angehört werden. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, ist die Kündigung unwirksam, § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG. 

Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, muss er diese dem Arbeitgeber innerhalb einer Woche mitteilen, § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Bei einer außerordentlichen Kündigung hat der Betriebsrat drei Tage Zeit, seine Bedenken mitzuteilen, § 103 Abs. 2 S. 3 BetrVG.

Einer ordentlichen Kündigung kann der Betriebsrat zudem innerhalb von einer Woche schriftlich widersprechen, wenn einer der in § 103 Abs. 3, Abs. 2 S. 1 BetrVG genannten Gründe vorliegt. Widerspricht der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf dessen Verlangen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterbeschäftigen.

Außerdem kann der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen abschließen, § 77 Abs. 2 BetrVG. Betriebsvereinbarungen gelten – wie Regelungen im normativen Teil eines Tarifvertrags – unmittelbar und zwingend, § 77 Abs. 4 BetrVG. Im Verhältnis von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung kommt dem Tarifvertrag der Vorrang zu. Eine Betriebsvereinbarung kann – sofern es nicht ausdrücklich zugelassen ist – nicht über Arbeitsbedingungen geschlossen werden, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, § 77 Abs. 3 BetrVG.

Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Ein Mitspracherecht der Arbeitnehmer gibt es auch auf Unternehmensebene. Die Arbeitnehmer sind auch von Entscheidungen auf Unternehmensebene direkt betroffen und sollen daher an ihnen mitwirken.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 805 

Die Mitbestimmung auf Unternehmensebene ist im Montanmitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 und dem Drittelbeteiligungsgesetz geregelt. Diese gewähren den Arbeitnehmern der in den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen das Recht, im Aufsichtsrat paritätisch oder zu einem Drittel im Aufsichtsrat vertreten zu sein.