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Mängel des Arbeitsvertrags
Ein Arbeitsvertrag kann Mängeln unterliegen. Diese können darin liegen, dass eine der Parteien nicht geschäftsfähig ist, eine Formvorschrift nicht eingehalten worden ist, ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten vorliegt oder der Vertrag von einer Partei angefochten wurde.
Zu den möglichen Mängeln eines Arbeitsvertrages schauen wir uns zunächst folgendes Video an:
Fehlende oder beschränkte Geschäftsfähigkeit
Um einen Arbeitsvertrag zu schließen, muss man geschäftsfähig sein. Nach dem BGB sind Minderjährige unter sieben Jahren geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 1 BGB), d.h., sie können keinen wirksamen Arbeitsvertrag schließen.
Minderjährige zwischen sieben und 18 Jahren gelten als beschränkt geschäftsfähig, §§ 106 ff. BGB. Diese brauchen für die Aufnahme eines Erwerbsgeschäfts und den Abschluss eines Arbeitsvertrages die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters.
In den §§ 112 und § 113 BGB finden sich Sondervorschriften für Minderjährige, die ein Erwerbsgeschäft betreiben, bzw. für minderjährige Arbeitnehmer. Relevant ist vor allem § 113 BGB. Wird ein beschränkt geschäftsfähiger von seinem gesetzlichen Vertreter ermächtigt, ein Arbeitsverhältnis aufzunehmen, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen.
Hinweis
Dass Kinder ab sieben Jahren als beschränkt geschäftsfähig gelten, bedeutet nicht, dass diese mit Erlaubnis ihrer Eltern in jedem Fall arbeiten dürfen. Das JArbSchG regelt, inwieweit Kinder und Jugendliche arbeiten dürfen. So ist z.B. die Beschäftigung von Kindern bis zu 14 Jahren grundsätzlich verboten, Kinder über 13 Jahren dürfen allerdings leichte Beschäftigungen erbringen, die für Kinder geeignet sind, § 15 Abs. 1 und Abs. 3 JArbSchG.
Formvorschriften
Der Abschluss eines Arbeitsvertrages erfordert keine bestimmte Form. Ein Arbeitsvertrag kann also grundsätzlich auch mündlich geschlossen werden.
Ein Formerfordernis gilt allerdings dann, wenn der Vertrag befristet sein soll. Befristete Verträge müssen schriftlich abgeschlossen werden, andernfalls gelten sie als auf unbestimmte Zeit geschlossen.Waltermann, Arbeitsrecht, 20. Auflage 2021, Rn. 168
Möglich ist zudem, dass der Arbeitsvertrag vorsieht, dass für Änderungen des Vertrages die Schriftform erforderlich ist (sog. Schriftformklauseln).
Es gibt zwei Arten von Schriftformklauseln. Bei konstitutiven Schriftformklauseln sind nicht schriftlich vereinbarte Änderungen unwirksam. Bei einer deklaratorischen Schriftformklausel dient die Schriftform Beweiszwecken, was jeder Partei einen Anspruch auf Verschriftlichung der Vereinbarung bringt.BAG, NZA 2008, 1233, Rn. 19 m.w.N.; Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 23. Auflage 2024, Rn. 178
Beispiel
Vereinbaren die Parteien, dass Änderungen des Vertrages nur wirksam sind, wenn sie schriftlich erfolgen, liegt eine konstitutive Schriftformklauseln vor.Vgl. BAG, NZA 2008, 1233, Rn. 20
§§ 134, 138 Abs. 1 BGB
Weitere Unwirksamkeitsgründe des Arbeitsvertrages können sich aus den §§ 134, 138 BGB ergeben.
Gem. § 134 BGB ist ein Vertrag nichtig, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Es kann entweder der gesamte Vertrag oder eine einzelne vertragliche Regelung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 180
Vertiefung
Verstoß des gesamten Vertrags gegen ein gesetzliches Verbot
Dass der Vertrag als solches gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, kommt nicht oft vor. Gegeben ist dies u.a. bei Abschlussverboten (siehe oben) und wenn der Inhalt der Arbeitsleistung also solcher gesetzeswidrig ist.Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 180 Letzteres ist beispielsweise dann gegeben, wenn A den B anstellt, um Kunden, die nicht bezahlen, „mit der Faust Druck zu machen“.
Die Unwirksamkeit des Vertrages kann sich zudem aus einem Verstoß gegen die guten Sitten gem. § 138 BGB ergeben. Gegen die guten Sitten verstößt, was dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht.
Beispiel
Ein immer wieder vorkommender Verstoß gegen die guten Sitten ist der Fall des sog. Lohnwuchers, also der Zahlung eines zu niedrigen Arbeitsentgelts. Ein dafür erforderliches auffälliges Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und gezahltem Lohn ist nach der Rechtsprechung dann gegeben, wenn das Arbeitsentgelt weniger als zwei Drittel des branchenüblichen Tariflohns beträgt.BAG NZA 2009, 837, Rn. 13, 17, m.w.N.
Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis
Ist ein Arbeitsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, spricht man von einem sog. fehlerhaften (oder auch faktischen) Arbeitsverhältnis. Nichtigkeitsgründe können z.B. die Anfechtung (§§ 119, 123 BGB) oder der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) sein.
Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln wird ein nichtiges Rechtsgeschäft rückabgewickelt (Bereicherungsrecht, §§ 812 ff. BGB); das Rechtsgeschäft gilt als von Anfang an nichtig (ex-tunc-Wirkung), d.h., es wird so behandelt, als habe es nie bestanden. Dies würde bei einem bereits in Verzug gesetzten Arbeitsverhältnis allerdings zu erheblichen Rückabwicklungsschwierigkeiten führen.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 198 Daher tritt die Unwirksamkeit bei einem bereits in Verzug gesetzten Arbeitsverhältnis lediglich ex nunc, d.h. erst ab Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes, ein.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 194, 198
Beispiel
A ist seit dem 01.03.2025 bei B als Einkäuferin beschäftigt. Im Bewerbungsgespräch hat A unrichtigerweise angegeben, eine kaufmännische Ausbildung absolviert zu haben. Nachdem A mehrmals Fehler bei der Bestellung von Waren macht, fällt die Täuschung der A am 25. April 2025 auf. Am Morgen des 26. April lässt B die A vor Arbeitsbeginn wissen, dass er den Arbeitsvertrag mit ihr anfechte.
Die Anfechtung des B entfaltet Wirkung erst zum 26. April 2025 und wirkt nicht zurück auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages am 01.03.2025
Wichtig ist, dass die oben beschriebene Rückabwicklung „ex nunc“ nur dann eintritt, wenn der Arbeitnehmer bereits gearbeitet hat, also das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt worden ist.
Beispiel
War der Arbeitnehmer bis zur Anfechtung des Arbeitsvertrages z.B. krankgeschrieben, ergeben sich keine Probleme mit der Rückabwicklung des Vertrages, die Leistungen können von Anfang an rückabgewickelt werden.Vgl.Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 24. Auflage 2025, Rn. 198
Vertiefung
Ausnahmen von der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis
In gewissen Ausnahmen findet die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Dies ist in Fällen der vertraglichen Verpflichtung Geschäftsunfähiger, bei einer arglistigen Täuschung und bei dem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot der Fall.BAG, NJW 1976, 1958 (1959); Vgl. Waltermann, Arbeitsrecht, 20. Auflage 2021, Rn. 175