Inhaltsverzeichnis
- Sozialversicherungsrecht
- Einführung
- Die unterschiedlichen Sozialversicherungszweige
- Allgemeines
- Die Leistungen der Sozialversicherungszweige
- Leistungen der Krankenversicherung
- Leistungen der Pflegeversicherung
- Leistungen der Unfallversicherung
- Leistungen der Rentenversicherung
- Leistungen der Arbeitslosenversicherung
- Mitgliedschaft und Sozialversicherungsverhältnis
- Begriff der Mitgliedschaft und des Sozialversicherungsverhältnisses
- Anwendbarkeit
- Territorialitätsprinzip
- Aus- und Einstrahlung
- Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
- Versicherter Personenkreis im Sozialversicherungsrecht
- Beschäftigung und Arbeitsentgelt
- Feststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV
- Krankenversicherung der Studenten (KVdS)
- Praktikanten
- Befreiung von der Versicherungspflicht
- Kündigung eines privaten Versicherungsvertrags
- Künstlersozialkasse (KSK)
- Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau (SVLFG)
- Meldepflichten - Arbeitgeber
- Meldung der Einzugsstelle
- Sofortmeldung
- Besonderheiten
- Besonderheiten bei Minijobs und kurzfristigen Beschäftigungen
- Geringfügige Beschäftigung
- Mehrere (geringfügige) Beschäftigungen
- Beitragspflicht des Arbeitgebers
- Kurzfristige Beschäftigungen
- Zeitgrenzen bei der kurzfristigen Beschäftigung
- Mehrere kurzfristige Beschäftigungen
- Höherverdienende Arbeitnehmer
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Besonderheiten bei unbezahltem Urlaub, Aussperrung und Streik
- Besonderheiten beim Bezug von Kurzarbeitergeld
- Versicherungspflicht bei über 55-jährigen
- Berechnung des Beitrags
- Beitragsbemessungsgrundlage
- Beitragssatz
- Beitragspflichtige Einnahmen
- Beitragsbemessungsgrenze
- Berechnung der anteiligen Beitragsbemessungsgrenze
- Einmalzahlungen
- Märzklausel
- Beitragsschuldner und Beitragstragung
- Übergangsbereich
- Umlagepflichten - Arbeitgeber
- Grundsätzliches zur Umlage
- Umlage U1 bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
- Umlage U2 bei Schwangerschaft und Mutterschaft
- Insolvenzgeldumlage
- Die Unfallversicherung
- Meldung an die Unfallversicherung
- Beitragspflicht
Sozialversicherungsrecht
Einführung
Das Sozialversicherungsrecht ist eine tragende Säule des deutschen Sozialstaates. Es steht für ein Versicherungssystem mit Versicherungspflicht, das von allen Versicherten mit Beiträgen getragen wird, i.d.R. jeweils zur Hälfte von den Arbeitgebern und den versicherten Arbeitnehmern. Das Sozialversicherungsrecht ist somit ein Teil des Sozialrechts. Während unter Sozialrecht im Wesentlichen die Gesetzesmaterien verstanden werden, die im Sozialgesetzbuch zusammengefasst sind oder noch zukünftig werden (vgl. §§ 18 ff. SGB I), befasst sich das Sozialversicherungsrecht nur mit den entweder kraft Gesetzes oder freiwillig in einer Solidargemeinschaft versicherten Personen.
Im SGB IV sind die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung enthalten. Dieses ist als „Allgemeiner Teil“ zu verstehen. Hierin sind grundlegende Begriffe wie z.B. „Beschäftigung“, „Arbeitsentgelt“ oder auch „Beschäftigungsort“ definiert. Außerdem sind darin z.B. Regelungen zum Verfahren der Beitragserhebung und den Meldepflichten für Arbeitgeber enthalten.
Die unterschiedlichen Sozialversicherungszweige
Allgemeines
Das Sozialversicherungsrecht gliedert sich in fünf Versicherungszweige. Das sind die
- Krankenversicherung,
- Pflegeversicherung,
- Unfallversicherung,
- Rentenversicherung sowie
- Arbeitsförderung (auch Arbeitslosenversicherung).
Die fünf Zweige der Sozialversicherung haben eigene Versicherungsträger. Hierbei handelt es sich um öffentlich-rechtliche Körperschaften. Zu den wichtigsten Versicherungsträgern gehören:
- für die Krankenversicherung die gesetzlichen Krankenkassen:
- allgemeine Ortskrankenkassen (§ 143 SGB V),
- Betriebskrankenkassen (§ 144 SGB V),
- Innungskrankenkassen (§ 145 SGB V),
- Landwirtschaftliche Krankenkassen (§ 146 SGB V),
- Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 147 SGB V) sowie
- Ersatzkrankenkassen (§ 148 SGB V),
- für die Pflegeversicherung:
- Pflegekasse (§§ 46 ff. SGB XI),
- Pflegekasse (§§ 46 ff. SGB XI),
- für die Unfallversicherung:
- die in § 114 Abs. 1 SGB VII genannten Unfallversicherungsträger wie z.B. gewerbliche Berufsgenossenschaften, die Unfallversicherung Bund und Bahn sowie die Feuerwehr-Unfallkassen,
- die in § 114 Abs. 1 SGB VII genannten Unfallversicherungsträger wie z.B. gewerbliche Berufsgenossenschaften, die Unfallversicherung Bund und Bahn sowie die Feuerwehr-Unfallkassen,
- für die Rentenversicherung (§ 125 SGB VI):
- Träger der Deutschen Rentenversicherung Bund,
- Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See,
- Deutsche Rentenversicherung Regionalträger,
- für die Arbeitslosenversicherung:
- Bundesagentur für Arbeit (§ 367 SGB III).
Im folgenden Video geben wir Ihnen nochmals einen Überblick über die Leistungen der Sozialversicherungszweige.
Die Leistungen der Sozialversicherungszweige
Leistungen der Krankenversicherung
Die Leistungen der Krankenversicherung sind im dritten Kapitel des SGB V normiert. Versicherte haben danach insbesondere Anspruch auf Leistungen
- bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i SGB V),
- zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b SGB V),
- zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25, 26 SGB V), zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27-52 SGB V) sowie des persönlichen Budgets nach § 29 SGB IX.
Leistungen der Pflegeversicherung
Die Leistungen der Pflegeversicherung finden sich in dem dritten Kapitel des SGB XI. Die Pflegeversicherung gewährt folgende Leistungen:
- Pflegesachleistung (§ 36 SGB XI),
- Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 SGB XI),
- Kombination von Geldleistung und Sachleistung (§ 38 SGB XI),
- häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson (§ 39 SGB XI),
- Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (§ 40 SGB XI),
- Tagespflege und Nachtpflege (§ 41 SGB XI),
- Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI),
- vollstationäre Pflege (§ 43 SGB XI),
- Pauschalleistung für die Pflege von Menschen mit Behinderungen (§ 43a SGB XI),
- Zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen (§ 43b SGB XI),
- Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen (§ 44 SGB XI),
- zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung (§ 44a SGB XI),
- Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen (§ 45 SGB XI),
- Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags (§ 45a SGB XI),
- Entlastungsbetrag (§ 45b SGB XI),
- Leistungen des Persönlichen Budgets nach § 29 SGB IX,
- zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen (§ 38a SGB XI),
- ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 39a SGB XI) und digitale Pflegeanwendungen (§ 40a SGB XI),
- Leistungsanspruch beim Einsatz digitaler Pflegeanwendungen (§ 40b SGB XI).
Ob und welche Leistungen eine Person erhält, richtet sich danach, wie groß die sog. Pflegebedürftigkeit ist. Diese wird vom Medizinischen Dienst beurteilt. Maßstab für die Pflegebedürftigkeit ist, wie stark die Selbstständigkeit oder die Fähigkeiten des Betroffenen eingeschränkt sind. Um dies abschließend zu beurteilen, werden Funktionsstörungen in den folgenden Bereichen beurteilt:
- Mobilität (Wie selbstständig bewegt sich die Person fort und kann ihre Körperhaltung ändern?),
- kognitive und kommunikative Fähigkeiten (Kann sich die Person im Alltag örtlich und zeitlich orientieren? Kann sie für sich selbst Entscheidungen treffen, Gespräche führen und die eigenen Bedürfnisse mitteilen?),
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (Ist die betroffene Person ängstlich oder aggressiv?),
- Selbstversorgung (Kann die Person Aktivitäten zur Selbstversorgung wie Körperpflege, An- / Auskleiden, Ernährung noch selbstständig wahrnehmen?),
- Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (Welche Hilfen benötigt die Person beim Umgang mit Krankheit und Behandlungen?) und
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (Kann die Person ihren Alltag selbstständigen planen und Kontakte pflegen?).
In diesen sechs Bereichen ermittelt der Medizinische Dienst den Schweregrad der Beeinträchtigungen bzw. Störungen und bewertet diese nach einem im Gesetz definierten Schema mit Punkten. Daraus leiten sich die fünf Pflegegrade ab:
Pflegegrad | Beschreibung |
1 | Geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten |
2 | Erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten |
3 | Schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten |
4 | Schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten |
5 | Schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung |
Leistungen der Unfallversicherung
Aufgabe der Unfallversicherung ist es, mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten sowie nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.
Die Unfallversicherung greift, wenn ein Versicherungsfall vorliegt. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle werden von § 8 Abs. 1 SGB VII definiert als Unfälle, die der Versicherte infolge einer versicherten Tätigkeit erlitten hat. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Berufskrankheiten sind Krankheiten die durch Rechtsverordnung als solche anerkannt sind und die infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten sind (§ 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII).
Beispiel: Zu den häufigsten Berufskrankheiten zählen Lärmschwerhörigkeit, Hautkrebs durch UV-Strahlung, Asbestose (Lungenerkrankung, die durch Einatmung und Ablagerung von asbestfaserhaltigem Staub entsteht), Infektionskrankheiten (z.B. bei Ärzten und Pflegepersonal) und die Schädigung der Lendenwirbelsäule und Kniegelenke bei regelmäßigem schwerem Heben und Tragen.
Der Unfallversicherungsträger hat nach dem Grundsatz des § 26 Abs. 2 SGB VII mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig
- den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern,
- den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
- Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen,
- ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe zu erbringen sowie
- Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen.
Konkret zählen zu den Leistungen der Unfallversicherung Folgende:
- Heilbehandlung nach den §§ 27-34 SGB VII (ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen),
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 35 SGB VII (z.B. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, eine Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung),
- Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach den §§ 39-43 SGB VII (z.B. Kraftfahrzeughilfe und Wohnungshilfe),
- Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach § 44 SGB VII (z.B. Pflegegeld, Einstellung einer Pflegekraft, Heimpflege),
- Gewährung von Geldleistungen während der Heilbehandlung und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (sog. Verletztengeld) nach §§ 45-52 SGB VII,
- Verletztenrente nach den §§ 56-62 SGB VII,
- Leistungen an Hinterbliebene nach den §§ 63-71 SGB VII (z.B. Sterbegeld, Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung, Witwen-, Witwerrente, Waisenrente bzw. -beihilfe)
Leistungen der Rentenversicherung
Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Regelungen hierzu finden sich im SGB VI. Konkret geht es um:
- Leistungen zur Prävention, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Nachsorge (§§ 15 ff. SGB VI),
- Übergangsgeld (§§ 20 f. SGB VI),
- sonstige Leistungen (§§ 15 ff. SGB VI),
- Renten wegen Alters als Regelaltersrente, Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen, für besonders langjährige Versicherte, wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, für Frauen, (§ 33 Abs. 2 SGB VI, §§ 35 – 38 SGB VI, 235 bis 237a SGB VI),
- Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§§ 33 Abs. 3, 43, 240, 241 SGB VI),
- Renten wegen Todes als kleine oder große Witwen-, Witwerrente, Erziehungsrente, Waisenrente (§ 33 Abs. 4, §§ 46, 47, 48 SGB VI),
- Zusatzleistungen wie
- den Zuschuss zur Krankenversicherung (§ 106 SGB VI) und
- die Rentenabfindung (§ 107 SGB VI) sowie
- die Beitragserstattung (§ 210 SGB VI).
Leistungen der Arbeitslosenversicherung
Die „Arbeitslosenversicherung“ ist im III. Buch des SGB geregelt. Der Begriff „Arbeitslosenversicherung“ wird gesetzestechnisch nicht mehr verwendet. Man spricht von der „Arbeitsförderung“ i.S.d. Sozialgesetzbuches. Die Bundesagentur für Arbeit mit Sitz in Nürnberg ist Träger der „Arbeitslosenversicherung“.
Die Ziele der Arbeitsförderung liegen insbesondere darin,
- dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken,
- die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen und
- den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu unterstützen (§ 1 SGB III).
Dabei ist insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist als durchgängiges Prinzip der Arbeitsförderung zu verfolgen. Die Arbeitsförderung soll dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird.
Die Bundesagentur für Arbeit erbringt gemäß § 3 SGB III folgende Leistungen der aktiven Arbeitsförderung als Pflicht- oder Ermessensleistungen:
- Berufsberatung, Arbeits- und Ausbildungsvermittlung (§§ 29 ff. SGB III),
- Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (§§ 93, 94 SGB III),
- Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (§§ 45, 179 SGB III),
- Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 56 ff. SGB III),
- Wintergeld (§ 102 Abs. 1 – 3 SGB III),
- besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 112 ff. SGB III),
- Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung (§ 144 SGB III).
Zu den Entgeltersatzleistungen zählen gem. § 3 Abs. 4 SGB III:
- Arbeitslosengeld während Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung,
- Teilarbeitslosengeld bei Teilarbeitslosigkeit,
- Übergangsgeld bei Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
- Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall (§§ 95 ff. SGB III) sowie
- Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.
Daneben erhalten Arbeitgeber Zuschüsse zu Arbeitsentgelten oder Ausbildungsvergütungen, soweit sie bei der Eingliederung, Ausbildung, Weiterbildung von Arbeitslosen behilflich sind (§§ 73, 88 ff. SGB III).
Mitgliedschaft und Sozialversicherungsverhältnis
Begriff der Mitgliedschaft und des Sozialversicherungsverhältnisses
Anders man es vermuten könnte, ist die Mitgliedschaft nicht im SGB IV, also im „Allgemeinen Teil“ geregelt, sondern in den jeweiligen besonderen Teilen des SGB. Ist man Mitglied, ist man u.a. berechtigt, an der Sozialwahl teilzunehmen. Diese findet alle sechs Jahre bei allen Trägern der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Unfallversicherung statt. Die Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit wird demgegenüber ernannt und nicht gewählt.
Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang mit der Sozialversicherung ist neben der Mitgliedschaft das Sozialversicherungsverhältnis. Hierunter versteht man die Gesamtheit der öffentlich-schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Sozialversicherungsträger und Versichertem sowie gegebenenfalls weiteren Personen (insbesondere leistungsberechtigten Angehörigen).
Um sich in einem Sozialversicherungsverhältnis zu befinden, muss nicht zwingend auch die Mitgliedschaft in einem der Sozialversicherungszweige bestehen. Denn das Sozialversicherungsverhältnis kann auch „über“ eine andere Person entstehen.
Beispiel
§ 10 SGB V regelt die Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 10 Abs. 1 SGB V sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern mitversichert, wenn diese Familienangehörigen u.a. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Diese Familienangehörigen sind dann zwar keine Mitglieder, stehen aber dennoch in einem Versicherungsverhältnis.
Ob eine Person sozialversicherungspflichtig ist oder nicht, entscheidet sie nicht selbst. Denn die Sozialversicherungspflicht entsteht kraft Gesetzes und ist nicht dispositiv. Sobald die Tatbestandsmerkmale, die im SGB normiert sind, erfüllt sind, besteht die Sozialversicherungspflicht.
Anwendbarkeit
Um bestimmen zu können, ob eine Person sozialversicherungspflichtig ist, ist zunächst zu prüfen, ob die jeweiligen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts überhaupt anwendbar sind. Dies wird im folgenden Lernvideo behandelt.
Territorialitätsprinzip
Maßgeblich für die Frage der Anwendbarkeit ist grundsätzlich das sog. Territorialitätsprinzip, welches bestimmt, wann und an welchem Ort welches Recht auf welche Person anwendbar ist. Für das Sozialversicherungsrecht sieht § 3 SGB IV im „Allgemeinen Teil“ vor, dass die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen gelten, die im Bundesgebiet beschäftigt oder selbständig tätig sind. Soweit die Vorschriften eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, gelten sie für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben.
Aus- und Einstrahlung
Von dem Grundsatz des Territorialitätsprinzips gibt es jedoch – wie bei jedem Grundsatz – auch Ausnahmen. Das sind die sog. Ausstrahlung und Einstrahlung.
- § 4 Abs. 1 SGB IV bestimmt, dass der durch ein Beschäftigungsverhältnis in Deutschland begründete Schutz der Sozialversicherung erhalten bleibt, wenn der Beschäftigte zur Arbeitsleistung aus Deutschland in ein anderes Land entsandt wird. Damit das deutsche Sozialversicherungsrecht weiterhin gelten kann, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Das sind die Folgenden:
- Es muss sich um ein inländisches Beschäftigungsverhältnis handeln.
- Es muss eine Entsendung in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des SGB vorliegen.
- Das Beschäftigungsverhältnis im Inland muss fortbestehen.
- Die Entsendung muss zeitlich begrenzt sein.
Beispiel
Typische Fälle, in denen eine zeitlich begrenzte Entsendung erfolgt, sind Montage-, Einweisungs- und sonstige Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung von Produktionsstätten im Ausland, die ein Beschäftigter für seinen Arbeitgeber wahrnehmen soll.
Dies gilt nach § 4 Abs. 2 SGB IV auch für Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben.
Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des Territorialitätsprinzips regelt § 5 SGB IV. Normiert ist hier die sog. Einstrahlung. Die Vorschrift über Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung gelten danach für im Ausland Beschäftigte nicht, wenn sie von ihrem Arbeitgeber mit Unternehmenssitz außerhalb des Geltungsbereichs des SGB vorübergehend in den Geltungsbereich des SGB entsandt werden. Folge daraus ist also, dass der Staat, der den Beschäftigten entsendet, (weiterhin) für die soziale Sicherheit des Betroffenen verantwortlich bleibt. Voraussetzungen für die Einstrahlung sind,
- dass ein ausländisches Beschäftigungsverhältnis besteht,
- eine Entsendung ins Inland erfolgt und
- die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
Wie lang die zeitliche Begrenzung höchstens sein darf, ist gesetzlich nicht normiert. Liegen die o.g. Voraussetzungen nicht kumulativ vor, liegt kein Fall der Einstrahlung vor und es gelten die Vorschriften der deutschen Sozialversicherung.
Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Bei dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch handelt es sich um einen staatshaftungsrechtlichen Anspruch des Bürgers gegen einen Sozialleistungsträger, den die Rechtsprechung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt hat. Er dient insbesondere dazu, Pflichtverletzungen eines Leistungsträgers (z.B. gegen seine Pflichten zur Aufklärung (§ 13 SGB I), Beratung (§ 14 SGB I) und zur Auskunftserteilung (§ 15 SGB I)) zu kompensieren. Erleidet ein Bürger einen Nachteil dadurch, dass ein Sozialversicherungsträger gegen seine Verpflichtung verstößt, kann er mithilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches Naturalrestitution verlangen, also verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Leistungsträger nicht gegen seine Pflicht verstoßen hätte. Eine Besonderheit des Anspruches ist, dass dieser verschuldensunabhängig besteht. Durchgesetzt werden kann der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bei dem Sozialgericht.
Versicherter Personenkreis im Sozialversicherungsrecht
Nach § 2 Abs. 1 SGB IV umfasst die Sozialversicherung alle Personen, die kraft Gesetzes oder Satzung (Versicherungspflicht) oder auf Grund freiwilligen Beitritts oder freiwilliger Fortsetzung der Versicherung (Versicherungsberechtigung) versichert sind. In allen Sozialversicherungszweigen sind die in § 2 Abs. 2 SGB IV genannten Personen versichert. Hierzu gehören insbesondere die Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 SGB IV). Die Versicherung weiterer Personengruppen in einzelnen Versicherungszweigen ergibt sich aus den für sie geltenden besonderen Vorschriften (§ 2 Abs. 4 SGB IV).
Nachfolgend sehen Sie die Zusammenfassung der Rechtsgrundlagen für die Versicherungspflicht aller Sozialversicherungszweige:
Rentenversicherung | §§ 1 - 3 SGB VI |
Krankenversicherung | § 5 SGB V |
Arbeitsförderung | §§ 25 – 26 SGB III |
Pflegeversicherung | §§ 20 – 21a SGB XI Hier gilt der Grundsatz „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“ |
Unfallversicherung | §§ 2 – 3 SGB VII |
In dem nachfolgenden Video erhalten Sie einen Überblick über die Versicherungspflicht und deren Ausnahmen.
Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszeigen sind teilweise unterschiedlich. Für alle Zweige gilt aber: Fehlt es an den Voraussetzungen, besteht keine Versicherungspflicht. Daneben finden Sie in den jeweiligen Sozialgesetzbüchern konkrete Bestimmungen zur Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag (beispielhaft ein Arzt im Praktikum nach § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB V).
Zusätzlich sehen die einzelnen Sozialversicherungszweige versicherungsfreie Personengruppen vor. Einzelheiten zu den höherverdienenden Arbeitnehmern erfahren Sie im Kapitel "Höherverdienender Arbeitnehmer".
Darüber hinaus gibt es z.B. in der Krankenversicherung versicherungsfreie Personengruppen wie etwa geringfügig Beschäftigte (vgl. § 7 SGB V).
Beschäftigung und Arbeitsentgelt
Da die Beschäftigung gegen ein Arbeitsentgelt in allen Versicherungszweigen (außer der gesetzlichen Unfallversicherung) als Voraussetzung für die Versicherungspflicht genannt wird, sollen diese beiden Voraussetzungen im Folgenden noch näher behandelt werden. Einführend sehen Sie ein Video zur Abgrenzung der Selbstständigkeit von der Beschäftigung im Rahmen der Sozialversicherung.
Der Begriff der Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV legaldefiniert. Die Beschäftigung ist danach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Die Nicht-Selbstständigkeit ist dabei die entscheidende Voraussetzung, mithilfe derer die Arbeit einer Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV zugeordnet werden kann. Bei der Abgrenzung ist stets eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und aller Aspekte des Einzelfalles vorzunehmen. Folgende Merkmale können für die Beurteilung herangezogen werden (nicht abschließend):
- Wie wird die Tätigkeit im Vertrag bezeichnet? Wie wird sie tatsächlich gelebt?
- Inwiefern besteht eine persönliche Abhängigkeit?
- Besteht ein Weisungsrecht?
- Ist der Betroffene in den Betrieb eingegliedert?
- Ist der Betroffene an geregelte Arbeitszeiten gebunden? Besteht die Pflicht, regelmäßig zu erscheinen, Unterbrechungen (z.B. durch Urlaub) bewilligen zu lassen und Verhinderungen anzuzeigen?
- Besteht die Befugnis, über die eigene Arbeitskraft frei zu verfügen und Aufgaben ggf. auch durch Dritte erledigen zu lassen?
- Wie erfolgt die Honorarabrechnung?
- Besteht die uneingeschränkte Befugnis, für mehrere Auftraggeber gleichzeitig tätig zu sein?
- Besteht ein eigenes wirtschaftliches Risiko des Betroffenen?
Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise „in der Natur der Sache“ liegen (BSG 27.4.2021 – B 12 R 16/19 R, BeckRS 2021, 29371).
Der Begriff des Arbeitsentgelts wird in § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV legaldefiniert. Arbeitsentgelt sind danach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Erfasst sind damit alle Einnahmen, die dem Beschäftigten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung (§ 7 SGB IV) zufließen.
Mit „Entgelt“ ist stets das Bruttoarbeitsentgelt gemeint. Es sind weder die gesetzlichen Lohnabzüge (Gesamtsozialversicherungsbeitrag, Lohn- und Kirchensteuer) noch gepfändete, verpfändete oder abgetretene Entgeltteile abzuziehen.
Feststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV
Sind sich die Beteiligten unsicher darüber, ob es sich bei der Tätigkeit des Betroffenen um eine Beschäftigung im o.g. Sinne oder um eine selbstständige Tätigkeit handelt, haben sie grundsätzlich die Möglichkeit, ein Feststellungsverfahren durchzuführen. Dieses Feststellungsverfahren ist in § 7a SGB IV geregelt und dient dazu, den Erwerbsstatus festzustellen.
Der Antrag auf Statusfeststellung kann von jedem Vertragspartner des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses (Auftraggeber und Auftragnehmer) gestellt werden und ist optional. Das Einvernehmen mit anderen Beteiligten oder deren Zustimmung sind hierfür nicht erforderlich. Der Antrag muss aus Beweisgründen schriftlich oder elektronisch eingehen (vgl. § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Das Verfahren wird von der Deutschen Rentenversicherung Bund, Clearingstelle, 10704 Berlin, durchgeführt. Die Feststellung kann auf Antrag bereits vor der Aufnahme der Beschäftigung erfolgen. Es handelt sich dann um eine Prognoseentscheidung (§ 7a Abs. 4a S. 1 SGB IV). Andersherum kann die Feststellung auch für bereits beendete Vertragsverhältnisse erfolgen.
Das Anfrageverfahren nach § 7a IV SGV IV entfällt, wenn bereits durch eine Einzugsstelle (z.B. im Rahmen einer Entscheidung über eine freiwillige Versicherung, eine Familienversicherung oder einer Prüfung nach § 28h Abs. 2 SGB IV) oder durch einen Rentenversicherungsträger (im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV) ein Verfahren zur Feststellung des Status der Erwerbsperson durchgeführt oder eingeleitet worden ist.
Seit dem 01.04.2022 ist das Feststellungsverfahren auf die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit beschränkt (§ 7a Abs. 2 S. 1 SGB IV). Dementsprechend findet keine Feststellung mehr über die Versicherungspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung statt, was zu einer Entschlackung des Verfahrens geführt hat. Kommt es dazu, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis feststellt, müssen die Arbeitgeber, wie üblich, die versicherungs- und beitragsrechtliche Einordnung vornehmen.
Das Verfahren läuft so ab, dass die die Deutsche Rentenversicherung Bund den Beteiligten nach Eingang ihres Antrags schriftlich oder elektronisch mitteilt, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten nach Eingang der Unterlagen mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Will sie einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entsprechen, erfolgt dies naturgemäß nicht.
Sind die Beteiligten mit der Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht einverstanden, können sie sich mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs bzw. der Klage dagegen wehren. Diese haben nach § 7a Abs. 6 S. 1 SGB IV aufschiebende Wirkung.
Ein Verfahren zur Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses wird von Amts wegen eingeleitet, wenn der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH ist (§ 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV).
Krankenversicherung der Studenten (KVdS)
Eine weitere Besonderheit gibt es bei Studierenden: Diese sind per Gesetz dem Grunde nach kranken- und pflegeversicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V und § 20 Abs. 1 Nr. 9 SGB XI). Diese Versicherungspflicht ist jedoch nachrangig gegenüber einer kostenfreien Familienversicherung. Voraussetzungen sind zudem, dass es sich um einen „ordentlich Studierenden“ handelt und das 30. Lebensjahr noch nicht überschritten wurde.
Es besteht die Möglichkeit der Befreiung von der Krankenversicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall ist jedoch erforderlich und nachzuweisen. Gleiches gilt für die soziale Pflegeversicherung.
Üben Studierende während ihres Studiums eine Beschäftigung aus, besteht so lange eine Versicherungspflicht, wie das Studium im Vordergrund steht. Man spricht hier von einem Werkstudenten. Die wöchentliche Arbeitszeit darf in der Vorlesungszeit maximal 20 Wochenstunden betragen oder am Wochenende oder in den Abendstunden stattfinden. An bis zu 26 Wochen pro Kalenderjahr darf diese Grenze ausnahmsweise überschritten werden.
Die „untergeordnete“ Beschäftigung während des Studiums bleibt kranken-, pflege- und arbeitslosenversicherungsfrei. Lediglich in der Rentenversicherung besteht Versicherungspflicht. Hier tragen Arbeitgeber und der beschäftigte Studierende, wie bei „normalen Beschäftigen“, den Beitrag jeweils zur Hälfte. Die Besonderheiten der Krankenversicherung bei Studierenden behandeln wir im folgenden Video:
Praktikanten
Das Sozialgesetzbuch sieht für die Personengruppe der Praktikanten ebenfalls Sonderregelungen in den einzelnen Sozialversicherungszweigen vor (beispielhaft: § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V). Grundvoraussetzung für die Versicherungspflicht als Praktikant ist, dass das Praktikum in der Prüfungsordnung für den jeweiligen Studiengang vorgesehen sein muss. Man spricht dann von einem Pflichtpraktikum. Hier sind drei Konstellationen möglich:
- als Vorpraktikum vor Beginn des Studiums, z.B. als Zugangsvorausaussetzung für das Studium,
- als Zwischenpraktikum während des Studiums oder
- als Nachpraktikum im Anschluss an die Vorlesungszeit, etwa um fachpraktische Erfahrungen zu sammeln.
Von grundlegender Bedeutung ist, ob für das Praktikum ein Arbeitsentgelt (auch in Form von Sachbezügen) gezahlt wird.
Sie stellen fest, dass durch die Eigenschaften als Studierender und gleichzeitig als Praktikant eine Versicherungskonkurrenz entsteht. Der § 5 Abs. 7 S. 2 SGB V besagt daher, dass die Versicherungspflicht als Studierender Vorrang hat.
Befreiung von der Versicherungspflicht
Sie wissen nun, dass viele Tatbestände zur Versicherungspflicht in den einzelnen Sozialversicherungszweigen führen. Für bestimmte Personengruppen gibt es jedoch in § 8 SGB V eine Regelung, die eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung ermöglicht.
Hierzu zählen beispielhaft folgende Sachverhalte, in denen eine Befreiung von der eintretenden Versicherungspflicht möglich ist:
- Anhebung der Jahresarbeitsentgeltgrenze und vorherige private Krankenvollversicherung (PKV),
- Reduzierung der Arbeitszeit als Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auf höchstens die Hälfte der im Betrieb üblichen Arbeitszeit und vorheriger PKV,
- Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und vorheriger PKV,
- Einschreibung als Student/Beginn eines Praktikums.
Für die Berechtigung zur Befreiung von der Versicherungspflicht ist es nicht notwendig, dass erstmalig eine Versicherungspflicht eintritt.
Für die Praxis ist folgender Ablauf vorgesehen: Der Versicherungspflichtige beantragt die Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse, die die Anmeldung vom Arbeitgeber erhalten hat. Die Befreiung gilt rückwirkend, sofern noch keine Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung beansprucht wurden, ansonsten ab dem Folgemonat. Ein Widerruf der Befreiung ist nicht möglich. Damit die Krankenkasse dem Antrag zustimmen kann, ist ein Nachweis über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall (private Krankenvollversicherung, Leistungsumfang entsprechend dem SGB V) vorzulegen.
Kündigung eines privaten Versicherungsvertrags
Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, besteht nicht für alle Personengruppen, bei denen Versicherungspflicht eintritt, eine Befreiungsmöglichkeit. Sind diese Personen vor Eintritt der Versicherungspflicht privat krankenversichert, können sie nach § 205 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ihren Versicherungsvertrag kündigen.
Dies ist innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht rückwirkend möglich. Fordert das Versicherungsunternehmen den Kündigenden auf, den Eintritt der Versicherungspflicht nachzuweisen, hat er hierfür zwei Monate Zeit. Erfüllt er beide Voraussetzungen, muss er ab dem Beginn der Versicherungspflicht keine Prämie zahlen.
Später kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist.
Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähnlichen Dienstverhältnis gleich.
Künstlersozialkasse (KSK)
Die Künstlersozialkasse (KSK) ist ein Geschäftsbereich der Unfallversicherung Bund und Bahn. Sie sorgt mit der Durchführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) dafür, dass selbständige Künstler und Publizisten einen ähnlichen Schutz in der gesetzlichen Sozialversicherung genießen wie Arbeitnehmer.
Sie ist selbst kein Leistungsträger, sondern koordiniert die Beitragsabführung für ihre Mitglieder zu einer Krankenversicherung freier Wahl und zur gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung.
Alle Unternehmen, die durch ihre Organisation, besonderen Branchenkenntnisse oder spezielles Know-how den Absatz künstlerischer oder publizistischer Leistungen am Markt fördern oder ermöglichen, gehören grundsätzlich zum Kreis der künstlersozialabgabepflichtigen Unternehmen.
Aufgabe der KSK ist die Prüfung der Zugehörigkeit von Künstlern und Publizisten zum versicherungspflichtigen Personenkreis. Liegen die im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen der Versicherungspflicht vorliegen, erlässt sie Bescheide über Beginn, Umfang und ggf. Ende der Versicherungspflicht.
Sie kümmert sich darüber hinaus um den Einzug des Beitragsanteils der Versicherten, der Künstlersozialabgabe der abgabepflichtigen Unternehmen sowie des Bundeszuschusses.
Rechtsgrundlage ist das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Selbständigen Künstlern und Publizisten steht der gesamte gesetzliche Leistungskatalog zu. Sie müssen dafür aber nur die Hälfte der jeweils fälligen Beiträge selbst zahlen, die KSK stockt die Beträge auf. Das Geld hat sie aus Sozialabgaben von Unternehmen, die Kunst und Publizistik verwerten (30 %) und einem Bundeszuschuss (20 %).
Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau (SVLFG)
Bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau handelt es sich um eine Berufsgenossenschaft, Alterskasse (als berufsständiges Versorgungswerk) sowie eine Kranken- und Pflegeversicherung.
Wie sie sich sicher denken können, bedarf es bei diesem großen Aufgabefeld einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsvorschriften. Gleichzeitig handelt es sich hier eher um ein insgesamt selteneres Thema.
Beispielhaft sei noch erwähnt, dass der versicherte Personenkreis etwa Angehörige umfasst, die unentgeltlich auf Bauernhöfen mithelfen.
Meldepflichten - Arbeitgeber
Meldung der Einzugsstelle
Stellt der Arbeitgeber einen neuen Arbeitnehmer ein, muss er einige rechtliche Pflichten beachten. Er hat insbesondere den Arbeitnehmer zur Sozialversicherung zu melden, § 28a SGB IV. Die Meldungen müssen an die Einzugsstellen erstattet werden. Das sind die Krankenkassen oder – bei geringfügigen Beschäftigungen – die Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die Einzelheiten regelt die Datenerfassungs- und Datenübermittlungsverordnung (DEÜV).
Die Meldungen enthalten für jeden Versicherten insbesondere
- seine Versicherungsnummer, soweit bekannt,
- seinen Familien- und Vornamen,
- sein Geburtsdatum,
- seine Staatsangehörigkeit,
- Angaben über seine Tätigkeit nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit,
- die Betriebsnummer seines Beschäftigungsbetriebes,
- die Beitragsgruppen,
- die zuständige Einzugsstelle und
- den Arbeitgeber.
Hinzu können noch weitere Angaben wie z.B. die Adresse kommen.
Die wichtigsten Meldetatbestände und Meldefristen sind:
- Beginn und Ende der Beschäftigung, der Berufsausbildung, der Altersteilzeitarbeit. Die Meldung ist mit der ersten folgenden Lohn- und Gehaltsbuchung, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Beginn bzw. Ende (inklusive Arbeitsentgelt) zu melden.
- Änderungen in der Beitragspflicht, Einzugsstelle etc.
- Über- bzw. Unterschreiten der Geringfügigkeitsgrenze von 538 Euro
- Jahresmeldung (Beschäftigungszeitraum i.d.R. 01.01.-31.12. mit Arbeitsentgelt). Die Meldung ist für jeden am 31.12. versicherungspflichtig Beschäftigten mit der ersten folgenden Lohn- und Gehaltsbuchung, spätestens bis zum 15. Februar des folgenden Jahres, zu melden. Ausnahme: Es wurde bereits eine Abmeldung, z.B. wegen Ende der Beschäftigung zum 31.12. inklusive Arbeitsentgelt, gemeldet.
- Unterbrechungsmeldung bei Wegfall des Anspruchs auf Arbeitsentgelt (z.B. wegen des Bezugs von Krankengeld) für mehr als einen vollen Kalendermonat. Die Meldung muss innerhalb von 2 Wochen nach Ablauf des ersten vollen Kalendermonats der Unterbrechung erfolgen.Hier klicken zum Ausklappen
Beispiel
Sehen Sie hier beispielhafte Meldungen im Laufe einer Beschäftigung
Sachverhalt
Meldung
Meldegrund
Meldefrist
Ausbildungsbeginn
Anmeldung
10
6 Wochen
Jahresmeldung
Jahresmeldung
50
15.02. des Folgejahres
Krankenkassenwechsel
Abmeldung bei alter Krankenkasse
31
6 Wochen
Krankenkassenwechsel
Anmeldung bei neuer Krankenkasse
11
6 Wochen
Wechsel vom Ausbildungs- in ein Beschäftigungsverhältnis
Gleichzeitige Ab- und Anmeldung
30 / 10
6 Wochen
Krankengeldbezug (> 1 Kalendermonat)
Unterbrechungsmeldung
51
2 Wochen nach dem ersten vollen Unterbrechungsmonat
Ende der Beschäftigung
Abmeldung
30
6 Wochen
Zusätzlich sind Meldungen an den zuständigen Unfallversicherungsträger (z.B. eine Berufsgenossenschaft) zu erstatten.
Eine Vereinfachung ist nach Maßgabe des § 28a Abs. 7, 8 SGB IV für einen im privaten Haushalt Beschäftigten vorgesehen. Hier kann eine vereinfachte Meldung im sog. Haushaltsscheckverfahren durchgeführt werden. Empfänger dieser Meldungen ist die Minijobzentrale.
Eine Erklärung zum Meldeverfahren erhalten Sie auch im folgenden Video:
Eine Erläuterung der Tätigkeitsschlüssel der Betrags- und Personengruppen sehen Sie in diesem Video:
Sofortmeldung
Neben den oben genannten Meldungen sind Arbeitgeber in bestimmten Branchen auch zur Abgabe einer Sofortmeldung an die Rentenversicherung verpflichtet. Hierzu zählen z.B. Gastronomie, Logistik, Baugewerbe.
Ziel der Sofortmeldung ist die Eindämmung von Schwarzarbeit. Die Sofortmeldung ist deshalb bis spätestens am ersten Tag der Beschäftigung und spätestens bis zum Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme vorzunehmen. Andersfalls drohen dem Arbeitgeber empfindliche Strafen.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 28a Abs. 4 SGB IV in Verbindung mit § 7 DEÜV.
Besonderheiten
Besonderheiten bei Minijobs und kurzfristigen Beschäftigungen
Bei geringfügigen Beschäftigungen gibt es ein sehr breites Themenfeld, daher sind neben der Rechtsgrundlage des § 8 SGB IV die Geringfügigkeitsrichtlinien von großer Bedeutung.
Geringfügige Beschäftigung
Nach § 8 Nr. 1 SGB IV liegt eine geringfügig entlohnte Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 538 Euro (= Geringfügigkeitsgrenze 2024) nicht übersteigt. Ausbildungsverhältnisse sind hiervon ausgenommen.
Seit Oktober 2022 orientiert sich die Geringfügigkeitsgrenze am gesetzlichen Mindestlohn (Berechnungsformel: gesetzlicher Mindestlohn x 130 / 3) und wird daher bei jeder Veränderung des gesetzlichen Mindestlohns angepasst.
Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld werden berücksichtigt, die jährliche Verdienstgrenze von 6.456 Euro (12 Monat x 538 Euro) darf nicht überschritten werden. Steuerfreie Einnahmen wie z.B. Nachtarbeitszuschläge werden nicht berücksichtigt. Bei schwankendem Verdienst muss das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt ermittelt werden.
Eine geringfügige Beschäftigung hat folgende Auswirkung auf die einzelnen Sozialversicherungszweige:
In der Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht Versicherungsfreiheit. In der Rentenversicherung besteht Versicherungspflicht, hier ist jedoch eine Befreiung auf Antrag (nach § 6 Abs. 1b SGB VI) möglich. Dieser Antrag gilt für die gesamte
Dauer der geringfügigen Beschäftigung und kann nicht widerrufen werden.
Bei der Überschreitung der Verdienstgrenze wird zwischen zwei Sachverhalten unterschieden:
- Überschreitet der Beschäftigte die Grenze gelegentlich und unvorhersehbar, d.h. bis zu zwei Mal in zwölf Monaten und maximal bis zur doppelten Höhe der Geringfügigkeitsgrenze, z.B. wegen einer nicht geplanten Urlaubs- oder Krankheitsvertretung, bleibt die Tätigkeit trotz des Überschreitens ein Minijob.
- Überschreitet der Verdienst regelmäßig 538 Euro monatlich, z.B. wegen einer Lohnerhöhung etwa durch die Anhebung des Mindestlohns, handelt es sich nicht mehr um einen Minijob. Ab dem Tag, ab dem die Überschreitung erkennbar ist, tritt Sozialversicherungspflicht ein.
Nach aktueller Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei der Geringfügigkeitsgrenze um einen Monatsbetrag, der auch dann gilt, wenn die Beschäftigung nicht für einen ganzen Kalendermonat ausgeübt wird.
Beispiel
Ein Mitarbeiter ist vom 7.12. bis zum 20.12. für ein Arbeitsentgelt in Höhe von 500 Euro beschäftigt.
Hier liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, da keine anteilige Berechnung der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze erfolgt.
Die wöchentliche Arbeitszeit bei Minijobs ist nicht beschränkt. Eine Begrenzung ergibt sich allerdings aus dem gesetzlichen Mindestlohn heraus. Hier ist die Entwicklung der letzten Jahre erkennbar:
Stundenlohn | Monatliche Höchststunden für Minijobber/innen |
9,50 Euro (Mindestlohn 1.1.2021 - 30.6.2021) | 47,37 |
9,60 Euro (Mindestlohn 1.7.2021 - 31.12.2021) | 46,88 |
9,82 Euro (Mindestlohn 1.1.2022 - 30.6.2022) | 45,82 |
10,45 Euro (Mindestlohn 1.7.2022 - 30.09.2022) | 43,06 |
12,00 Euro (Mindestlohn 01.10.2022 – 31.12.2023) | 43,33 |
12,41 Euro (Mindestlohn seit 01.01.2024) | 43,35 |
Mehrere (geringfügige) Beschäftigungen
Weiter besagt der § 8 Abs. 2 SGB IV, dass mehrere geringfügige Beschäftigungen addiert werden. Sollten hierdurch regelmäßig 538 Euro monatlich überschritten werden besteht in allen Sozialversicherungszweigen Versicherungspflicht.
Bei einem Aufeinandertreffen von geringfügigen und mehr als geringfügigen Beschäftigungen im Sinne des § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV, in der Praxis also einer Hauptbeschäftigung und einer oder mehrere geringfügigen Nebenbeschäftigungen(en), gilt es, Folgendes für die einzelnen Versicherungszweige zu beachten:
Krankenversicherung | Zusammenrechnung mit Ausnahme der 1. geringfügigen Beschäftigung |
Pflegeversicherung | Zusammenrechnung mit Aufnahme der 1. geringfügigen Beschäftigung |
Arbeitsförderung | Keine Zusammenrechnung (§ 27 Abs. 2 S. 2 SGB III) |
Rentenversicherung | Immer Versicherungspflicht, aber Befreiung auf Antrag möglich (s.o.). Die Befreiung gilt dann für alle gleichzeitig ausgeübten Minijobs. |
Beitragspflicht des Arbeitgebers
Da die geringfügige Beschäftigung (mit Ausnahme der Rentenversicherung) versicherungsfrei ist, besteht auch keine Beitragspflicht vergleichbar mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Der Arbeitgeber hat jedoch bei gesetzlich Versicherten Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 13 % sowie 15 % für die Rentenversicherung zu zahlen. Der Minijobber zahlt einen Beitrag von 3,6 % zur Rentenversicherung, sofern kein Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vorliegt. Hierdurch wird beim Minijobber der volle Rentenversicherungsbeitrag von 18,6 % erreicht. Bei geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten gelten andere Pauschalbeträge. Zuständige Einzugsstelle ist die Minijobzentrale bei der Knappschaft-Bahn-See.
Hinweis
Durch den Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung entsteht kein Leistungsanspruch gegenüber der Minijobzentrale. Der Krankenversicherungsschutz muss anderweitig sichergestellt werden.
Zusätzlich sind vom Arbeitgeber 2 % Pauschsteuer zu zahlen, sofern der Arbeitgeber nicht nach dem individuellen Steuersatz des Arbeitnehmers besteuert und den Betrag vom Bruttolohn einhält.
Kurzfristige Beschäftigungen
Neben den geringfügig entlohnten Beschäftigungen gibt es in § 8 Abs. 1 SGB IV unter Nr. 2 die kurzfristige Beschäftigung. Diese liegt vor, wenn die Beschäftigung von vorneherein auf nicht mehr als drei Monate oder 70 Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt ist.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Beschäftigung nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Berufsmäßigkeit liegt vor, wenn die Beschäftigung von übergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und die einzige Einnahmequelle darstellt. Beispielhaft wäre eine kurzfristige Beschäftigung bei einem ansonsten Erwerbslosen berufsmäßig, bei einem Altersrentner hingegen nicht.
Zeitgrenzen bei der kurzfristigen Beschäftigung
Wird die Beschäftigung an weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche ausgeübt tritt an die Stelle der drei Monate die Grenze von 70 Arbeitstagen. Kurzfristige Beschäftigungen sind in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei. Die Höhe des Verdienstes ist unerheblich. Pauschalbeiträge sind nicht zu entrichten.
Nach aktuellem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, höchste Instanz der Sozialgerichtsbarkeit) sind die Zeiträume von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen gleichwertige Alternativvoraussetzungen. Sollte die Beschäftigung also drei Monate überschreiten, könnte es sich trotzdem um eine kurzfristige Beschäftigung handeln, sofern 70 Arbeitstage nicht überschritten werden.
Beispiel
Beschäftigung vom 01.06.2023 bis 06.09.2023 (Montag bis Freitag) - keine Vorbeschäftigungen im Kalenderjahr 2023.
Die Zeitgrenze von 3 Monaten ist Anfang September (Juni, Juli, August) überschritten, demnach würde SV-Pflicht ab Beschäftigungsbeginn bestehen.
Hier kann jedoch auch auf Arbeitstage (AT) abgestellt werden.
Mit 70 AT (22/21/23/24) ist diese Zeitgrenze nicht überschritten, sodass es sich um eine kurzfristige Beschäftigung handelt.
Mehrere kurzfristige Beschäftigungen
Im Kalenderjahr werden mehrere kurzfristige Beschäftigungen zusammengerechnet. Bei der Addition werden drei Monate durch 90 Kalendertage ersetzt. Bei Beginn einer kurzfristigen Beschäftigung ist daher eine Prüfung hinsichtlich kurzfristiger Vorbeschäftigungen notwendig. Bei Anmeldung der kurzfristigen Beschäftigung bei der Minijobzentrale enthält die Rückmeldung von dort einen Hinweis auf mögliche kurzfristige Beschäftigungen im gleichen Kalenderjahr.
Sollte durch die Zusammenrechnung von vorangegangenen Beschäftigungen und der aktuellen Beschäftigung die Grenzwerte (70 Arbeitstage/90 Kalendertage) überschritten werden, liegt ab Beginn der aktuellen Beschäftigung keine Kurzfristigkeit und damit Versicherungspflicht in allen Sozialversicherungszweigen vor.
Höherverdienende Arbeitnehmer
Eine Besonderheit bei der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung sind die höherverdienenden Arbeitnehmer. Bei diesen Personen liegt das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt über einer vom Gesetzgeber vorgegebenen und jährlich angepassten Jahresarbeitsentgeltgrenze (69.300 Euro im Jahr 2024).
Rechtsgrundlage ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Das Gemeinsame Rundschreiben vom 20.03.2019 behandelt das Thema der Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze sehr ausführlich.
Neben der allgemeinen Jahresarbeitsentgeltgrenze gilt laut § 6 Absatz 7 SGB V für Personen, die am 31.12.2002 wegen Überschreitens der damals geltenden Grenze privat versichert waren, eine besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze von aktuell 62.100 Euro.
Obwohl die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht (Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt) erfüllt sind, besteht hier die Wahlmöglichkeit zwischen einer freiwilligen Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Krankenvollversicherung bei einem privaten
Versicherungsunternehmen. Eine Pflegeversicherung ist in beiden Fällen vorgeschrieben.
Sie haben in diesem Skript bereits die Definition zum Arbeitsentgelt kennengelernt. Allerdings gibt es bei der Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts unabhängig von der Beitragspflicht folgende Besonderheiten. Bestimmte Einnahmen werden bei der Ermittlung des Jahresarbeitsentgelts nicht berücksichtigt, sehen Sie hier das Berechnungsschema:
Summe aller voraussichtlichen Bezüge aus der/den Beschäftigung/en
./. Einkünfte aus versicherungsfreien Beschäftigungen
./. Einkünfte, die kein Arbeitsentgelt i. S. der Sozialversicherung sind
./. Unregelmäßige Entgelte (z. B. Überstundenvergütungen)
./. Familienzuschläge (z. B. Kinder-/Verheiratetenzuschläge)
= Regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt
Für die Voraussetzung der Regelmäßigkeit muss das Entgelt vertraglich zugesichert sein oder zumindest in der Vergangenheit regelmäßig gezahlt worden sein („betriebliche Übung“).
Beispiel
Beurteilung zum 1. Januar 2024 | Entgelt | Regelm. JAE |
Gehalt (5.000 x 12 Monate) | 60.000 | 60.000 |
Familienzuschlag (100 x 12 Monate) | 1.200 | - |
VwL Bausparen (26 x 12 Monate) | 312 | 312 |
Weihnachtsgeld | 4.700 | 4.700 |
Urlaubsgeld | 2.350 | 2.350 |
Zuwendung Firmenjubiläum | 1.000 | - |
Insgesamt (allg. JAE-Grenze: 69.300) | 69.562 | 69.362 |
Bei folgenden Anlässen ist das regelmäßige Arbeitsentgelt festzustellen:
- bei Aufnahme einer bzw. Änderung in der Beschäftigung
- anlässlich Hinzutritt weitere(r) Beschäftigung(en)
- zum Jahreswechsel (aufgrund Anhebung der JAE-Grenze)
Übersteigt das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze, besteht Versicherungsfreiheit bei einer laufenden Beschäftigung nicht unmittelbar, sondern erst nach Ablauf des Kalenderjahres und auch nur dann, wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze des Folgejahres ebenfalls überschritten wird.
Eine rückwirkende Entgelterhöhung wird dem Kalenderjahr zugeordnet, im dem der Anspruch auf die Erhöhung entstanden ist.
Unmittelbare Versicherungsfreiheit tritt bei einem Arbeitgeberwechsel oder erstmaliger Beschäftigungsaufnahme ein.
Unterschreitet das Entgelt bei einem höherverdienenden Arbeitnehmer die Jahresarbeitsentgeltgrenze dauerhaft, tritt unmittelbar Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung ein.
Grund für die Unterschreitung könnte eine Minderung des Entgelts oder die jährliche Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze zum Jahreswechsel sein.
Eine Entgeltminderung muss dauerhaft stattfinden, eine vorübergehende und festgelegte Entgeltminderung von nicht mehr als 3 Monaten ist unschädlich. Bei Bezug von Kurzarbeitergeld (nicht jedoch Transfer-Kurzarbeitergeld) oder bei einer stufenweisen Wiedereingliederung bleibt der Versicherungsstatus sogar für die gesamte Dauer unverändert.
Beispiel
Eine höherverdienende Mitarbeiterin erhält monatlich 6.000 Euro brutto (72.000 Euro jährlich > Jahresarbeitsentgeltgrenze) und vereinbart mit ihrem Arbeitgeber für die Monate Juni bis August eine Arbeitszeitreduzierung.
Hierdurch reduziert sich das Entgelt, es bleibt jedoch wegen der kurzen Dauer bei der Versicherungsfreiheit. Dies gilt u.a. nicht bei Teilzeit in Elternzeit.
Bei längerer Dauer oder fehlender Befristung hätte zunächst die Entgeltreduzierung zum 01.06.2024 zur unmittelbaren Versicherungspflicht geführt.
Die Entgelterhöhung zum 01.09.2024 hätte eine erneute Beurteilung notwendig gemacht: Das Entgelt ab dem 01.09.2024 übersteigt die Jahresarbeitsentgeltgrenze (6.000 Euro x 12 Monate = 72.000 Euro > JAE-Grenze) – durch eine Entgelterhöhung während der Beschäftigung tritt allerdings frühstens mit Ablauf des Kalenderjahres Versicherungsfreiheit ein, sofern die Grenze 2025 ebenfalls überschritten würde.
Personen, die als höherverdienende Arbeitnehmer privat krankenversichert sind, können bei Eintritt der Versicherungspflicht ihren privaten Versicherungsvertrag bis zu 3 Monate rückwirkend kündigen (siehe § 205 Versicherungsvertragsgesetz VVG). Besonderheiten gibt es, wenn die Personen bei Eintritt der Versicherungspflicht das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat. Näheres Hierzu finden Sie im Punkt 5.12.
Ebenso ist auch eine Befreiung von der eintretenden Versicherungspflicht möglich, sofern eine Person weiterhin privat krankenversichert bleiben möchte – Informationen finden Sie im Punkt 5.13.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Weitere Besonderheiten sind bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu beachten. Wie Sie im Abschnitt „Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit im Krankheitsfall“ gelernt haben, verpflichtet § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG den Arbeitgeber, das Arbeitsentgelt während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers fortzuzahlen. Dieser Anspruch entsteht gem. § 3 Abs. 3 EFZG nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts gilt für die Dauer von bis zu sechs Wochen. Innerhalb dieser Zeit besteht das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt fort, sodass der Beschäftigte auch weiterhin in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig bleibt.
Besonderheiten bei unbezahltem Urlaub, Aussperrung und Streik
Der § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV sieht eine Fiktionsregelung vor, nach der eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend gilt, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert. Dies gilt jedoch nicht länger als einen Monat.
Voraussetzung ist, dass der rechtliche Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses fortdauert. Er darf also nicht wirksam beendet worden sein, z.B. durch eine gerechtfertigte Kündigung oder durch Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags.
Relevanz hat diese Regelung insbesondere für die Fälle eines gerechtfertigten Streiks, die zulässige Aussperrung oder auch bei einer vertraglichen Vereinbarung einer Arbeitsunterbrechung, z.B. wegen eines unbezahlten Urlaubs oder einer Freistellung aus anderen Gründen.
Diese Fiktionsregel hat zur Folge, dass die an die entgeltliche Beschäftigung geknüpfte Versicherungspflicht des Beschäftigten in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 i.V.m. S. 1 SGB XI, in der Rentenversicherung nach § 1 S. 1 Nr. 1, 1. Halbsatz SGB VI sowie in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 SGB III für eine begrenzte Zeit der Arbeitsunterbrechung fort gilt.
Besonderheiten beim Bezug von Kurzarbeitergeld
Bezieht ein Beschäftigter nach Maßgabe der §§ 95 ff. SGB III Kurzarbeitergeld, ist er weiterhin versicherungspflichtig in der Sozialversicherung, sofern zu Beginn des Bezugs von Kurzarbeitergeld ein Beschäftigungsverhältnis bestand, aufgrund dessen der Betroffene versicherungspflichtig gewesen ist.
Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben Beschäftigte dann, wenn
- ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
- die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
- die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
- der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
Ein Arbeitsausfall ist erheblich in diesem Sinne, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, er vorübergehend ist, er nicht vermeidbar ist und im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.
Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in dem Betrieb mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist.
Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt, aus zwingenden Gründen aufnimmt oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt, das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen ist.
Auch wenn der Arbeitnehmer während des Bezugs von Kurzarbeitergeld arbeitsunfähig wird, liegen die persönlichen Voraussetzungen vor, solange Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall besteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde.
Versicherungspflicht bei über 55-jährigen
Im § 5 SGB V haben Sie eine Vielzahl von Regelungen zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (und damit auch der sozialen Pflegeversicherung) kennengelernt.
Werden Personen nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig, gibt es allerdings laut § 6 Absatz 3a SGB V folgendes zu beachten:
Sollten die Personen in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert gewesen sein, werden sie auch nicht versicherungspflichtig, sondern versicherungsfrei. Der Gesetzgeber möchte mit dieser Regelung den Weg zurück in die Solidargemeinschaft für Personen beschränken, die sich in der Vergangenheit bewusst gegen die Gesetzliche Krankenversicherung entschlossen haben.
Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Person mindestens die Hälfte der 5 Jahre (2 Jahre, 6 Monate)
- versicherungsfrei (z.B. als höherverdienender Arbeitnehmer),
- von der Versicherungspflicht befreit (z.B. als Studierender) oder
- nicht versicherungspflichtig (hauptberuflich selbständig tätig) war.
Beispiel
Ein seit 10 Jahren höherverdienender Arbeitnehmer (60 Jahre) ist versicherungsfrei und privat krankenversichert. Er reduziert seine Arbeitszeit dauerhaft um die Hälfte, entsprechend reduziert sich sein Entgelt und liegt dadurch unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Es tritt bei Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze grundsätzlich sofort Versicherungspflicht ein.
Aber:
- Der Mitarbeiter hat bei Eintritt der Versicherungspflicht das 55. Lebensjahr vollendet
- Er war in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich krankenversichert
- Er war mehr als die Hälfte dieser Zeit (> 2 Jahre, 6 Monate) versicherungsfrei
Ergebnis: Der Mitarbeiter bleibt trotz Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei.
Hinweis
Besteht eine Kündigungsmöglichkeit einer privaten Krankenvollversicherung durch Eintritt von Versicherungspflicht, muss die Kündigung innerhalb von 3 Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht erfolgen. Dann ist sie rückwirkend möglich.
Die Versicherungspflicht ist anhand einer Mitgliedsbescheinigung innerhalb von zwei Monaten nach schriftlicher Aufforderung durch den privaten Versicherer nachzuweisen.
Erfolg die Kündigung nach Ablauf der Dreimonatsfrist, wird sie erst zum Ende des Kündigungsmonats wirksam.
Rechtsgrundlagen sind § 205 Abs. 2 VVG (Versicherungsvertragsgesetz und § 27 SGB XI)
Beispiel
Eine Person ist seit Jahren als höherverdienender Arbeitnehmer privat krankenversichert (PKV). Am 01.04. wechselt er den Arbeitgeber, das Entgelt liegt unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze und es besteht Versicherungspflicht:
- Kündigung der PKV am 18.05. zum frühestmöglichen Zeitpunkt
- Kündigung der PKV am 18.07. zum frühestmöglichen Zeitpunkt
Lösung a) Ende der PKV am 31.03.
Lösung b) Ende der PKV am 31.07.
Befreiung von der Versicherungspflicht
Der Gesetzgeber gewährt in bestimmten Situationen die Möglichkeit, sich gegen die Versicherungspflicht zu entscheiden. Am weitesten Verbreitet ist der Verzicht auf die Rentenversicherungspflicht als Minijobber – Rechtsgrundlage ist § 6 Absatz 1b SGB VI.
Aber auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung besteht in bestimmten Fällen eine Befreiungsmöglichkeit. Im § 8 Absatz 1 SGB V sind eine ganze Reihe von Konstellationen genannt, etwa von Personen, die durch die Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungspflichtig gewordenen sind (§ 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V) oder durch die Aufnahme eines Studiums (§ 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V).
Der Ablauf der Befreiung ist im § 8 Abs. 2 SGB V beschrieben. Die wesentlichen Punkte sind:
- Nach Eintritt der Versicherungspflicht kann der Antrag innerhalb von 3 Monaten bei der Krankenkasse gestellt werden
- Die Befreiung wirkt vom Beginn der Versicherungspflicht an, sofern keine Leistungen zu Lasten der GKV in Anspruch genommen wurden – ansonsten ab dem Folgemonat (siehe Beispiel weiter unten)
- Ein Widerruf der Befreiung ist nicht möglich
- Wer sich von der Versicherungspflicht befreien lassen will, muss eine bestehende Absicherung im Krankheitsfall nachweisen
Beispiel
Beginn der Versicherungspflicht am 01.10.
Befreiungsantrag am 08.11.
Wirkung der Befreiung bei:
… keiner Leistungsinanspruchnahme: 01.10.
… ärztlicher Behandlung am 15.10.: 01.12.
Berechnung des Beitrags
Ein einführendes Video zur Beitragsberechnung sehen Sie hier:
Beitragsbemessungsgrundlage
Die Beiträge werden anhand eines bestimmten Werts berechnet, der als Grundlage für die Beitragserhebung dient. Dieser Wert trägt den Namen „Beitragsbemessungsgrundlage“. Zur Festlegung der Beitragsbemessungsgrundlage für alle Versicherungspflichtigen werden die Einnahmen herangezogen, die der Beitragspflicht unterliegen.
Die spezifischen Einnahmen, die der Beitragspflicht unterliegen, sind in den jeweiligen Sozialgesetzbüchern der unterschiedlichen Versicherungszweige festgelegt. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um das Arbeitsentgelt (gemäß § 14 SGB IV).
Beitragssatz
Die Beitragssätze in der Sozialversicherung sind bundesweit einheitlich. Lediglich der Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung ist abhängig von der gewählten Krankenkasse. Hierzu folgende Übersicht:
Krankenversicherung (allgemein) | 14,6 % |
Krankenversicherung (ermäßigt – kein Anspruch auf Krankengeld) | 14,0 % |
Zusatzbeitrag Krankenversicherung (kassenindividuell) | 1,7 % durchschnittlicher Zusatzbeitrag* |
Rentenversicherung | 18,6 % |
Arbeitslosenversicherung | 2,6 % |
Pflegeversicherung | 3,4 % |
Pflegeversicherung (ab 23 Jahren und kinderlos) | 4,0 % |
*Bei der Beitragsberechnung in der Krankenversicherung ist in der Regel der kassenindividuelle Zusatzbeitrag der jeweils vom Mitglied gewählten Krankenkasse heranzuziehen. In bestimmten Fällen, wie z.B. dem Beitragszuschuss höherverdienender Arbeitnehmer, die privat krankenversichert sind, ist jedoch der durchschnittliche Zusatzbeitrag von Bedeutung. Dieser wird vom Bundesministerium für Gesundheit jeweils im November festgelegt und gilt für das gesamte Folgejahr.
Der Beitragssatz der sozialen Pflegeversicherung wurde mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) im Jahr 2023 grundlegend reformiert.
Durch die gesetzliche Anpassung wird die Anzahl der Kinder besonders gewürdigt. Neben den leiblichen Kindern werden auch Pflegekinder berücksichtigt; ebenso Adoptiv- und Stiefkinder, sofern das Verwandtschaftsverhältnis zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem auch ein grundsätzlicher Anspruch auf Familienversicherung gegeben wäre.
Der seit vielen Jahren existierende Pflegeversicherungszuschlag in Höhe von mittlerweile 0,6 % ist für kinderlose Personen ab dem vollendeten 23. Lebensjahr zu zahlen. Liegt die Elterneigenschaft vor, entfällt dieser Zuschlag ein Leben lang.
Neu ist der Beitragsabschlag, hier wird der Pflegeversicherungsbeitrag ab dem 2. und jedem weiteren berücksichtigungsfähigen Kind unter 25 Jahren um 0,25 % reduziert. Es werden maximal 5 Kinder berücksichtigt.
Es ergibt sich folgende Beitragsübersicht:
Eltern-eigenschaft | Beitragssatz Pflege-versicherung allgemein | Abschlag | Zuschlag | Beitragssatz Gesamt | Anteil Arbeitgeber |
Keine Kinder | 3,4 % | entfällt | 0,6 % | 4,0 % | 1,7 % |
1 Kind | 3,4 % | entfällt | entfällt | 3,4 % | 1,7 % |
2 Kinder unter 25 | 3,4 % | 0,25 % | entfällt | 3,15 % | 1,7 % |
3 Kinder unter 25 | 3,4 % | 0,50 % | entfällt | 2,9 % | 1,7 % |
4 Kinder unter 25 | 3,4 % | 0,75 % | entfällt | 2,65 % | 1,7 % |
5 und mehr Kinder unter 25 | 3,4 % | 1,0 % | entfällt | 2,4 % | 1,7 % |
Alle Kinder über 25 | 3,4 % | entfällt | entfällt | 3,4 % | 1,7 % |
Die unterschiedlichen Konstellationen können in der Praxis gewisse Herausforderungen mit sich bringen. Das seit dem 01.07.2023 geltende PUEG räumt daher bis zum 30.06.2025 einen Übergangszeitraum mit drei unterschiedlichen Nachweisverfahren ein:
- Vereinfachtes Nachweisverfahren
- Angaben des Arbeitnehmers gelten als Nachweis
- keine rückwirkende Korrektur zu Lasten des Arbeitnehmers bei Unterschied der Selbstangaben zu echten Nachweisen im analogen oder digitalen Verfahren
- ab 01.07.2025 sind „echte“ Nachweise notwendig
- Reguläres Nachweisverfahren
- Berücksichtigung der Elterneigenschaft/der Anzahl der Kinder nur durch Vorlage entsprechender Nachweise durch den Arbeitnehmer
- Digitales Verfahren (voraussichtlich ab 01.04.2025)
- Aktuell keine Umsetzung der veränderten Beitragsgestaltung
- rückwirkende Beitragskorrektur (Übermittlung Elterneigenschaft/Anzahl Kinder an Arbeitgeber)
Beispiel
Eine Arbeitnehmerin hat 3 Kinder
- Emma 22.07.1998
- Jannis 31.08.2000
- Paul 14.05.2003
Beitragssatz bis 30.06.2023 → 3,05 % (alter Beitragssatz und kein PV-Zuschlag wegen Elterneigenschaft)
Beitragssatz ab 01.07.2023 → 2,9 % (3 Kinder unter 25 Jahren)
Beitragssatz ab 01.08.2023 → 3,15 % (2 Kinder unter 25 Jahren)
Beitragssatz ab 01.09.2025 → 3,4 % (1 Kind unter 25 Jahren)
Beitragssatz ab 01.06.2028 → 3,4 % (kein Kind unter 25 Jahren, aber Elterneigenschaft für Befreiung PV- Zuschlag wirkt ein Leben lang)
Beitragspflichtige Einnahmen
Im Kapitel Versicherter Personenkreis im Sozialversicherungsrecht haben Sie bereits den Begriff des Arbeitsentgelts (nach § 14 SGB V) kennengelernt. An dieser Stelle befassen wir uns mit der Beitragsberechnung. Hierfür sind die beitragspflichtigen Einnahmen ein relevanter Faktor.
Grundsätzlich unterliegen alle Einnahmen aus einer Beschäftigung der Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) nennt jedoch eine ganze Reihe von Zuwendungen, die dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen sind.
In § 1 Absatz 1 Nr. 6 SvEV sind beispielsweise die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld aufgeführt. Zur Erinnerung: Innerhalb der Schutzfrist zahlt die gesetzliche Krankenkasse ihren anspruchsberechtigen Mitgliedern ein tägliches Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro, die Differenz zum Netto-Lohn zahlt der Arbeitgeber als Zuschuss. Da dieser Zuschuss aus der Beschäftigung heraus gezahlt wird, handelt es sich um Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV und wäre beitragspflichtig – nur durch die Regelung in der SvEV wird der Zuschuss nicht dem Arbeitsentgelt zugerechnet.
Ein weiteres Beispiel mit höher Relevanz für die Praxis ist der § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV: Zunächst gilt die grundsätzliche Aussage, dass Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt hinzugerechnet werden, sofern sie lohnsteuerfrei sind. Für eine korrekte Beurteilung ist also der Absprung in das Einkommensteuergesetz (EStG) notwendig.
Abweichend von dem obigen Grundsatz gilt für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, dass der Grundlohn, auf dem sie berechnet werden, für die Sozialversicherung nicht mehr als 25 Euro pro Stunde betragen darf (Für die Lohnsteuer ergibt sich aus dem EStG ein Höchstgrundlohn von 50 Euro). Übersteigt der Grundlohn diese Grenze, wird der daraus errechnete Zuschuss dem Arbeitsentgelt hinzugerechnet.
Beitragsbemessungsgrenze
Beiträge werden in der Sozialversicherung maximal von einem Höchstbetrag, der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze (Jahresarbeitshöchstverdienst in der gesetzlichen Unfallversicherung) berechnet.
Rechtsgrundlage hierfür sind für die
- Krankenversicherung § 223 Abs. 3 SGB V
- Pflegeversicherung § 55 Abs. 2 SGB XI
- Rentenversicherung § 159 i.V.m. § 160 SGB VI
- Arbeitslosenversicherung § 341 Abs. 4 SGB III
- Unfallversicherung § 152 Abs. 2 SGB VII
Im Gesetz ist jeweils der Jahresbetrag genannt, hier sehen Sie die auf den Kalendermonat heruntergebrochene Grenzen:
Entgelte, die die Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, bleiben bei der Beitragsberechnung außer Betracht. Die Beitragsbemessungsgrenzen werden jährlich zum Jahreswechsel angepasst.
Berechnung der anteiligen Beitragsbemessungsgrenze
Möchte man prüfen, ob das Gehalt unter die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze fällt, muss man den Zeitraum berücksichtigen, für den das Arbeitsentgelt gezahlt worden ist (sog. Lohnzahlungszeitraum). Typischerweise beträgt dieser einen Kalendermonat.
Immer wieder kann es aber dazu kommen, dass das Arbeitsentgelt nicht für den gesamten Abrechnungszeitraum gewährt wird. In diesem Fall muss die Beitragsbemessungsgrenze für den jeweiligen Teillohnzahlungszeitraum ermittelt werden.
Wie dies zu erfolgen hat, ergibt sich aus der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (Beitragsverfahrensverordnung – BVV). Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BVV werden die Beitragsbemessungsgrenzen je Kalendermonat für die Kalendertage berechnet, an denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung besteht (Sozialversicherungstage). Der jährliche Wert ist die Ausgangsbasis für die Ermittlung. Um zum richtigen Ergebnis zu kommen, muss der jährliche Wert mit der Anzahl der maßgeblichen Kalendertage multipliziert und anschließend durch 360 geteilt werden. Daraus ergibt sich die folgende Formel:
Merke
Jahres-Beitragsbemessungsgrenze x Anzahl der maßgeblichen Tage / 360 = anteilige Beitragsbemessungsgrenze
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BVV wird ein voller Kalendermonat mit 30 Sozialversicherungstagen angesetzt. Da keine Differenzierung zwischen Monaten stattfindet, gilt dies also für alle Monate, unabhängig davon, ob sie 28, 29, 31 oder tatsächlich 30 Tage haben.
Bei Teilmonaten sind die tatsächlichen Tage zu ermitteln. Aus den allgemeinen Berechnungsgrundsätzen nach § 121 Abs. 2 SGB VI i.V.m. § 123 Abs. 1, 2 SGB VI ergibt sich ferner, dass der berechnete Wert mit 2 Dezimalstellen zu berücksichtigen ist, wobei die zweite Stelle nach dem Komma um 1 zu erhöhen ist, wenn sich in der dritten Stelle eine der Zahlen 5 bis 9 ergeben würde.
Einmalzahlungen
Auch Einmalzahlungen können beitragspflichtig sein. Es handelt sich hierbei um Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Zu den Einmalzahlungen zählen:
- Urlaubs- und Weihnachtsgeld,
- Gewinnbeteiligungen und Gratifikationen,
- Auszahlungen von nicht in Anspruch genommenem Urlaub,
- Jubiläumszuwendungen, Heirats- und Geburtsbeihilfen.
Einmalzahlungen sind, sofern die Bemessungsgrenzen nicht überschritten werden, beitragspflichtig in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Hinweis
Beitragspflichtig sind die Einmalzahlungen nur in dem Fall, dass eine vertraglich vereinbarte Einmalzahlung auch tatsächlich ausbezahlt wird. Ein reiner Rechtsanspruch auf die Einmalzahlung genügt nicht.
Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist nach § 23a Abs. 1 S. 2 SGB IV im Grundsatz dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird.
Beispiel
Der Arbeitnehmer A ist seit drei Jahren bei der U-GmbH beschäftigt. Aufgrund eines erfolgreichen Jahres entscheidet sich die Unternehmensleitung, den Mitarbeitenden im November ein Weihnachtsgeld i.H.v. 1.000 Euro zu zahlen. Das Weihnachtsgeld ist in diesem Fall dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird (§ 23a Abs. 1 S. 2 SGB IV), also dem November.
Es kann allerdings auch vorkommen, dass die Einmalzahlung in einem Monat gewährt wird, in dem kein laufendes Arbeitsentgelt gezahlt wird. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn das Beschäftigungsverhältnis ruht oder dieses bereits beendet ist. In diesem Fall wird die Einmalzahlung dem letzten abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum des laufenden Kalenderjahres zugeordnet.
Beispiel
Der Arbeitnehmer A ist seit drei Jahren bei der U-GmbH beschäftigt. Im September des Jahres 03 tritt er einen neuen Job an. Aufgrund eines erfolgreichen Jahres entscheidet sich die Unternehmensleitung, den Mitarbeitenden im November ein Weihnachtsgeld auszuzahlen. Auch A soll dies (anteilig) erhalten. Das Weihnachtsgeld aus dem Monat November wird in diesem Fall ausnahmsweise nicht dem November zugeordnet, sondern dem letzten abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, also dem Monat September.
Hat der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr noch kein Arbeitsentgelt erhalten und liegen im laufenden Kalenderjahr keine Sozialversicherungstage vor, ist die Einmalzahlung beitragsfrei. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Einmalzahlung im Zeitraum bis einschließlich zum 31.03. gezahlt wurde. Dann greift die sog. Märzklausel, die nach diesem Kapitel erklärt wird.
Ist die Beitragspflicht von einer Einmalzahlung zu prüfen, ist vorrangig die Beitragsbemessungsgrenze des Entgeltabrechnungszeitraumes, dem die Einmalzahlung zugeordnet wurde (Zufluss-Prinzip), vorauszusetzen. Es ist also in einem ersten Schritt zu prüfen, ob im Monat der Auszahlung das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt zusammen mit dem laufenden Arbeitsentgelt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze übersteigt. Wird die Beitragsbemessungsgrenze durch die Einmalzahlung zusammen mit dem Arbeitsentgelt nicht überschritten, werden die Beiträge aus dem gesamten (laufenden und einmalig gezahlten) Arbeitsentgelt berechnet.
Beispiel
Arbeitnehmer D ist seit fünf Jahren bei der T-GmbH beschäftigt. Für seine Tätigkeit erhält er monatlich ein Entgelt i.H.v. 3.100 Euro. Die Beschäftigten der T-GmbH erhalten im April des Jahres 2024 ein Urlaubsgeld i.H.v. 1.000 Euro.
Im Jahr 2024 liegt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung bei 5.175 Euro. Diese monatliche Beitragsbemessungsgrenze wird durch die Einmalzahlung sowie das monatliche laufende Entgelt nicht überschritten:
Monatliches Entgelt | 3.100 Euro |
Urlaubsgeld | + 1.000 Euro |
Summe | = 4.100 Euro |
Damit ist das Entgelt voll beitragspflichtig.
Wird die Beitragsbemessungsgrenze des Abrechnungszeitraums durch das laufende Arbeitsentgelt und die Einmalzahlung zusammen überschritten, ist in einem zweiten Schritt eine anteilige (Jahres-)Beitragsbemessungsgrenze zu ermitteln. Die Ermittlung einer anteiligen Jahres-Beitragsbemessungsgrenze führt dazu, dass die Einmalzahlung beitragsrechtlich auf einen längeren Zeitraum verteilt wird. Man ermittelt die anteilige Jahres-Beitragsbemessungsgrenze anhand aller beitragspflichtigen Zeiten des laufenden Kalenderjahres bei dem Arbeitgeber, der die Einmalzahlung gewährt hat. Beitragsfreie Zeiten, z.B. während des Bezugs von Krankengeld, sowie Beschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber werden nicht mitgezählt.
Beispiel
Arbeitnehmer U ist seit zehn Jahren bei der Y-GmbH beschäftigt. Für seine Tätigkeit erhält er monatlich ein Entgelt i.H.v. 3.100 Euro. Die Beschäftigten der T-GmbH erhalten im April des Jahres 2024 ein Urlaubsgeld i.H.v. 3.000 Euro.
Im Jahr 2024 liegt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung bei 5.175 Euro. Diese monatliche Beitragsbemessungsgrenze wird durch die Einmalzahlung sowie das monatliche laufende Entgelt überschritten:
Monatliches Entgelt | 3.100 Euro |
Urlaubsgeld | + 3.000 Euro |
Summe | = 6.100 Euro |
Da das laufende Arbeitsentgelt und die Einmalzahlung zusammen die o.g. Grenze überschreiten, muss eine anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze ermittelt werden.
Um zu ermitteln, auf welchen Beitrag der Einmalzahlung Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen sind, ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer die sog. anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze durch sein bisheriges beitragspflichtiges Entgelt bereits ausgeschöpft hat. Ist das der Fall, ist das darüber hinausgehende Entgelt nicht mehr beitragspflichtig. Ist der Beitrag der anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze hingegen noch nicht ausgeschöpft, fallen darauf Sozialversicherungsbeiträge an.
Die beitragspflichtigen Zeiten werden auch Sozialversicherungstage genannt (s. dazu sogleich).
Um die anteilige Jahres-Beitragsbemessungsgrenze zu ermitteln, geht man wie folgt vor
Merke
Sozialversicherungstage x Jahres-Beitragsbemessungsgrenze / 360 = anteilige Jahres-Beitragsbemessungsgrenze
Beiträge zur Sozialversicherung sind für jeden Kalendertag zu zahlen, an dem eine Mitgliedschaft in der Sozialversicherung besteht. Ein solcher Kalendertag wird als Sozialversicherungstag (SV-Tag) bezeichnet.
Die Zahl der Sozialversicherungstage ist nicht nur zu ermitteln, wenn die Beitragsberechnung bei Einmalzahlungen erfolgt, sondern beispielsweise auch dann, wenn Beiträge für einen Teillohnzahlungszeitraum oder die Höhe einer Entgeltersatzleistung berechnet werden.
Die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft ist in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung in § 223 SGB V und für die Pflegeversicherung in § 57 Abs. 1 SGB XI normiert. Das SGB III sieht für die Arbeitslosenversicherung eine entsprechende Regelung in § 341 Abs. 2 SGB III. Im Fall einer versicherungspflichtigen Beschäftigung regelt die Beitragsverfahrensordnung die Berechnungsgrundsätze, § 1 Abs. 1 Satz 1 BVV.
Bei der Berechnung wird
- die Woche mit 7 Tagen,
- der Kalendermonat mit 30 Tagen und
- das Kalenderjahr mit 360 Kalendertagen
berücksichtigt. Ein voller Kalendermonat ist immer mit 30 Tagen anzusetzen. Sind die Beiträge für einen Zeitraum zu berechnen, der keinen vollen Kalendermonat umfasst, sind die tatsächlichen Beitragstage anzusetzen. Dies kann teilweise zu Ergebnissen führen, die auf den ersten Blick verwundern:
Beispiel
01.02. – 28.02. = 30 SV-Tage
03.02. – 28.02. = 26 SV-Tage
01.08. – 31.08. = 30 SV-Tage
02.08. – 31.08. = 30 SV-Tage
Wie bereits dargestellt, muss, sofern die Beitragsbemessungsgrenze des Abrechnungszeitraums durch das laufende Arbeitsentgelt und die Einmalzahlung zusammen überschritten wird, die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze ermittelt werden. Ist dies erfolgt, berechnet man die Höhe des bisher beitragspflichtigen Entgelts (vom Beginn des Jahres bzw., sofern die Einstellung erst während des Jahres erfolgt ist, ab dem Einstellungstag bis zum Ende des Zahlungsmonats der Einmalzahlung). Von der zuvor ermittelten anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze zieht man dann den Betrag des bisherigen beitragspflichtigen Entgelts ab. Den sich daraus ergebenden Differenzbetrag bezeichnet man auch als „SV-Luft“.
Im Regelfall wird der Differenzbetrag höher, je weiter fortgeschritten das Jahr ist. Denn die Differenz zwischen der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem laufenden Arbeitsentgelt wird in der Regel immer größer.
Ist der Differenzbetrag geringer, bedeutet dies, dass die Beitragsbemessungsgrenze schneller erreicht ist und weniger der Einmalzahlung beitragspflichtig ist.
Beispiel
Im Monat Februar ergibt sich der Differenzbetrag („SV-Luft“) nur aus der Differenz zwischen dem Entgelt aus den Monaten Januar und Februar zur anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze. Verdient ein Arbeitnehmer, der zum 01.01. eingestellt wurde, monatlich 3.500 Euro, so beträgt sein Entgelt aus Januar und Februar 7.000 Euro. Die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung liegt für die Monate Januar und Februar bei 10.350 Euro (60 Sozialversicherungstage x Jahres-Beitragsbemessungsgrenze (2024) i.H.v. 62.100 Euro / 360 = 10.350 Euro (anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze). Der Differenzbetrag liegt also bei 3.350 Euro.
Im Monat Oktober ergibt sich der Differenzbetrag („SV-Luft“) aus der Differenz zwischen dem Entgelt aus den Monaten Januar bis Oktober zur anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze. Verdient ein Arbeitnehmer, der zum 01.01. eingestellt wurde, monatlich 3.500 Euro, so beträgt sein Entgelt aus den Monaten Januar bis Oktober 35.000 Euro. Die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung liegt für die Monate Januar bis Oktober bei (300 Sozialversicherungstage x Jahres-Beitragsbemessungsgrenze (2024) 62.100 Euro / 360 = 51.750 Euro (anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze). Der Differenzbetrag liegt also bei 16.750 Euro.
Bei einer Einmalzahlung i.H.v. 4.000 Euro, die im Monat Februar ausgezahlt wird, wäre also (ohne Berücksichtigung der sog. Märzklausel, dazu sogleich) immerhin ein Betrag von 650 Euro beitragsfrei.
Bei einer Einmalzahlung in derselben Höhe, die allerdings erst im Oktober ausgezahlt wird, wäre diese in der gesetzlichen Krankenversicherung voll beitragspflichtig.
Daraus ergibt sich also im Grundsatz, dass der beitragspflichtige Teil einer Einmalzahlung kleiner ist, je früher die Einmalzahlung erfolgt. Dies ist auch der Grund dafür, weshalb viele Unternehmen eine Einmalzahlung in den ersten Monaten eines Jahres auszahlen. Dabei müssen sie jedoch die sog. Märzklausel beachten. Wird diese übersehen und werden als Folge zu geringe Beiträge gezahlt, müssen diese (spätestens bei der Betriebsprüfung) nachgezahlt werden.
Hinweis
Erhält ein Arbeitnehmer mehrere Einmalzahlungen innerhalb eines Jahres, muss bzw. müssen für die Feststellung der Beitragspflicht bei der zweiten bzw. weiteren Zahlung die erste bzw. die weiteren Sonderzahlung(en) mitberücksichtigt werden. Sofern sie beitragspflichtig war, wird sie zum erhaltenen laufenden Gehalt addiert.
Märzklausel
Besonderheiten gelten für solche Sonderzahlungen, die im ersten Quartal eines Kalenderjahres, also von Januar bis März, ausgezahlt werden. Bei diesen führt die sog. Märzklausel unter bestimmten Voraussetzungen dazu, dass die Beiträge dem Vorjahr zugeordnet werden. Die Beiträge zur Sozialversicherung aus der Einmalzahlung werden also so erhoben, als wäre die Einmalzahlung im Vorjahr ausgezahlt worden.
Gesetzlich normiert ist die Märzklausel in § 23a Abs. 4 SGB IV. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist danach dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des Vorjahres zuzuordnen, wenn das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bereits im Vorjahr bestanden hat und das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt zusammen mit dem sonstigen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt die anteilige Beitragsbemessungsgrenze des laufenden Jahres überschreitet. Hintergrund der Regelung ist, dass verhindert werden soll, dass aus Gründen der Beitragsersparnis sämtliche Einmalzahlungen stets am Anfang eines Jahres gezahlt werden.
Die Zuordnung zum Vorjahr wird einheitlich für alle Versicherungszweige vorgenommen. Im Fall eines krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmers ist auf die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung (§ 223 Abs. 3 SGB V) abzustellen. Bei nicht krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern, die jedoch renten- und/oder arbeitslosenversicherungspflichtig sind, ist für die Zuordnung die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung heranzuziehen.
Kommt es durch die Einmalzahlung nicht zu einer Überschreitung der anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenze für das laufende Kalenderjahr, wird die Einmalzahlung nicht dem Vorjahr, sondern dem Auszahlungsmonat zugeordnet.
Beitragsschuldner und Beitragstragung
Bei den Sozialversicherungsbeiträgen ist zwischen dem Beitragsschuldner und demjenigen, der den Beitrag zu tragen hat, zu differenzieren, wobei es hier auch Überschneidungen geben kann. Wer Beitragsträger ist, wird in den jeweiligen Büchern des Sozialgesetzbuches geregelt:
- Gesetzliche Krankenversicherung (§§ 249 ff. SGB V): Bei versicherungspflichtigen Beschäftigen tragen diese und ihre Arbeitgeber die Beiträge jeweils zur Hälfte.
- Gesetzliche Rentenversicherung (§§ 168 ff. SGB VI): Bei gegen Arbeitsentgelt Beschäftigten tragen der Arbeitgeber und der Beschäftigte die Beiträge je zur Hälfte.
- Arbeitslosenversicherung (§§ 346 ff. SGB III): Die Beiträge werden von den versicherungspflichtigen Beschäftigten und den Arbeitgebern je zur Hälfte getragen.
- Pflegeversicherung (§§ 58 ff. SGB XI): Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden die Beiträge zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen.
- Gesetzliche Unfallversicherung (§§ 150 ff. SGB VII): Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen.
Gezahlt werden die Beiträge stets vom Beitragsschuldner. Beitragsschuldner ist bei gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Personen stets der Arbeitgeber. Werden die Beiträge von ihm nicht ordnungsgemäß abgeführt, haftet er hierfür.
Die paritätische Aufteilung der Beitragslast zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gilt nicht uneingeschränkt. Sonderregelungen gibt es z.B. für geringfügig Beschäftigte und Personen im Übergangsbereich. Für geringfügig Beschäftigte findet sich eine Sonderregel beispielsweise in § 249b SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung: Die Beitragspflicht trifft ausschließlich den Arbeitgeber. Liegen die Voraussetzungen des § 249b S. 1 SGB V vor, hat der Arbeitgeber grundsätzlich einen Beitrag in Höhe von 13 % des Arbeitsentgelts zu tragen.
Übergangsbereich
Für Beschäftigte, die ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt zwischen 538,01 Euro und 2.000,00 Euro haben, gilt nach § 20 Abs. 2 SGB IV ein Übergangsbereich. Durch das besondere Beitragsverfahren innerhalb des Übergangsbereichs soll für Arbeitnehmer ein Anreiz zur Aufnahme von Teilzeitbeschäftigungen geschaffen werden, indem die Beitragsbelastung für Arbeitnehmer mit niedrigem Arbeitsentgelt abgesenkt wird.
Die besonderen Berechnungsformeln führen beim Arbeitnehmer zu einer verminderten Beitragsbelastung. Je höher das Entgelt im Übergangsbereich, desto niedriger der Beitragsvorteil. Für die komplexe Beitragsberechnung im Übergangsbereich sind zwei Formeln notwendig.
Voraussetzung für die Anwendung des Übergangsbereichs ist stets, dass der Arbeitnehmer
- in der Beschäftigung versicherungspflichtig ist und
- ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt von insgesamt 538,01 Euro bis 2.000,00 Euro erhält.
Merke
Berechnungsschema:
- Gesamtbeitrag (Formel 1) mit ½ Beitragssatz, kaufmännischer Rundung und Verdoppelung
2. Beitragsanteil Arbeitnehmer (Formel 2) mit ½ Beitragssatz und kaufmännischer Rundung
3. Beitragsanteil Arbeitgeber durch Abzug Arbeitnehmeranteil (2) vom Gesamtbeitrag (1)
Die Berechnung ist aufgrund unterschiedlicher Beitragssätze für jeden einzelnen Sozialversicherungszweig getrennt durchzuführen.
Die Regelung zum Übergangsbereich gilt nicht für Auszubildende, Praktikanten und Teilnehmer an dualen Studiengängen.
Sollte das Arbeitsentgelt ausnahmsweise unterhalb von 538,01 Euro liegen, ist zur Beitragsberechnung der Faktor F notwendig, um das reduzierte beitragspflichtige Entgelt zu bestimmen. Im Jahr 2024 beträgt der Faktor F 0,6846.
Auch wenn die Beiträge von einem verminderten Entgelt berechnet werden, entsteht den Beschäftigten im Übergangsbereich kein Nachteil bei einer späteren Rente. Grund hierfür: Die Entgeltpunkte werden aus dem tatsächlichen (und nicht aus dem beitragspflichtigen) Entgelt berücksichtigt.
Umlagepflichten - Arbeitgeber
Grundsätzliches zur Umlage
Neben dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag und dem Beitrag zur Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse) ist der Arbeitgeber auch zur Beitragszahlung in verschiedene Umlagen verpflichtet. Diese Umlagebeiträge werden nach § 7 Abs. 1 AAG und § 358 Abs. 1 SGB III vom Arbeitgeber allein aufgebracht.
Ein Lernvideo zu den Umlagepflichten sehen Sie hier:
Umlage U1 bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Aus der Umlage U1 wird dem Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten ein Teil des fortgezahlten Arbeitsentgelts erstattet. Im § 1 Abs. 1 AAG ist die Höhe der Erstattung mit 80 % beschrieben. § 9 Abs. 1 AAG regelt, dass die Satzung der Krankenkassen unter anderem die Höhe der Umlagesätze bestimmen muss und gleichzeitig nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG die Erstattungssätze variieren kann. Neben dem fortgezahlten Entgelt laut Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) werden auch die vom Arbeitgeber gezahlten Beiträge zur Arbeitsförderung, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung anteilig erstattet.
Lediglich Arbeitgeber, die regelmäßig nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigen, sind zur Teilnahme verpflichtet. Für den Arbeitgeber ergibt sich hierdurch die Notwendigkeit, seine Umlagepflicht zu Jahresbeginn zu prüfen. Beurteilungsstichtag ist jeweils erster Tag des Kalendermonats. Es besteht Umlagepflicht in der U1, wenn an mindestens acht Monatsersten des Vorjahres nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Auszubildenden und schwerbehinderten Menschen werden unter anderem nicht angerechnet.
Bei der Feststellung der Umlagepflicht U1 werden nach § 1 Abs. 1 AAG i.V.m. § 3 Abs. 1 AAG Teilzeitbeschäftigte nach folgendem Schema berücksichtigt:
- bis 10 Wochenstunden mit 0,25
- bis 20 Wochenstunden mit 0,50
- bis 30 Wochenstunden mit 0,75
- über 30 Wochenstunden mit 1,0
Umlage U2 bei Schwangerschaft und Mutterschaft
Anders als bei der oben beschriebenen Umlage U1 werden bei der Umlage U2 bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach § 1 Abs. 2 AAG der gezahlte Zuschuss zum Mutterschaftsgeld sowie das bei Beschäftigungsverbot fortgezahlte Arbeitsentgelt in vollem Umfang erstattet. Zusätzlich werden auch die gezahlten Beiträge zur Arbeitsförderung, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung anteilig erstattet.
Ein weiterer Unterschied zwischen den Umlagen U1 und U2 ist, dass am Umlageverfahren U2 alle Arbeitgeber teilnehmen müssen. Der § 9 Abs. 1 AAG gibt den Krankenkassen unter anderem die Möglichkeit, die Höhe des Umlagesatzes selbst zu bestimmen.
Insolvenzgeldumlage
Die Mittel zur Zahlung des Insolvenzgeldes werden durch eine entsprechende Umlage aufgebracht. Nach § 358 Abs. 1 SGB III sind alle Arbeitgeber zur Zahlung der Umlage verpflichtet. Die Umlagehöhe wird im § 360 SGB III mit 0,15 % angegeben, tatsächlich ist sie seit dem Jahr 2023 auf 0,06 % des rentenversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts gesenkt worden.
Anders als bei den Umlagen U1 und U2 werden bei der Insolvenzgeldumlage übrigens auch Beiträge aus einmalig gezahltem Arbeitsentgelt berechnet.
Die Unfallversicherung
Neben den vier Sozialversicherungszweigen der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung existiert noch die gesetzliche Unfallversicherung. Die Rechtsgrundlagen hierzu finden Sie im SGB VII. Ihre Aufgaben sind vielfältig und reichen von Prävention über Heilbehandlung, Leistung zur Teilhabe bis hin zur Rentenzahlen an Versicherte oder sogar deren Hinterbliebene.
Organisiert ist die Unfallversicherung in branchenspezifischen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen (z.B. für Schüler).
Der Personenkreis der kraft Gesetzes Versicherten ist wesentlich größer als in den anderen Versicherungszweigen. Daneben ist auch eine freiwillige Mitgliedschaft möglich.
Meldung an die Unfallversicherung
Die Unfallkassen bzw. zuständigen Berufsgenossenschaften benötigen ebenfalls entsprechende Meldungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Als Besonderheit benötigt die Unfallversicherung z.B. die Gefahrenklasse zur Beurteilung der Beitragshöhe
Anders als bei den übrigen Sozialversicherungsträgen wird bei der Unfallversicherung nicht von einer (jährlichen) Beitragsbemessungsgrenze, sondern von einem Höchstjahresarbeitsverdienst gesprochen, der die Beitragspflicht nach oben hin begrenzt.
Dieser beträgt im Jahr 2024 96.000 Euro jährlich bzw. 8.000 Euro monatlich. Die Arbeitsentgelte sind maximal bis zu diesem Betrag an die Unfallversicherung zu melden.
Die Meldetatbestände sind vergleichbar mit denen, die Sie bereits aus dem Teil Meldepflichten des Arbeitgebers kennen. Die Jahresmeldung an die Unfallversicherung (Meldegrund 92) ist inklusive Entgelt bis zum 16.02. des Folgejahres abzugeben.
Beitragspflicht
Der Beitrag zur Unfallversicherung gehört nicht zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Er wird allein vom Arbeitgeber getragen und direkt an den zuständige Unfallversicherungsträger überwiesen.
Über die Beitragshöhe ist keine pauschale Aussage möglich. Rechnerisch ergibt sich der Beitrag aus der Lohnsumme multipliziert mit der jeweiligen Gefahrenklasse der Tätigkeit und der Umlageziffer.