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BGB (Mündliche Prüfung)

Pflichtteil

Nach dem Grundsatz der Testierfreiheit kann der Erblasser durch eine Verfügung von Todes wegen bestimmen, dass ein Ehe- bzw. Lebenspartner oder ein Verwandter von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden soll. Einem bestimmten Kreis von Erben soll allerdings durch das Pflichtteilsrecht eine Mindestbeteiligung am Nachlass zugesichert werden.

Pflichtteilsberechtigte

Einen Anspruch auf den Pflichtteil haben nur die durch eine Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossenen Personen oder gemäß § 2306 Abs. 1 BGB ausnahmsweise per Erbteilausschlagung pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge (§ 2303 Abs. 1 S. 1 BGB), Eltern (§ 2303 Abs. 2 BGB) sowie der Ehegatte (§ 2303 Abs. 2 BGB) bzw. der Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 S. 1 LPartG).

Die Eltern und entferntere Abkömmlinge des Erblassers sind gemäß § 2306 Abs. 1 BGB allerdings nicht pflichtteilsberechtigt, wenn ein Abkömmling des Erblassers pflichtteilsberechtigt ist und somit die Eltern und entferntere Abkömmlinge von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt.

Hinweis

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Das Pflichtteilsrecht kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine pflichtteilsberechtigte Person durch Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde. Dies gilt nicht bei Verzicht oder Erbunwürdigkeit.

Höhe des Pflichtteils

Der Pflichtteil besteht gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils und ist immer auf eine Geldsumme gerichtet. Pflichtteilsberechtigte sind keine Erben und haben somit auch keinen Anspruch auf die Herausgabe bestimmter Gegenstände aus dem Nachlass. Die Pflichtteilsberechtigten haben gegen den bzw. die Erben einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung einer entsprechenden Geldsumme (§ 2317 BGB). Alle Erben haften im Außenverhältnis gegenüber Dritten als Gesamtschuldner.

Der Pflichtteil berechnet sich anhand des Erbanteils, welcher dem der gesetzlichen Erbfolge entspricht. Von dem berechneten Erbanteil steht dem Pflichtteilsberechtigten sodann die Hälfte zu. Der Nachlass, welcher nach Abzug aller Pflichtteile übrigbleibt, steht den durch Verfügung von Todes wegen eingesetzten Erben zu.

Beispiel

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E ist bereits verwitwet und kam zu Lebzeiten noch nie mit seinen Kindern (A, B und C) zurecht. Er möchte nicht, dass diese ihn beerben, und setzt in seinem Testament einen Kinderhospizverein aus seiner Stadt als Erben ein. Andere gesetzliche Erben außer A,B und C bestehen nicht.

Die Kinder werden hier durch das Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.

Ihnen steht allerdings noch ihr Pflichtteil zu.

A, B und C würde im Normalfall jeweils 1/3 am Erbe zustehen.

Der Pflichtteil ergibt sich aus der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also hier jeweils 1/6 jeweils für A, B und C.

Die Addition der Pflichtteile ergibt: 1/6 + 1/6 + 1/6 = ½

Dem Kinderhospizverein verbleibt somit die andere Hälfte des Nachlasses.

Um die genaue Höhe der Forderungen zu bestimmen, benötigt man den Verkehrswert des Nachlasses. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs ergibt sich also aus der Multiplikation der Pflichtteilsquote mit dem Verkehrswert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB).

Beispiel

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Der Nachlass des A besteht aus einem Grundstück (300.000 €), einer Mineraliensammlung (100.000 €), Sparguthaben bei der Bank (400.000 €) und mehreren Autos (200.000 €). 

F als Ehegatte wäre gesetzlicher Erbe zu ½, Sohn S und Tochter T jeweils zu ¼. S wird jedoch ausweislich des Testaments enterbt.

S ist hier somit Pflichtteilsberechtigter und hat einen Anspruch gegen die gesetzlichen Erben in Höhe von 1/8 (Pflichtteil = die Hälfte des gesetzlichen Erbteils) von einer Million Euro (Verkehrswert der Erbschaft), somit also in Höhe von 125.000 €.

Entziehung des Pflichtteils

Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, die abschließend in § 2333 BGB geregelt sind, kann der Erblasser dem Erben auch den Pflichtteil entziehen (§ 2336 BGB).

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Der Erblasser kann zu Lebzeiten mit seinem Vermögen machen, was ihm beliebt. Hierdurch kann es jedoch dazu kommen, dass durch Schenkungen an Dritte Pflichtteilsansprüche ausgehöhlt werden können. Um dies zu unterbinden, regelt § 2325 BGB, dass der Pflichtteilsberechtigte in solchen Fällen vom Erben eine Ergänzung seines Pflichtteils verlangen kann (Pflichtteilsergänzungsanspruch). Er wird hierdurch so gestellt, als wenn das verschenkte Vermögen noch dem Nachlass zugehören würde.

Je länger die Schenkung her ist, umso weniger findet diese in der Berechnung des Ergänzungsanspruchs ihre Berücksichtigung (§ 2325 Abs. 3 BGB). Ist die Schenkung länger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt, wird sie gar nicht mehr berücksichtigt. Die Schenkung wird im ersten Jahr vor dem Erbfall noch mit 9/10, im zweiten mit 8/10, im dritten Jahr mit 7/10 usw. berücksichtigt, bis die Grenze von zehn Jahren erreicht ist. 

Auskunftspflicht der Erben

Damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil beziffern kann, steht ihm gegen die Erben ein Auskunftsanspruch zu (§ 2314 Abs. 1 S. 1 BGB), weil er im Gegensatz zu den Erben in der Regel keinen Überblick über den Bestand des Nachlasses hat.

Die Auskunft über den Nachlass hat umfassend zu erfolgen und muss alle Nachlassgegenstände, Nachlassverbindlichkeiten, Zuwendungen (§ 2325 BGB), Anstandsschenkungen (§ 2330 BGB) sowie alle Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre (§ 2325 BGB) beinhalten. In der Regel werden alle Nachlassgegenstände in einem Verzeichnis erfasst (§ 260 BGB).

Verjährung von Pflichtteilsansprüchen

Pflichtteilsansprüche können innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) verjähren. Die Frist läuft ab Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Erbfall und der Verfügung von Todes wegen, die ihn in seiner Erbenstellung beeinträchtigt, und beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem diese Umstände bekannt werden oder dem Pflichtteilsberechtigten ohne grobe Fahrlässigkeit hätten bekannt werden können. Hat der Pflichtteilsberechtigte hiervon jedoch keine Kenntnis, so verjährt der Anspruch spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall (§ 199 Abs. 3a BGB).

Für Pflichtteilsergänzungsansprüche gelten diese Regelungen ebenfalls. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist jedoch auch die Kenntnis der beeinträchtigenden Schenkung. In den Fällen, in denen nicht der Erbe, sondern der Beschenkte selbst haftet, gilt gem. § 2332 Abs. 1 BGB eine dreijährige Verjährungsfrist. Diese beginnt Tag genau mit dem Erbfall.