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Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb, § 35 EStG
Die Gewerbesteuer wird in der Einkommensteuer pauschal angerechnet. Die Anrechnung beläuft sich auf das 4-fache des Gewerbesteuermessbetrages, maximal jedoch auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer. Sie ist auf die anteilig im zu versteuernden Einkommen enthaltenen gewerblichen Einkünfte beschränkt.
Allgemeines
Die Gewerbesteuer einschließlich Nebenleistungen ist eine betriebliche Steuer, die den steuerlichen Gewinn nicht mindern darf (§ 4 Abs. 5b EStG). Mit der Unternehmenssteuerreform 2000 wurde ab dem Veranlagungszeitraum 2001 die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer in Gestalt einer Steuerbetragsermäßigung nach § 35 EStG eingeführt. Hiernach dürfen Unternehmer die Gewerbesteuer von ihrer Einkommensteuerschuld abziehen.
Zentrales Ziel der Vorschrift ist die Gleichbehandlung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften im Vergleich zu Kapitalgesellschaften, da bei diesen die Einkünfte nur mit 15% Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer belastet sind, während bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften die Einkünfte grundsätzlich mit dem persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen belastet sind, der eine Grenzbelastung von bis zu 45% erreichen kann.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2020 beträgt die Ermäßigung bei der Einkommensteuer das 4-fache des Gewerbesteuermessbetrags (§ 35 Satz 1 EStG). Die Ermäßigung darf aber nicht höher sein als die tatsächliche zu zahlende Gewerbesteuer (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG).
Expertentipp
Mit Beispielen und diversen Ausführungen regelt das BMF-Schreiben vom 03.11.2016 unter Berücksichtigung der Änderungen durch BMF vom 17.04.2019 viele Einzelfragen zu dieser Steuerermäßigung.
Anrechnung der Gewerbesteuer
Ausgangsgröße für die Steuerermäßigung nach § 35 EStG ist die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die anzurechnenden ausländischen Steuern nach § 32d Absatz 6 EStG, § 34c Absatz 1 und 6 EStG und § 12 AStG (tarifliche Einkommensteuer i. S. d. § 35 Absatz 1 Satz 1 EStG). Die Steuerermäßigungen nach § 34f EStG, § 34g EStG sowie nach § 35a EStG sind erst nach Abzug der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu berücksichtigen.
Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags
Die Gewerbesteuer ist eine nichtabzugsfähige Betriebsausgabe und darf nach § 4 Abs. 5b EStG nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden. Als Ausgleich wird die Gewerbesteuer bei einer natürlichen Person bzw. einer Beteiligung an einer Personengesellschaft durch eine natürliche Person nach § 35 EStG pauschalisiert auf die Einkommensteuer angerechnet.
- Die tarifliche Einkommensteuer wird dabei, soweit sie anteilig auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb entfällt, um das 4-fache des für das Unternehmen festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags gemindert. Bei Mitunternehmerschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG oder als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien um das 4-fache des anteilig zuzurechnenden Gewerbesteuermessbetrags.
- Eine zweite Begrenzung ergibt sich durch den Ermäßigungshöchstbetrag, der eine Beschränkung auf die im zu versteuernden Einkommen positiven gewerblichen Einkünfte vorsieht. Es wird hierfür die Summe aller positiven gewerblichen Einkünfte durch die Summe der positiven Einkünfte geteilt und mit der ermäßigten Steuer nach § 35 Abs. 1 S. 4 EStG multipliziert. Unter die positiven gewerblichen Einkünfte fallen die Einkünfte im Sinne des § 15 EStG. Die Einkünfte im Sinne der §§ 16, 17 EStG fallen nicht hierunter. Es darf hierbei für alle Einkünfte nur ein horizontaler Verlustausgleich berücksichtigt werden. Der vertikale Verlustausgleich darf nicht berücksichtigt werden.
- Die Anrechnung ist jedoch auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt.
Beispiel
Hans Rudert verkauft darüber hinaus eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, was zu Einkünften in Höhe von - 50.000 € führt. Herr Hans Rudert ist außerdem in geringerem Umfang als beratender Volkswirt tätig und erhält hieraus Einkünfte im Sinne des § 18 EStG. Im Jahr 01 hat er einen Verlust in Höhe von - 40.000 € erzielt. Aus dem Verkauf eines Grundstücks erzielt er Einkünfte im Sinne des § 23 EStG in Höhe von 200.000 €.
Die tarifliche Einkommensteuer beträgt 54.036,00 €. Der Hebesatz in der Gemeinde A beträgt 422 %. Für die Gemeinde B des Holzhandelsbetriebs beträgt er 500 %. Die Summe seiner positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb beträgt 70.000 €. Die Summe seiner positiven Einkünfte beträgt 270.000 €. Der Anteil der Einkommensteuer, der auf die gewerblichen Einkünfte entfällt, ist somit: 70.000 € / 270.000,00 € * 54.036,00 € = 14.010,00 €. Es kann auch nur auf diesen Teil der Einkommensteuer die entsprechende Anrechnung der Gewerbesteuer erfolgen.
Die Gewerbesteuer beträgt bei einem Gewerbeertrag von 70.000 EUR:
(70.000 € × 3,5 % mal 422 % =) 10.339 €.
Der anteilige Gewerbesteuermessbetrag beträgt (70.000 € x 3,5 %=) 2.450 €. Es kann somit nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG die Gewerbesteuer in Höhe von 2.450 € × 4 angerechnet werden. Die Anrechnung kann also bis zu einem Betrag von 9.800 € erfolgen.
Anrechnungsüberhang
Wenn durch den Höchstbetrag keine volle Anrechnung erfolgt, entsteht ein sogenannter Anrechnungsüberhang. Anrechnungsüberhänge verfallen ungenutzt und können weder vor- noch zurückgetragen oder in einer anderen Art und Weise genutzt werden.
Bertriebsbezogene Ermittlung von Ermäßigungsbeträgen
Hinweis
Mit dem BMF-Schreiben vom 3.11.2016 (IV C 6 – S 2296-a/08/10002-003, BStBl. I 2016, 1187) sind Anwendungsfragen im Zusammenhang mit der Einkommensteuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb geregelt worden. Mit einem ergänzenden BMF-Schreiben vom 17.04.2019 wurden die bestehenden Regelungen zum Teil angepasst und um Klarstellungen zur betriebsbezogenen Ermittlung von Ermäßigungsbeträgen ergänzt.
Die nachfolgenden Ausführungen und das Beispiel sind an das BMF-Schreiben vom 17.04.2019 angelehnt.
Für den Fall, dass dem Steuerpflichtigen als Einzelunternehmer oder Mitunternehmer aus mehreren Gewerbebetrieben oder Mitunternehmerschaften gewerbliche Einkünfte zuzurechnen sind, sieht Rn. 9 des BMF-Schreibens vor, dass die jeweiligen Gewerbesteuermessbeträge jeweils für jeden Gewerbebetrieb bzw. für jede Mitunternehmerschaft getrennt zu ermitteln, mit dem Faktor 4,0 zu vervielfältigen und auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer zu begrenzen sind. Zu dieser sog. betriebsbezogenen Ermittlung wird ein Verweis auf das BFH-Urteil vom 20.3.2017 (X R 62/14) ergänzt.
Methode
Schauen Sie sich die nachfolgende Aufgabe genau an um die Systematik der Anrechung zu verstehen.
Beispiel
Herr Meyer (M) ist zu 70 % an der Beyer und Paulus GmbH & Co (KG I) beteiligt, die wiederum zu 50 % an der Harms und Reitmeyer GmbH & Co KG (KG II) beteiligt ist. Die KG II erzielt einen Gewinn von 100.000 €. Für die KG II wird unter Berücksichtigung von §§ 8 und 9 GewStG ein Gewerbesteuermessbetrag von 1.000 € festgestellt. Die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer der KG II beträgt 3.600 €.
Der KG I werden aus der Beteiligung an der KG II Einkünfte von 50.000 € zugewiesen. Die KG I erzielt aus dem eigenen operativen Geschäft einen Gewinn von 120.000 €. Unter Berücksichtigung von §§ 8 und 9 GewStG wird ein Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 2.000 € festgestellt. Dies führt zu einer zu zahlenden Gewerbesteuer von 7.000 €.
Aufgabe: Ermitteln Sie die Höhe der anzurechnenden Gewerbesteuer bei M.
Lösungsvorschlag
Der auf M entfallende Gewerbesteuermessbetrag beträgt 1.750 € (70 % von (2.000 € + 500 €)) und die auf M entfallende tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer 6.160 € (70 % von (7.000 € + 1.800 €)).
Bei M ist eine Steuerermäßigung nach § 35 EStG in Höhe des 4-fachen des auf ihn entfallenden anteiligen Gewerbesteuermessbetrags von 1.750 € (= 7.000 €), höchstens der Ermäßigungs-höchstbetrag nach § 35 Absatz 1 Satz 2 EStG und begrenzt auf die auf ihn entfallende anteilige tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG (6.160 € lt. unten stehender Berechnung) zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags für A sind positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 119.000 € (70 % von 120.000 EUR + 50.000 EUR) anzusetzen.
Die Begrenzung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer berechnet sich betriebsbezogen wie folgt:
KG II
Auf die KG I entfallender Anteil am Gewerbesteuermessbetrag: 500 € (50 % von 1.000 €) auf die KG I entfallende tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer: 1.800 € (50 % von 3.600 €) 500 € x 4 = 2.000 € > 1.800 €, d. h., die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer ist geringer als das 4-fache des Gewerbesteuermessbetrags.
Der für die KG II betriebsbezogen ermittelte nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG begrenzte Steuerermäßigungsbetrag der KG I beträgt 1.800 €. Dieser nach § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG begrenzte Steuerermäßigungsbetrag ist dem für die KG I zuständigen Finanzamt nachrichtlich mitzuteilen.
Das für die KG I zuständige Finanzamt hat ferner dem für den M zuständigen Finanzamt den auf M entfallenden Teil des Steuerermäßigungsbetrags aus der KG II mitzuteilen (70 % von 1.800 € = 1.260 €).
KG I
Auf M entfallender Anteil am Gewerbesteuermessbetrag: 1.400 € (70 % von 2.000 €) auf M entfallende tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer: 4.900 € (70 % von 7.000 €) 1.400 € x 4 = 5.600 € > 4.900 €, d. h., das 4-fache des Gewerbesteuermessbetrags übersteigt die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer Der für die KG I betriebsbezogen ermittelte Steuerermäßigungsbetrag des A beträgt 4.900 €.
Einkommensteuer des A
Der Ermäßigungsbetrag nach § 35 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG beträgt 7.000 € (das 4- fache des festgestellten anteiligen Gewerbesteuermessbetrags von 1.750 €).
Für Zwecke der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags nach § 35 Absatz 1 Satz 2 EStG sind für Meyer positive gewerbliche Einkünfte in Höhe von 119.000 € anzusetzen. Der Steuerermäßigungsbetrag ist auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Absatz 1 Satz 5 EStG). Die Beschränkung ist betriebsbezogen zu ermitteln (vgl. Rn. 9) und führt zu einer Begrenzung auf 6.160 € (4.900 € + 1.260 €).
Zusammenvernalagung und die Gewerbesteuer
Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind die positiven Einkünfte getrennt zu ermitteln. Die positiven Einkünfte des Ehegatten A dürfen nicht mit den negativen Einkünften des anderen Ehegatten verrechnet werden (BMF v. 3.11.2016, BStBl 2016 I, S. 1187). Die Ehegatten werden für die Berechnung des Höchstbetrags jedoch wie eine Person behandelt (vgl. § 26b EStG).
Beispiel
Herr Anton Meier und Frau Gertrude Meier sind seit vielen Jahren verheiratet. Im Jahr 01 erzielen sie folgende Einkünfte: Anton Meier aus Gewerbebetrieb 120.000 € und Frau Gertrude Meier -70.000 €. Herr Anton Meier erzielt daneben aus seiner Tätigkeit als Schriftsteller Einkünfte im Sinne des § 18 EStG in Höhe von 60.000 €.
Die Summe der positiven gewerblichen Einkünfte beträgt 120.000 € und die Summe der positiven Einkünfte beträgt 180.000 €. Die Verluste der Ehegatten werden nicht verrechnet.
Unmöglichkeit einer Anrechnung
Die Anrechnung der Gewerbesteuer setzt voraus, dass eine Einkommensteuer > 0 EUR festgesetzt worden ist. Für Fälle, in denen aufgrund hoher gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen Gewerbesteuer, aber keine Einkommensteuer entsteht, ist die Unmöglichkeit einer fehlenden Anrechnung durch die Gerichte als rechtmäßig bestätigt worden (BFH v. 11.11.2008, BFH/NV 2009, S. 379, Niedersächsisches FG Urteil v. 25.8.2006, EFG 2007, S. 592).
Beispielsfall
Wir betrachten nun ein Video mit einem Beispielsfall zu § 35 EStG.