Die fiktive oder antragsgebundene unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG wird in ihrer Wirkung beschränkt auf die Besteuerung der inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 EStG. Es findet somit keine Besteuerung der Welteinkünfte statt.
Die fiktive Steuerpflicht kann von natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, beantragt werden. Nach §1 Abs. 3 EStG werden die Steuerpflichtigen als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige behandelt, wenn sie inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG beziehen. Der Antrag kann gestellt werden, wenn die Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90% der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen.
Expertentipp
Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG
- Antrag,
- Einkünfte im Kalenderjahr unterliegen zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer oder
- die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte übersteigen nicht den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, (im VZ 2023: 10.908 Euro),
- Die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte wird durch eine Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen.
Rechtsfolge:
Liegen die o.g. Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG in der Person des Steuerpflichtigen vor, wird dieser auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt.
Beispiel
Der Arbeitnehmer Luuk van Dijk, der seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat, erzielt ausschließlich Einkünfte in Deutschland im Sinne des § 49 Abs.1 Nr.4 EStG (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit), die der deutschen Einkommensteuer unterliegen.Er hat auch im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, weil er im Inland lediglich seine Tätigkeit als Steuerfachangestellter ausübt. Luuk legt seinem Arbeitgeber eine Bescheinigung über die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte vor. Luuk hat unstrittig Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 4.900 EUR.
Lösung: Luuk hat weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sodass er nicht nach § 1 Abs. 1 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Da auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht erfüllt sind, ist er - ohne Antrag - beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG).
Auf Antrag ist er als unbeschränkt Steuerpflichtiger zu behandeln (§ 1 Abs. 3 EStG). Als unbeschränkt Steuerpflichtiger kann Jost die steuerliche Begünstigung der Vorsorgeaufwendungen in Anspruch nehmen.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG, sind inländische Einkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, in die inländische Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen. Nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte unberücksichtigt, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.
Für EU- und EWR-Bürger räumt die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1a Abs. 1 EStG weitergehende Möglichkeiten im Zusammenhang mit im EU- oder EWR-Ausland lebenden Angehörigen ein. Neben der EU/EWR-Staatsangehörigkeit muss der Steuerpflichtige in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein oder zur unbeschränkten Steuerpflicht optiert haben. Die Möglichkeiten beinhalten beispielsweise die Anwendung des Realsplittings für Unterhaltsleistungen, den Abzug von Renten und dauernden Lasten oder die Zusammenveranlagung.
Hinweis
In dem folgenden Video wird unter anderem anhand eines Fallbeispiels die Vorgehensweise bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht erklärt. Bei der Prüfung des Grundfreibetrags wird dabei ein Betrag von 9.400 EUR angenommen. Obwohl der Grundfreibetrag im Jahr 2023 tatsächlich 10.908 EUR beträgt, haben wir uns dazu entschieden, das Video zu zeigen. Dies liegt daran, dass die zugrundeliegende Systematik gleich geblieben ist und die Höhe des Grundfreibetrags für die Lösung des Fallbeispiels keine Änderungen nach sich zieht.