Maßgebend für die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt im Inland.
Personenkreis
Nach dem Einkommensteuergesetz sind nur natürliche Personen, die in Deutschland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. In diesem Fall müssen sämtliche in- und ausländischen Einkünfte in Deutschland versteuert werden.
Allerdings gibt es Ausnahmen, zum Beispiel durch Doppelbesteuerungsabkommen, die dafür sorgen sollen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.
Die Steuerpflicht beginnt in der Regel mit der Geburt und endet mit dem Tod. Wenn eine Person das Inland verlässt und ihre maßgeblichen persönlichen Beziehungen zum Inland abbricht, endet die unbeschränkte Steuerpflicht ebenfalls. Das kann z. B. der Fall sein, wenn eine Person dauerhaft ins Ausland zieht und dort einen Wohnsitz begründet.
Inland
Eine genaue Definition des Begriffs „Inland” enthält das EStG nicht. Unter Inland ist dabei das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Erweiterung nach § 1 Abs. 1 S. 2 EStG zu verstehen. Die Erweiterung umfasst dabei insbesondere Aktivitäten in Bezug auf Bohrinseln und andere küstennahe Aktivitäten.
Wohnsitz, § 8 AO
Unter Wohnsitz nach § 8 AO ist jeder Ort zu verstehen, wo jemand eine Wohnung innehat und wo man davon ausgehen muss, dass er diese auch zu Wohnzwecken benutzt. Es kommt somit nicht auf den Willen des Steuerpflichtigen, sondern auf die tatsächlichen objektiven Umstände an. Ein Steuerpflichtiger kann nach § 8 AO auch mehrere Wohnsitze zur gleichen Zeit innehaben. Für die Besteuerung reicht ein inländischer Wohnsitz aus.
Beispiel
Der deutsche Staatsangehörige Olaf Meyer hat in Leer (Ostfr.) und in Amsterdam je einen Wohnsitz. Er erzielt sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden Einkünfte.
Lösung: Olaf ist nach § 1 Abs. 1 EStG im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil er als natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat. Der weitere Wohnsitz in den Niederlanden ist für das EStG ohne Bedeutung.
Gewöhnlicher Aufenthalt, § 9 AO
Der gewöhnliche Aufenthalt nach § 9 AO ist dort, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Die Person muss sich also physisch in dem Gebiet aufhalten und ihr Aufenthalt muss längerfristig sein. Für einen kurzfristigen Aufenthalt sprechen typische Zwecke wie Besuche, Kuren, Erholungsurlaube, Geschäftsreisen etc. Wenn sich jemand mit Ausnahme von kurzen Unterbrechungen mehr als 6 Monate im Inland aufhält, dann ist gemäß § 9 S. 2 AO von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen. Allerdings gilt dies nach Satz 3 der Vorschrift dann nicht, wenn es sich um private Zwecke handelt (z.B. Kur) und der Aufenthalt nicht länger als 12 Monate dauert (vgl. auch AEAO zu § 9 AO).
Beispiel
Ein ukrainischer Arbeiter reist in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne einen Wohnsitz im Inland zu begründen. Die entsprechenden Voraussetzungen (Arbeitsgenehmigung usw.) sind für für ein Jahr vorhanden. Während seines Aufenthalts in Deutschland besucht er zweimal – jeweils für zwei bzw. drei Wochen – seine Familie in der Ukraine.
Lösung: Der Arbeiter ist von Beginn der Einreise unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil sein Aufenthalt im Inland mehr als 6 Monate dauert. Die Familienheimfahrten bleiben als kurzfristige Unterbrechung unberücksichtigt. Er ist unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil er als natürliche Person im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Expertentipp
Prüfung der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 EStG)
- natürliche Personen
- mit Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO)
- im Inland (§ 1 Abs. 1 S. 2 EStG)
Rechtsfolge:
- sämtliche Einkünfte aus In-/Ausland unterliegen der ESt
- Besteuerung des Welteinkommens
Besteuerung des Welteinkommens
Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte, die eine Person in Deutschland und im Ausland erzielt. Da diese Einkünfte oft auch im Ausland der Besteuerung unterliegen, kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen. Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den betroffenen Staaten sollen diese Doppelbesteuerung verhindern.
Die Doppelbesteuerungsabkommen beschränken wechselseitig die Besteuerungsrechte der vertragschließenden Staaten. Das bedeutet, dass die Einkünfte, die von dem Abkommen erfasst werden, entweder im Inland oder im Ausland steuerfrei gestellt werden oder aber die in dem anderen Staat gezahlte Steuer auf die inländische Steuer angerechnet wird. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass eine Person für dieselben Einkünfte sowohl im Inland als auch im Ausland Steuern zahlen muss.
In Deutschland erfolgt die Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuer auf die deutsche Steuer nach § 34c Einkommensteuergesetz. Die Anrechnung ist allerdings auf den in Deutschland anfallenden Steuerbetrag beschränkt.