Inhaltsverzeichnis
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 16 EStG
- Anwendung des § 16 EStG
- Tatbestandsvoraussetzung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG
- Wesentliche Betriebsgrundlagen i.S.d. § 16 EStG
- Zurückbehaltene Wirtschaftsgüter
- Zurückbehaltende Wirtschaftsgüter
- Veräußerung gegen Entgelt
- Teilentgeltliche Betriebsveräußerung
- Übertragungszeitpunkt
- Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums
- Übertragung auf einen Erwerber
- Aufgabe der bisherigen Tätigkeit
- Veräußerung eines Teilbetriebs
- Teilbetriebsfiktion mit Beispielen
- Schlussbilanz
- Veräußerungsgewinn
- Ermittlung des Veräußerungsgewinns und Aufgabegewinns
- Ermittlung des Veräußerungsgewinns und Aufgabegewinns Teil 2
- Abgrenzung vom Veräußerungsgewinn bzw. Aufgabengewinn zum laufenden Gewinn.
- Abgrenzung vom Veräußerungsgewinn bzw. Aufgabengewinn zum laufenden Gewinn
- Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG
- Veräußerungs- und Aufgabegewinns und die Berücksichtigung des Freibetrags
- Betriebsaufgabe
- Betriebsverlegung
- Betriebsunterbrechung
- Beurteilungswandel
- Betriebsaufgabe und Entstrickung
- Betriebsverpachtung
Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 16 EStG
Die Veräußerung eines Betriebs nach §16 EStG zählt zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die daraus resultierenden Veräußerungsgewinne müssen versteuert werden.
§ 16 EStG regelt die steuerlichen Folgen der Veräußerung und Aufgabe eines Gewerbebetriebs und ist von zentraler Bedeutung für die Besteuerung von Betriebsverkäufen und Betriebsaufgaben. Die Vorschrift umfasst verschiedene Fallkonstellationen, darunter die Veräußerung eines gesamten Betriebs, eines Teilbetriebs sowie von Mitunternehmeranteilen. Durch die Anwendung des § 16 EStG können steuerliche Vorteile, wie der ermäßigte Steuersatz und persönliche Freibeträge, geltend gemacht werden, die den Veräußerungs- oder Aufgabegewinn mindern.
Ein wesentlicher Aspekt des § 16 EStG ist die genaue Abgrenzung der Tatbestandsmerkmale und die Einordnung, wann eine Veräußerung oder Aufgabe tatsächlich vorliegt. Diese Einordnung erfordert detaillierte Kenntnisse über die Definition und Abgrenzung von Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen und die steuerliche Behandlung der verschiedenen Veräußerungsvorgänge. Der § 16 EStG ist daher nicht nur für Unternehmer und Steuerpflichtige, die ihren Betrieb aufgeben oder veräußern möchten, von Interesse, sondern auch ein wichtiges Thema in steuerrechtlichen Prüfungen.
Anwendung des § 16 EStG
Eine Einführung zum § 16 EStG gibt es im folgenden Lernvideo:
§ 16 EStG regelt die Besonderheiten bei der Veräußerung oder Aufgabe von sogenannten "betrieblichen Sachgesamtheiten". Insbesondere die Veräußerung und die Aufgabe von Betrieben und Mitunternehmeranteilen im Zusammenhang mit gewerblichen Einkünften sind von dieser Vorschrift erfasst.
Steuerlich ist eine spezielle Vorschrift für diese Vorgänge nicht erforderlich. Die Erfassung von stillen Reserven bei Veräußerungsvorgängen sind bereits nach den allgemeinen Grundsätzen (der "Reinvermögenszuwachstheorie") innerhalb der Gewinneinkunftsarten zu erfassen.
§ 16 EStG dient daher nicht der Festlegung einer Steuerbarkeit dieser Einkünfte, sondern ihrer Abgrenzung innerhalb der Einkünfte gem. § 15 EStG zu den „laufenden Einkünften“ und damit der Beschränkung der Begünstigungswirkung.
Die „geballte Aufdeckung“ von stillen Reserven führt zu einer höheren Steuerbelastung. Die Regelungen des § 16 EStG sollen die hierdurch entstehende Progressionswirkung abmildern, in dem die Veräußerungsgewinne, gegenüber laufend niedrigeren Einkünften, insbesondere durch Verbindung zum besonderen Steuertarif nach § 34 EStG – erfasst und versteuert werden. Hiermit sollen auch Altersvorsorgeüberlegungen, da der Aufbau unternehmerischen Betriebsvermögens oftmals einen wesentlichen Teil der Altersvorsorge der betreffenden Personen darstellt (insb. durch Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG), steuerlich erfasst werden.
Grundsätzlich gilt § 16 EStG nur für die Veräußerung oder Aufgabe gewerblicher Betriebe oder Teilbetriebe. Die Anwendung dieser Norm führt grundsätzlich zu gewerblichen Einkünften (§ 16 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Die Regelungen des § 16 EStG sind auch auf weitere Gewinneinkunftsarten entsprechend anzuwenden:
- Für Betriebe oder Teilbetriebe der Land- und Forstwirtschaft über § 14 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG.
- Für Betriebe oder Teilbetriebe aus selbständiger Arbeit über § 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG.
Die Veräußerung oder Aufgabe einer solchen betrieblichen Einheit führt somit zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft bzw. aus selbständiger Arbeit.
Hinweis
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf § 16 EStG und damit dem gewerblichen Bereich. Den weiterreichenden Anwendungsbereich sollten Sie jedoch stets im Blick behalten. Denken Sie insbesondere bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit an die Systematik des § 16 EStG und dessen Anwendung.
Tatbestandsvoraussetzung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG
Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG) liegt vor, wenn
- alle wesentlichen Betriebsgrundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit,
- in einem einheitlichen Akt entgeltlich oder teilentgeltlich (bei Unentgeltlichkeit: § 6 Abs. 3 EStG = zwingende
Buchwertfortführung unabhängig vom Empfänger der betrieblichen Sachgesamtheit), - an einen Erwerber veräußert werden mit der Folge,
- dass dieser Erwerber die betriebliche Sachgesamtheit (unverändert) fortführen kann und der
- bisherige Betriebsinhaber seine gewerbliche Tätigkeit in dem bisher geführten Betrieb einstellt.
Bei der Prüfung des Punktes 4, kommt es nicht darauf an, ob der Erwerber den geschäftlichen Organismus als solchen fortführt, stilllegt oder ihn als einen unselbstständigen Teil in seinen bisherigen Betrieb einfügt. Diese Voraussetzung gilt insgesamt für die Veräußerung eines ganzen Teilbetriebs entsprechend.
Expertentipp
Prüfen Sie bei einer Klausur die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung gründlich!
Subsumieren Sie alle Voraussetzungen ordentlich. Hierdurch erzielen Sie auch in schwierigeren Fällen das richtige Ergebnis. Um die Voraussetzungen gut einzuprägen, kann man R 16 Abs. 1 ESTR und H 16 Abs. 1 (Aufgabe der bisherigen Tätigkeit 1. Spiegelstrich) ESTH als Hilfestellung nutzen, die die relevanten Voraussetzungen enthalten. Durch entsprechende Markierungen können Sie in einer Klausur sicher agieren und auch die sogenannte Fußgängerpunkte mitnehmen.
Wesentliche Betriebsgrundlagen i.S.d. § 16 EStG
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG sieht vor, dass der gesamte Betrieb entgeltlich übertragen werden muss.
Wesentliche Betriebsgrundlagen i.S.d. § 16 EStG
Für den Begriff des gesamten Betriebes kommt es dabei auf die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an. Unter die wesentlichen Betriebsgrundlagen fallen in der Regel das Anlagevermögen inklusive der immateriellen Wirtschaftsgüter, Fertigungstechniken etc. Das Umlaufvermögen zählt hingegen nicht unbedingt zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (BFH, vgl. Urteil vom 29.10.1992, BFH/NV, S. 233). Die Beurteilung der wesentlichen Betriebsgrundlage ist in der Praxis nicht immer einfach, da es in der Rechtsprechung zwei Beurteilungskriterien gibt:
- Funktionalität
- Quantität
Das quantitative Kriterium geht dabei auf die stillen Reserven ein, während das funktionale Beurteilungskriterium die Abgrenzung anhand des Beitrags zur Funktionsfähigkeit des Betriebes vornimmt.
Der Erwerber muss den Betrieb nach der Übertragung weiterführen können. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass er dies auch tatsächlich macht (vgl. R 16 Abs. 1 S. 2 EStR). Der Veräußerer muss seine bisherige unternehmerische Tätigkeit im Kontext des Betriebes aufgeben.
Beispiel
Der Rechtsanwalt Hermann Müller betreibt seine Praxis in Heidelberg. Er veräußert diese zum 31.12.01 an den Rechtsanwalt Dr. Huber. Hermann Müller arbeitet noch für 2 Stunden in der Woche in der Kanzlei, um für bestimmte Fragen bei Altfällen zur Verfügung zu stehen. Hermann Müller behält weiter zwei Mandanten zurück, die in den letzten drei Jahren circa 13 % Umsatzes ausgemacht haben, da die Mandanten ebenfalls im fortgeschrittenen Alter sind und sich nicht von einem Jungspund beraten lassen wollen.
Frage: Gelten bei Hermann Müller die Regelungen des § 18 Abs. 3 S. 1 und S. 2 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG?
Zweifelhaft ist die Frage, ob der Rechtsanwalt hier seine bisherige Tätigkeit aufgibt. Grundsätzlich muss er seine eigene oder freiberufliche Tätigkeit im Kontext des Betriebes aufgeben. Die Anstellung beim neuen Betriebsinhaber ist hingegen unschädlich, da er sie nicht selbständig ausführt, sondern als weisungsgebundener Angestellter.Aus quantitativer Sicht könnte jedoch die Betreuung der eigenen Mandanten mit einem Anteil von mehr als 10 % der Umsätze der letzten drei Jahre schädlich sein. Laut der Rechtsprechung des BFH ist eine Rückbehaltung bei Mandanten, die in den letzten drei Jahren weniger als 10% der Umsätze generiert haben, unschädlich (vgl. BFH-Urteil vom 7.11.1991 (IV R 14/90) BStBl. 1992 II, S. 457). Da hier jedoch ein deutlich höherer Teil zurückbehalten wird, kann nicht von einer Aufgabe des Betriebes ausgegangen werden.
Aufgrund der Höhe stellt sich auch die Frage, ob der gesamte Betrieb veräußert wird. Aufgrund der Rechtsprechung des BFH zur 10 % Grenze kann nicht von einer Aufgabe des gesamten Betriebes ausgegangen werden.
Eine Anwendung des § 18 Abs. 3 S. 1, 2 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG scheidet insoweit aus.
Urteile für die Beurteilung nach quantitativen Aspekten sind bisher nur für den Bereich der freiberuflichen Einkünfte ergangen. Für die originäre Anwendung des § 16 EStG im gewerblichen Bereich gibt es bisher keine entsprechenden Urteile. Der oben genannte Fall wäre damit bei einem gewerblichen Unternehmensberater wohl immer schädlich, unabhängig davon, ob die Mandanten die 10% Grenze unter- oder überschreiten. Der Veräußerer kann unschädlicherweise also nur einen Gewerbebetrieb mit einem anderen Betätigungsfeld in einem anderen Umfeld eröffnen. Die Zielgruppe der Kunden sollte sich insoweit auch unterscheiden.
Beispiel
Der unschädliche Wechsel
Hanjo Müller hatte bisher einen Betrieb mit Dienstleistungen rund um das Haus und den Hof. Er hat unter anderem Gartengestaltung, Pflasterarbeiten, Zaunmontagen etc. durchgeführt. Hanjo ist das Geschäft jedoch körperlich zu anstrengend geworden und er verkauft es an Patrick Malocher. Hanjo eröffnet nun in der gleichen Gemeinde einen Laden zur Reparatur und zum Verkauf von Computern und Fernsehgeräten etc. Gibt es negative Auswirkungen hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG?
Nein, da Hanjo Müller seine bisherige Tätigkeit in keiner Form fortsetzt und nun einen anderen Wirkungskreis hat. Er betreibt einen andersartigen Gewerbebetrieb (vgl. BFH 11.03.1982, BStBl II 1982, S. 707).
Hinweis
Ihre Alarmglocken sollten immer läuten, wenn Sie lesen, dass die Tätigkeit mit zulässigerweise zurückgehaltenem Betriebsvermögen fortgesetzt wird. (vgl. BFH vom 09.10.1996, BStBl II 1997, S. 236)
Weitere und vertiefende Informationen zu diesem Thema finden Sie darüber hinaus im vertiefenden Kapitel zum Thema Wesentliche Betriebsgrundlagen.
Zurückbehaltene Wirtschaftsgüter
Eine Voraussetzung für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist die Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Wirtschaftsgüter, die keine wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen, zurückgehalten werden können und nicht mitveräußert werden müssen.
Zurückbehaltende Wirtschaftsgüter
Die steuerlichen Folgen hängen dann von der jeweiligen Art des Wirtschaftsgutes ab:
- Wirtschaftsgüter, die nur betrieblich verwertet werden können, bleiben Betriebsvermögen, obwohl kein Betrieb mehr vorliegt. Eine Veräußerung der Wirtschaftsgüter führt zu Einkünften nach § 24 Nr. 2 EStG
- Wirtschaftsgüter, die sowohl privat als auch betrieblich genutzt werden können, können zum gemeinen Wert in das Privatvermögen überführt werden
- Unbestrittene Forderungen können zum gemeinen Wert in das Privatvermögen überführt werden, während bestrittene Forderungen immer Betriebsvermögen bleiben (vgl. BFH v. 10.02.1994, BStBl II 1994, S. 564)
- Nicht übernommene Verbindlichkeiten bleiben Betriebsvermögen. (vgl. H 4.2 Abs. 15 EStH "Betriebsaufgabe oder -veräußerung im Ganzen")
Wirtschaftsgüter, die in das Privatvermögen überführt werden, sind gemäß 16 Abs. 3 S. 7 EStG mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Die Überführung sollte in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung stehen.
Beispiel
Udo Meier hat einen Fahrradladen, den er zum 31.12.01 an Fridolin Dreirad für 250.000 € verkauft. Das steuerliche Eigenkapital beträgt 200.000 €. Zum Betriebsvermögen gehört eine bestrittene Forderung in Höhe von 300 €. Die Forderung geht auf Wunsch von Udo Meier nicht über, da sie gegenüber eines Freundes seines verstorbenen Vaters besteht.
Die Forderung bleibt bei Udo Meier im Betriebsvermögen bestehen. Wenn die Forderung ihm später durch ein Urteil zugesprochen wird, stellen die Erträge entsprechend Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 24 Nr. 2 EStG dar.
Veräußerung gegen Entgelt
Eine Betriebsveräußerung kann entgeltlich, teilentgeltlich oder unentgeltlich erfolgen.
Vertiefung
Rente oder Ratenzahlung als Entgelt
Bitte beachten Sie, dass als Entgelt auch Renten oder Ratenzahlungen in Frage kommen.
Bei der Veräußerung eines Unternehmens gegen festes Entgelt und gegen eine Rentenzahlung, besteht ein Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung. Voraussetzung für das Wahlrecht: Es muss im Vertrag eindeutig zum Ausdruck kommt, dass der Veräußerer sich eine Versorgung verschaffen will (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.08.2005, Aktenzeichen: 15 K 2016/03 E).
Wird der Kaufpreis für das Unternehmen durch eine Ratenzahlung beglichen, dann ist der Kaufpreis im Zeitpunkt der Veräußerung und nicht erst bei Erhalt der Ratenzahlung steuerpflichtig. Dies gilt insofern keine Leibrente vereinbart worden war oder die Ratenzahlung keinen Versorgungscharakter hat (Finanzgericht Münster, Urteil vom 11.11.2008, Aktenzeichen: 1 K 1498/06 E).
Teilentgeltliche Betriebsveräußerung
Die Rechtsprechung wendet auf die teilentgeltliche Veräußerung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmer-anteilen die sog. Einheitstheorie an. Das bedeutet, dass das teilentgeltliche Geschäft nicht in einen vollentgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist.
Liegt das vereinbarte Entgelt über dem Buchwert des übertragenen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, so ist die Übertragung als entgeltlich zu behandeln, es entsteht in Höhe der Differenz ein Veräußerungsgewinn. Dies gilt auch, wenn der Buchwert des Betriebs negativ ist.
Unterschreitet der Kaufpreis den Buchwert, so ist das Geschäft insgesamt als unentgeltlich mit der Folge der Buchwert-fortführung nach § 6 Abs. 3 EStG zu behandeln; die Differenz zum höheren Buchwert ist bei privater Veranlassung eine Einlage, bei betrieblicher Veranlassung kommt es zu einem negativen Geschäftswert oder einer Buchwertabstockung.
Beispiel
Der Steuerpflichtige Paul (P) überträgt seinen Betrieb (Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos i. H. v. 50.000 EUR); gemeiner Wert 500.000 EUR) auf seine Tochter zu einem Veräußerungspreis von
- 0 EUR
- 25.000 EUR
- 75.000 EUR
- 100.000 EUR
Lösung:
Aufgrund der Einheitstheorie kann die Übertragung einer Wirtschaftseinheit nur entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Eine Aufteilung ist nicht vorzunehmen. Für die Bestimmung der Entgeltlichkeit oder der Unentgeltlichkeit kommt es nur drauf an, ob die Gegenleistung das steuerliche Kapitalkonto übersteigt oder nicht.
Kapitalkonto | Gegenleistung | Gegenleistung > Kapitalkonto | Übertragung | |
a) | 50.000 EUR | 0 EUR | nein | unentgeltlich |
b) | 50.000 EUR | 25.000 EUR | nein | unentgeltlich |
c) | 50.000 EUR | 75.000 EUR | ja | entgeltlich |
d) | 50.000 EUR | 100.000 EUR | ja | entgeltlich |
Übertragungszeitpunkt
Für die Frage, wann die Veräußerung stattgefunden hat, wird auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums abgestellt.
Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums
Für den Standardfall des Unternehmenskaufvertrags ist der Übergangszeitpunkt in der Regel unproblematisch zu ermitteln. Der Zeitpunkt des Übergangs richtet sich dann nach dem Übergang von Nutzen und Lasten bzw. dem Gefahrenübergang. Gemäß § 16 EStG muss bei einer Übertragung ein einheitlicher Vorgang vorliegen, wie er typischerweise im Rahmen eines einheitlichen schuldrechtlichen Vertrages gegeben ist.
Einzelunternehmen werden in der Regel im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge übertragen. Es können dann die Übertragungsakte in verschiedene Veranlagungszeiträume fallen.
Von einer einheitlichen Übertragung ist noch auszugehen, wenn sich der Rahmen der einzelnen Übertragungen auf nicht mehr als zwei Jahre erstreckt. Die Rechtsprechung hat dabei einen Zeitraum zwischen 20 Monaten als unschädlich betrachtet, während ein Zeitraum von 36 Monaten als schädlich betrachtet worden ist (Vgl. BFH v. 22.10.2014 – X R 28/11, BFH/NV 2015, S. 479, Rz. 27, 28).
Übertragung auf einen Erwerber
Werden im Rahmen einer Betriebsveräußerung die wesentlichen Betriebsgrundlagen auf mehrere Erwerber übertragen, es findet also eine Betriebszerschlagung statt, fällt diese nicht unter den Tatbestand des § 16 Abs. 1 EStG, weil diese verschiedenen Personen den Betrieb nicht mehr als geschäftlichen Organismus fortführen können.
Der Betrieb muss also in der Weise übertragen werden, dass der Erwerber den Betrieb als geschäftlichen Organismus unmittelbar nach dem Erwerb fortführen kann (R 16 Abs. 1 S. 1 EStR). Ob der Erwerber den Betrieb tatsächlich weiterführt, ihn stilllegt oder zerschlägt, ist für die steuerliche Behandlung des Veräußerers unerheblich (R 16 Abs. 1 S. 2 EStR).
Hinweis
Die Betriebszerschlagung kann jedoch unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG eine begünstigte Betriebsaufgabe darstellen.
Unter die Betriebsveräußerung i.S.d. § 16 Abs. 1 EStG fällt also nur die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn diese auch auf einen Erwerber übertragen werden.
Unschädlich ist, wenn der Veräußerer zwar nicht alle Wirtschaftsgüter an einen Erwerber veräußert, jedoch alle wesentlichen Betriebsgrundlagen von einem Erwerber erworben werden. Bei einer Betriebsveräußerung im Ganzen kann es mehrere Erwerber geben, solange die wesentlichen Betriebsgrundlagen alle auf einen Erwerber übertragen werden. Eine Veräußerung oder Entnahme von unwesentlichen Betriebsgrundlagen ist insofern unschädlich.
Aufgabe der bisherigen Tätigkeit
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal „Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit“ dürfen Sie bei der Prüfung einer Betriebsveräußerung nicht unterschätzen. Sowohl Betriebsveräußerung als auch Betriebsaufgabe setzen voraus, dass der Unternehmer seine bisherige gewerbliche Tätigkeit beendet. Da der Begriff „Gewerbetrieb“ eine tätigkeitsbezogene Komponente aufweist, reicht es nicht aus nur die Betriebsmittel zu übertragen, vielmehr ist auch durch den betrieblichen Organismus bestimmte gewerbliche Tätigkeit aufzugeben.
Die „Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit“ setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtiger jegliche gewerbliche Tätigkeit einstellt. Erforderlich ist lediglich, dass er die in dem veräußerten Betrieb bislang ausgeübte Tätigkeit einstellt und die diesbezüglich wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert Die Voraussetzungen sind nur auf das Veräußerungsobjekt, also den veräußerten Betrieb, zu prüfen.
Hinweis
- H 16 Abs. 1 (Aufgabe der bisherigen Tätigkeit) EStH
- H 16 Abs. 1 (Betriebsfortführung) EStH
- H 18.3 (Veräußerung) EStH
Veräußerung eines Teilbetriebs
Bei der Übertragung eines Teilbetriebs müssen, genauso wie bei der Übertragung des gesamten Betriebes, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden. Zur Beurteilung wird eine quantitativ-funktionale Beurteilung vorgenommen. Unter einem Teilbetrieb versteht man gemäß R 16 Abs. 3 EStR einen organisatorisch geschlossenen und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten Teil eines Gesamtbetriebs. Er muss die Merkmale eines eigenständigen Betriebs aufweisen.
Merkmale, die nach der Rechtsprechung Indizwirkung für einen Teilbetrieb haben, sind:
- räumliche Trennung,
- verschiedenes Personal, insbesondere Betriebsleitung,
- getrenntes Anlagevermögen,
- eigener Kundenstamm,
- und eine selbständige Preisgestaltung.
Für die Veräußerung eines Teilbetriebs muss der Unternehmer, wie im Fall der Gesamtbetriebsaufgabe, eine Tätigkeit aufgeben. Eine Aussage über eine Teilbetriebsveräußerung kann somit nur bei der Prüfung beider Merkmale getätigt werden.
Für folgende Sachverhalte hat der BFH eine Teilbetriebseigenschaft bejaht:
- Die Gastwirtschaft bei einem Brauereibetrieb
- Zweigniederlassungen im Sinne des § 13 HGB
- Einzelhandelsfilialen, sofern die Leitung einen Einfluss auf Einkauf und Preisgestaltung hat
- Die Spielhalle bei einem Automatenaufsteller
- Veräußerung einer Fahrschulniederlassung ohne eigenes Schulungsfahrzeug
Eine Ablehung ist hingegen bei folgenden Sachverhalten erfolgt:
- Das Dentallabor eines Zahnarztes
- Ein Fertigungsbetrieb mit mehreren Produktionszweigen, sofern bestimmte wesentliche Maschinen für alle Zweige benötigt werden
Das Zurückbehalten von Grundstücken führt ebenfalls regelmäßig zur Verneiung der Teilbetriebseigenschaft. Eine Übertragung der anteiligen Grundstücksflächen ist daher für das Vorliegen eines Teilbetriebs unter Umständen entscheidend.
Beispiel
Dieter betreibt einen Container-Dienst und eine Sandstrahlerei. Beide Bereiche werden in einer separaten Buchhaltung abgebildet, jeder Bereich hat seine eigene Betriebsleitung. Die Fahrer werden, wenn sie nicht zu fahren haben, gelegentlich auch für Tätigkeiten in der Sandstrahlerei eingesetzt. Aufgrund erheblichen Preiskampfes im Bereich der Container-Dienste verkauft Dieter diesen Bereich an seinen Konkurrenten Fabian. Er verkauft den gesamten Kundenstamm aus diesem Bereich. 1 Fahrer verbleibt und wird von nun an in der Sandstrahlerei eingesetzt
Lösung: Die Teilbetriebskritierien in Form der räumlichen Trennung, getrenntes Anlagevermögen, eigener Kundenstamm und selbständige Preisgestaltung liegen unproblematisch vor. Es liegen auch unterschiedliche organisatorische Voraussetzungen vor, da beide Teilbereich strikt getrennt sind. Der gelegentliche personelle Austausch von den Fahrern ist auch unproblematisch. Es liegt somit ein Teilbetrieb vor. Die Tätigkeit des Teilbetriebs Container-Dienst wird auch vollständig eingestellt. Es dürfte kein Teil des Kundenstammes weiter bedient werden. Dieter steht für die Veräußerung die Ermäßigung nach § 16 EStG zu.
Teilbetriebsfiktion mit Beispielen
Unter den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG fällt nicht nur die Veräußerung eines gesamten Betriebs, sondern auch die Veräußerung eines Teilbetriebs.
Anhand einiger Beispiele erklärt Ihnen Herr Dipl.-Finanzwirt Kai Leßmann in den nachfolgenden Videos die Teilbetriebsfiktion.
Weiterhin definiert der § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG die sog. Teilbetriebsfiktion, nach der eine Veräußerung einer 100%-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auch die Veräußerung eines Teilbetriebs darstellt, sofern die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten wird.
Schlussbilanz
Bei einer Teilbetriebsveräußerung ist keine Schlussbilanz aufzustellen (BFH vom 9.5.2012, BStBl. II 2012, S. 725). Es bleibt jedoch notwendig, dass der laufende Gewinn des Gesamtbetriebes von dem begünstigten Veräußerungsgewinn abzugrenzen ist. Für die Ermittlung des Wertes ist auf die Grundsätze des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1,§ 5 EStG abzustellen. Da keine Schlussbilanz aufgestellt wird, muss der Wert des Betriebsvermögens entsprechend geschätzt werden (BFH vom 12.6.1975, BStBl. II 1975, S. 853).
Veräußerungsgewinn
In den vorherigen Kapiteln haben wir uns mit den Tatbestandsmerkmalen der Betriebsveräußerung auseinandergesetzt. Der Anwendungsbereich des § 16 EStG ist nun bekannt. Im nächsten Schritt erfolgt die Ermittlung des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns.
Der Veräußerungsgewinn gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und ist nach den Vorgaben des § 16 Abs. 2 EStG zu ermitteln. Der begünstige Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 2 EStG ermittelt sich aus der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis abzüglich der Veräußerungskosten und dem Buchwert des übertragenen Betriebsvermögens. Der Buchwert ist entsprechend um zurückbehaltene Wirtschaftsgüter zu kürzen.
Ermittlung des Veräußerungsgewinns und Aufgabegewinns
In den kommenden fünf Videos werden wir uns vertieft mit einem Kernthema des Steuerrechts befassen: der Ermittlung des Veräußerungs- und Aufgabegewinns.
Obwohl dieses Thema auf den ersten Blick komplex wirken mag, stellt es mit dem richtigen Verständnis einen fundamentalen Bestandteil im Steuerrecht dar.
Die ersten beiden Videos präsentieren das Thema in seiner theoretischen Form. In den darauf folgenden drei Videos wird die Materie anhand konkreter Beispiele weiter vertieft. Nicht nur die theoretischen Grundlagen werden hierbei beleuchtet, sondern wir werden Ihnen auch ein klares Ermittlungsschema an die Hand geben. Dies soll Ihnen dabei helfen, die Konzepte effektiv anzuwenden. Durch anschauliche Darstellungen und Beispiele zielen wir darauf ab, Ihnen den Einstieg so verständlich und leicht wie möglich zu gestalten.
Berechnung des Veräußerungsgewinnes:
Veräußerungspreis | |
+ | gemeiner Wert der in das Privatvermögen übertragenen Wirtschaftsgüter |
- | Veräußerungskosten |
- | Kapitalkonto im Veräußerungszeitpunkt |
= | Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG |
- | Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG |
= | Begünstigter Veräußerungsgewinn |
= | außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 EStG |
Ermittlung des Veräußerungsgewinns und Aufgabegewinns Teil 2
Der Veräußerungsgewinn wird wegen des Soll-Prinzips in dem Veranlangungsszeitraum erfasst, in dem das wirtschaftliche Eigentum übertragen wird. Der Verkaufspreis enthält alle Gegenleistungen für die Übertragung des Betriebs. Es werden auch die Übernahme privater Schulden miteinbezogen. Betriebliche Schulden zählen hingegen nicht zum Veräußerungspreis, da sie bilanztechnisch zum Betriebsvermögen gezählt werden. Es wird immer der Nettobuchwert aus Aktiva abzüglich des Fremdkapitals zugrunde gelegt. Für den Erwerber werden damit gleichzeitig die Eröffnungsbilanzwerte in Form der Anschaffungskosten spiegelbildlich über den Veräußerungspreis festgelegt.
Ermittlung des Veräußerungsgewinns und Aufgabegewinns
X veräußert seine Dönerbude (Kapitalkonto 200.000 €) zum Preis von 300.000 €. Der Betriebs-PKW (BW 8.000 €, TW 9.000 €, gem. Wert netto 10.000 €) wird nicht mitveräußert, sondern in das PV überführt. Ferner hatte X in Zusammenhang mit der Veräußerung Rechtsanwaltskosten von 5.000 € zu tragen.
Aufgabe: Ermitteln Sie den Veräußerungsgewinn.
Abgrenzung vom Veräußerungsgewinn bzw. Aufgabengewinn zum laufenden Gewinn.
Der Veräußerungsgewinn bzw. Aufgabegewinn ist von den laufenden Gewinnen abzugrenzen. Denn Veräußerungs- und Aufgabegewinn sind steuerbegünstigt und unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Bei ihnen werden die mit der Veräußerung oder Aufgabe zusammenhängenden Veräußerungs- oder Aufgabekosten berücksichtigt.
Die laufenden Gewinne, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe und den ihnen gleichgestellten Vorgängen anfallen, werden "normal" besteuert und unterliegen, wenn es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt, der Gewerbesteuer. Gewinnmindernd wirken sich die Betriebsausgaben aus.
Zur Abgrenzung von laufendem Gewinn und Aufgabegewinn ist grundsätzlich auf den zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang des einzelnen Geschäftsvorfalls mit dem laufenden Geschäftsbetrieb einerseits und der Betriebsaufgabe andererseits abzustellen.
Abgrenzung vom Veräußerungsgewinn bzw. Aufgabengewinn zum laufenden Gewinn
In diesem Video führen wir Sie durch die Vorgehensweise der Abgrenzung zum laufenden Gewinn. Dabei legen wir besonderen Wert auf die theoretische Darstellung der wichtigsten Aspekte dieser Abgrenzung.
Beispiel 1: Abgrenzung vom Veräußerungsgewinn bzw. Aufgabengewinn
X gibt sein Gewerbe auf und veranstaltete einen großen Räumungsverkauf. Die dann noch verbleibende Ware gibt er anschließend seinen Lieferanten zurück. Leider sind mit der Rückgabe nicht alle Lieferanten einverstanden, womit X gezwungen ist den Rest an Waren in seiner Garage zu lagern. Nach 2 Jahren konnte X endlich die Ware an einen Erwerber veräußern.
Aufgabe: Unterscheiden und definieren Sie den Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn im Vergleich zum laufenden Gewinn. Stellen Sie die wesentlichen Unterschiede und Merkmale dieser Begriffe gegenüber.
Beispiel 2: Abgrenzung vom Veräußerungsgewinn bzw. Aufgabengewinn
A veräußert in 11 seinen Betrieb (Kapitalkonto -500.000 €) zum Preis von 250.000 €. Eine Verbindlichkeit von 300.000 € wird nicht mitveräußert, sondern verbleibt bei A. An Zinsen für diese Verbindlichkeit fallen nach Veräußerung für 11 noch 40.000 € an, die am 05.03.12 gezahlt werden.
Frage: Welche steuerlichen Auswirkungen ergeben sich aus dem § 16 EStG?
Beispiel
Hermann verkauft seinen Schuhladen an Friedrich zum 31.12.01. Hermann lebt privat deutlich über seinen Verhältnissen und hat einen hohen Schuldenberg aufgebaut. Der Schuhladen stellt jedoch für Friedrich den einzigen Konkurrenten weit und breit dar, und so übernimmt er auch die privaten Schulden des Hermann in Höhe von 400.000 €. Er überweist ihm darüber hinaus noch 500.000 € auf sein Bankkonto. Hermann hat im Zusammenhang mit dem Verkauf Rechtsanwaltskosten von 3.000 €. Die Bilanz des Betriebs sieht zum 31.12.01 folgendermaßen aus:
Aktiva | Passiva | ||
Anlagevermögen | 600.000 € | Eigenkapital | 800.000 € |
Umlaufvermögen | 400.000 € | Verbindlichkeiten | 200.000 € |
Aktiva | 1.000.000 € | Passiva | 1.000.000 € |
Wie ermittelt sich der Veräußerungsgewinn im Sinn des § 16 Abs. 2 EStG?
Die Betriebsschulden sind Bestandteil des Betriebsvermögens nach § 16 Abs. 2 EStG und zählen nicht zum Veräußerungspreis. Die privaten Schulden in Höhe von 400.000 € zählen hingegen zum Veräußerungspreis, sodass sich ein Veräußerungspreis von 900.000 € ergibt. Der Veräußerungsgewinn beträgt nun:
Berechnung des Veräußerungsgewinnes:
Veräußerungspreis | 900.000 € | |
+ | gemeiner Wert der in das Privatvermögen übertragener Wirtschaftsgüter | 0 € |
- | Veräußerungskosten | 3.000 € |
- | Kapitalkonto im Veräußerungszeitpunkt | 800.000 € |
= | Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG | 97.000 € |
Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG
Ein Veräußerungsgewinn wird grundsätzlich in voller Höhe zur Einkommensteuer herangezogen. Für Veräußerungs- und Aufgabengewinne i.S.d. § 16 Abs. 2 EStG besteht die Möglichkeit einer Besteuerung zu entgehen.
Wenn ein Steuerpflichtiger, der seinen Betrieb veräußert oder aufgibt,
- das 55. Lebensjahr vollendet hat oder
- dauernd berufsunfähig im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist, so wird
- auf Antrag
ein Veräußerungsgewinn nur dann zur Einkommensteuer herangezogen, soweit dieser 45.000 € übersteigt und kein Freibetragsverbrauch vorliegt.
Hinweis
Die Überschreitung des 55. Lebensjahres muss bereits im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung vorgelegen haben. Gemäß § 16 Abs. 4 S. 2 EStG kann der Freibetrag einem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben gewährt werden. Die Einmaligkeit des Freibetrags ist dabei personenbezogen und somit unabhängig von der Einkunftsart. Der Nachweis der sozialversicherungsrechtlichen Berufsunfähigkeit kann nur mit amtlichen Dokumenten erfolgen.
- R 16 Abs. 13 S. 5 EStR
- H 16 Abs. 13 (Freibetrag - 3. Spiegelstrich) EStH und
- R 16 Abs. 14 EStR und
- H 16 Abs. 14 EStH
Gemäß § 16 Abs. 4 Sätze 1 und 3 EStG verringert sich der Freibetrag um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 € übersteigt. Wenn ein Betrieb im Rahmen eines Erbes übergeht und im Anschluss von dem Erben aufgegeben wird, so müssen die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG durch den Erben selbst erfüllt werden. Eine Ausnahme liegt vor, wenn der Betriebsinhaber noch zu Lebzeiten die Praxis verkauft hat und dann vor der tatsächlichen Übertragung verstirbt, da dann die Erben den Freibetrag im Sinne des § 16 Abs. 4 EStG beanspruchen können.
Die Höhe des Freibetrags ist dabei im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der Erben festzustellen. Es ist wichtig zu beachten, dass in diesem Fall keine Zurechnung des Freibetrags des Erblassers auf die Erben erfolgt, sondern dass nur eine Zurechnung der Voraussetzungen des Erblassers auf die Erben erfolgt. Eine Konsequenz ist insoweit, dass die Erben den Freibetrag entsprechend verbrauchen.
Wenn der Veräußerungsgewinn in einem Grundlagenbescheid festgestellt wird, so ist die entsprechende Feststellung für das Folgeverfahren bindend. Die persönlichen Voraussetzungen des Freibetrags sind im Einkommensteuerverfahren zu beurteilen. Sofern sich im Rahmen der Änderung eines Grundlagenbescheides eine Veränderung über die Höhe oder die Zurechnung des Veräußerungsgewinns ergibt, so führt dies zu einer entsprechenden Anpassung des Freibetrags im Einkommensteuerbescheid. Die Feststellungen im Grundlagenbescheid sind auch dann bindend, wenn das Veräußerungsgeschäft vor einem Erbfall beschlossen worden ist, aber erst nach dem Erbfall wirksam wird. Der Freibetrag ist auch in diesem Fall nur dem Erben zuzurechnen (BFH vom 9.6.2015, BFH/NV 2015, S. 1373).
Der Veräußerungsgewinn wird gemäß § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 45.000 € freigestellt. Wenn der Gewinn 136.000 € überschreitet, so führt dies zu einem Abschmelzen des Freibetrags. Bei einem Veräußerungsgewinn von 181.000 € ist er komplett abgeschmolzen.
Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG kann nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen sind höchstpersönlich. Wenn der Freibetrag nicht in vollem Umfang beansprucht wird, dann kann der verbleibende Teil bei späteren Veräußerungen nicht mehr genutzt werden! Die Gewährung ist auch über alle Einkunftsarten hinweg einmalig.
Beispiel
Peter Lustlos betreibt seit vielen Jahren ein Schuhgeschäft in München. Er ist 60 Jahre alt und hat keine Lust mehr noch einen Online-Shop zu eröffnen. Sein Nachbar, der Informatikstudent und gelernte Schuhmacher Anton Fortschritt, sieht jedoch großes Potential und kauft den Betrieb für 300.000 €. Der Wert der Aktiva beträgt 1300.000 €. Verbindlichkeiten weist der Betrieb keine auf. Es fallen Notargebühren in Höhe von 5.000 € an, die durch Peter Lustlos getragen werden.
Der Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 Abs. 2 EStG beträgt:
Veräußerungspreis | 300.000 € | |
- | Veräußerungskosten | 5.000 € |
- | Buchwert der Aktiva | 130.000 € |
Veräußerungsgewinn | 165.000 € |
Beispiel
Ferdinand Meyer verkauft einen Gewerbebetrieb für 600.000 €. Ihm entstehen im Rahmen der Veräußerung 40.000 € an Beratungs- und Notarkosten. Der Wert der Aktiva beträgt 500.000 € und der Wert der Schulden 100.000 €.
Veräußerungspreis | 600.000 € |
Veräußerungskosten | 40.000 € |
Aktiva | 500.000 € |
Schulden | 100.000 € |
Veräußerungsgewinn | 160.000 € |
Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG schmilzt ab, soweit der Betrag von 136.000 € überstiegen wird. Der Grenzwert wird hier um 160.000 € -136.000 € = 24.000 € überschritten. Der Freibetrag von 45.000 € schmilzt somit auf 21.000 € ab. Es verbleibt ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von 139.000 €. Der Veräußerungsgewinn unterliegt des Weiteren der Tarifbegünstigung des § 34 EStG.
Wichtig ist die Trennung von Veräußerungsgewinnen und laufenden Gewinnen, da nur die Veräußerungsgewinne unter § 16 EStG fallen. Gewinne aus "normalen Geschäften des Betriebes" fallen unter die Versteuerung im Rahmen von § 15 EStG, auch wenn sie in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung erfolgen (vgl. BFH v. 25.06.1970, BStBl II 1970, S. 719).
Beispiel
Ferdinand betreibt eine Schreinerei in Regensburg. Er verkauft diese zum 01.07.01 an seinen Neffen. Er erhält von diesem 30.000 € hierfür. Ferdinand vollendet am Morgen des 01.07.01 noch eine Arbeit bei einem Kunden und erhält wegen des zusätzlichen Arbeitsaufwands 500 €. Die 500 € sind nicht in den Veräußerungsgewinn einzubeziehen, da sie aus normalen Vorfällen resultieren. Der sehr enge zeitliche Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung ist dabei unerheblich.
Veräußerungs- und Aufgabegewinns und die Berücksichtigung des Freibetrags
Nachdem wir uns bereits intensiv mit der Theorie auseinandergesetzt haben, möchten wir Ihnen nun eine visuelle Vertiefung anbieten. In den folgenden fünf Videos werden Sie Schritt für Schritt durch die Ermittlung des Veräußerungs- und Aufgabegewinns geführt. Dabei liegt unser Hauptaugenmerk auf der Anwendung des Freibetrags, welcher im Zentrum der Beispielaufgaben steht.
Beispiel 1
X (73 Jahre alt) ist Einzelunternehmer und gleichzeitig an der K-OHG zu 50 % beteiligt, wobei die OHG-Beteiligung zum BV des Einzelunternehmens gehört. Am 31.12.19 entschließt sich X den Ruhestand zu genießen und veräußert das Einzelunternehmen und den OHG Anteil.
Veräußerungsgewinne:
- Einzelunternehmen (ohne OHG): 166.000 €
- OHG Anteil: 50.000 €
Frage: Wie ist die Rechtslage?
Beipiel 2
A (62 Jahre) gibt seinen Gewerbebetrieb auf, wobei er sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen zum einen an den X und zum anderen an den Z veräußert. Der Aufgabegewinn in 01 beläuft sich auf: 88.000 € und der in 02 auf: 69.000 € (Gesamt: 157.000 €)
Aufgabe: Ermitteln Sie die gewerblichen Einkünfte.
Beipiel 3
A erzielt im ersten Jahr einen Aufgabeverlust von 40.000 € und im zweiten Jahr einen Aufgabegewinn von 35.000 €.
Aufgabe: Wie ist der Aufgabeverlust und der Aufgabegewinn zu berücksichtigen?
Beispiel 4
A (62 Jahre), veräußert seinen gesamten Autohandel für 460.000 € an X, wobei sein Kapitalkonto 390.000 € beträgt. In dem BV befinden sich BMW-Aktien (Buchwert 30.000 €), wobei 45.000 € des Veräußerungspreises auf die Aktein entfällt.
Aufgabe: Ermitteln Sie die gewerblichen Einkünfte.
Beispiel 4 (Abwandlung)
Buchwert der BMW-Aktien 10.000 € und Veräußerungserlös insgesamt 500.000 €, wobei auf die Aktien 70.000 € entfallen.
Betriebsaufgabe
Hinweis
Beachten Sie, dass die Betriebsveräußerung gemäß § 16 Abs. 3 EStG wie eine Betriebsaufgabe behandelt wird.
Betriebsaufgabe
Die Betriebsaufgabe basiert auf einem Entschluss des Unternehmers, den Betrieb nicht mehr fortzuführen. Die "Zerschlagung der wirtschaftlichen Einheit" wird häufig als Merkmal der Betriebsaufgabe betrachtet. Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebes in einem einheitlichen Vorgang in kurzer Zeit entweder in das Privatvermögen überführt werden, betriebsfremden Zwecken zugeführt werden, an verschiedene Erwerber veräußert werden oder wenn die Veräußerung an verschiedene Erwerber und die Überführung in das Privatvermögen kombiniert werden. Die reine Entschlussfassung der Betriebsaufgabe ist nicht ausreichend und muss durch eine Entnahme oder Veräußerung umgesetzt werden.
Beispiel
Klaus betreibt seit Jahren einen Schreibwarenladen, jedoch hat er genug davon, dass die Leute ihm erzählen, im Internet sei es deutlich günstiger. Klaus hat sein Sortiment auch seit Jahren nicht mehr grundlegend erneuert. Er beschließt daher zum 31.12.01 den Betrieb aufzugeben. Die verbleibenden Schreibwaren (Buchwert 4.000 €, gemeiner Wert: 16.000 €) schenkt er der Schule im Ortsteil. Die alten Schreibmaschinen (Buchwert 500 €, gemeiner Wert 200 €) schenkt er seinem Enkel Johann, der ein begeisterter Sammler ist. Das Ladenlokal verkauft er am 01.02.02 für 90.000 € an Herbert Cyber für seinen Computerladen. Der Buchwert beträgt 50.000 €. Liegen hier begünstigte Gewinne im Sinne des § 16 EStG vor?
Lösung: Es liegt eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 S. 1 EStG vor, da Klaus die Wirtschaftsgüter veräußert oder in das Privatvermögen überführt. Der Auflösungszeitraum umfasst hier nur wenige Tage. Zulässig ist laut der Rechtsprechung ein Zeitraum bis zu 36 Monaten.
Der Zeitraum der Betriebsaufgabe ist entscheidend, damit eine Begünstigung nach § 16 Abs. 3 EStG in Frage kommt. Der Prozess muss gemäß H 16 Abs. 2 EStH mit einem Aufgabeentschluss beginnen und wird mit dem Verkauf der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage abgeschlossen. Der Prozess kann sich über mehrere Monate ziehen. In der Rechtsprechung wurden 6-36 Monate akzeptiert (BFH, Urteil vom 25.06.1970, BStBl II 1970, S. 719, Urteil vom 26.04.2001, BStBl. II 2001, S. 798).
Betriebsverlegung
Die Betriebsaufgabe ist auch gegenüber der Betriebsverlegung abzugrenzen.Eine Betriebsverlegung, also ein Wechsel des Betriebsstandortes, liegt vor, wenn der alte und der neue Betrieb als wirtschaftlich identisch anzusehen sind. Dabei bleibt die Geschäftsstruktur im Wesentlichen unverändert, nur der physische Standort des Betriebs ändert sich. Hierfür spricht eine Überführung der wesentlichen Betriebsgrundlagen in den neuen Betrieb. Wenn sich der neue Betrieb in wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Sicht unterscheidet, dann liegt eine vorherige Betriebsaufgabe vor (BFH v. 18.12.1996, BStBl II 1997, S. 573).
Beispiel
Herr Müller betreibt seit über einem Jahrzehnt einen erfolgreichen Fahrradladen in der Innenstadt von Köln. Die Geschäfte laufen gut, und er hat sich einen festen Kundenstamm aufgebaut. Allerdings steigen die Mieten in der Innenstadt kontinuierlich, und Herr Müller sieht sich nach Alternativen um.
Er findet ein geeignetes Ladenlokal in einem aufstrebenden Stadtteil von Köln, der nur wenige Kilometer von seinem aktuellen Standort entfernt ist. Das neue Lokal bietet nicht nur günstigere Mietkonditionen, sondern auch mehr Platz für seine Werkstatt und eine bessere Parkplatzsituation für seine Kunden.
Herr Müller entscheidet sich für die Verlegung seines Betriebs. Er überführt alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, von den Fahrrädern über die Werkzeuge bis hin zum Kassensystem, in das neue Ladenlokal. Selbst das Personal zieht mit um. Das Sortiment bleibt unverändert, und die Geschäftsprozesse ändern sich nicht. Er informiert seine Kunden rechtzeitig über den Umzug und bietet für einige Wochen einen Abholservice vom alten Standort zum neuen an.
Da sich nur der physische Standort des Geschäfts ändert, ohne dass es zu einer Änderung in der wirtschaftlichen, organisatorischen oder finanziellen Struktur des Betriebs kommt, handelt es sich hierbei eindeutig um eine Betriebsverlegung und nicht um eine Betriebsaufgabe.
Betriebsunterbrechung
Eine weitere Abgrenzung muss gegenüber der Betriebsunterbrechung erfolgen. Voraussetzung für eine Betriebsunterbrechung ist die Einstellung der betrieblich werbenden Tätigkeit des Unternehmers. Gleichzeitig muss die Absicht bestehen zu einem späteren Zeitpunkt die Tätigkeit in gleicher oder ähnlicher Weise fortzusetzen. Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten bleiben. Ein typisches Beispiel für eine Betriebsunterbrechung ist die Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen anderen Unternehmer.
Beispiel
Frau Schneider betreibt seit 15 Jahren eine Bäckerei in einem kleinen Dorf. Die Bäckerei hat sich durch die Jahre zu einem Treffpunkt für die Dorfbewohner entwickelt und ist besonders für ihre handgemachten Brezeln bekannt. Aufgrund einer schweren Erkrankung muss Frau Schneider die Arbeit in ihrer Bäckerei für unbestimmte Zeit unterbrechen. Sie möchte aber nach ihrer Genesung den Betrieb wieder aufnehmen. Daher entscheidet sie sich dazu, die Bäckerei nicht zu verkaufen. Stattdessen verpachtet sie während ihrer Abwesenheit alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, inklusive Backofen, Teigmaschinen und Verkaufsraum, an Herrn Becker, einen befreundeten Bäcker aus einem Nachbardorf. Herr Becker führt den Betrieb unter seinem Namen weiter, behält jedoch das Sortiment und die Einrichtung der Bäckerei bei.
Nach einem Jahr der Erholung und erfolgreichen Behandlung kehrt Frau Schneider zurück und möchte ihre Bäckerei wieder selbst betreiben. Dank der Vereinbarung mit Herrn Becker sind alle wesentlichen Betriebsgrundlagen intakt geblieben, und sie kann ihre Tätigkeit in gleicher Weise fortsetzen, als ob sie nie pausiert hätte.
Beurteilungswandel
Bei einer Änderung der Beurteilung eines Betriebs liegt keine Betriebsaufgabe vor, wenn die stillen Reserven im Inland steuerverhaftet bleiben. Die Wandlung eines Betriebs von einem gewerblichen zu einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder der umgekehrte Fall stellen Beispiele für einen Beurteilungswandel dar. Hier wird lediglich die rechtliche Würdigung der Einkunftsart geändert, aber nicht der Betrieb selbst aufgegeben. Beim Übergang von einem Betrieb mit Gewinnerzielungsabsicht zur Liebhaberei wird von sogenanntem eingefrorenen Betriebsvermögen ausgegangen. Der BFH hat so auch entschieden, dass Zinsen für die Betriebsschulden eines zur Liebhaberei gewordenen Betriebs als nachträgliche Betriebsausgaben anzuerkennen sind (BFH v. 15.05.2002, BStBl II 2002, S. 809).
Beispiel
Anna betreibt seit 15 Jahren einen kleinen Gewerbebetrieb, der sich auf die Herstellung von handgefertigten Keramikwaren spezialisiert hat. In den letzten Jahren hat sie jedoch ihre Leidenschaft für die Land- und Forstwirtschaft entdeckt und beschließt, ihren Betrieb in eine Baumschule umzuwandeln. Sie wandelt ihren Betrieb rechtlich von einem gewerblichen Betrieb in einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft um. Während dieses Prozesses realisiert sie jedoch, dass sie aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage sein wird, den Betrieb in dem Umfang fortzuführen, wie sie es ursprünglich beabsichtigt hatte. Statt Gewinn zu erwirtschaften, wird sie den Betrieb aus Liebhaberei weiterführen. Anna hat in den vergangenen Jahren Darlehen für den Betrieb aufgenommen und hat noch ausstehende Betriebsschulden.
Nach der Wandlung von Annas gewerblichem Betrieb in einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft handelt es sich nicht um eine Betriebsaufgabe. Dies ist vielmehr ein Beurteilungswandel, bei dem lediglich die rechtliche Würdigung der Einkunftsart geändert wird, während der Betrieb selbst nicht aufgegeben wird.
Als Anna beschließt, den Betrieb aus Liebhaberei fortzuführen, statt Gewinn zu erwirtschaften, geht ihr Betriebsvermögen als sogenanntes eingefrorenes Betriebsvermögen in die steuerliche Betrachtung ein. Zudem kann sie laut einer BFH-Entscheidung vom 15.05.2002 die Zinsen für die Betriebsschulden ihres nun zur Liebhaberei gewordenen Betriebs als nachträgliche Betriebsausgaben berücksichtigen.
Betriebsaufgabe und Entstrickung
Grundsätzlich setzt eine Betriebsaufgabe eine Betriebszerschlagung voraus. Eine Ausnahme stellt der Fall dar, dass die Voraussetzungen für die Steuerverstrickung wegfallen. Dies kann bei der Beendigung einer Betriebsaufspaltung und bei Wegfall der Voraussetzungen für eine gewerblich geprägte Personengesellschaft der Fall sein.
Merke
- Bei der Betriebsaufgabe werden nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Erwerber verkauft.
- Bei der Betriebsverlegung bleibt der Betrieb als Organismus des Wirtschaftslebens bestehen.
- Die Betriebsaufgabe muss in einem einheitlichen Akt stattfinden, das allmähliche Auflösen des Betriebs ist hingegen nicht begünstigt. Der Zeitraum der Auflösung nach Aufgabeerklärung kann bis zu 36 Monate betragen.
- Bei der Betriebsaufgabe ist die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit dauerhaft und nicht nur vorübergehender Natur wie bei der Betriebsunterbrechung.
Betriebsverpachtung
In der dynamischen Welt der Unternehmertätigkeit sind Flexibilität und Anpassungsfähigkeit oft Schlüssel zum Erfolg. Es gibt Situationen, in denen ein Unternehmer seine geschäftlichen Aktivitäten vorübergehend einstellen möchte, ohne dabei den Betrieb komplett aufzugeben. Hier kommt die Betriebsverpachtung ins Spiel. Die Betriebsverpachtung bezeichnet den Prozess, bei dem ein Unternehmer seine wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen anderen Unternehmer verpachtet. Dies ermöglicht es dem ursprünglichen Unternehmer, eine Pause von seiner aktiven Geschäftstätigkeit zu nehmen, während der Betrieb unter der Leitung des Pächters fortgeführt wird.
Wenn ein Unternehmer seine werbende gewerbliche Tätigkeit einstellt, dann muss dies nicht zwangsläufig eine Betriebsaufgabe darstellen, sondern kann auch eine Betriebsunterbrechung darstellen. Eine Betriebsunterbrechung kann auch in der Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen anderen Unternehmer bestehen. Man spricht auch von einer Betriebsunterbrechung im weiteren Sinne.
Wahlrecht und stille Reserven
Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, ob er bei der Betriebsunterbrechung alle stillen Reserven aufdecken will und dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezieht oder ob er auf die Aufdeckung verzichtet und weiter gewerbliche Einkünfte bezieht. Von einer Betriebsverpachtung ohne Aufdeckung der stillen Reserven ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn keine Betriebsaufgabeerklärung abgegeben worden ist, § 16 Abs. 3b EStG.
Wesentliche Betriebsgrundlagen
Zur Anerkennung müssen die wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet werden. Dies umfasst alle dem Betrieb das Gepräge gebende Gegenstände. Es kommt dabei auf die Betrachtung aus Sicht des verpachtenden Unternehmers an, nicht auf die Verhältnisse des Pächters. Es wird für die Beurteilung eine funktionale Betrachtungsweise herangezogen (BFH v. 11.10.2017, BStBl II 2008, S. 220). Bei einem Handwerksbetrieb stellt die nicht jederzeit wiederbeschaffbare Werkstattausstattung bzw. das Inventar die wesentliche Betriebsgrundlage dar (BFH v. 18.08.2009, BStBl. II 2010, S.222). Bereits die Vermietung eines Grundstücks kann ausreichend sein, wenn dies die einzige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Bei einer Gaststätte bzw. einem Hotel ist davon auszugehen, dass die Räume wesentliche Betriebsgrundlage sind und nicht die Einrichtung.
Für die spätere Fortführungsmöglichkeit als Voraussetzung der Betriebsunterbrechung ist jedoch darauf zu achten, ob die baulichen Veränderungen bei der Vermietung an ein branchenfremdes Unternehmen nicht dazu führen, dass die spätere Fortführung nicht mehr möglich ist. Die Umgestaltung einer Konditorei zu einer Diskothek dürfte etwa eine solche zu starke bauliche Veränderung darstellen.
Beispiel
Rudolf Jeremias betreibt auf seinem Betriebsgrundstück eine Autowerkstatt. Er verpachtete diese zum 01.01.02 an den Autohändler Peter Heil. Die Einrichtung verkauft er an diesen. Zudem wird ein weiteres Grundstück, dass er als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt hat, an den Zahnarzt Hans Weiss vermietet. Die Einrichtung stellt grundsätzlich keine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Das vermietete Grundstück stellt nach der funktionalen Sichtweise keine wesentliche Betriebsgrundlage dar (H 16 Abs. 5 EStH "wesentliche Betriebsgrundlagen"). Rudolf Jeremias bezieht somit aus der Vermietung des Grundstücks an den Zahnarzt und aus der Verpachtung des Betriebs an Peter Heil gewerbliche Einkünfte. Aus der Veräußerung des Inventars erhält er laufenden gewerblichen Gewinn.
Aufgabegewinn und Vergünstigungen
Wird während der laufenden Betriebsverpachtung oder vor der Verpachtung die Betriebsaufgabe erklärt, so ist der Aufgabegewinn nach der Maßgabe des § 16 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Die Vergünstigungen nach § 16, 34 EStG können ggf. in Anspruch genommen werden.
Wenn vor Pachtbeginn eine Buchführungspflicht bestand und mit der Verpachtung die Pflicht entfällt, so kommt ein Wechsel der Gewinnermittlungsart zu § 4 Abs. 3 EStG in Betracht.
Wenn ein Betrieb unentgeltlich auf einen Rechtsnachfolger übergeht, dann steht dem Rechtsnachfolger das Verpächterwahlrecht zu, auch wenn er den Betrieb niemals selbst betrieben hat.