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Einkommensteuer - § 3 Nr. 72 EStG: Ertragsteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen

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Einkommensteuer

§ 3 Nr. 72 EStG: Ertragsteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 wurde eine bedeutende Neuerung für Besitzer kleiner Photovoltaikanlagen eingeführt. Gemäß § 3 Nr. 72 EStG ist nun eine Steuerbefreiung für diese Anlagen vorgesehen.

Hinweis

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Diese Steuerbefreiung besitz rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 Gültigkeit.

Zur Klärung zahlreicher Anwendungsfragen, die in der Praxis zu intensiven Diskussionen führten, hat die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 17. Juli 2023 eine offizielle Stellungnahme abgegeben.

Des Weiteren hat die Finanzverwaltung sich auch zu den Änderungen im Umsatzsteuerrecht geäußert. Speziell die Einführung eines sogenannten Nullsteuersatzes für bestimmte PV-Anlagen, wirksam seit dem 1. Januar 2023, wurde im BMF-Schreiben vom 27. Februar 2023 thematisiert. Diese Regelung ist ein wichtiger Teil der steuerlichen Förderung erneuerbarer Energien.

Bisherige Rechtslage

Bis zum 31. Dezember 2021 war der Betrieb von Photovoltaikanlagen nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten nicht grundsätzlich steuerfrei. Es bestand jedoch nach dem BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2021 die Möglichkeit, die Anlage auf Antrag als steuerlich irrelevante Liebhaberei zu erklären.

Diese Sonderregelung galt für Einzelpersonen oder Mitunternehmerschaften, die eine oder mehrere Anlagen mit einer Gesamtleistung bis zu 10,0 kW/kWp betrieben. Eine weitere Bedingung war, dass der erzeugte Strom neben der Netzeinspeisung ausschließlich privat in eigenen Wohnräumen genutzt wurde. Fehlte ein solcher Antrag und lag eine Gewinnerzielungsabsicht vor, wurden die Einkünfte aus der Photovoltaikanlage als gewerblich eingestuft, was eine gewerbliche Infektion anderer Einkunftsarten nach sich ziehen konnte.

Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG

Nach § 3 Nr. 72 EStG sind Einnahmen und Entnahmen aus bestimmten Photovoltaikanlagen für Veranlagungszeiträume nach dem 31. Dezember 2021 steuerbefreit. Diese Steuerbefreiung setzt voraus, dass die Bruttoleistung der Anlage gewisse Grenzwerte nicht überschreitet: Bei Einfamilienhäusern liegt die Grenze bei 30 Kilowatt Peak (kWp) und bei Mehrfamilien- oder gemischt genutzten Gebäuden bei 15 kWp je Einheit.

Beispiel

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Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus jeweils eine eigenständige Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von jeweils 12,00 Kilowatt (peak).

Die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG gilt sowohl für A als auch für B.

Beispiel

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Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus gemeinschaftlich (als Mitunternehmerschaft) eine Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von 24,00 Kilowatt (peak).

Die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG gilt für die Mitunternehmerschaft der Eheleute A und B. 

Die Steuerbefreiung gilt pro Steuerpflichtigem (natürliche Person, Kapitalgesellschaft oder Mitunternehmerschaft) für den Betrieb einer oder mehrerer Anlagen bis zu einer Gesamtleistung von maximal 100 kWp. Wird diese Grenze überschritten, entfällt die Steuerbefreiung. Ändern sich die Voraussetzungen im Laufe des Jahres, so wird die Steuerbefreiung entsprechend angepasst.

Beispiel

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Ein Steuerpflichtiger betreibt zwei Anlagen mit einer maßgeblichen Leistung von 30,00 kW (peak) auf je einem Einfamilienhaus und eine Freiflächenphotovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kW (peak).

Die Freiflächenphotovoltaikanlage ist nicht in die Prüfung der 100,00 kW (peak)-Grenze einzubeziehen. Die beiden Anlagen auf den Einfamilienhäusern sind deshalb nach § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG begünstigt.

Beispiel

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Abwandlung:

Der Steuerpflichtige betreibt zusätzlich eine vierte Photovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kW (peak) auf einem Haus mit zwei Wohneinheiten.

Da die vierte Anlage bereits dem Grunde nach nicht unter § 3 Nummer 72 EStG fällt, da die maximale maßgebliche Leistung für diese Gebäudeart von 30,00 kW (peak) überschritten ist, ist diese Anlage ebenfalls nicht in die Ermittlung der 100,00 kW (peak)-Grenze einzubeziehen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Steuerbefreiung unabhängig von der Verwendung des Stroms gilt. Sie umfasst sowohl Einnahmen aus der Einspeisung in das öffentliche Netz als auch aus der Veräußerung des Stroms und die Entnahme für betriebsfremde Zwecke, wie das Aufladen von Elektrofahrzeugen. Auch bei Photovoltaikanlagen, die zum Betriebsvermögen gehören, ist eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG möglich, einschließlich der Veräußerung oder Entnahme der Anlage aus dem Betriebsvermögen.

Folgen der Steuerbefreiung

Die steuerrechtlichen Konsequenzen der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 72 EStG sind weitreichend. Diese Regelung gilt für alle Photovoltaikanlagen, die die festgelegten Bruttoleistungsgrenzen nicht überschreiten, einschließlich der bereits installierten Anlagen. Ein Wahlrecht besteht in diesem Zusammenhang nicht.

Für Steuerpflichtige oder Mitunternehmerschaften, die aufgrund dieser Regelung ausschließlich steuerfreie Einnahmen erzielen, entfällt die Notwendigkeit einer Gewinnermittlung. Jedoch ist es ebenso nicht möglich, steuerliche Verluste geltend zu machen.

Betriebsausgabenabzugsverbot

Im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen nach § 3 Nr. 72 EStG ist das Betriebsausgabenabzugsverbot gemäß § 3c Abs. 1 EStG besonders zu beachten.

Dieses Verbot gilt für alle Ausgaben, die in direktem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb von steuerbefreiten PV-Anlagen stehen, aus denen steuerfreie Einnahmen erzielt werden. Allerdings gibt es hier eine wichtige Ausnahme: Wird der Strom aus einer steuerbefreiten Anlage direkt im eigenen Betrieb verbraucht, so greift das Abzugsverbot nicht, und die Betriebsausgaben bleiben voll abzugsfähig.

Für den Fall, dass der Strom in einem anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen genutzt wird, muss individuell geprüft werden, ob es sich um einen oder zwei separate Betriebe handelt. Liegen zwei separate Betriebe vor, fällt der Stromtransfer unter die Steuerbefreiung, und die Betriebsausgaben für die PV-Anlage sind in diesem Umfang nicht abzugsfähig.

Interessant ist, dass im Falle einer Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft keine anteilige Belastung der steuerpflichtigen natürlichen Person erfolgt, was diese Regelung zu einer Art Freigrenze macht.

Investitionsabzugsbetrag, § 7g EStG

Im Bereich der Photovoltaikanlagen gibt es eine wichtige Klarstellung seitens der Finanzverwaltung hinsichtlich des Investitionsabzugsbetrags. Laut dem BMF-Schreiben vom 15. Juni 2022 ist eine Inanspruchnahme des IAB für Photovoltaikanlagen, die unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG fallen, nicht möglich. Dies betrifft Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2021 enden, da in solchen Fällen kein Gewinn mehr ermittelt wird.

Für Investitionsabzugsbeträge, die in Wirtschaftsjahren vor dem 1. Januar 2022 in Anspruch genommen, aber bis zum 31. Dezember 2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, besteht nach § 7g Abs. 3 EStG die Pflicht zur Rückgängigmachung, sofern in steuerbefreite PV-Anlagen investiert wurde. Eine Ausnahme bildet der Fall, dass die PV-Anlage zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehört, dessen Hauptzweck über die reine Stromerzeugung aus PV-Anlagen hinausgeht. In solchen Fällen bleiben die Regelungen zu den IAB nach § 7g EStG weiterhin anwendbar.

Übertragung oder Überführung von Photovoltaikanlagen

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Übertragung oder Überführung von Photovoltaikanlagen in steuerlicher Hinsicht. Die Finanzverwaltung hat klargestellt, dass eine Übertragung oder Überführung von Photovoltaikanlagen zu Buchwerten gemäß § 6 Abs. 3 oder 5 EStG nicht möglich ist, falls die Anlagen vor diesem Vorgang nicht nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG steuerlich begünstigt waren.

In einem solchen Fall wäre ein eventueller Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn steuerpflichtig. Dies gilt auch, wenn die Anlage nach der Übertragung oder Überführung unter die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG fallen würde.

Gewerbliche Infektion/Abfärbung

Ein weiterer relevanter Aspekt im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG betrifft die gewerbliche Infektion oder Abfärbung. Sobald die festgelegten Anlagegrenzen nicht überschritten werden, entfallen die Voraussetzungen für eine gewerbliche Infektion oder Abfärbung aufgrund der Steuerbefreiung.

Die Finanzverwaltung räumt in diesem Kontext eine Übergangsfrist ein. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wird eine Entnahme vermieden, sofern die stillen Reserven bis spätestens zum 31. Dezember 2023 aus anderen Gründen wieder eingebunden sind. Dies bietet Steuerpflichtigen noch etwas Zeit, um eventuelle steuerliche Nachteile zu vermeiden.

Gewerbesteuer

Die Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen hat auch Auswirkungen auf die Gewerbesteuer. Gemäß § 7 Satz 1 GewStG erstreckt sich die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG ebenfalls auf die Gewerbesteuer. Darüber hinaus wurde § 3 Nr. 32 GewStG so angepasst, dass diese Steuerbefreiung speziell für Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 30 kW anwendbar ist.

In Bezug auf § 35a EStG, welcher Steuerermäßigungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, Dienstleistungen und Handwerkerleistungen regelt, ist zu beachten, dass Photovoltaikanlagen, die unter die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG fallen, als ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben gelten. Dies ermöglicht es, unter bestimmten Voraussetzungen, eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Anspruch zu nehmen.

Hinweis

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Die im BMF-Schreiben festgelegten Grundsätze sind für alle Einnahmen und Entnahmen relevant, die nach dem 31. Dezember 2021 realisiert werden. Für Photovoltaikanlagen, die bis zum 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen wurden, wurde die Frist zur Einreichung des sogenannten 'Liebhabereiantrags' bis zum 31. Dezember 2023 verlängert. Dabei ist auch die Möglichkeit eines wiederholten Antrags gegeben. Für Anlagen, die nach diesem Datum angeschafft wurden, ist eine Antragstellung nicht mehr vorgesehen.

In Fällen, in denen aufgrund der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 72 EStG die Gefahr einer gewerblichen Infektion entfällt, ist ebenfalls die Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Innerhalb dieser Frist bestehen noch Möglichkeiten, die steuerlichen Auswirkungen anzupassen.