Die Gewinnermittlung durch einen Betriebsvermögensvergleich und der Aufstellung einer Bilanz sind sehr kompliziert und erfordern besondere Kenntnisse. Daher sieht das Einkommensteuergesetz für bestimmte Fälle die Gewinnermittlung durch einen Vergleich der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben vor. Der Gewinn wird in diesem Fall grundsätzlich durch eine einfache Zufluss- und Abfluss-Rechnung ermittelt. Der folgende Abschnitt erläutert, wann der Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werden darf und wie dies technisch funktioniert.
Der Gewinn wird bei der Einnahmen-Überschussrechnung durch eine Gegenüberstellung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ermittelt.
Grundsätzlich basiert diese einfache Gewinnermittlung auf der Idee, dass sich die Betriebsvermögensänderungen irgendwann auch in Betriebseinnahmen und -ausgaben niederschlagen müssen. Ein Vorteil der Methode liegt darin, dass zunächst keine Bestände aufgezeichnet werden müssen und somit auch keine Inventur durchgeführt werden muss. Es handelt sich um eine klassische Geldflussrechnung. Das Zufluss- und Abflussprinzip wird in ihr realisiert. Im Unterschied zur Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 oder § 4 Abs. 1 EStG werden Einnahmen und Ausgaben erst erfasst, wenn sie auch tatsächlich fließen.
Beispiel
Johannes Müller ist Arzt und bezahlt die Rechnung für die Getränke im Wartezimmer am 05.10.01. Er hatte die Rechnung bereits am 05.09.01 erhalten. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Berthold Müller ist Versicherungsmakler und ermittelt seinen Gewinn nach § 5 Abs. 1 EStG. Er erhält die Rechnung für die Getränke zum gleichen Zeitpunkt und bezahlt sie auch zum gleichen Zeitpunkt. Berthold muss bereits im September einen Aufwand in Höhe von 500 € erfassen. Er bucht "Aufwand an Verbindlichkeit" bei der Bezahlung am 05.10.01 bucht er "Verbindlichkeit an Bank". Er hat somit bereits im September eine Gewinnwirkung. Johannes Müller erfasst am 05.10.01 eine Betriebsausgabe. Er hat somit erst im Oktober 01 eine Gewinnauswirkung.
Anwendungsbereich der Einnahmen-Überschussrechnung
Der persönliche Anwendungsbereich der Gewinnermittlungsvorschrift des § 4 Abs. 3 EStG ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift: Hiernach haben solche Stpfl. das Wahlrecht ("können"), ihren Gewinn mittels Gegenüberstellung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zu ermitteln, welche nicht gesetzlich verpflichtet sind, Bücher zu führen (bedeutet: Gewinnermittlung durch Bilanzierung).
Gesetzlich wiederum wird die Buchführungspflicht in den §§ 140 f. AO geregelt:
Derivative Buchführungspflicht
Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen zur Buchführung verpflichtet ist, hat dies nach § 140 AO auch für das Steuerrecht zu tun. Als "andere Gesetze" kommt hier in erster Linie das HGB in Betracht, jedoch kann sich die Verpflichtung auch aus einer ausländischen Rechtsnorm ergeben (AEAO zu § 140 S. 4).
Nach HGB wiederum sind alle Kaufleute verpflichtet zu bilanzieren, § 238 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 HGB.
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass solche Stpfl., welche keine Kaufleute sind (Gewerbetreibende mit einem "überschaubaren" Geschäftsbetrieb wie Kioskbetreiber beispielsweise oder solche Stpfl., welche Einkünfte nach § 18 EStG erzielen), ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln dürfen.
Wegen der Vorschrift des § 241a HGB fallen auch die dort genannten Kaufleute unter den Anwendungsbereich der Einnahmen-Überschussrechnung.
Originäre Buchführungspflicht
Gemäß § 141 AO gilt für gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte (also nicht für Stpfl., die Einkünfte nach § 18 EStG erzielen) eine Bilanzierungspflicht, wenn diese die dort genannten Grenzwerte (für Einkünfte aus Gewerbetrieb: dort aufgeführte Umsätze von 600.000 EUR oder Gewinn von mehr als 60.000 EUR) überschreiten und zwar für den Fall, dass das Finanzamt den Stpfl. auf diese Verpflichtung hinweist. Dann gilt die Buchführungspflicht vom Beginn des Wirtschaftsjahres an, welches auf den Hinweis der Finanzverwaltung folgt. Selbstredend ist dieser Hinweis ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO, der mit den Mitteln der AO angegriffen werden kann.
Unterschiede zur Gewinnermittlung durch Bilanzierung im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG bestehen bei der Einnahmeüberschussrechnung einerseits dahingehend, dass hierbei die Grundsätze des Zu- und Abflussprinzips nach § 11 EStG greifen (siehe § 11 Abs. 1 und 2 EStG jeweils letzter Satz, der jeweils nur die Gewinnermittlung nach dem § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG außen vor lässt, d.h. im Umkehrschluss die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG mit einbezieht). Gleichwohl durchbricht auch der Einnahmeüberschussrechner das Zu- und Abflussprinzip beispielsweise bei durchlaufenden Posten oder auch bei der Behandlung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, denn hierbei sind beispielsweise die AfA-Vorschriften oder auch die Vorschriften über die Behandlung von geringwertigen Wirtschaftsgütern zu befolgen, siehe § 4 Abs. 3 S. 3 EStG.
Eine weitere Besonderheit besteht bei den nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wie z. B. bei Grund und Boden oder Wertpapiere bzw. Gebäude des Umlaufvermögens: Hier darf der Überschussrechner den Geldabfluss für den Erwerb dieser Wirtschaftsgüter erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses nach § 4 Abs. 3 S. 4 EStG berücksichtigen.
Beispiel
Der erfolgreiche Steuerberater S ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Da er sich vergrößern will und er auf dem Markt keine für ihn angemessenen Kanzleiräume findet, kauft er kurzerhand ein unbebautes Betriebsgrundstück für 1 Mio. EUR am 02.01.00 (ebenfalls Tag der Überweisung an den Verkäufer) und bebaut dieses mit einem repräsentativen Kanzleigebäude, Herstellungskosten hierfür ebenfalls 1 Mio. EUR, gezahlt in 3 Vorauszahlungen an den inländischen Bauunternehmer B in 00, Fertigstellung am 15.12.00.
Beim GruBo hat S zwar unbestreitbar einen Abfluss in Höhe von 1 Mio. EUR, jedoch liegen hier Anschaffungskosten für ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens vor, weswegen es zum Zeitpunkt des Abflusses vorliegend nach § 4 Abs. 3 S. 4 EStG nicht zu einer gewinnmindernden Betriebsausgabe kommt. Vielmehr ist diese dann zeitgleich mit dem Verkaufspreis anzusetzen, wenn S in ferner Zukunft das Grundstück veräußern sollte.
Auch die Anzahlungen für das Gebäude stellen zwar zunächst Mittelabflüsse dar, da sich diese aber letztlich sich auf den Erwerb eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes beziehen, ist deren Abfluss nicht als Betriebsausgabe zu erfassen, sondern es gehen auch hier die Vorschriften über die AfA vor, § 4 Abs. 3 S. 3 EStG.
Vorliegend ist also die AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG zu bestimmten i.H.v. 3 % p.a. Da das Gebäude erst zum 15.12.00 fertiggestellt war, greift hier § 7 Abs. 1 S. 4 EStG, d.h. die AfA ist zeitanteilig vorzunehmen.
Somit ergibt sich eine AfA für den VZ 00 i.H.v. 3% *1 Mio. EUR *1/12=2500 EUR.
Des Weiteren ist zu beachten, dass es für den Überschussrechner nicht möglich ist, beispielsweise Rückstellungen oder auch Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden, da hier § 4 Abs. 3 EStG keine Aussagen macht, d.h. hier fallen Betriebsausgaben erst bei dem tatsächlichen Abfluss an. Bezüglich der § 6b-Rücklage hat der Gesetzgeber eine Spezialvorschrift in § 6c EStG geschaffen.
Nun betrachten wir in den folgenden Lernvideos nochmals das Zu- und Abflussprinzip und zwar bei der Aufrechnung und dem Erlass sowie bei Ärztehonoraren.