Unentgeltlicher Erwerb
Bei einem unentgeltlichen Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger oder dem Gesamtrechtsnachfolger die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG, vgl. auch H 23 "Veräußerungsfrist" EStH).
Beispiel
Peter hat im März 05 ein Mietgrundstück erworben. Im Juli 10 schenkt er das Grundstück seinem Sohn Dieter. Der Sohn veräußert das Grundstück Ende Mai 11.
Lösung:
Dieter muss sich als Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung von seinem Vater zurechnen lassen (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG). Ausgehend vom Zeitpunkt der Anschaffung durch Peter im März 05 erfolgt die Veräußerung des Grundstücks durch Dieter innerhalb der Zehnjahresfrist, so dass sie unter § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG fällt.
Teilentgeltlicher Erwerb
Erfolgt ein Rechtsträgerwechsel nicht voll unentgeltlich, ist der Vorgang im Verhältnis des Verkehrswerts zur Gegenleistung in eine voll entgeltliche und eine voll unentgeltliche Übertragung aufzuteilen, Beck`sche "Steuererlasse" 1 § 23/1, Rz. 30 f.
Fälle des teilentgeltlichen Erwerbs sind z. B.;
- Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Zahlung eines Gleichstellungsgeldes, gegen Abstandszahlung an den Übergeber oder gegen Übernahme einer Verbindlichkeit
- Erwerb im Wege der Erbauseinandersetzung gegen Abfindungszahlung
- Erwerb in Erfüllung eines Vermächtnisses, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung nicht ausgleicht (BFH-Urteil vom 29.06.2011, BStBI II 2011, 873)
Infolgedessen kann für die Anwendung des § 23 EStG dadurch sowohl hinsichtlich des entgeltlich erworbenen Teils als auch des unentgeltlich erworbenen Teils ein steuerbarer Tatbestand vorliegen.
Beispiel
X überträgt am 15.01.2020 an Y ein in 2011 erworbenes unbebautes Grundstück für 200.000 EUR. Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt 400.000 EUR. Vorliegend sind sich X und Y darüber einig, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Am 15.01.2022 verkauft Y das Grundstück für 350.000 €.
Bei der Übertragung X an Y ist von einer gemischten Schenkung auszugehen, da der Wert der Gegenleistung von 200.000 EUR deutlich den Wert des Grundstücks von 400.000 EUR übersteigt:
1/2 entgeltlich
1/2 unentgeltlich
Durch die Veräußerung in 2020 erzielt X sonstige Einkünfte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, soweit eine entgeltliche Veräußerung vorliegt.
Somit sind dem Veräußerungspreis nur die halben Anschaffungskosten gegenüberzustellen.
Soweit eine unentgeltliche Veräußerung vorliegt, ist der Sachverhalt mangels Einschlägigkeit des § 23 EStG ertragsteuerlich unbeachtlich.
Die Übertragung durch Y ist ebenfalls zweizuteilen.
- Bzgl. des entgeltlich erworbenen Teils (50 %) ist die Veräußerung innerhalb der
10-Jahres-Frist nach der Anschaffung in 2020 erfolgt. - Bzgl. des unentgeltlich erworbenen Teils (50 %) ist die Veräußerung außerhalb der
10-Jahres-Frist nach der Anschaffung in 2011 (maßgebende Anschaffung durch
Rechtsvorgänger, § 23 Abs. 1 S. 3 EStG) erfolgt.