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Einkommensteuer

Verluste in der Einkommensteuer

Verluste in der Einkommensteuer

Ein wesentliches Element in der steuerlichen Betrachtung sind die Verluste. Diese Aussage mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, ist jedoch in Fachkreisen von Steuerberatern weit verbreitet und birgt zumindest in einem Punkt Wahrheit.

Im Gegensatz zu anderen rechtlichen Bereichen gelten Verluste im Steuerrecht nicht als Negativposten in der Bilanz der Steuerpflichtigen, sondern vielmehr als anstrebenswerte Zahlen. Die allgemein verständliche Deutung dieser Verluste als abzugsfähige Posten in der Steuererklärung, um die persönliche Steuerlast zu reduzieren oder sogar auf null zu setzen, inspiriert zu einer Kreativität in der steuerlichen Gestaltung, die in dieser Form wohl einzigartig innerhalb der gesamten Rechtsordnung ist. Besonders im Unternehmensbereich, etwa bei Sanierungen oder Umstrukturierungen, ist das Bewahren der ursprünglichen Verlustvorträge für die neuen juristischen Personen eines der Hauptziele.

Im deutschen Steuerrecht spielt die Verlustverrechnung eine entscheidende Rolle, basierend auf dem objektiven Leistungsfähigkeitsprinzip. Sie ermöglicht es, negative Einkünfte in Form des horizontalen und vertikalen Verlustausgleichs sowie des Verlustvortrags und -rücktrags zu berücksichtigen. Dieser Mechanismus ist essenziell, um das Leistungsfähigkeitsprinzip über das gesamte Lebenseinkommen eines Steuerpflichtigen hinweg umzusetzen. Der Wegfall einer interperiodischen Verlustverrechnung würde diese Umsetzung gefährden.

Verlustausgleich im Selben Jahr

Im Rahmen der Einkommensteuer gibt es sieben Arten steuerpflichtiger Einkünfte, darunter Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft sowie sonstige Einkünfte wie Renten. Innerhalb einer Einkunftsart werden alle positiven und negativen Einkünfte verrechnet (horizontaler Verlustausgleich).

Beispiel

Ein Steuerzahler besitzt zwei Wohnungen. Mit der ersten erzielt er 01 einen Überschuss von 5.000 Euro, mit der zweiten einen Verlust von 8.000 Euro. Insgesamt resultiert daraus ein Verlust von 3.000 Euro bei den Vermietungseinkünften.

Verrechnung der Verluste Zwischen den Einkunftsarten

Neben dem horizontalen Verlustausgleich gibt es den vertikalen Verlustausgleich, bei dem Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten miteinander verrechnet werden.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer mit einem Jahresgehalt von 35.000 Euro gründet eine Firma, die im ersten Jahr einen Verlust von 10.000 Euro verzeichnet. Das Finanzamt verrechnet beide Beträge, sodass der Gesamtbetrag der Einkünfte 25.000 Euro beträgt.

Besonderheiten und Einschränkungen

Die Verlustverrechnung wird jedoch nur akzeptiert, wenn eine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt wird. Fehlt diese, wie im Fall der sogenannten "Liebhaberei", werden weder Verluste noch Gewinne steuerlich berücksichtigt. Für die Anerkennung von Anlaufverlusten kann das Finanzamt eine Prognoserechnung verlangen, um die Gewinnabsicht zu bestätigen.

Für Verluste aus Einkünften aus Kapitalvermögen, geregelt in § 20 Abs. 6 S.1 EStG, gilt ein spezielles Verrechnungsverbot. Diese Regelung ist steuersystematisch korrekt, da sie keinem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip darstellt.

Zusammenfassung und Technische Umsetzung

Die Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, sowohl horizontal als auch vertikal, ist ein komplexes, aber wesentliches Instrument, das die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen adäquat widerspiegelt. Das nachfolgende Kapitel zeigt detailliert auf , unter welchen Voraussetzungen und bis zu welcher Höhe eine Verlustverrechnung möglich ist und wie diese technisch funktioniert.

Verlustausgleich, § 2 Abs. 3 EStG

Negative Einkünfte aus einer Einkunftsart stellen einen Verlust dar. Verluste einer Einkunftsart sind mit positiven Einkünften derselben Einkunftsart verrechenbar. Man spricht vom horizontalen Verlustausgleich. Wenn dann noch ein Verlust übrig bleibt, so können die Verluste mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, dies nennt man vertikalen Verlustausgleich.

Bei der Ermittlung der Einkünfte ist die Summe der Einkünfte auszurechnen. Die Summe der Einkünfte ist der Saldo der Zusammenrechnung der einzelnen Einkünfte. Im ersten Schritt sind im Rahmen des horizontalen Verlustausgleichs zunächst die negativen Einkünfte einer Einkunftsart mit den positiven Einkünften derselben Einkunftsart auszugleichen. Im nächsten Schritt sind die Einkünfte aus den verschiedenen Einkunftsarten miteinander (sogenannter vertikaler Verlustausgleich) zu verrechen.

Der innerperiodische Verlustausgleich und die positive Summe der Einkünfte

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Beispiel

Der Steuerpflichtige A besitzt zwei vermietete Wohnimmobilien. Mit Immobilie 1 erzielt er einen Überschuss von 50.000 EUR, während Immobilie 2 einen Verlust von 20.000 EUR erwirtschaftet.

Im Rahmen des horizontalen Verlustausgleichs (innerhalb derselben Einkunftsart, hier Vermietung und Verpachtung) kann A die Ergebnisse saldieren. Dadurch reduziert sich das Einkommen aus Vermietung und Verpachtung auf 30.000 EUR.

Beispiel

Der Steuerpflichtige A erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 20.000 EUR. Zusätzlich betreibt er einen Getränkehandel, der jedoch ein Verlustgeschäft war, sodass hier ein Verlust von 10.000 EUR entstanden ist.

Im Rahmen des vertikalen Verlustausgleichs (zwischen verschiedenen Einkunftsarten, hier Vermietung und Verpachtung sowie Gewerbebetrieb) kann A die beiden Ergebnisse saldieren. Dadurch ergibt sich eine Summe der Einkünfte von 10.000 EUR.

Beispiel

Der Steuerpflichtige Hans erzielt im Jahr 04 einen Veräußerungsgewinn durch den Verkauf des Unternehmens A in Höhe von 200.000 € und erleidet gleichzeitig einen laufenden Verlust aus einem weiteren Unternehmen B von 70.000 €. Zusätzlich hat er einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft (L+F) in Höhe von 40.000 € und einen nicht zu beanstandenen Verlust aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses von 150.000 €.

Ermitteln Sie die Summe der Einkünfte.

Lösung:

Der horizontale Verlustausgleich

Die Einkünfte des H betragen im Jahr 04:

Einkünfte gemäß § 15 EStG: + 130.000 € (200T€ gemäß § 16 EStG abzüglich 70.000 € gemäß § 15 EStG),
Einkünfte gemäß § 13 EStG: + 40.000 €,
Einkünfte gemäß § 21 EStG: - 150.000 €.

Zuerst erfolgt der horizontale Verlustausgleich innerhalb von § 15 EStG. Nach R 34.1 Abs. 3 EStR nehmen die außerordentlichen Einkünfte des § 16 EStG sowohl am horizontalen als auch am vertikalen Verlustausgleich teil.

Hingegen werden spezifische steuerliche Befreiungen, wie Freibeträge bei Aufgabe- oder Veräußerungsgewinnen nach § 16 Abs. 4 EStG und steuerfreie Einnahmen gemäß § 3 EStG, nicht in die Verlustverrechnung einbezogen (entsprechend dem BFH-Urteil vom 29.07.1966, BStBl III 1966, 544). Demnach belaufen sich die gewerblichen Einkünfte des H auf +130.000 € (nach § 15 EStG).

Der vertikale Verlustausgleich

Die positiven und negativen Ergebnisse miteinander saldiert. Dies ergibt die Summe der Einkünfte.

Einkünfte gemäß § 15 EStG: + 130.000 €
Einkünfte gemäß § 13 EStG: + 40.000 € 
Einkünfte gemäß § 21 EStG: - 150.000 €

Summe der Einkünfte:            20.000 € 


Anmerkungen: Zur Berechnung der ESt nach §34 Abs. 1EStG bei negativem verbleibenden z. v.E. und den Einkünften mit Progressionsvorbehalt s. BFH vom 17.01.2008, BStBl II 2011, 21 und vom 11.12.2012, BStBl II 2013, 370; vgl. das auch das Beispiel4 in H 34.2 "Berechnungsbeispiele" EStH.

Der innerperiodische Verlustausgleich und die negative Summe der Einkünfte

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Für die Reihenfolge des Verlustausgleichs gilt, dass zunächst der horizontale und dann der vertikale Verlustausgleich durchzuführen ist.

Wenn die Verluste die positiven Einkünfte übersteigen, dann kann ein Verlustabzug in Form eines Verlustrücktrags oder eines Verlustvortrags nach § 10d EStG erfolgen. 

Interperiodischer Verlustausgleich

Der interperiodische Verlustausgleich ermöglicht es, nicht ausgeglichene negative Einkünfte aus einem Veranlagungszeitraum mit positiven Einkünften aus anderen Veranlagungszeiträumen zu verrechnen. Dieser Ausgleich erfolgt entweder durch:

  • Verlustrücktrag

Die negativen Einkünfte werden auf den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum übertragen und dort mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet. Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 gilt für den Verlustrücktrag ein Höchstbetrag von 1 Million Euro bei Einzelveranlagung bzw. 2 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung (§ 10d Abs. 1 EStG). Der Verlustrücktrag hat Vorrang vor dem Verlustvortrag und anderen Abzugsbeträgen.

  • Verlustvortrag

Können Verluste nicht vollständig durch den Verlustrücktrag ausgeglichen werden, werden die verbleibenden negativen Einkünfte in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen (§ 10d Abs. 2 EStG). Hierbei erfolgt die Verrechnung mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte künftiger Jahre, ebenfalls unter Beachtung gesetzlicher Höchstbeträge.

Der interperiodische Verlustausgleich stellt sicher, dass Verluste steuerlich berücksichtigt werden können, auch wenn ein Ausgleich innerhalb des aktuellen Veranlagungszeitraums nicht möglich ist. Dadurch wird eine zeitlich flexible Verlustverrechnung ermöglicht, die steuerliche Belastungen nachhaltig reduziert.

Hinweis

Innerperiodischer Verlustausgleich

Verluste werden innerhalb desselben Veranlagungszeitraums mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet (horizontal und/oder vertikal gem. § 2 Abs. 3 EStG).

Interperiodischer Verlustausgleich

Verluste, die nicht vollständig im aktuellen Veranlagungszeitraum ausgeglichen werden können, werden auf andere Veranlagungszeiträume vor- oder zurückgetragen (§ 10d EStG). Das umfasst den Verlustrücktrag in frühere Jahre und den Verlustvortrag in spätere Jahre.

Höchstgrenzen ab dem Veranlagungszeitraum 2024

Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 gelten neue Höchstgrenzen für den Verlustrücktrag. Negative Einkünfte können bis zu einem Betrag von 1 Million Euro bei Einzelveranlagung bzw. 2 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung mit positiven Einkünften des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums verrechnet werden (§ 10d Abs. 1 EStG). Auch wenn der Verlustrücktrag in Anspruch genommen wird, hat er Vorrang vor dem Abzug von Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und anderen Abzugsbeträgen. Falls ein vollständiger Ausgleich im Vorjahr nicht möglich ist, bleibt der Verlustrücktragszeitraum auf zwei Jahre erweitert. Ein teilweiser Verzicht auf den Verlustrücktrag ist nicht möglich; der Verzicht kann nur noch vollständig erklärt werden.

Hinweis

Für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2023 galten erhöhte Höchstbeträge. In diesem Zeitraum konnten bis zu 10 Millionen Euro bei Einzelveranlagung und bis zu 20 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung im Rahmen des Verlustrücktrags geltend gemacht werden. Auch hier war der Verlustrücktrag gegenüber Sonderausgaben und anderen Abzügen vorrangig.

Beispiel

Herr und Frau Müller sind zusammenveranlagte Ehegatten. Im Jahr 02 haben sie gemeinsam einen Verlust von 15 Millionen Euro in ihrem Gewerbebetrieb erlitten. Ihr Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr 01 belief sich auf 18 Millionen Euro.

Nach der ab 2024 geltenden Rechtslage können Herr und Frau Müller bis zu 2 Millionen Euro des Verlustes im Rahmen des Verlustrücktrags mit ihren Einkünften aus dem Jahr 01 verrechnen. Dadurch reduziert sich ihr steuerpflichtiges Einkommen im Jahr 01 auf 16 Millionen Euro (18 Millionen Euro - 2 Millionen Euro).

Der verbleibende Verlust von 13 Millionen Euro wird in die folgenden Jahre vorgetragen (§ 10d Abs. 2 EStG). Ein Verlustrücktrag über zwei Jahre ist ab 2022 grundsätzlich möglich, aber aufgrund der Höchstgrenze von 2 Millionen Euro für zusammenveranlagte Ehegatten bleibt ein wesentlicher Teil des Verlustes für den Verlustvortrag erhalten.

Da der Verlustrücktrag Vorrang vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und anderen Abzügen hat, wird dieser Betrag zuerst verrechnet, bevor weitere Abzüge berücksichtigt werden.

 

Verlustabzug

Mit der Systematik des § 10d EStG können Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen worden sind, wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Dieser Verlustabzug durchbricht die periodenbezogene Betrachtung, somit werden Verluste aus anderen Veranlagungszeiträumen berücksichtigt.

Beispiel

Nehmen wir an, Herr Meier ist selbständiger Grafikdesigner. Im Jahr 02 hat er einen Verlust von 50.000 Euro erlitten, da die Auftragslage aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten schlecht war. Sein Gesamtbetrag der Einkünfte für das Jahr 01 betrug hingegen 80.000 Euro.

Nach § 10d EStG kann Herr Meier seinen Verlust von 02 in Höhe von 50.000 Euro vom Gesamtbetrag seiner Einkünfte des Jahres 01 abziehen. Dies reduziert sein steuerpflichtiges Einkommen für das Jahr 01 von 80.000 Euro auf 30.000 Euro (80.000 Euro - 50.000 Euro).

Dieser Verlustabzug durchbricht die übliche Abschnittsbesteuerung, indem er es Herrn Meier ermöglicht, seinen Verlust aus dem Jahr 02 mit den positiven Einkünften aus dem Jahr 01 zu verrechnen. Somit kann er von der steuerlichen Entlastung profitieren, die durch den Verlustabzug entsteht, und seine Steuerlast für das Jahr 01 reduzieren. 

Der Verlustabzug gemäß §10d EStG

Negative Einkünfte, die nach § 2 Abs. 3 EStG nicht ausgeglichen werden können, müssen entweder vom Gesamtbetrag der Einkünfte des vorangegangenen Jahres (durch Verlustrücktrag) oder von den Einkünften der nachfolgenden Veranlagungszeiträume (durch Verlustvortrag) abgezogen werden, wie in § 10d EStG festgelegt. In der gesetzlichen Umsetzung wird der Verlustrücktrag (nach Abs. 1) vor dem Verlustvortrag (nach Abs. 2) priorisiert, was sich aus der Reihenfolge der Absätze auch ergibt.

Der im § 10d EStG normierte Verlustabzug gewährt also die Verrechnung von erlittenen Verlusten mit positiven Einkünften des Steuerpflichtigen. Bei einem überperiodischen Verlustabzug ist also zwischen einem Verlustrücktrag und einem Verlustvortrag zu unterscheiden.

Dabei gilt es zu beachten, dass nicht ausgeglichene Verluste "vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen" sind. Der vorzunehmende Verlustabzug erfolgt somit nach der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (vgl. auch das Berechnungsschema in R 2 Abs. 1 EStR). Mit dieser gesetzlich vorgeschriebenen Vorgehensweise gehen alle weiteren Abzüge des betreffenden Abzugsjahres, wie z. B. Sonderausgaben, endgültig verloren.

Hinweis

Eine früher mögliche Beschränkung des Verlustrücktrags ist ab VZ 2022 nicht mehr möglich. 

§ 10d Abs. 1 S. 1 EStG ab 01.01.2024: Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind bis zu einem Betrag von 1 000 000 Euro, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag von 2 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag).

 

Verluste ab VZ 2022

 

Verlustrücktrag

Der Verlustrücktrag ermöglicht es Steuerpflichtigen, negative Einkünfte mit positiven Einkünften der vorangegangenen Veranlagungszeiträume zu verrechnen, um die steuerliche Belastung zu mindern. Ziel ist es, Liquidität zu schaffen und steuerliche Nachteile aus Verlustjahren auszugleichen.

Höchstbeträge ab 2024

Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 beträgt der Höchstbetrag für den Verlustrücktrag:

  • 1 Million Euro bei Einzelveranlagung,
  • 2 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung.

Diese Regelung markiert eine Rückkehr zu den ursprünglichen Betragsgrenzen, nachdem in den Veranlagungszeiträumen 2020 bis 2023 vorübergehend höhere Höchstbeträge von 10 Millionen Euro (Einzelveranlagung) bzw. 20 Millionen Euro (Zusammenveranlagung) galten.

Zeitraum des Verlustrücktrags

Der Verlustrücktrag wurde dauerhaft auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausgeweitet. Verluste, die in einem Jahr entstehen, können somit auf beide vorherige Jahre verteilt werden, sofern dort Einkünfte vorhanden sind.

Verzicht auf den Verlustrücktrag

Seit 2022 ist ein teilweiser Verzicht auf den Verlustrücktrag nicht mehr zulässig. Steuerpflichtige haben nur die Möglichkeit, entweder den gesamten Verlust rückzutragen oder den Verlust vollständig in zukünftige Veranlagungszeiträume vorzutragen.

Vorrang des Verlustrücktrags

Der Verlustrücktrag wird vorrangig vor anderen Abzugsbeträgen berücksichtigt, darunter:

  • Sonderausgaben,
  • außergewöhnliche Belastungen.

Falls der Verlustrücktrag das Einkommen auf null oder unter den Grundfreibetrag senkt, können Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen steuerlich nicht wirksam werden, da ein Vor- oder Rücktrag dieser Positionen nicht möglich ist.

Anwendung auf Einkommensteuer und Körperschaftsteuer

Die Regelungen zum Verlustrücktrag gelten sowohl für die Einkommensteuer als auch für die Körperschaftsteuer. Insbesondere für Unternehmen und Gesellschafter von Personengesellschaften ist der Verlustrücktrag eine wichtige Option zur steuerlichen Gestaltung.

 

Beispiel

Herr Müller ist Einzelunternehmer und hat im Jahr 03 einen Verlust von 100.000 Euro erlitten. Im Vorjahr 02 erzielte er jedoch einen hohen Gewinn von 200.000 Euro. Herr Müller entscheidet sich für einen vollständigen Verlustrücktrag, da dies ihm eine sofortige Steuerrückerstattung für das Jahr 02 ermöglicht, was seine Liquidität deutlich verbessert. Würde er auf den Verlustrücktrag verzichten, könnte er keine sofortige Steuererleichterung nutzen.

Beispiel

Herr Müller erwirtschaftet im Jahr 03 einen Verlust von 50.000 Euro. Für das Jahr 02 wurde jedoch keine Veranlagung durchgeführt. Trotz des entstandenen Verlustes im Jahr 03 kann dieser Verlust nicht in einem anderen Veranlagungszeitraum geltend gemacht werden, da für 02 keine Veranlagung vorliegt. Dies bedeutet, dass das Potenzial des Verlustabzugs (im Form eines Verlustrücktrags) verloren geht.

Beispiel

Die ABC GmbH erleidet im Geschäftsjahr 03 einen Verlust von 150.000 Euro. Als Kapitalgesellschaft hat die ABC GmbH keine Möglichkeit, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die GmbH steht vor der Entscheidung, entweder den Verlust komplett in die kommenden Veranlagungszeiträume vorzutragen oder einen vollständigen Verlustrücktrag durchzuführen. Da Kapitalgesellschaften keine Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen geltend machen können, hängt die Entscheidung vor allem von der Liquiditätsplanung und den Gewinnerwartungen in den folgenden Jahren ab.

Verlustrücktrag bei Eheleuten

Bei zusammenveranlagten Ehegatten wird zunächst ein vertikaler Verlustausgleich beim Ehegatten mit negativen Einkünften in einer Einkunftsart vorgenommen und dann erfolgt ein Ausgleich mit positiven Einkünften des anderen Ehegatten. Wenn ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte verbleibt, ist der Verlustvortrag gesondert festzustellen. Bei der Feststellung sind die negativen Einkünfte im Verhältnis der Verlustverteilung unter den Ehegatten im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung auf die Ehegatten zu verteilen.

Wenn ein Verlustrücktrag vorliegt und die Ehegatten im Jahr des Rücktrags noch nicht verheiratet waren, so hat der Ehegatte, der den Verlust erlitten hat, ein Wahlrecht für den Verlustrücktrag. Wenn ein Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG vor der Eheschließung entstanden ist, so kann der Verlustvortrag auch in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen im Rahmen der Zusammenveranlagung verwertet werden.

Bei Erbfällen können die Verluste des Erblassers nur in dessen Verlustausgleich nach § 2 Abs. 3 EStG eingehen. Eine Berücksichtigung beim Erben bei der Veranlaung des Erbens ist nicht möglich (R 10d Abs. 9 S. 1 und S. 2 EStR).

Bei Ehegatten mit einer Zusammenveranlagung kann im Todesjahr jedoch ein Verlustausgleich stattfinden. Wenn die Ehegatten auch im Jahr vor dem Tod zusammenveranlagt worden sind, dann ist auch ein Verlustrücktrag möglich. In Fällen der Einzelveranlagung für den Veranlagungszeitraum vor dem Tod ist ein Verlustrücktrag nur für die Veranlagung des Erblassers möglich. Wenn eine Zusammenveranlagung im VZ vor dem Todesveranlagungszeitraum stattgefunden hat, dann ist ein Verlustrücktrag möglich (§ 62d Abs. 2 S. 1 EStDV).

Für den hinterbliebenen Ehegatten sind für den Verlustvortrag und die Anwendung der Mindestbesteuerung nach § 10d EStG nur die ihm zuzurechnenden nicht ausgeglichen Verluste relevant.

Verlustvortrag

Die nicht ausgeglichenen Verluste, die im Jahr ihrer Entstehung nicht mit positiven Einkünften verrechnet werden konnten, werden in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen. Dies umfasst auch Verluste, die nicht in das vorangegangene Jahr zurückgetragen wurden oder bei denen der Steuerpflichtige auf einen Rücktrag verzichtet hat.

Verlustvortrag und seine Begrenzungen

Der Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 2 EStG umfasst alle Verluste unabhängig von der Einkunftsart, außer bei Einkünften, die speziellen Verlustverrechnungsbeschränkungen unterliegen. Der Verlustvortrag ist bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro uneingeschränkt möglich, darüber hinaus jedoch nur bis zu 70 % des diesen Betrag übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte. 

Bei Zusammenveranlagung erhöht sich der Betrag auf 2.000.000 €. Der Verlustvortrag am Ende eines Veranlagungszeitraums ist nach § 10d Abs. 4 EStG gesondert festzustellen. Die Feststellungsfrist für den Verlustvortrag endet erst, wenn die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum, für den der Verlustvortrag festzustellen ist, abgelaufen ist.

Es gibt keine zeitliche Begrenzung für den Verlustvortrag. Die sogenannte Mindestbesteuerung, die die zeitliche Streckung der Verlustabzugsfähigkeit vorsieht, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, solange die Abziehbarkeit der Verluste nicht grundsätzlich und dauerhaft ausgeschlossen ist.

Beispiel

Herr Meyer kann von dem im VZ 02 erzielten negativen Gesamtbetrag der Einkünfte von 13 Mio. EUR nur 10 Mio. EUR in den VZ 01 zurücktragen. Der darüberhinausgehende Betrag von 3 Mio. EUR Verlust aus dem Jahr 02 ist zwingend in den VZ 03 vorzutragen.

Wenn Herr Meyer im VZ 03 einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 5 Mio. EUR erzielen sollte, so kann er hiervon zunächst 1 Mio. von den verbleibenden 3 Mio. EUR Verlustvortrag verrechnen, darüber hinaus max. 70 % von 4 Mio. EUR (denn 4 Mio. EUR sind "der 1 Mio. EUR übersteigende Gesamtbetrag der Einkünfte im VZ 02"), also 2,8 Mio. EUR, somit kann also M die vorliegend nicht in 02 abziehbaren Verlusten von 3 Mio. EUR in voller Höhe im VZ 03 abziehen.

Insgesamt können somit 3,8 Mio. EUR an Verlusten verrechnet werden. Da der Verlustvortrag aus dem VZ 02 nur 3 Mio. EUR beträgt, kann dieser in voller Höhe im VZ 03 abgezogen werden.

 VZ 03

Gesamtbetrag der Einkünfte

5.000.000 €

§ 10d Abs. 2 S. 1 HS 1 EStG

1.000.000 €

§ 10d Abs. 2 S. 1 HS 2 EStG

((5 Mio. -1 Mio.) x 70%=) max. weitere 2,8 Mio. €,
beschränkt auf die restlichen (3 Mio. - 1. Mio.=) 2 Mio €.

2.000.000 €

Einkommen, § 2 Abs. 4 EStG

2.000.000 €

Verlustausgleichsbeschränkungen

In der Einkommensteuer existieren spezielle Beschränkungen zur Verlustverrechnung, bei denen Verluste, entgegen der allgemeinen Regel der Verrechnung mit anderen Einkünften, innerhalb ihrer eigenen Einkunftsart verbleiben.

Die zahlreichen Regelungen im EStG, welche die Verlustverrechnung einschränken oder untersagen, lassen sich in einer Art Überblick zusammenfassen:

Verlustverrechnungsbeschränkungen

Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 3 S. 7 und S. 8 EStGFür die jeweiligen Beschränkungen gelten gesonderte Feststellungen der entsprechenden Verluste. § 10d Abs. 4 EStG ist analog anzuwenden.

§ 10d EStG und die Verlustverrechnungskreise

Eine spezifische Herausforderung ergibt sich aus dem Zusammnespiel zwischen § 10d EStG und bestimmten Verlustverrechnungsbereichen wie § 2b a.F., § 15 Abs. 4, § 22 Nr. 3 und § 23 EStG. Hierzu hat das Bundesministerium der Finanzen am 29.11.2004 (IV C 8 – S 2225 – 5/04) festgelegt, dass die Begrenzung des Abzugs gemäß § 10d Abs. 2 EStG sowohl bei Verlustvorträgen als auch innerhalb dieser speziellen Verrechnungsbereiche anzuwenden ist.

Die Begrenzung des Abzugs nach § 10d Abs. 2 EStG muss sowohl bei der Durchführung des Verlustvortrags nach § 10d Abs. 2 EStG als auch innerhalb der speziellen Verrechnungskreise berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang bilden die Einkünfte aus § 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie den Sätzen 3 bis 5 und 6 bis 8 EStG jeweils eigenständige, spezielle Verrechnungskreise.

Folgendes Beispiel wurde gebildet:

Einkünfte (§ 21 EStG) 5.000.000 EUR
Einkünfte ( § 22 Nr. 2, 23 EStG) 2.500.000 EUR
Verlustvortrag (§ 22 Nr. 2, 23 EstG) 2.000.000 EUR
Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG 4.000.000 EUR
Besonderer Verrechnungskreis
Einkünfte (§§ 22 Nr.2, 23 EStG) 2.500.000 EUR2.500.000 EUR
Abziehbarer Betrag (§ 10d Abs. 2 EStG)
Sockelbetrag1.000.000 EUR 
zzgl. 70 % des verbleibenden Betrages von 1 500 000 €
 
1.050.000 EUR 
maximal abziehbar2.050.000 EUR 
vorhandener Verlustvortrag §§ 22, 23 EStG 2.000.000 EUR 
Abziehbarer Betrag 2.000.000 EUR
In den Gesamtbetrag der Einkünfte (G.d.E.) eingehender Gewinn 500.000 EUR
G.d.E.
Einkünfte (§ 21 EStG) 5 000 000 €
Einkünfte (§§ 22, 23 EStG) 500 000 € 
G.d.E. 5 500 000 €
Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG
G.d.E. 5 500 000 € 
Abziehbarer Betrag (§ 10 Abs. 2 EStG)/Berechnung
Sockelbetrag1 000 000 € 
zzgl. 70 % von 4 500 000 € (verbleibender Betrag) 3 150 000 € 
maximal abziehbar 4 150 000 € 
vorhandener Verlustvortrag (§ 10d EStG) 4 000 000 € 
Abziehbarer Betrag 4 000 000 €
Ergebnis (G.d.E. nach Verlustabzug) 1 500 000 €

 

Gesonderte Verlustfeststellung, § 10d Abs. 4 EStG

Werden Verluste in einem Veranlagungszeitraum nicht vollständig mit positiven Einkünften verrechnet, so sind diese am Ende des Veranlagungszeitraums als verbleibender Verlustvortrag gesondert festzustellen. Diese Feststellung erfolgt gemäß § 10d Abs. 4 EStG und dient der Dokumentation der nicht verbrauchten Verluste, die in den folgenden Veranlagungszeiträumen genutzt werden können.

Vorgehen und Zweck der Verlustfeststellung

Verluste, die nicht innerhalb des Veranlagungszeitraums ausgeglichen werden können, werden vom Finanzamt am Schluss des Veranlagungszeitraums gesondert festgestellt. Ziel ist es, die verbleibenden Verluste transparent und rechtssicher für zukünftige Verrechnungen zu dokumentieren. Der Verlust wird in einem eigenständigen Verlustfeststellungsbescheid ausgewiesen, der unabhängig vom Einkommensteuerbescheid angefochten werden kann.

Beispiel

Ein Unternehmen erlitt im Veranlagungszeitraum 01 einen Verlust von 100.000 Euro. Dieser Verlust konnte innerhalb des Jahres nicht vollständig mit positiven Einkünften verrechnet werden. Am Ende des Veranlagungszeitraums 01 wird daher der noch ungenutzte Teil des Verlustes, sagen wir 40.000 Euro, als verbleibender Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG separat festgestellt. Die Frist für diese Feststellung endet erst mit Ablauf der Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 01.

 Frist für die Verlustfeststellung

Die Feststellungsfrist für den Verlustvortrag ist mit der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer gekoppelt. Sie endet nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum, in dem der verbleibende Verlust festgestellt wurde (§ 10d Abs. 4 Satz 6 EStG)

Zusammenfassung

Die gesonderte Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 EStG stellt sicher, dass nicht verrechnete Verluste rechtlich verbindlich für zukünftige Veranlagungszeiträume dokumentiert werden. Sie dient der Wahrung der steuerlichen Ansprüche der Steuerpflichtigen und bietet Flexibilität für die Verlustverrechnung in späteren Jahren. Die Kopplung der Feststellungsfrist an die Festsetzungsfrist des zugrunde liegenden Veranlagungszeitraums gewährleistet, dass ungenutzte Verluste nicht unberücksichtigt bleiben.