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Einkommensteuer (Vertiefung)

Betriebsaufgabe - Realteilung, § 16 Abs. 3 EStG

Realteilung

Vereifacht kann gesagt werden, dass eine Realteilung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG vorliegt, wenn Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft ihre gemeinsame Tätigkeit beenden und dabei die Mitunternehmerschaft auflösen und alle Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführen. Die Realteilung ist ein Sonderfall der Betriebsaufgabe, die in § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG geregelt ist. Bei der Realteilung kann, beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, eine Fortführung zu Buchwerten erfolgen.

Der nachfolgende Abschnitt erläutert daher die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen im Rahmen einer Realteilung im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG. Der Abschnitt zur Realteilung stellt insoweit eine ERgänzung zu den Ausführungen nach § 16 EStG unter den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Grundlagenkurs und hier im Vertiefungskurs dar. Sie sollten daher vor dem Bearbeiten dieses Abschnitts mit dem entsprechenden Abschnitt aus dem Grundlagenkurs vertraut sein.

Voraussetzungen

Zentrale Voraussetzung ist der Verbleib der Wirtschaftsgüter in einem Betriebsvermögen. Die Neugründung eines Betriebs durch die Realteilung, indem etwa ein Teilbetrieb auf einen Mitunternehmer übertragen wird und er damit einen eigenständigen Betrieb begründet, ist dabei ausreichend. Die Übertragung in ein Sonderbetriebsvermögen gilt ebenfalls als Betriebsvermögen im Sinne des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG. Nicht als Betriebsvermögen gilt das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, an der einer der Mitunternehmer der aufgelösten Gesellschaft beteiligt ist. Eine Schwestergesellschaft mit Mitunternehmeridentität zur aufgelösten Gesellschaft erfüllt die Voraussetzung ebenfalls nicht.

Die übertragenen Wirtschaftsgüter, Teilbetriebe und Anteile im Rahmen einer Realteilung betreffen das Gesamthandsvermögen der aufgelösten Mitunternehmerschaft (BMF v. 19.12.2018, BStBl. I 2019, S. 6). Andere Betriebsvermögen im Rahmen der Mitunternehmerschaft, insbesondere Sonderbetriebsvermögen I und II, sind hiervon nicht betroffen. Sie werden nach den allgemeinen Vorschriften behandelt. Die 100%-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stellt einen Teilbetrieb dar bzw. wird wie dieser behandelt.

Sperrfrist bei Realteilung durch Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern

Eine weitere Voraussetzung zur Beibehaltung der Buchwerte ist, dass die Wirtschaftsgüter frühestens drei Jahre nach Abgabe der Feststellungserklärung für den Veranlagungszeitraum der Realteilung veräußert werden. Sollte innerhalb der Drei-Jahres-Frist eine Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgen, die im Rahmen der Realteilung übertragen worden sind, ist rückwirkend der gemeine Wert für die Wirtschaftsgüter des Übertragungsvorgangs anzusetzen. Die Entnahme steht einer Veräußerung gleich. Die Veräußerung von Grund und Boden und Gebäuden des Anlagevermögens führt ebenfalls zur rückwirkenden Ansetzung des gemeinen Werts nach § 16 Abs. 3 S. 3 EStG.

Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG ist ein Gewinn, den ein Realteiler erzielt, weil er seinen Betrieb, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, innerhalb der Sperrfrist veräußert, allein diesem Realteiler zuzurechnen. Dabei bleibt es unerheblich, ob die Übertragung der Betriebsgrundlagen innerhalb oder außerhalb der Sperrfrist erfolgt ist.

Die Buchwertfortführung kann niemals für Mitunternehmer eintreten, die Körperschaften, Personenvereinigungen oder sonstige Vermögensmassen sind (§ 16 Abs. 3 S. 4 EStG).

Wesentliche Betriebsgrundlage

Der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage ist ein zentraler Begriff des Unternehmenssteuerrechts, der insbesondere zur Bestimmung des Umfangs von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen sowie zur Definition der sachlichen Verflechtung bei Nutzungsüberlassungen und Betriebsaufspaltungen verwendet wird. Die Beurteilung, ob ein Wirtschaftsgut als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, hat weitreichende Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Übertragungen, Einlagen und Einbringungen von Sachgesamtheiten in Betriebsvermögen, insbesondere im Rahmen von Realteilungen und Betriebsaufspaltungen.

Unter einer wesentlichen Betriebsgrundlage im Sinne des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG sind Wirtschaftsgüter mit hohen stillen Reserven oder Wirtschaftsgüter, die für den Betriebszweck erforderlich sind und ein besonderes Gewicht für die Betriebsführung haben, zu verstehen. Es findet hier also sowohl eine quantitative als auch funktionale Betrachtungsweise statt. Nicht jeder Mitunternehmer der aufgelösten Mitunternehmerschaft bzw. Personenhandelsgesellschaft muss eine wesentliche Betriebsgrundlage erhalten.

Ausgleichszahlungen

Im Rahmen einer Realteilung entsprechen die Verkehrswerte der zugeteilten Wirtschaftsgüter häufig nicht dem Wert des Anteils an der aufzulösenden Mitunternehmerschaft. In solchen Fällen ist es üblich, dass der Gesellschafter, der mehr Vermögen erhalten hat, dem anderen Gesellschafter einen Ausgleich in Geld leistet, um den Wert seines Anteils am Gesamthandsvermögen auszugleichen. Dieser Ausgleich wird auch als Spitzenausgleich oder Wertausgleich bezeichnet. 

Der Ausgleich ist für die generelle erfolgsneutrale Realteilung unschädlich. Soweit ein Ausgleich gezahlt wird, liegt im Verhältnis von Ausgleichszahlung und dem Wert des übernommenen Betriebsvermögens eine entgeltliche Übertragung vor.  Die Realteilung mit Spitzenausgleich hat steuerliche Auswirkungen, da der Spitzenausgleich als Veräußerungsentgelt behandelt wird und somit der Besteuerung unterliegen kann. Es ist daher wichtig, die steuerlichen Konsequenzen einer Realteilung mit Spitzenausgleich sorgfältig zu prüfen und zu berücksichtigen.

Die Differenz zwischen Ausgleichszahlung und anteiligem Buchwert stellt einen Veräußerungsgewinn dar, der als laufender Gewinn zu behandeln ist. Eine Begünstigung im Sinne des § 16 Abs. 4 bzw. § 34 EStG scheidet damit für die entsprechenden Gewinne aus.

Beispiel

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Anton Müller stehen bei der Realteilung der AB GbR 500.000 € zu. Er erhält jedoch den Teilbetrieb A mit einem Wert von 600.000 €. Er zahlt an den Bert Meier daher 100.000 € als Ausgleichszahlung. Der Buchwert von Teilbetrieb A beträgt 180.000 €. B erhält den Teilbetrieb B mit einem Wert von 400.000 €. Die Übertragung von Teilbetrieb A erfolgt somit zu 1/6 entgeltlich (100.000/600.000). Der anteilige Buchwert beträgt 30.000 €. Bert Meier muss damit einen laufenden Gewinn von 70.000 € versteuern. Anton Müller muss seine Aktiva um 70.000 € erhöhen.  

 Grundsatzentscheidung des BFH

Bei einer Realteilung mit Buchwertfortführung behalten die Realteiler die Buchwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter bei. Zahlt ein Realteiler dem anderen jedoch einen Spitzenausgleich, führt dies zu einem nicht begünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe des Ausgleichsbetrags, ohne dass eine Gegenrechnung eines anteiligen Buchwerts erfolgt. Der ausgleichsverpflichtete Realteiler erhält in diesem Fall korrespondierende Anschaffungskosten. Die gewinnneutrale Realteilung des Gesellschaftsvermögens bleibt im Übrigen jedoch bestehen.

Veräußerung oder Entnahme innerhalb der Sperrfrist

Die Veräußerung innerhalb der Sperrfrist führt zu einer rückwirkenden Aufdeckung der stillen Reserven gemäß § 16 Abs. 3 S. 3 EStG. Es handelt sich um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Es werden nur die stillen Reserven des spezifischen Wirtschaftsguts aufgedeckt und als laufender Gewinn behandelt, sofern nicht die stillen Reserven aus den wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt werden müssen.

Abgrenzung zwischen echter und unechter Realteilung

Das BMF unterscheidet in seinem Erlass vom 19.12.2018 (BStBl I 2019, 6) unter Tz. I zwischen der echten und der unechten Realteilung.

Echte Realteilung

Eine Realteilung kann sowohl als echte Realteilung als auch als unechte Realteilung durchgeführt werden.

Bei einer echten Realteilung erfolgt eine Betriebsaufgabe bei der Mitunternehmerschaft. Eine echte Realteilung liegt auch vor, wenn aus einer Mitunternehmerschaft mit zwei Mitunternehmern ein einzelner Mitunternehmer unter Übertragung eines Teilbetriebs ausscheidet und der andere Mitunternehmer den verbleibenden Teilbetrieb in der Form eines Einzelunternehmens fortführt.

Wenn im Rahmen einer echten Realteilung Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen übertragen werden, so liegen Entnahmen vor, die als laufender Gewinn der Realteilungsgemeinschaft zu behandeln sind.

Bei einer Aufdeckung der stillen Reserven mit Rückwirkung ist der Gewinn auf alle Mitunternehmer nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen, sofern der übernehmende Gesellschafter nach Gesellschaftsvertrag oder Vereinbarung zur Realteilung nicht alleine den Gewinn zugerechnet bekommt. Bei der Übernahme von Sonderbetriebsvermögen durch einen anderen Mitunternehmer der Realteilung wird der Gewinn dem Übernehmer nur zugerechnet, sofern dies gesondert vereinbart worden ist.

Bei der echten Realteilung liegt eine Betriebsaufgabe im Sinne des Gewerbesteuergesetzes vor. Die nachträgliche Aufgabe der stillen Reserven ist in diesem Kontext zu sehen und der Gewinn aus den aufgedeckten stillen Reserven daher nur dann als Gewerbeertrag nach § 7 S. 2 GewStG zu behandeln, sofern er nicht auf eine natürliche Person entfällt. In allen anderen Fällen handelt es sich nicht um Gewerbeertrag nach § 7 S. 1 GewStG.

Unechte Realteilung

Unter einer unechten Realteilung versteht man das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer Mitunternehmerschaft mit mehr als zwei Mitunternehmern unter Übertragung von Wirtschaftsgütern in ein Betriebsvermögen  und der anschließenden Fortführung der Mitunternehmerschaft durch die verbleibenden Gesellschafter. Die Art der übertragenen Wirtschaftsgüter bzw. ob diese einen Teilbetrieb darstellen ist nicht von Bedeutung. Beim Ausscheiden gegen eine Abfindungszahlung in Geld und Anwachsung seines Anteis an die verbleibenden oder den letzten verbleibenden Mitunternehmer handelt es sich nicht um eine Realteilung.  Wenn ein ausscheidender Mitunternehmer alle Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen überführt, dann liegt ebenfalls keine Realteilung vor. Der Gewinn stellt einen Veräußerungsgewinn dar.

Im Falle der unechten Realteilung führt die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen des ausscheidenden Mitunternehmers bei diesem zu Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 16 Abs. 2 EStG. Der Veräußerungsgewinn ist jedoch nicht nach § 16 Abs. 4 EStG bzw. § 34 EStG begünstigt. Die verbleibenden Mitunternehmer realisieren hingegen einen laufenden Gewinn und müssen die verbleibenden Wirtschaftsgüter anteilig aufstocken.

Im Falle einer rückwirkenden Aufdeckung der stillen Reserven ist bei der unechten Realteilung beim ausgeschiedenen Mitunternehmer für die Ermittlung des Gewinns nach § 16 Abs. 2 EStG der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter mit Rückwirkung anzusetzen. Für die verbleibenden Mitunternehmer entsteht ein laufender Gewinn mit der Notwendigkeit der Aufstockung der Buchwerte der verbleibenden Wirtschaftsgüter.

Übertragung von Wirtschaftsgütern ins Privatvermögen

Im Fall einer echten Realteilung werden die Wirtschaftsgüter mit ihrem gemeinen Wert aus dem Gesellschaftsvermögen entnommen und gehen in das Privatvermögen der Gesellschafter über. Diese Entnahmen stellen laufenden Gewinn der Realteilungsgemeinschaft dar und müssen entsprechend erfasst werden. Im Übrigen sind zwingend die Buchwerte fortzuführen.

Werden im Fall der unechten Realteilung einzelne Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen des ausscheidenden Mitunternehmers übertragen, realisiert nur er einen Veräußerungsgewinn i.S.v. § 16 Abs. 2 EStG, der nicht nach § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) oder nach § 34 EStG (Tarifbegünstigung) begünstigt ist.