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Einkommensteuer (Vertiefung) - Erhaltungsaufwand für ein Gebäude

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Einkommensteuer (Vertiefung)

Erhaltungsaufwand für ein Gebäude

Erhaltungsaufwand für ein Gebäude

Unter dem Begriff "Erhaltungsaufwand" sind Aufwendungen zur Erneuerung bereits vorhandener Teile, Anlagen und Einrichtungen sowie zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer Sache zu verstehen, R 21.1 Abs. 1 EStR. Erhaltungsaufwendungen ändern die Wesensart eines Wirtschaftsguts nicht.

Damit sind sie sofort abzugsfähige Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG.

Somit darf im Umkehrschluss also keine Erweiterung vorliegen, welche zu nachträglichen Herstellungskosten führen würde.
Bei Erhaltungsaufwendungen darf nichts Neues, bisher nicht am Wirtschaftsgut Vorhandenes geschaffen werden.  Die Beurteilung ist anhand der Funktion der neu eingefügten Teile zu beurteilen. Wird in einem Gebäude bspw. eine Heizung durch einen anderen moderneren Heizungstyp ersetzt, handelt es sich nicht um eine Erweiterung, sondern um Erhaltungsaufwendungen, da die neuen Teile die Funktion der ersetzten Teile übernehmen. Eine Erweiterung ist aber beispielsweise dann gegeben, wenn nachträglich ein Fahrstuhl oder eine Alarmanlage in ein Gebäude eingebaut werden. Bei Gebäuden führt die Erweiterung der Wohn- und Nutzfläche stets zu Herstellungskosten.

Ebenso darf es sich bei Erhaltungsaufwendungen nicht um solche Maßnahmen handeln, die  zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen. Der „ursprüngliche Zustand“ ist dabei im Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbs oder der Herstellung durch den Steuerpflichtigen zu beurteilen; im Falle des unentgeltlichen Erwerbs ist auf den Rechtsvorgänger abzustellen.
Die Höhe des Aufwandes ist für sich allein kein Indiz für eine wesentliche Verbesserung. Hohe Aufwendungen können sich auch aufgrund eines Instandhaltungsstaus über viele Jahre hinweg ergeben.

Auch die Verbesserung hin zu einem nur zeitgemäßen Standard ohne Standardhebung führt zu Erhaltungsaufwendungen.

Die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und (aktivierungspflichtigen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist in vielen Fällen fließend und musste des Öfteren durch die Rechtsprechung abgegrenzt werden. Insofern hat die Finanzverwaltung in R 21.1 Abs. 2 S. 2 EStR im Rahmen einer so genannten „Nichtbeanstandungsgrenze“ Ausgaben bis zu 4.000 EUR (ohne USt) je Gebäude für eine einzelne Baumaßnahme ohne nähere Prüfung als Erhaltungsaufwand akzeptiert.

Beispiel

A lässt an seiner vermieteten Wohnimmobilie einen Balkon anbringen, Kosten hierfür 3.900 EUR zzgl. USt.

Es handelt sich dem Grunde nach um nachträgliche Herstellungskosten, da durch den Balkon ein erweitertes Nutzungspotenzial geschaffen wird. Diese Kosten wären also nur über die AfA zu berücksichtigen.
Da die Kosten für die Maßnahme „Balkonbau" ohne Umsatzsteuer für jedoch 4.000 EUR nicht überschreiten (3.900 EUR), können sie auf Antrag nach R 21.1 Abs. 2 S. 1 EStR als sofort abzugsfähiger Erhaltungsaufwand behandelt werden.

Des Weiteren findet durch § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Steuerrecht unter den dort genannten Voraussetzungen eine (rückwirkende) Umqualifizierung von Erhaltungsaufwand zu anschaffungsnahen Herstellungskosten statt.

Abgrenzungseinzelfälle zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungs- oder Anschaffungskosten 

  • Erschließungskosten: Bei einer Ersterschließung eines unbebauten Grundstücks sind Anlieger- und Erschließungsbeiträge Bestandteil der Anschaffungskosten des Grund und Bodens bzw. nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Erschließungskosten stellen aber Erhaltungsaufwand dar, wenn es sich um Ergänzungsbeiträge oder um eine Zweiterschließung handelt, durch die die Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks und damit auch dessen Wert nicht erhöht werden (BFH vom 7.11.1995, BStBl. II 1995, S. 632).
  • Einbau messtechnischer Anlagen zur verbrauchsabhängigen Abrechnung von Heiz- und Wasserkosten stellen Erhaltungsaufwand dar (R 21.1 Abs. 1 EStR).
  • Aufwendungen für die Beseitigung von Baumängeln sind Herstellungskosten des Gebäudes und keine Erhaltungsaufwendungen (BFH vom 30.10.1994, IX R 23/92).
  • Aufwendungen für die vollständige Erneuerung einer Einbauküche (Spüle, Herd, Einbaumöbel und Elektrogeräte) in einem vermieteten Immobilienobjekt sind kein Erhaltungsaufwand und damit nicht sofort als Werbungskosten abziehbar. Entgegen seiner früheren Auffassung geht der BFH nunmehr davon aus, dass Spüle und Kochherd keine unselbständigen Gebäudebestandteile mehr sind. Der BFH begründet dies mit der geänderten Ausstattungspraxis. Danach seien die einzelnen Elemente einer Einbauküche ein eigenständiges und zudem einheitliches Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von zehn Jahren. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten sind daher nur im Wege der AfA steuerlich zu berücksichtigen (BFH 3.8.2016, BStBl. II 2017,  S. 437).

Gemäß § 82b EStDV hat der Steuerpflichtige jedoch ein Wahlrecht, Erhaltungsaufwand bei Gebäuden auf zwei bis 5 Jahre zu verteilen.

Voraussetzungen bzw. Besonderheiten hierbei sind:

  • Der entsprechende Gebäudeteil gehört nicht zu einem Betriebsvermögen (beachte die Aufteilung eines Gebäudes in verschiedene Wirtschaftsgüter nach R 4.2 Abs. 4 EStR!)
  • Das Gebäude dient überwiegend Wohnzwecken (die Grundfläche der zu Wohnzwecken dienenden Räume beträgt mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche).
  • Wird ein Gebäude während des Verteilungszeitraums veräußert, ins Betriebsvermögen überführt oder nicht mehr zur Einkünfteerzielung genutzt, so ist der noch nicht verteilte Restbetrag voll als Werbungskosten abzusetzen.
  • Werden in verschiedenen Veranlagungszeiträumen Erhaltungsaufwendungen getätigt, können hierfür jeweils eigenständige Verteilungszeiträume gebildet werden, R 21.1 Abs. 6 S. 1 EStR.
  • Wird das Eigentum an einem Gebäude unentgeltlich auf einen anderen übertragen, kann der Rechtsnachfolger Erhaltungsaufwand noch in dem von seinem Rechtsvorgänger gewählten restlichen Verteilungszeitraum geltend machen. Hierbei ist der Teil des Erhaltungsaufwands, der auf den VZ des Eigentumswechsels entfällt, entsprechend der Besitzdauer auf den Rechtsvorgänger und den Rechtsnachfolger aufzuteilen, R 21.1 Abs. 6 S. 2 und 3 EStR.

Beispiel

Steuerpflichtiger A besitzt eine Immobilie. Im Erdgeschoss betreibt er seinen Laden, das erste und zweite Obergeschoss ist jeweils zu fremden Wohnzwecken vermietet (und sei jeweils nicht dem gewillkürten Betriebsvermögen zuzuordnen). Die 3 Geschosse sind jeweils gleich groß. 

A lässt nun das Dach neu eindecken, da die alten Ziegel nunmehr sehr stark abgeplatzt sind, Kosten hierfür 24.000 EUR (die Umsatzsteuer sei aus Vereinfachungsgründen nicht zu beachten), Abfluss im aktuellen Jahr. Des Weiteren erwartet A für das kommende Jahr unter sonst gleichen Bedingungen höhere Betriebseinnahmen als im aktuellen Veranlagungszeitraum.

Es handelt sich um sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand, da etwas Bestehendes (das Dach) ersetzt wird und insoweit nichts Neues geschaffen wird.

A erfüllt jedoch die Voraussetzungen des § 82b EStDV für den Teil des Gebäudes, der zu Wohnzwecken vermietet wird (1. und 2. Obergeschoss), das Gebäude insgesamt dient auch zu mehr als 50 % privaten Wohnwecken (66,67 %). Es befindet sich insofern auch im steuerlichen Privatvermögen, R 4.2 Abs. 4 S. 1 EStR. Da A im Folgejahr im Ergebnis eine höhere Steuerbelastung erwartet, wäre es sinnvoll, vom Wahlrecht des § 82b EStDV Gebrauch zu machen, also beispielsweise die Erhaltungsaufwendungen, soweit sie auf den zu fremden Wohnzwecken vermieteten Gebäudeteil entfallen, gleichmäßig auf das aktuelle und das kommende Jahr zu verteilen.

Bei dieser Entscheidung wären dann die Kosten für das Dach wie folgt zu verteilen

  • EG: Betriebsausgaben, keine Verteilung für diesen Gebäudeteil nach § 82b EStDV möglich, zwingend i.H.v. 8.000 EUR (USt sei hier unbeachtet) im aktuellen VZ abzuziehen
  • 1. und 2. OG: 16.000 EUR, wahlweise z.B. im aktuellen und folgenden VZ je 8.000 EUR als Werbungskosten abzugsfähig.