Inhaltsverzeichnis
- Steuerbare Erwerbsvorgänge
- Vorbemerkung zu den Erwerbsvorgängen
- Grundtatbestand, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
- Hilfstatbestände, § 1 Abs. 1 Nr. 2 – 7 GrEStG
- Auflassung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG
- Eigentumsübergang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
- Meistgebot nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG
- Bestimmte Verpflichtungsgeschäfte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG
- Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot, nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG
- Abtretung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG
- Erwerb der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis, § 1 Abs. 2 GrEStG
- Gebäude auf fremden Grund und Boden
- Atypischer Maklervertrag
- Ergänzungstatbestände, § 1 Abs. 2a – Abs. 3a GrEStG
- Zur Reform der Share Deals
- Änderung des Gesellschafterbestandes, § 1 Abs. 2a – Abs. 2c GrEStG
- a) § 1 Abs. 2a GrEStG
- b) § 1 Abs. 2b GrEStG
- c) § 1 Abs. 2c GrEStG (Börsenklausel)
- Anteilsvereinigung bzw. Anteilsübertragung, § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG
- Wirtschaftliche Beteiligung eines Rechtsträgers
Steuerbare Erwerbsvorgänge
Vorbemerkung zu den Erwerbsvorgängen
Eine Steuerpflicht setzt den tatsächlichen oder fiktiven Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück voraus. Rechtsträger können natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften sein. Ein Erwerbsvorgang liegt damit auch dann vor, wenn eine natürliche Person und eine juristische Person wirtschaftlich betrachtet identisch sind. Denn dies ändert nichts daran, dass beide selbständige Träger von Rechten und Pflichten sind.
Die Grunderwerbsteuer knüpft als Rechtsverkehrsteuer an Vorgänge im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb an. Ein rechtsgeschäftlicher Grundstückserwerb setzt die drei Elemente Verpflichtungsgeschäft, Auflassung und Eintragung sowie zu ihrer Wirksamkeit zusätzlich die Mitwirkung von Notaren als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes sowie der Grundbuchämter als öffentliche Stellen voraus. Da sich auf diese Weise der rechtsgeschäftliche Grundstückserwerb lückenlos erfassen lässt, könnte die Grunderwerbsteuer somit grundsätzlich an jedes Element anknüpfen.
Grundtatbestand, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG: Schuldrechtliche Verträge, die den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründen.
Prüfungstipp
In 2016 wurde § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in der schriftlichen Steuerberaterprüfung abgefragt.
Tatsächlich bezieht sich das Grunderwerbsteuergesetz im Grundsatz auf das Verpflichtungsgeschäft. Insoweit wird der Steuertatbestand auf dieses erste Element vorverlagert. Diese Vorgehensweise hat für die Finanzbehörde zur Sicherstellung des Steueranspruches Vorteile:
- Gemäß § 22 GrEStG darf der Grundstückserwerber erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn er eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen kann. Der Eigentumsübergang kann somit insbesondere bis zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer blockiert werden.
- Aus dem Verpflichtungsgeschäft ergibt sich die Gegenleistung für den Grundstückserwerb und demzufolge auch die Bemessungsgrundlage nach den §§ 8 und 9 GrEStG.
Den Grundtatbestand eines steuerbaren Vorgangs bildet mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der wirksame Abschluss eines Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks begründet. Dies ist im Regelfall ein Kaufvertrag, kann aber auch jede andere Form einer schuldrechtlichen Vereinbarung sein, wie ein Schenkungs-, Tausch- oder Einbringungsvertrag.
Im Falle eines Tauschs von zwei oder mehr Grundstücken liegen nach § 1 Abs. 5 GrEStG zwei steuerbare Rechtsgeschäfte vor.
Grunderwerbsteuerbar sind auch Treuhandgeschäfte, die ein inländisches Grundstück zum Gegenstand haben; siehe hierzu den Gleichlautenden Ländererlass vom 12.10.2007 (BStBl. I 2007 S. 757) sowie Gleich lautende Erlasse vom 19.09.2018 (BStBl. I 2018 S. 1074).
Zu beachten ist, dass nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB ein den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründendes Rechtsgeschäft der notariellen Beurkundung bedarf. Soweit diese Form nicht eingehalten ist, liegt auch kein wirksames Rechtsgeschäft und damit auch keine Steuerbarkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Sofern jedoch trotzdem die Auflassung (Einigung über Eigentumsübertragung) am Grundstück erfolgt, ist dies nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG steuerbar.
Schließlich wird noch auf die Vorschrift des § 14 Nr. 2 GrEStG hingewiesen: Sollte die Wirksamkeit des Vertrages von einer Genehmigung abhängig sein, so entsteht die Grunderwerbsteuer erst dann (d.h., der Erwerbsvorgang ist erst dann grunderwerbsteuerbar), wenn die Genehmigung erteilt worden ist. Als Genehmigungen kommen beispielsweise solche des BGB, etwa nach den §§ 107, 1821, 1643, oder etwa nach § 2 GrdstVG in Betracht.
Fallbeispiele
Kauf einer Immobilie
Hilfstatbestände, § 1 Abs. 1 Nr. 2 – 7 GrEStG
Auflassung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG
Auflassung ist nach § 925 BGB die bei gleichzeitiger Anwesenheit notariell beurkundete Erklärung der Einigung über den Eigentumsübergang an einem Grundstück. Zusammen mit der Eintragung in das Grundbuch stellt sie einen Teil des Erfüllungsgeschäftes (Übereignung) bei der rechtsgeschäftlichen Verfügung über ein Grundstücksrecht dar (vgl. dazu § 875 BGB).
Die Auflassung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG allerdings nur dann steuerbar, wenn kein (wirksames) Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat (s. o.), so dass eine zweifache Besteuerung des identischen Übertragungsvorgangs nicht erfolgen kann. Der Besteuerung unterliegt bereits die notarielle Einigung und nicht erst die Eintragung des Eigentümerwechsels im Grundbuch. Deshalb ist sie von vergleichsweise geringer praktischer Bedeutung.
Hinweis
Liegt bereits ein wirksamer Kaufvertrag vor, ist eine Steuerbarkeit nur nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gegeben. War der Kaufvertrag hingegen formunwirksam, kommt eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG in Betracht.
Anders allerdings in den Fällen eines gesetzlichen Übereignungsanspruches. Hier liegt ein Rechtsgeschäft zur Begründung des Übereignungsanspruches nicht vor, so dass in diesen Fällen die Auflassung als solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zur Grunderwerbsteuerbarkeit führt.
Als derartige Ansprüche kraft Gesetzes seien beispielhaft die folgenden Ansprüche genannt:
- ungerechtfertigte Bereicherung gem. § 812 BGB,
- Schadensersatzansprüche gem. § 249 BGB,
- Herausgabeanspruch gem. § 667 BGB.
Hinweis
Die Auflassung zur Erfüllung eines Vermächtnisses gemäß § 1939 BGB ist ebenfalls grunderwerbsteuerbar, allerdings nach § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbefreit.
Eigentumsübergang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG unterliegt der Eigentumsübergang eines Grundstücks der GrESt, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft im Sinne der Nr. 1 vorausgegangen ist und es keiner Auflassung i. S. der Nr. 2 bedarf.
Erfasst werden hiervon Eigentumsübergänge, die sich außerhalb des Grundbuchs vollziehen, etwa weil dieses bereits kraft des Gesetzes, aufgrund behördlicher oder gerichtlicher Rechtsakte übergeht (das kraft des Gesetzes unrichtig gewordene Grundbuch wird berichtigt).
Hauptanwendungsfälle sind hierbei
- Erbfolge gemäß §§ 1922 ff. BGB,
- Anwachsung gemäß § 738 BGB durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters,
- Verschmelzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG (‚übertragende‘ Umwandlung),
- Spaltung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG (‚übertragende‘ Umwandlung),
- Vermögensübertragung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwG (‚übertragende‘ Umwandlung),
- Enteignung gemäß Artikel 14 Abs. 3 GG.
Hinweis
Die rein „formwechselnden Umwandlungen“ unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer (vgl. „Schreiben betr. Übergang von Grundstücken bei Umwandlungen, Einbringungen und anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage vom 12.12.1997, zuletzt geändert durch FM Bayern vom 14.02.2000, Tz. IV. Nr. 2). Sie können aber Vor- oder Nachhaltefristen gem. §§ 5, 6 GrEStG verletzen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. a) bis c) GrEStG sind bestimmte Eigentumsübergänge kraft Gesetzes wiederum ausgeschlossen. Diese sind hier nur zur Vollständigkeit genannt, aber nicht klausurrelevant! Hierzu gehören:
- Flurbereinigung nach dem Flurbereinigungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a)),
- Umlegung nach dem Baugesetzbuch (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b)) und
- Zuschlag nach dem Zwangsversteigerungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c)).
Meistgebot nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG
Das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren unterliegt der Grunderwerbsteuer. Es wird also nicht der Übergang des Eigentums aufgrund des Zuschlags nach § 90 Abs. 1 ZVG, sondern das Meistgebot zur Steuer herangezogen. Dieses Gebot entspricht hinsichtlich seiner Wirkungen dem Abschluss eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts.
Bestimmte Verpflichtungsgeschäfte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG
Da Grundstückserwerber über ein Grundstück gewissermaßen bereits verfügen können, bevor sie als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind beispielsweise durch Abtretung ihrer Übereignungsanspruchs aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag oder der Rechte aus einem Meistgebot, sind solche Rechtsgeschäfte bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG steuerbar.
Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot, nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG unterliegt auch ein Rechtsgeschäft der Grunderwerbsteuer, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet oder einer vergleichbaren Vereinbarung.
Abtretung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG
Letztendlich ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG auch die Abtretung der unter Nr. 5 und 6 bezeichneten Rechte steuerbar, wenn kein Rechtsgeschäft vorangegangen ist, das den Anspruch auf Abtretung des Rechts begründet.
Erwerb der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis, § 1 Abs. 2 GrEStG
Dieser Tatbestand hat den Zweck, auch solche Verkehrsvorgänge der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, in denen das Grundstückseigentum zwar nicht rechtlich, wohl aber bei wirtschaftlicher Betrachtung auf einen anderen übergeht. Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer "auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten".
Über diese Norm werden Rechtsvorgänge der Besteuerung unterworfen, die (ohne dass es zu einem Rechtsträgerwechsel im eigentlichen Sinn kommt) es einem Dritten ermöglichen, den inneren Wert eines Grundstücks zu realisieren. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn es einem Dritten rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen. Dem Dritten müssen hierfür über die bloßen Besitz- und Nutzungsrechte hinaus Einwirkungsmöglichkeiten auf den Substanzwert des Grundstücks gewährt werden. § 1 Abs. 2 GrEStG definiert nicht, was unter einer wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis zu verstehen ist, es existieren jedoch folgende klausurrelevante und von der Rechtsprechung geprägte Fallgruppen:
Gebäude auf fremden Grund und Boden
Da Gebäude in Abgrenzung zum Grundstück keine eigenständigen Rechte vermitteln können, kommt für deren Verkauf ohne zivilrechtliche Übertragung des Grundstücks (dessen Bestandteil das Gebäude ist) nur eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG in Betracht, wenn der Käufer die ausschließliche Verfügungsmacht über das Gebäude erhält (vgl. BFH v. 27.03.1985 – II R 37/83). Wichtigster Anwendungsfall ist die Errichtung eines Gebäudes durch einen Pächter, dass der Grundstückseigentümer bei Beendigung des Pachtverhältnisses erwirbt.
Atypischer Maklervertrag
Weiteres Paradebeispiel für eine wirtschaftliche Verwertungsbefugnis ist der sog. atypische Maklervertrag. Während beim typischen Maklervertrag der Grundstückseigentümer mit dem Makler einen reinen Dienstvertrag abschließt, nach dem der Makler für das Grundstück einen Käufer besorgt und dafür eine feste Vergütung erhält, wird beim atypischen Maklervertrag dem Makler eine Teilhabe am Veräußerungserlös gewährt. Dies erfolgt durch eine Vereinbarung mit dem
Grundstückseigentümer, wonach der Makler lediglich zur Herausgabe eines vorher festgelegten Mindestkaufpreises verpflichtet ist, aber den darüberhinausgehend erzielten Veräußerungserlös als Vergütung behalten kann (garantierte Substanzbeteiligung). Notwendig ist ferner, dass der Makler mit einer Vollmacht zur Veräußerung ausgestattet wird (BFH v. 14.09.1988 – II R 116/85). In diesem Fall fingiert das Gesetz einen eigenen Erwerb des Maklers nach § 1 Abs. 2 GrEStG, der so behandelt wird, als habe der Makler das Grundstück zuvor vom Eigentümer zum Mindestkaufpreis selbst erworben und erst anschließend zum höheren (tatsächlichen) Kaufpreis weiterveräußert.
Ergänzungstatbestände, § 1 Abs. 2a – Abs. 3a GrEStG
Durch den Erwerb von Anteilen bzw. Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften erfüllte Steuertatbestände sind:
- Änderungen des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (Prüfung auf Ebene der Gesellschaft),
- Anteilsvereinigungen und Anteilsübertragungen nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (Prüfung auf Ebene des Gesellschafters).
Merke
1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG haben Vorrang vor § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG.
Für die Einstufung einer Gesellschaft als grundbesitzende Gesellschaft ist auf die grunderwerbsteuerliche Zurechnung eines inländischen Grundstücks zum Vermögen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft abzustellen.
Das bedeutet, dass ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehört, wenn
- sie aufgrund eines Verpflichtungsgeschäfts einen Übereignungsanspruch gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG hat,
- ihr das Grundstück aufgelassen worden ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG,
- ihr die Verwertungsbefugnis zusteht gem. § 1 Abs. 2 GrEStG,
- sie mit mindestens 90 % (ab 01.07.2021) an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist gem. § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG.
§ 39 AO findet keine Anwendung.
Zur Reform der Share Deals
Der Bundesrat hat am 7. Mai 2021 dem „Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes“ zugestimmt, nachdem der Bundestag die Grunderwerbsteuerreform am 21. April 2021 beschlossen hatte. Das Gesetz wurde am 17. Mai 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Es enthält im Wesentlichen Maßnahmen gegen so genannte Share Deals, die durch die Reform erschwert werden sollen. Das "Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes“ sieht die Eindämmung von Steuergestaltungen mittels Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht vor.
Die wesentlichen Änderungen im Überblick:
- Die steuerauslösende Beteiligungshöhe in den Ergänzungstatbeständen des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG wurde von 95 % auf 90 %
- Ein neuer 1 Abs. 2b GrEStG wurde eingeführt – Gehört zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück und gehen innerhalb von 10 Jahren unmittelbar oder mittelbar 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter über, liegt ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand vor.
- Die Fristen in § 1 Abs. 2a, § 5, § 6 und § 7 GrEStG wurden von 5 auf 10 Jahre verlängert. Darüber hinaus wurde eine weitere Vorhaltefrist von 15 Jahren in § 6 GrEStG eingeführt.
- Eine Börsenklausel wurde in 1 Abs. 2b GrEStG neu eingeführt, die für § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG gilt.
Änderung des Gesellschafterbestandes, § 1 Abs. 2a – Abs. 2c GrEStG
a) § 1 Abs. 2a GrEStG
Der § 1 Abs. 2a GrEStG wird auch im folgenden Video inklusive eines Fallbeispiels vorgestellt:
Gesamthandsgemeinschaften sind Rechtsträger i.S.d. Grunderwerbsteuergesetzes, so dass Grundstücksübertragungen auf sie Grunderwerbsteuer auslösen. Voraussetzung ist, dass es sich um eine Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen handelt (nicht stille Gesellschaften, Unterbeteiligungen).
Zu den Personengesellschaften gehören:
- Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR)
- offene Handelsgesellschaften (oHG)
- Kommanditgesellschaften (KG) und
- Partnergesellschaften (PartG).
Hinweis
§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG haben Vorrang vor § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG.
§ 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG bestimmt im Wege einer Fiktion, dass die unmittelbare oder mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands von mind. 90 Prozent der Beteiligung am Gesamthandsvermögen einer in- oder ausländischen Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, als ein auf die Übereignung des Grundstücks an eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft gilt. Voraussetzung ist, dass sich diese Veränderung innerhalb von zehn Jahren vollzieht. Die Vorschrift wurde geschaffen, um Möglichkeiten missbräuchlicher steuerfreier Übertragungsmöglichkeiten zu beseitigen. Sie ist eine Missbrauchsvermeidungsnorm, die jedoch eine Umgehungsabsicht oder gar einen Rückgriff auf § 42 AO nicht voraussetzt. Die Norm ist vorrangig vor § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG anzuwenden.
Gesamthandsgemeinschaften sind transparent, d. h. Übertragungen von/ auf Gesamthands-gesellschaften können im Umfang der Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen nach §§ 5,6 GrEStG steuerbefreit sind und der Gesamthand können Eigenschaften der Gesamthänder zugerechnet werden (z.B. die Verwandtschaft zwischen Gesellschaftern i.S.d. § Nr. 6 GrEStG).
Merke
Zu beachten sind die Steuerbefreiungen der §§ 3, 5 und 6 GrEStG.
Hinweis
Erben- und Gütergemeinschaften zählen nicht zu den Personengesellschaften, diese sind reine Innengesellschaften!
Wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes
Anteil am Gesellschaftsvermögen ist der dem einzelnen Gesellschafter zustehende Wertanteil am Reinvermögen als schuldrechtlicher, gesellschaftsvertraglicher Anspruch gegen die Gesamthand nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen bzw. aus den gesetzlichen Bestimmungen (§ 722 BGB, § 734 BGB, §§ 120 ff. HGB). Maßgebend ist nicht die Beteiligung des Gesellschafters am Ergebnis der Gesamthand, sondern allein am Vermögen. Eine Änderung tritt bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts und damit vor der dinglichen Wirksamkeit ein. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG besteuert nur Änderungen im Gesellschafterbestand durch den Eintritt eines „Neugesellschafters“, während Anteilsbewegungen unter „Altgesellschaftern“ unberücksichtigt bleiben. Ferner sind Anteilserwerbe von Todes wegen nicht relevant.
Als derivativer Erwerb zählt damit nur eine Übertragung eines schon bestehenden Anteils an einen Neugesellschafter und als originärer Erwerb zählt eines erst - durch Kapitalerhöhung – entstehenden Gesellschaftsanteils.
Altgesellschafter sind
- die unmittelbaren Gründungsgesellschafter (unabhängig von ihrer Rechtsform),
- diejenigen Gesellschafter (unabhängig von ihrer Rechtsform), die vor dem Beginn des maßgeblichen Zehnjahreszeitraums (bis 30.06.2021: Fünfjahreszeitraum) unmittelbar an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft beteiligt waren,
- diejenigen Gesellschafter (unabhängig von ihrer Rechtsform), die im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks durch die Personengesellschaft unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt waren sowie
- die Gesellschafter, deren Beitritt schon einmal den Tatbestand des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG erfüllt oder zu dessen Erfüllung beigetragen hat.
Neugesellschafter können unter anderem sein
- Gesellschafter, die durch einen originären oder derivativen Erwerb oder durch einen Vorgang nach dem UmwG erstmals in die Personengesellschaft (insofern in die Mitberechtigung am Grundstück) eintreten sowie
- ursprünglich als Altgesellschafter anzusehende Kapitalgesellschaften, an denen sich die Beteiligungsverhältnisse zu mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) geändert haben.
Ein Eintritt eines Neugesellschafters liegt auch vor, wenn der Altgesellschafter über den beitretenden Neugesellschafter weiterhin wirtschaftlich in gleicher Weise an der grundstückshaltenden Personengesellschaft beteiligt ist (sog. Verlängerung der Beteiligungskette, BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09) oder mit dem Neugesellschafter vereinbart wird, dass dieser die Beteiligung lediglich treuhänderisch für den Altgesellschafter hält (BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11).
Unmittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand liegen vor, wenn eine oder mehrere Gesellschaftsbeteiligungen/Anteile an der grundstückshaltenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Bei unmittelbaren Übertragungen maßgebend ist die (dingliche) Übertragung der Beteiligung.
Mittelbare Übertragungen erfolgen, wenn mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes dadurch erfolgen, dass sich die Beteiligungsverhältnisse bei einer zwischengeschalteten Gesellschaft ändern (vgl. § 1 Abs. 2a S. 2 ff. GrEStG).
Nach einer von der Auffassung der Finanzverwaltung divergierenden Entscheidung des BFH zur Frage der mittelbaren Änderung im Gesellschafterbestand (BFH v. 24.03.2013 – II R 17/10) wurde durch Einfügung neuer Sätze 2 bis 5 in § 1 Abs. 2a GrEStG die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung wieder hergestellt (BGBl. I 2015, 1834). Danach werden mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft anteilsmäßig berücksichtigt, d. h. bei zwischengeschalteten Personengesellschaften wird durchgerechnet., während zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften als neue Gesellschafter gelten, wenn an ihnen mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) auf neue Gesellschafter übertragen werden. Die Finanzverwaltung will dabei alle Übertragungen berücksichtigen; die 10-(bzw.5-)Jahresfrist gilt also nicht.
Daneben gilt eine wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO „unter Beachtung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten“. Dabei können schuldrechtliche Bindungen der zwischengeschalteten Gesellschaft zu einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes führen.
Zehnjahreszeitraum
Für die Prüfung, ob ein steuerbarer Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG vorliegt, sind sämtliche Übertragungen von Beteiligungen innerhalb von 10 Jahren (bis 30.06.2021: von 5 Jahren) zu berücksichtigen. Der Zeitraum ist für jedes Grundstück der Personengesellschaft selbständig zu beurteilen. Es ist daher vom letzten Gesellschafterwechsel retrospektiv 10 Jahre (bis 30.06.2021: 5 Jahre) zurückzurechnen und es sind sämtliche Anteilsübertragungen in diesem Zeitraum in die Ermittlung des Vomhundertsatzes einzubeziehen.
Anwendungsvorschriften für die Neureglungen des § 1 Abs. 2a GrEStG zum 01.07.2021:
Nach § 23 Abs. 18 GrEStG gelten die Neuregelungen für nach dem 30.06.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge, d. h.:
- maßgebend ist die zivilrechtlich wirksame Anteilsübertragung (das Verfügungsgeschäft), nicht das zugrunde liegende Kausal- bzw. Verpflichtungsgeschäft,
- der dingliche Erwerb des letzten Anteils, zur Erreichung der 90 %-Grenze führt
- und damit Zusammenrechnung mit vorher verwirklichten Übertragungen (sog. Zählerwerbe).
Gemäß § 23 Abs. 19 GrEStG erfolgt eine Verlängerung des Beobachtungszeitraums dahingehend,
- dass derjenige, der am 01.07.2021 wegen Ablaufs der 5-Jahresfrist bereits Altgesellschafter war
(Erwerb vor dem 01.07.2016), dies auch trotz Verlängerung der Frist auf 10 Jahre bleibt und - dass für denjenigen, der noch innerhalb der 5-Jahresfrist ist (Erwerb nach dem 01.07.2021), sich die Frist auf 10 Jahre verlängert.
Bei mittelbaren Übertragungen galt nach bisheriger Rechtslage eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 % auf neue Gesellschafter übergingen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt insoweit kein Beobachtungszeitraum (vgl. GLE 12.11.2018, BStBl. I 2018, S. 1314, Tz. 5.2.3.1). Gemäß der Übergangsregelung des § 23 Abs. 19 S. 2 GrEStG ist die 90 %-Grenze für mittelbare Übertragungen auch bei Vorgängen vor dem 01.07.2021 anzuwenden.
Zur Vermeidung von Übergangsgewinnen ordnet § 23 Abs. 20 GrEStG die subsidiäre Fortgeltung der alten Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG für 5 Jahre an, es sei denn, der Vorgang ist nach § 1 Abs. 1, 2, 2a oder 3a GrEStG in der neuen Fassung steuerbar.
Fallbeispiele
Wechsel im Gesellschafterbestand
Wechsel im Gesellschafterbestand nach Todesfall
b) § 1 Abs. 2b GrEStG
Der § 1 Abs. 2b GrEStG wird auch im folgenden Video inklusive eines Fallbeispiels vorgestellt:
Mit dem „Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes“ wurde mit § 1 Abs. 2b GrEStG ein neuer Ergänzungstatbestand zur Erfassung von unmittelbaren oder mittelbaren Wechseln der Anteilseigner in Höhe von mindestens 90 % bei grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaften eingeführt. Es wird die Übertragung der Grundstücke auf eine neue Kapitalgesellschaft fingiert.
Voraussetzung ist ebenfalls, dass sich diese Veränderung innerhalb von 10 Jahren vollzieht.
Hinweis
Mit der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG werden bisher steuerfreie Anteilsübertragungen Grunderwerbsteuer auslösen.
Merke
§ 1 Abs. 2b GrEStG hat Vorrang vor der Anteilsvereinigung bzw. -übertragung nach § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG und führt zu einem anderen Steuerschuldner.
Nicht alle Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG sind auf Erwerbsvorgänge gem. § 1 Abs. 2b GrEStG anwendbar, da die Kapitalgesellschaft – im Gegensatz zur Gesamthandsgemeinschaft – intransparent ist.
Beispielsweise die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG (Übertragungen zwischen Verwandten in gerader Linie) scheidet aus, da mit § 1 Abs. 2b GrEStG die Übertragung auf eine neue Kapitalgesellschaft fingiert wird. Ebenfalls nicht anwendbar sind die Steuerbefreiungen gem. §§ 5, 6, 7 GrEStG, da diese nur für Personengesellschaften gelten.
Für mittelbare Anteilsübertragungen gelten analog die Grundsätze wie für Personengesellschaften und § 1 Abs. 2a GrEStG.
- Bei zwischengeschalteten Personengesellschaften wird gem. § 1 Abs. 2b S. 2 GrEStG wird durchgerechnet.
- Bei zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften gilt das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, d.h. bei Übertragung von mindestens 90 % der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft gilt die von ihr gehaltene Beteiligung gem. § 1 Abs. 2b S. 3 ff. GrEStG als auf einen neuen Gesellschafter übertragen.
Anwendungsvorschriften für § 1 Abs. 2b GrEStG:
Nach § 23 Abs. 18 GrEStG gelten die Neuregelungen ab dem 01.07.2021. Übertragungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften vor dem 01.07.2021 werden gem. § 23 Abs. 23 GrEStG nicht berücksichtigt (keine sog. Zählerwerbe).
Somit sind am 01.07.2021 alle beteiligten Gesellschafter Altgesellschafter.
c) § 1 Abs. 2c GrEStG (Börsenklausel)
Der neue eingeführte § 1 Abs. 2c GrEStG regelt den Ausschluss von Anteilsübertragungen an der Börse, d. h. bei börsennotierten Gesellschaften soll Grunderwerbsteuer nicht deshalb ausgelöst werden, weil 90 % der Aktien auf „neue Gesellschafter“ übergegangen sind.
Börsengeschäfte bleiben bei der Ermittlung des Prozentsatzes gem. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG außer Betracht.
Anteilsvereinigung bzw. Anteilsübertragung, § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG
1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG fingiert einen Grundstückserwerb, wenn mindesten 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in der Hand eines Erwerbers vereinigt werden oder bereits vereinigte Anteile übertragen werden.
Diese Regelung umfasst sowohl Personen- als auch Kapitalgesellschaften.
Danach unterliegen die folgenden Vorgänge der Besteuerung, sofern zum Vermögen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und soweit diese nicht bereits nach dem insoweit vorrangigen § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG steuerbar sind:
- Ein schuldrechtliches Geschäft (z. B. Kaufvertrag), das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden – Anteilsvereinigung –, unterliegt nach 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
- Sofern kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist, unterliegt auch die dingliche Anteilsvereinigung (unmittelbar oder mittelbar) von mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) der Anteile an einer grundstückshaltenden Gesellschaft in einer Hand nach 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Liegt hingegen ein steuerbares Rechtsgeschäft i. S. d. Nr. 1 vor, ist der dingliche Vollzug des schuldrechtlichen Geschäfts nicht erneut steuerbar.
- Ein Rechtsgeschäft, das die Anteilsübertragung von unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) der Anteile an einer grundstückshaltenden Gesellschaft, respektive bereits vereinigter Anteile begründet, unterliegt gemäß 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ebenfalls der Grunderwerbsteuer. Ein separater Erwerb vereinigter Anteile durch zwei oder mehrere Personen ist hingegen nicht steuerbar, wenn keiner der Erwerber zumindest 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) der Anteile auf sich vereint.
- Dazu wiederum subsidiär ist gemäß 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auch der dingliche Übergang vereinigter Anteile an einer grundstückshaltenden Gesellschaft auf einen anderen steuerbar, wenn kein entsprechendes schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen ist. Hierzu gehören auch Anteilsübertragungen kraft Gesetzes, wie z. B. durch Erbfolge oder aufgrund von Umwandlungen nach dem UmwG.
Im Gegensatz zu § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG existiert kein maßgeblicher Zeitraum, innerhalb dessen die Anteile vereinigt werden müssen.
Mittelbare Übertragungen bei § 1 Abs. 3 GrEStG:
Im folgenden Video wird der § 1 Abs. 3 GrEStG inklusive eines Fallbeispiels erläutert:
Die von zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften gehaltenen Beteiligungen werden dem mittelbaren Gesellschafter zugerechnet, wenn er mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) der Anteile hält. Dem liegt eine statische Betrachtung zugrunde; es erfolgt kein Durchrechnen.
Eine Vereinigung von Anteilen an einer grundstückshaltenden Gesellschaft muss nicht in der Hand eines einzigen Gesellschafters, sondern kann auch in der Hand eines grunderwerbsteuerlichen Organkreises (herrschende und abhängige Unternehmen oder abhängige Personen oder abhängige Unternehmen oder abhängige Personen) erfolgen. Das Abhängigkeitsverhältnis ersetzt hierbei die erforderliche Beteiligung von mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) der Anteile an der vermittelnden Gesellschaft, wenn eine solche Beteiligung nicht vorliegt. Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) GrEStG gelten als abhängig natürliche Personen, soweit sie einzeln oder zusammengeschlossen in einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers in Bezug auf die Anteile zu folgen verpflichtet sind und nach Buchst. b) juristische Personen, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert sind. § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b) GrEStG lehnt sich an die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG an, so dass eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung einer juristischen Person in ein Unternehmen vorliegen muss. Die finanzielle Eingliederung in diesem Sinne fordert den Besitz einer Anteilsmehrheit, die nach dem jeweiligen Gesellschaftsstatut die Durchsetzung wesentlicher Entscheidungen gewährleistet. Eine wirtschaftliche Eingliederung liegt bei einer ausreichenden Verflechtung des Organträgers mit der Organgesellschaft vor. Letztere muss hierzu im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheinen und die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein sowie sich dabei fördern und ergänzen. Eine organisatorische Eingliederung ist gegeben, sofern der Organträger – etwa durch eine personelle Verflechtung der Geschäftsführung oder durch einen Beherrschungsvertrag – seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann, so dass eine abweichende Willensbildung bei der Organtochter ausgeschlossen ist.
Bei Personengesellschaften hat der BFH in der Vergangenheit die sog. sachenrechtliche Betrachtungsweise vertreten, d. h. bei der Definition des Begriffs „Anteil an einer Gesellschaft“ i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG eine sog. Pro-Kopf-Betrachtung und deshalb keine quotale Betrachtung vorgenommen (BFH v. 08.08.2001 – II R 66/98). Es wurde davon ausgegangen, dass jeder Gesellschafter nur genau einen Anteil enthält – auch der nicht am Vermögen der Personengesellschaft beteiligte Komplementär und der mit 100 % am Vermögen der Gesellschaft beteiligte Kommanditist.
Bei Kapitalgesellschaften wird der "Anteil am Vermögen" i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG als Verhältnis des Gesamtnennbetrags der dem Gesellschafter zustehenden Anteile zum gesamten Nenn- bzw. Stammkapital der Gesellschaft ermittelt.
Die sachenrechtliche Betrachtungsweise gilt nicht (mehr), wenn die Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten werden (BFH v. 12.03.2014 – II R 51/12; v. 27.09.2017 – II R 41/15; GLE v. 19.09.2018, BStBl. I 2018, S. 1074, Tz. 4.1). Aktuelle hat der BFH erklärt: „Es spricht viel dafür, dass die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die Beteiligung aller Gesellschafter am Gesamthandsvermögen auch für die unmittelbare Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft maßgeblich ist (BFH v. 27.05.2020 – II R 45/17).
Fallbeispiel
Wirtschaftliche Beteiligung eines Rechtsträgers
Durch die Einfügung eines § 1 Abs. 3a GrEStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz sollen insbesondere Erwerbsvorgänge mit sogenannte Real Estate Transfer Tax-Blocker-Strukturen auch RETT-Blocker-Strukturen genannt der Besteuerung unterworfen werden.
Die Vorschrift verhindert, dass durch die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft, an der ein fremder Dritter einen Gesellschaftsanteil hält, eine Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG umgangen wird (Gleichlautende Erlasse der Länder v. 19.9.2018 – DStR 2018, 2213). Gemäß § 1 Abs. 3a S. 2 GrEStG, ergibt sich die „wirtschaftliche Beteiligung“ aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft.
§ 1 Abs. 3a GrEStG gilt sowohl für grundstückshaltende Personen- wie auch für Kapitalgesellschaften. Die Vorschrift ist allerdings subsidiär zu Abs. 2a, 2b und Abs. 3 anzuwenden. D. h., dass ein Vorgang nur dann der Besteuerung i. S. des § 1 Abs. 3a GrEStG unterliegen kann, wenn dieser nicht bereits nach Abs. 2a, 2b oder Abs. 3 steuerbar ist. Hierfür ist keine tatsächliche Besteuerung notwendig. Ausreichend ist bereits, wenn der Rechtsvorgang steuerbar, aber gemäß einer Begünstigungsvorschrift (z. B. § 1 Abs. 2a S. 7, § 5, § 6 GrEStG) steuerbefreit ist, so dass in diesen Fällen § 1 Abs. 3a GrEStG nicht zur Anwendung gelangt (Gleichlautende Erlasse der Länder v. 09.10.2013 – BStBl. I 2013, 1364).
Der GrESt unterliegt ein Rechtsvorgang, sofern hierdurch ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar bzw. teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung an einer grundstückshaltenden Gesellschaft von mindestens 90 % (bis 30.06.2021: 95 %) innehat. Die Norm fingiert stichtagsbezogen und ohne die Berücksichtigung einer Erwerbsfrist, wie sie § 1 Abs. 2a GrEStG vorsieht, einen Rechtsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG. § 1 Abs. 3a S. 2 GrEStG definiert den Begriff der wirtschaftlichen Beteiligung als Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der grundstückshaltenden Gesellschaft. Es gilt damit explizit keine sachenrechtliche Betrachtungsweise (GLE v. 09.10.2013 – BStBl. I 2013, 1364). Trotz der Einführung des Begriffs der wirtschaftlichen Beteiligung sollten rein schuldrechtliche Vereinbarungen wie Darlehensbeziehungen, Genussrechte oder stille Beteiligungen nicht relevant sein. Nach § 1 Abs. 3a S. 3 GrEStG sind für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen die Vomhundertsätze (wiederum rechtsformneutral) am Kapital oder Vermögen der vermittelnden Gesellschaften zu multiplizieren.
Anwendung der Neuregelungen des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG: gelten für nach dem 30.06.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG a.F. und § 1 Abs. 3a GrEStG a.F. sind unter der Voraussetzung, dass die Beteiligung am 30.06.2021 bereits mindestens 90 %, aber weniger als 95 % betragen hat, unbefristet weiter anzuwenden. Damit sollen Übergangsgewinne vermieden werden.