Inhaltsverzeichnis
Einführung
Auch eine Organgesellschaft hat ein steuerliches Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG zu führen. Während jedoch eine Kapitalgesellschaft, die sich nicht in einem Organschaftsverhältnis befindet, Leistungen an ihre Gesellschafter durch offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen tätigt, hat eine Organgesellschaft nach § 291 AktG grundsätzlich ihren gesamten Jahresüberschuss an ihre Organträgerin abzuführen. Steuerrechtlich wird hingegen nach § 14 KStG der Organträgerin das steuerrechtliche Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet.
Hinweis
Zu detaillierteren Ausführungen wird auf das Kapital „Organschaft“ verwiesen.
Weicht nun das handelsrechtlich abgeführte Ergebnis der Organgesellschaft von dem steuerbilanziellen Ergebnis (maßgebend ist also immer nur das innerbilanzielle Ergebnis!) ab (i.d.R. aufgrund abweichender Bewertungen nach § 60 Abs. 2 EStDV), kommt es zu so genannten Mehr- und Minderabführungen.
Minderabführungen
Eine Minderabführung liegt in den Fällen vor, in denen das handelsrechtlich abgeführte Ergebnis geringer ist als der Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft. Dies kann bspw. der Fall sein, weil handelsrechtlich bestehende Verlustvorträge nach § 301 AktG ausgeglichen werden müssen oder aber steuerrechtliche Bewertungen abweichend vorgenommen werden, z.B. weil keine Rückstellungen für Drohverluste in der Steuerbilanz gebildet werden dürfen.
Ist das handelsrechtlich an den Organträger abgeführte Ergebnis geringer als der, dem Organträger zugerechnete steuerbilanzielle Gewinn, hat dies zur Folge, dass
- handelsrechtlich/ tatsächlich ein höheres Vermögen/stille Reserven bei der Organgesellschaft verblieben sind, während
- auf steuerlicher Ebene bereits eine Versteuerung dieses (tatsächlich noch bei der Organgesellschaft verbliebenen Vermögens) bei der Organträgerin erfolgte.
Würden für diese Sachverhalte keine weiteren Regelungen bestehen, käme es spätestens im Fall der Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu einer Doppelbesteuerung. Der Verkaufspreis der Beteiligung ist regelmäßig um die – in der Organgesellschaft handelsrechtlich verbliebenen, stillen Reserven – erhöht. Somit würde ein höherer Veräußerungsgewinn bei der Organträgerin erzielt und besteuert werden, obwohl die Versteuerung dieser stillen Reserven steuerlich bereits im Zeitpunkt der Minderabführung erfolgte.
Daher wird diesem Vorgang durch weitere Regelungen Rechnung getragen. Zum einem wird auf Ebene der Organträgerin ein aktiver stl. Ausgleichsposten gebildet (seit 2022 der Buchwert der Beteiligung an der Organgesellschaft erhöht).
Auf Ebene der Organgesellschaft ist hingegen das steuerliche Einlagekonto nach § 27 Abs. 6 KStG in Höhe der organschaftlichen Minderabführungen zu erhöhen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betrag der Minderabführung zuerst an den Organträger abgeführt wurde und anschließend durch diesen wieder in die Organgesellschaft eingelegt wurde, weshalb das steuerliche Einlagekonto zu erhöhen ist.
Das steuerliche Einlagekonto ist aufgrund von organschaftlichen Minderabführungen sowohl
- nach § 27 Abs. 6 S. 1 KStG a. F. (gültig bis 31.12.2021) als auch
- nach § 27 Abs. 6 S. 1 KStG n. F. (gültig ab 01.01.2022) zu erhöhen.
Kommt es hingegen zu vororganschaftlichen Minderabführungen, d. h., dass die Differenzen zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und dem steuerbilanziellen Gewinn auf Sachverhalte zurückzuführen sind, die ihre Ursache in einem Zeitraum vor dem Bestehen der Organschaft haben, regelt § 14 Abs. 3 KStG, dass diese vororganschaftlichen Minderabführungen eine Einlage der Organträgerin in die Organgesellschaft darstellen. Auch in diesen Fällen ist die Minderabführung als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Abs. 1 S. 2 KStG zu erfassen.
Mehrabführungen
Eine Mehrabführung liegt hingegen vor, wenn das handelsrechtlich abgeführte Ergebnis höher als das steuerbilanzielle Ergebnis der Organgesellschaft ist. Dies ist bspw. der Fall, wenn steuerrechtlich höhere Abschreibungsbeträge in Anspruch genommen oder steuerliche Rücklagen (bspw. nach § 6b EStG) gebildet wurden.
In diesen Fällen wurde handelsrechtlich also bereits Vermögen/ stille Reserven von der Organgesellschaft an die Organträgerin abgeführt, während steuerrechtlich noch keine Versteuerung dieses/r Vermögens/ stillen Reserven bei der Organträgerin erfolgte.
Auf Ebene der Organträgerin führten organschaftliche Mehrabführungen bis zum 31.12.2021 dazu, dass bei der Organträgerin ein passiver stl. Ausgleichsposten für die Beteiligung zu bilden war. Seit dem 01.01.2022 wird die Bildung der stl. Ausgleichsposten jedoch durch die sog. Einlagelösung ersetzt. Dies führt dazu, dass in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführungen wie eine Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger zu behandeln sind. Infolgedessen ist der Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft bei der Organträgerin entsprechend zu vermindern (zu weiteren Ausführungen s. Kapitel der Organschaft).
Auf Ebene der Organgesellschaft vermindert eine Mehrabführung hingegen den Bestand des steuerlichen Einlagekontos um den Betrag der Mehrabführung. Die Mehrabführung kann dabei auch dazu führen, dass das steuerliche Einlagekonto negativ wird (s. BMF v. 04.06.2003, Rz. 28 und Entwurf eines BMF-Schreibens zur Einlagelösung nach § 14 Abs. 4 KStG v. 13.04.2022, Rz. 25).
Seit dem Übergang zur Einlagelösung für Mehr- und Minderabführungen von Organgesellschaften, d. h. seit dem 01.01.2022, regeln die §§ 27 Abs. 1 S. 3 und 27 Abs. 6 S. 2 KStG darüber hinaus, dass das steuerliche Einlagekonto im Fall einer Mehrabführung nunmehr im Wege eines Direktzugriffs zu vermindern ist. Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto bedeutet dabei, dass das stl. Einlagekonto vorrangig vor anderen Leistungen gemindert werden muss, also noch bevor eine Auskehrung des ausschüttbaren Gewinns erfolgt.
Beispiel
Die A-GmbH ist Organträgerin der B-GmbH. Das steuerliche Eigenkapital der B-GmbH stellte sich zum 31.12.02 wie folgt dar:
I. Nennkapital | 50.000 |
II. Kapitalrücklage | 50.000 |
V. Jahresüberschuss | 100.000 |
Eigenkapital 31.12.01 | 200.000 |
Das stl. Einlagekonto wurde auf 50.000 € festgestellt. Folglich ergibt sich grds. ein ausschüttbarer Gewinn von 100.000 €.
Eigenkapital (vorangegangenes WJ) | 200.000 € | |
- | Gezeichnetes Kapital (vorangegangenes WJ) | 50.000 € |
- | Steuerliches Einlagekonto (Vorjahr) | 50.000 € |
= | Ausschüttbarer Gewinn | 100.000 € |
Im VZ 03 kommt es zu einer Mehrabführung der B-GmbH an die A-GmbH i.H.v. 130.000 €.
Normalerweise würde das steuerliche Einlagekonto aufgrund einer Leistung der B-GmbH nur um den Betrag gemindert, der den ausschüttbaren Gewinn übersteigt, hier also nur um 30.000 €. § 27 Abs. 6 S. 2 KStG regelt nunmehr, dass das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.03 im Fall einer organschaftlichen Mehrabführung vorrangig vor anderen Leistungen, um den Betrag der Mehrabführung zu mindern ist, hier also um die volle Höhe von 130.000 €. Ohne weitere Einlage beläuft sich der Bestand des stl. Einlagekontos zum 31.12.03 somit auf -80.000 €.
Kommt es hingegen zu vororganschaftlichen Mehrabführungen, d. h., dass die Differenzen zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und dem steuerbilanziellen Gewinn auf Sachverhalte zurückzuführen sind, die ihre Ursache in einem Zeitraum vor dem Bestehen der Organschaft haben, regelt § 14 Abs. 3 KStG, dass diese vororganschaftlichen Mehrabführungen eine Gewinnausschüttung der Organgesellschaft an die Organträgerin darstellen.