Eine verdeckte Einlage kann nur in den Fällen vorliegen, in denen die Einlage nicht offen, d. h. außerhalb der „normalen“ gesellschaftsrechtlichen Einlage erfolgt. Im Gegensatz zur offenen Einlage erhält der Gesellschafter keine Gegenleistung für seine Einlage. Die Werterhöhung der Anteile, die infolge der Einlage reflexartig erfolgt, stellt keine Gegenleistung für die Einlage dar.
Nach h. M. ist das Tatbestandsmerkmal daher daran gebunden, dass der Gesellschafter die Einlage ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten leistet.
Würde die Beurteilung ob es sich um eine offene oder verdeckte Einlage handelt – wie von einigen Meinungen im Schrifttum geäußert – nach den Grundsätzen des Handelsrechts erfolgen, dann würde auch die Einstellung in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eine offene Einlage darstellen.
Dies würde steuerrechtlich jedoch zu unzutreffenden Ergebnissen führen, da steuerliche Tatbestände auf Gesellschafterebene, die teilweise an verdeckte Einlage anknüpfen, damit entfallen würden.
Beispiel
Berta Bruch ist Gesellschafterin der Bau-ein-Haus-GmbH. Daneben hält sie eine Beteiligung von 100% an der Abbruch-GmbH im Privatvermögen. Da die Abbruch-GmbH regelmäßig Häuser auf Grundstücken abreist, auf denen die Bau-ein-Haus-GmbH später wieder Neubauten errichtet, beschließt Berta Bruch die Beteiligung an der Abbruch-GmbH in die Bau-ein-Haus-GmbH einzulegen. Die Einlage der Beteiligung wird bei der Bau-ein-Haus-GmbH gegen die Kapitalrücklage gebucht.
Auf Ebene des Gesellschafters steht die verdeckte Einlage einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG nach § 17 Abs. 1 S. 2 EStG einer Veräußerung der Beteiligung gleich.
Würde man nun dem Handelsrecht folgen, würde die Einlage der Beteiligung unter Einstellung in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eine offene Einlage darstellen. Mangels verdeckter Einlage, würde nicht der Tatbestand des § 17 Abs. 1 S. 2 EStG ausgelöst werden. Die steuerliche Behandlung der Einlage auf Ebene des Gesellschafters wäre also davon abhängig, wie die Einlage auf Ebene der Kapitalgesellschaft erfasst wird.
Um eine solche Gestaltungsmöglichkeit zu vermeiden, ist die steuerliche Beurteilung ob eine offene oder verdeckte Einlage vorliegt vom Handelsrecht abzugrenzen.
Von einer verdeckten Einlage i.S.d. § 8 Abs. 3 S. 3 KStG ist daher dann auszugehen, wenn keine Gegenleistung (in Gestalt von Gesellschaftsrechten) gewährt wird. So kann ein nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB in die Kapitalrücklage eingestelltes Agio nach BFH-Rechtsprechung nur dann eine offene Einlage darstellen, wenn dem Gesellschafter zumindest teilweise auch Gesellschaftsrechte gewährt werden. Andernfalls liegt eine verdeckte Einlage vor.