Der Zinssatz für Zinsen nach § 233a AO wird für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat insgesamt jährlich also 1,8 % gesenkt und damit an die verfassungsrechtlichen Vorgaben angepasst.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 08.07.2021 die gesetzliche geregelte 6 % Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen für verfassungswidrig erklärt. Die Finanzämter dürfen das Gesetz nur noch für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 31.12.2018 weiter anwenden. Für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.
Demzufolge wird der Zinssatz für Zinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat insgesamt jährlich also 1,8 % gesenkt.
Die Angemessenheit des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen wird künftig alle drei Jahre überprüft, erstmals zum 01.01.2026; hierbei ist die Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB zu berücksichtigen.
Gegenstand der Änderungen und Neuerungen
Gegenstand der Änderungen und Neuerungen nach dem Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung sind hier einmal zusammengefasst:
- Kennzeichen grenzüberschreitender Steuergestaltungen; bei mittelbaren Beteiligungen gilt die Besonderheit, dass eine Person als Halter von 100 % der Stimmrechte gilt, sofern sie Stimmrechtsbeteiligungen von mehr als 50 % hält. Diese Bestimmung fehlte bisher in der Rechtsnorm § 138e Abs. 3 AO.
- Mitteilungen bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen; intermediäre damit sind Vermittler, Zwischenglieder wie Kreditinstitute gemeint haben bei marktfähigen Gestaltungen eine Aktualisierung zu den meldepflichtigen Informationen zu übermitteln. Hierzu gehören auch die Angaben nach § 138f Abs. 3 Nr. 3 AO zu verbundenen Unternehmen.
- Last-in-First-out-Prinzip bei der Zuordnung zu verzinsender Steuerzahlungen; hierbei geht es unter anderem um die Berechnung von Erstattungszinsen bei mehrfachen Änderungen von Steuerfestsetzungen. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der Leistungen; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.
- Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund "freiwilliger" Zahlungen; Nachzahlungszinsen sind nicht zu erheben, soweit der Steuerpflichtige Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht und die Finanzbehörde diese noch nicht fälligen Leistungen angenommen und dann die Leistung auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Der Zinsverzicht mindert sich rückwirkend, wenn die zugrunde liegende Festsetzung von Nachzahlungszinsen zugunsten des Steuerpflichtigen geändert wird. Diese Regelung dient der Vermeidung einer ungerechtfertigten Doppelbegünstigung und entspricht der bisherigen Praxis.
- Nachzahlungs- und Erstattungszinsen; abweichend von dem für alle anderen Zinsen im Sinne des § 233 ff. AO, insbesondere Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen, Prozesszinsen und Aussetzungszinsen, unverändert geltenden Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO beträgt der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 pro Monat 0,15% und pro vollem Jahr 1,8%. Der neue Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO orientiert sich dabei am aktuellen Basiszinssatz nach § 247 BGB der -0,88 % pro Jahr entspricht und einem sachgerechten Zuschlag in Höhe von rund 2,7 Prozentpunkten. Er bleibt damit aber immer noch deutlich unterhalb des Zinssatzes für Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und bildet damit einen angemessenen Mittelwert zwischen Soll- und Habenzinsen.
Hinweis: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zulasten des Steuerpflichtigen, dementsprechend auf
- Stundungszinsen nach § 234 AO
- Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 AO
- Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung nach § 237 AO
Ob auch für andere Zinsen nach der AO oder den Einzelsteuergesetzen sowie für Säumniszuschläge nach § 240 AO eine Neureglung des Zinssatzes erfolgen soll, ist nicht Gegenstand des Gesetzes.
- Aufteilung des Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume; sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgebend, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen, für die die Zinsen jeweils tageweise zu berechnen sind. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
Hinweis: Die Berechnung dieser Zinstage erfolgt nach der sogenannten deutschen Zinsberechnungsmethode, dabei wird jeder volle Monat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes volle Jahr damit mit 360 Tagen gerechnet.
- Evaluierungsklausel; alle drei Jahre ist die Angemessenheit des Zinssatzes - unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB - mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume zu evaluieren, erstmals zum 01.01.2026. Eine Änderung soll nur dann erfolgen, wenn der zum 01.01. des Jahres der Evaluierung geltende Basiszinssatz um mehr als einen Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1a AO-E geltenden Basiszinssatz abweicht. Unabhängig von diesen Regelungen kann der Gesetzgeber bei signifikanten Änderungen des Basiszinssatzes auch schon frühzeitiger eine Anpassung des Zinssatzes nach dem § 238 Abs. 1a AO-E anordnen.
- Festsetzungsfrist für Zinsen auf zwei Jahre verlängert; Die Praxis zeigte bisher, dass die einjährige Festsetzungsfrist für Zinsen nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO nicht immer ausreicht. In Anlehnung an die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist für Steuern nach § 171 Abs. 10 und Abs. 10a AO wird diese Frist nun auf zwei Jahre verlängert. Diese Neuregelung gilt in allen Fällen, in denen die Festsetzungsfrist am Tag nach der Verkündung des Änderungsgesetzes nicht abgelaufen ist.
- Anrechnung der nach § 233a AO festgesetzten Zinsen auf andere Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung; festgesetzte Zinsen sind unter bestimmten Voraussetzungen auf festzusetzende Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen, Prozesszinsen und Aussetzungszinsen anzurechnen. Die Änderungsbefugnis soll sich damit künftig eindeutig aus § 239 Abs. 1 Satz 1 AO-E in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ebenfalls verbunden mit der entsprechenden Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO-E und § 171 Abs. 10 AO-E hervorgehen.
Der geplante Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzesentwurfs ist am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt, spätestens am 31.07.2022.