Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsätze
Die unbefristete Optionserklärung nach § 13a Abs. 8 ErbStG (i. d. F. von 2013) ist im Einspruchsverfahren zu berücksichtigen, soweit ihre steuerrechtlichen Auswirkungen nicht über den durch § 351 Abs. 1 AO gesetzten Rahmen hinausgehen.
Die Bindungswirkung nach § 351 Abs. 1 AO hat nicht zur Folge, dass die Verschonung, wenn sie den Änderungsrahmen verlässt, insgesamt zu versagen ist.
Tenor
27.10.2021, 3 K 2817/20 Erb wird als unbegründet zurückgewiesen.
Tatbestand
Mit Notarvertrag vom 21.03.2023 übertrug der Vater des Klägers und Revisionsbeklagten die folgenden Geschäftsanteile mit Wirkung zum 31.12.2012 im Wege einer Schenkung auf seinen Sohn A:
- Einen Kommanditanteil an der A GmbH & Co. KG und einen zu deren Sonderbetriebsvermögen gehörenden Geschäftsanteil an der A GmbH,
- einen Kommanditanteil an der B GmbH & Co. KG und einen zu deren Sonderbetriebsvermögen gehörenden Anteil an der B GmbH und
- einen Kommanditanteil an der C GmbH & Co. KG und zu deren Sonderbetriebsvermögen gehörenden Geschäftsanteil an der C GmbH und der D GmbH.
Mit Steuerbescheid vom 20.04.2016 setzte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt) gegen A Schenkungssteuer fest. Dabei berücksichtigte das Finanzamt die Regelverschonung nach § 13a, § 13b ErbStG (i. d. F. von 2013). Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AO im Hinblick auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12 angeordneten Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung der Verschonung von Betriebsvermögen.
Der Steuerbescheid wurde mit keinem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) versehen. Einen Einspruch gegen den Steuerbescheid hatte A auch nicht eingereicht.
Am 21.12.2018 erfolgte erstmals eine gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des übertragenen Kommanditanteils sowie des Verwaltungsvermögens.
Am 10.10.2019 wurde der Feststellungsbescheid hinsichtlich des Werts des Anteils an der [A] GmbH & Co. KG geändert.
Mit dem nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderten Steuerbescheid vom 13.11.2019 setzte das Finanzamt die Steuer gegenüber A unter Berücksichtigung der Regelverschonung herauf.
A legte dagegen Einspruch ein und erklärte zugleich die Inanspruchnahme der Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG. Das Finanzamt wies den Einspruch per Einspruchsentscheidung vom 09.09.2020 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht hat den Steuerbescheid vom 13.11.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2020 dahingehend geändert, dass die Steuer – wie im formell bestandskräftigen Ausgangsbescheid vom 20.04.2016 – auf … EUR festgesetzt und die Klage entsprechend abgewiesen. Es hat die Vollverschonung in dem Umfang gewährt, insoweit die Steuer durch den nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid erhöht worden war.
Das Finanzamt legt dagegen Revision ein und macht eine Verletzung nach § 351 Abs. 1 AO geltend.
Begründung war, dass mit der Gewährung der Vollverschonung das Finanzgericht die angeordnete Bindungswirkung missachtet habe, denn die steuerlichen Folgen zur optionalen Vollverschonung geht über den durch die Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO gesetzten Änderungsrahmen hinaus. Argumentation des Finanzamts ist, dass der BFH mit den Urteilen vom 09.12.2015, X R 56/13 und vom 20.04.2023, III R 25/22 entschieden habe, dass die Änderung aufgrund einer Antrags- oder Wahlrechtsausübung nur dann möglich sei, wenn die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlasse.
Im Streitfall liege diese Voraussetzung nicht vor, da mit der Erklärung zur optionalen Vollverschonung eine Herabsetzung der Steuer auf 0 EUR erreicht werden könnte. Die zu erzielende Steueränderung überschreite somit den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen.
Die Parteien beantragen folgendes:
- Das Finanzamt beantragt die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- A beantragt die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Finanzgericht hat rechtmäßig entschieden, dass die Vollverschonung für die Schenkungssteuer auf Antrag des A in dem Umfang zu gewähren ist, in dem die Steuer in dem angefochtenen Änderungsbescheid vom 13.11.2019 heraufgesetzt wurde.
Die Erklärung zur optionalen Vollverschonung von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 8 ErbStG entspricht einem Antragsrecht (BFH-Urteil vom 26.07.2022, II R 25/20, BFHE 277, 456, BStBl. II 2024, S. 21, Rz. 34).
Eine gesetzliche Frist für ihre Abgabe besteht nicht. Die Optionserklärung kann unbefristet abgegeben werden. Die Möglichkeit, aufgrund der Erklärung eine Herabsetzung der Schenkungsteuer zu erreichen, wird aber durch das allgemeine verfahrensrechtliche Institut der Bestandskraft und die Regelung des § 351 Abs. 1 AO begrenzt (zuletzt BFH-Urteil vom 20.04.2023, III R 25/22, BFHE 280, 393, BStBl. II 2023, S. 823, Rz. 14).
Wird also eine Optionserklärung nach § 13a Abs. 8 ErbStG nicht bis zur Bestandskraft der erstmaligen Schenkungssteuerfestsetzung erklärt, ist sie bei einer Änderung der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen, soweit ihre steuerrechtlichen Auswirkungen nicht über den nach § 351 Abs. 1 AO gesetzten Rahmen hinausgehen (zuletzt BFH-Urteil vom 20.04.2023, III R 25/22, BFHE 280, 393, BStBl. 2023, S. 823).
Die ständige BFH-Rechtsprechung erlaubt die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten, die keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen, so lange, wie der entsprechende Steuerbescheid keiner formellen und materiellen Bestandskraft unterliegt. Damit werden auch partiellen Änderungsmöglichkeiten ermöglicht. D. h. konkret, dass Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, können gemäß § 351 Abs. 1 AO nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht [sog. Änderungsrahmen, Anm. d. Verf.], es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.
Der BFH erläutert ferner, dass § 351 Abs. 1 AO den Änderungsrahmen zur Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte Änderbarkeit eines Änderungsbescheids auf den Umfang der Änderung beschränkt. (BFH-Urteil vom 26.04.2018, III R 12/17, BFH/NV 2018, S. 948, Rz. 27; BFH-Urteil vom 20.04.2023, III R 25/22, BFHE 280, 393, BStBl. II 2023, S. 823, Rz. 17; BFH-Beschluss vom 05.03.2020, II B 99/18, BFH/NV 2020, S. 852, Rz. 8).
In diesem Urteil folgert der BFH daraus, dass wenn ein nach den §§ 172 ff. AO ergangener Änderungsbescheid angefochten wird, aus § 351 Abs. 1 AO folgt, dass die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten nur insoweit berücksichtigt werden können, als die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt.
Das gilt auch für das Wahlrecht zur Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG. Die Bindungswirkung i. S. d. § 351 Abs. 1 AO hat nicht zur Folge, dass die Verschonung insgesamt zu versagen ist, wenn sie den zulässigen Änderungsrahmen übersteigt. § 351 AO ist als quantitative und nicht als qualitative Änderungssperre zu verstehen (BFH-Urteil vom 26.04.2018, III R 12/17, BFH/NV 2018, S. 948, Rz. 29).
Gegen die Gewährung der Verschonung im Umfang der (Bescheid)Änderung spricht deshalb nicht, dass das Antragsrecht des § 13a Abs. 8 ErbStG nicht partiell ausgeübt werden kann.
Fazit
Die BFH-Urteile vom 09.12.2025, X R 56/13 und vom 20.04.2023, III R 25/22 stützen die Sichtweise des BFH in dieser Entscheidungssache Beide Urteile weichen auch nicht von der hier ausgesprochenen Entscheidung ab.
Das Finanzgericht hat die vorstehenden Grundsätze richtigerweise auf den Streitfall angewandt, in dem es die Vollverschonung nur in dem Umfang gewährt, in dem die Steuer durch den auf § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid vom 13.11.2019 erhöht worden war.
Quelle:
- BFH-Urteil vom 11.12.2024, II R44/21