Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsätze
Eine gewerbliche Tätigkeit i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG liegt auch dann vor, wenn die Organträger-Personengesellschaft ausschließlich als geschäftsleitende Holding tätig ist. Konzerninterne entgeltliche Dienstleistungen oder andere zusätzliche gewerbliche Aktivitäten sind in einem solchen Fall nicht erforderlich.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 12.01.2021, 1 K 1090/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Tatbestand
Streitpunkt der Beteiligten ist, ob eine Personengesellschaft auch dann Organträgerin einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft sein kann, wenn sie ausschließlich als geschäftsleitende Holding tätig ist.
Die B-GmbH (Klägerin und Revisionsbeklagte) unterhält einen Filialbetrieb und ist Teil der Unternehmensgruppe Z. Gesellschafterin der B-GmbH war bis einschließlich 2007 die A-GmbH. Die A-GmbH war ebenfalls Bestandteil der Z-Gruppe. Zwischen der A-GmbH (Organträgerin) und insgesamt neun Organgesellschaften, zu denen auch die B-GmbH gehörte, bestanden jeweils körperschaftsteuerrechtliche Organschaften. Die A-GmbH war für den Organkreis als Großhändlerin tätig. Gesellschafter der A-GmbH waren C und die D-GmbH (je 50 %).
Durch den im Juli 2008 geschlossenen Vertrag kam es zu einer zweistufigen Umstrukturierung, die mit steuerlicher Rückwirkung zum 31.12.2007 durchgeführt wurde. Die A-GmbH gliederte den Teilbetrieb „Großhandel“ auf die B-GmbH aus. Hierbei gingen sämtliche Arbeitnehmer mit über. Ein personeller Übergang der Geschäftsführung auf die B-GmbH erfolgte aufgrund der Mehrfachfunktion aber nicht.
Im Wege der Umstrukturierung hatte die A-GmbH neue Geschäftsanteile erhalten. Im Anschluss übertrug die A-GmbH ihr gesamtes Vermögen (inkl. Beteiligung an der B-GmbH) per Ausgliederung auf die neu gegründete X-KG. Die X-KG gewährte im Gegenzug neue Geschäftsanteile an die A-GmbH. Komplementär der Kommanditgesellschaft war eine Stiftung. Die X-KG übernahm dabei auf den mit der Klägerin (B-GmbH) geschlossenen Ergebnisabführungsvertrag.
Hauptgeschäftsführer der zur Z-Gruppe gehörenden X-Gruppe waren im Jahr 2008 (Streitjahr) D, E und F. Sie waren u. a. Geschäftsführer der A- und B-GmbH sowie Stiftungsvorstände. Bei der Klägerin waren D und E bis August 2008 und F bis September 2009 als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, wobei F sein Amt bereits im September 2009 niedergelegt hatte. Zusätzlich waren G bis August 2008 und H bis Oktober 2011 als Geschäftsführer der B-GmbH eingetragen.
Die B-GmbH ging im Rahmen ihrer Steuererklärungen davon aus, dass im Streitjahr zwischen ihr als Organgesellschaft und der X-KG (Organträgerin) eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft i. S. d. §§ 14 ff. KStG bestünde. Dies wurde vom zuständigen Finanzamt auch so veranlagt.
Im Anschluss einer späteren Außenprüfung erkannte das Finanzamt (Beklagte und Revisionsklägerin) die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft nicht mehr an. Begründung war, dass die X-KG noch keine eigene gewerbliche Tätigkeit aufgenommen habe. In Folge setzt das Finanzamt mit dem Änderungsbescheid vom 14.09.2015 die Körperschaftsteuer neu fest. Dem zu versteuernden Einkommen lag ein Steuerbilanzverlust sowie eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Gewinnabführung zugrunde. Der darauf eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt (Urteil vom 12.01.2021, 1 K 1090/19) und änderte die Körperschaftsteuer für das Streitjahr auf 0 EUR. Die X-KG habe spätestens am 31.12.2008 selbst eine originär gewerbliche Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt. Schließlich sei sie damit auch eine taugliche Organträgerin gewesen (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG). Die gewerbliche Tätigkeit der X-KG folge daraus, dass sie als geschäftsleitende Holding nach außen erkennbar auf das Tagesgeschäft der Organgesellschaft entscheidenden Einfluss ausgeübt hatte. Zur Begründung dieser Tatsache verweist das Finanzgericht auf die jeweiligen Gesellschafterprotokolle.
Die Streitparteien beantragten im Urteilsverfahren folgendes:
- Das Finanzamt macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- Die B-GmbH (Klägerin) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das Finanzgericht hat rechtmäßig entschieden, dass die X-KG bereits im Streitjahr die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG erfüllt und damit eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft zwischen der X-KG (Organträgerin) und der B-GmbH (Organgesellschaft) bestanden hat.
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG kann auch eine Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG mit inländischer Geschäftsleitung Organträgerin sein, wenn sie eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt. Die gewerbliche Tätigkeit muss von der Personengesellschaft selbst ausgeübt werden, aber sie muss nicht schon zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen (Senatsurteil vom 24.07.2013, I R 40/12, BFHE 242, 139, BStBl. II 2014, S. 272; zuletzt bestätigt: Senatsurteil vom 11.07.2023, I R 40/20, BFHE 281, 453, BStBl. II 2024, S. 434).
Eine originäre gewerbliche Tätigkeit liegt in dem Fall auch vor, wenn die Organträger-Personengesellschaft ausschließlich als geschäftsleitende Holding tätig ist. Konzerninterne entgeltliche Dienstleistungen oder andere zusätzliche gewerbliche Aktivitäten sind in einem solchen Fall nicht erforderlich. Voraussetzung dabei sei, dass die Organträger-Personengesellschaft eine durch äußere Merkmale erkennbare einheitliche Leitung über mehrere Organgesellschaften ausübe. Dieses Kriterium gilt als erfüllt, wenn das herrschende Unternehmen Richtlinien über die Geschäftspolitik der abhängigen Unternehmen aufstelle und den abhängigen Unternehmen zuleite oder wenn es den abhängigen Unternehmen schriftliche Weisungen erteilt. Auch Empfehlungen des herrschenden Unternehmens, gemeinsame Besprechungen und Beratungen könnten genügen, wenn sie schriftlich festgehalten würden. Es reicht aber nicht aus, dass sich die einheitliche Leitung aus einer weitgehenden personellen Verflechtung der Geschäftsführung der Konzernunternehmen ergebe (Senatsurteil vom 17.12.1969, I R 252/64, BFHE 98, 152B, BStBl. II 1970, S. 257, zuletzt bestätigt: Senatsbeschluss vom 10.08.2005, I B 27/05, BFH/NV 2006, S. 133).
Darüber hinaus hat sogar der BFH entschieden, dass die Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding auch unabhängig einer wirtschaftlichen Eingliederung als gewerbliche Tätigkeit gilt. Soweit es sich nicht nur um das Halten und Verwalten von Beteiligungen durch die Ausübung von Gesellschaftsrechten handelt, sondern die geschäftsleitende Holding planmäßig Unternehmenspolitik betreibe oder auf andere Weisen einen entscheidenden Einfluss auf die laufende Geschäftsführung ausübe, gehe dies über eine reine Vermögensverwaltung hinaus. Auch die Voraussetzung zur Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr ist damit erfüllt (BFH-Urteil vom 28.10.2008, VIII R 73/06, BFHE 223, 218, BStBl. II 2009, S. 647).
Dagegen stellt die Finanzverwaltung an die gewerbliche Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding zusätzliche Anforderungen. Auf die BFH-Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Eingliederung könne hier nicht zurückgegriffen werden. Vielmehr sei eine eigene gewerbliche Tätigkeit der Organträger-Personengesellschaft erforderlich, die über die Tätigkeit als geschäftsleitende Holding hinausgehe, z. B. durch das Erbringen entgeltlicher Dienstleistungen gegenüber der Tochtergesellschaft (BMF-Schreiben vom 10.11.2005, BStBl. I 2005, S. 1038, Rz. 18).
Dieser Ansicht folgt der Senat aber nicht und hält stattdessen an seiner Rechtsprechung zur geschäftsleitenden Holding fest und überträgt sie auf die Voraussetzungen einer Organträger-Personengesellschaft gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG.
Für diese Auslegung spricht insbesondere der Wortlaut des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG, der lediglich auf § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG verweist und keine Anhaltspunkte für das vom Finanzamt geforderte normspezifisch enge Verständnis der Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit erkennen lässt.
Vertiefung
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KSG
Der Einwand des Finanzamts, jede Obergesellschaft erfüllt typischerweise die Voraussetzungen einer geschäftsleitenden Holding und § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG liefe bei deren Anerkennung als Organträgerin leer, trifft nicht zu.
Eine Organträger-Personengesellschaft kann gerade nicht jeder (vermögensverwaltende) Holding-Mantel, sondern nur eine (gewerblich tätige) geschäftsleitende Holding sein, wobei zwischen der rein vermögensverwaltenden Ausübung von Gesellschaftsrechten und der gewerblichen Tätigkeit durch Ausübung einer einheitlichen Leitung ein erheblicher Unterschied besteht. Im Übrigen ging es nach der Begründung des Gesetzentwurfs darum, vermögensverwaltende und gewerblich geprägte Personengesellschaften als Organträger auszuschließen (BT-Drucks. 15/119, S. 43).
Fazit
Im Ergebnis lassen sich die Kriterien, welche die Rechtsprechung im Rahmen der wirtschaftlichen Eingliederung für die gewerbliche Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding entwickelt hat, auf § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG übertragen.
Gestützt wird diese Rechtsansicht an der nach außen gerichteten einheitlichen Leitung zur Teilnahme der Organträger-Personengesellschaft am wirtschaftlichen Verkehr. Denn das erforderliche Auftreten am Markt gegen Entgelt kann nicht durch den Abschluss entgeltlicher Dienstleistungsverträge mit den Tochtergesellschaften erfüllt werden. Darüber hinaus liegt unter solchen Umständen auch keine bloße Vermögensverwaltung vor (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001, GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl. II 2002, S. 291).
Ob eine geschäftsleitende Holding dabei zwingend an mindestens zwei Tochtergesellschaften beteiligt sein muss, ist unter den Umständen des Streitfalls nicht entscheidungsrelevant.
Nach diesen Maßgaben war die X-KG im Streitjahr bereits als geschäftsleitende Holding gewerblich tätig und hat somit die Voraussetzungen der Eignung als Organträgerin nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG erfüllt.
Der BFH führt in seiner Urteilsentscheidung ergänzend an, dass diese tatsächliche Würdigung des Finanzgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Dabei ist zu beachten, dass die vom Senat aufgeführten Kriterien einer geschäftsleitenden Holding nicht als „fester Katalog“ zu verstehen sind. Vielmehr sei dies ein Indiz für die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls (Senatsurteil vom 09.02.2011, I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl. II 2012, S. 106).
Quelle:
- BFH-Urteil vom 27.11.2024, I R 23/21