Florian Solich - Steuerberater, Master of Arts (Taxation), M.A.
Leitsatz
Eine Änderung gemäß § 129 AO ist ausgeschlossen, wenn die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass der Bearbeiter der Finanzverwaltung einem Denk- und Überlegungsfehler unterlegen ist, der sich auf den bisherigen Verfahrensablauf und dabei auf den Umstand bezieht, dass der vorherige Bearbeiter eine aus den Akten ersichtliche noch offene Frage bereits abschließend geprüft hat (hier: möglicher und nicht nur fernliegender Geschehensablauf dahingehend, dass nach einer in der Bilanzakte in ausgedruckter Form abgehefteten Hinweismitteilung bzgl. des Zugangs zur Kapitalrücklage und der Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto der Sachbearbeiter dem Denk- oder Überlegungsfehler unterlag, dass diese Frage anhand angeforderter und eingegangener Unterlagen bereits abschließend geprüft worden und daher nichts weiter zu veranlassen sei).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der gegenüber der Klägerin (A) ergangene bestandskräftige Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 3 KStG zum 31.12.2015 nach § 129 AO berichtigt werden kann.
A ist eine Aktiengesellschaft. Dessen Gesellschafter sind C, D und E.
Am 25.02.2017 wurde die Körperschaftsteuererklärung 2015 an das zuständige Finanzamt (hier: Beklagter) elektronisch übermittelt. In der beigefügten, ebenfalls in elektronischer Form übermittelten Anlage zur Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gem. § 27 Abs. 2 KStG auf den 31.12.2015 (Anlage KSt 1 F) gab A den festzustellenden Betrag des steuerlichen Einlagekontos sowie den Bestand zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und den Endbestand zum Schluss des Wirtschaftsjahres jeweils mit 0 EUR an. Ein Jahresabschluss war der Steuererklärung nicht beigefügt.
Das Finanzamt führte die Veranlagung 2015 antragsgemäß durch und erließ die entsprechenden Steuerbescheide am 06.07.2017. Die Steuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 wurde mit 0 EUR im Steuerbescheid ausgewiesen.
Im Rahmen der Erstveranlagung hatte die zuständige Sachbearbeiterin (F) des Finanzamts A mit Schreiben vom 26.05.2017 u. a. zur Übermittlung der bis dahin fehlenden E-Bilanzen 2014 und 2015 aufgefordert. Die E-Bilanzen übermittelte A daraufhin an das zuständige Finanzamt.
Mit Erhalt der Unterlagen hatte die Sachbearbeiterin F auf dem vorgenannten Schreiben vom 26.05.2017 hinter den darin aufgeführten Anforderungen handschriftliche Haken und Vermerke notiert. Hinter der Nachforderung „E-Bilanzen für 2014 und 2015“ ist handschriftlich u. a. der Vermerk „übermittelt“ notiert worden. Ein Ausdruck der E-Bilanz für das Jahr 2015 befindet sich in der im vorliegenden Klageverfahren vom Finanzamt vorgelegten Steuerakte. Der Ausdruck der E-Bilanz wurde erst während des vorliegenden Klageverfahrens erstellt.
Aus der E-Bilanz 2015 ergibt sich, dass A hinsichtlich des Betrags von 150.000 EUR eine Kapitalrücklage gebildet hat. Dies ergibt sich auch aus der E-Bilanz 31.12.2015 sowie dem beigefügten Kontennachweis zum Kapitalkonto „Kapitalrücklage“.
Nach Erhalt der E-Bilanz führte F im Finanzamt noch im Juli 2017 eine automatisierte Prüfberechnung der E-Bilanz durch, wodurch eine automatische Hinweismitteilung ausgegeben wurde. Diese befindet sich in Papierform in der Bilanzakte des Finanzamts und weist folgenden Text aus: „Die Kapitalrücklage hat sich gegenüber dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr um 150.000 EUR verändert. Bitte prüfen, ggf. Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto beachten und die festsetzungsnahen Daten aktualisieren.“ Die Sachbearbeiterin F hatte die E-Bilanz daraufhin am 05.07.2017 freigegeben.
Mit den Steuerbescheiden vom 04.01.2018 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) für die Steuerbescheide 2015 aufgehoben. Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung wurde vom Sachbearbeiter G durchgeführt, welcher seit Anfang Dezember 2017 im Veranlagungsbezirk tätig war.
Mit Schreiben vom 12.11.2019 beantragt A (hier: Klägerin) eine Änderung des Feststellungsbescheids des steuerlichen Einlagekontos gem. § 129 AO. Es wurde beantragt, den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 gemäß der in der E-Bilanz ausgewiesenen Kapitalrücklage i. H. v. 150.000 EUR festzustellen.
Die beantragte Änderung lehnte das Finanzamt am 19.11.2019 ab. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt am 01.03.2021 als unbegründet zurück.
Begründung des Finanzamts:
Die Ablehnung wurde durch das Finanzamt damit begründet, indem die Voraussetzungen für eine Bescheidkorrektur i. S. d. § 129 AO nicht vorlägen. Eine Unrichtigkeit gemäß § 129 AO ergebe sich im Streitfall zwar aus der Nichterfassung des Betrags (150.000 EUR) im steuerlichen Einlagekonto. Dieser Betrag sei als nicht in das Nennkapital geleistete Einlage (§ 27 Abs. 1 S. 1 KStG) der A auch im Wirtschaftsjahr 2015 zugeflossen und wäre daher im steuerliche Einlagekonto zu erfassen gewesen. Diese Unrichtigkeit sei zum damaligen Zeitpunkt aber nicht offenbar gewesen, da diese Unrichtigkeit für das Finanzamt nicht zweifelsfrei aus dem vorliegenden Akteninhalt erkennbar gewesen sei. Allein die Einstellung des Betrags von 150.000 EUR als Kapitalrücklage in der Bilanz habe nicht zwingend eine Erfassung im steuerlichen Einlagekonto zu Folge, da die Zuführung zur Kapitalrücklage laut Bilanz nicht zwangsläufig einen Zugang bei der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auslöse. Hierzu müsse die Einlage auch tatsächlich geleistet werden (Finanzgericht München vom 26.02.2017, 7 K 3119/16). Aus der von A vorgenommenen Bezeichnung „Kapitalrücklage durch Zuzahlung in EK“ ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass eine entsprechende Einlage auch tatsächlich noch im Wirtschaftsjahr 2015 an die Gesellschaft geleistet wurde. Der Zufluss für 2015 sei erst durch die spätere Einreichung der Zahlungsnachweise (am 19.02.2021) nachgewiesen worden. Im Übrigen steht einer Berichtigung nach § 129 AO entgegen, dass im Streitfall die ernsthafte Möglichkeit einer unterlassenen Sachverhaltsermittlung durch das Finanzamt ein Rechtsirrtum bestünde. Trotz des Programmhinweises, das steuerliche Einlagekonto zu prüfen, hatte F von der Einholung weiterer Unterlagen abgesehen. Der zur zutreffenden Feststellung des steuerlichen Einlagekontos entsprechende Sachverhalt habe sich nicht ohne weiteres aus den der F vorliegenden Unterlagen ergeben.
Die fehlenden Angaben hätte F aber erkennen und bei A erfragen können (Finanzgericht München vom 27.06.2007, 6 K 1881/05).
A hatte zudem über den Kontennachweis der Bilanz zum 31.12.2015 keine weiteren Angaben zur Höhe des steuerlichen Einlagekontos gemacht. Daher ist auch nicht auszuschließen, dass F eben aufgrund dieser fehlenden Angaben von A den bewussten Entschluss gefasst hatte, das steuerliche Einlagekonto mit 0 EUR festzustellen (Finanzgericht Thüringen vom 18.10.2017, 3 K 127/17).
Begründung der Klägerin (A):
A hat daraufhin Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung liegen die Voraussetzungen zur Anwendung von § 129 AO vor. Die Gesellschafter hätten i. H. v. 150.000 EUR eine Zuzahlung in das Eigenkapital in 2015 geleistet. Dieser Betrag sei auch als Kapitalrücklage in der E-Bilanz aufgezeigt worden.
Das Wort „Zuzahlung“ in der im Kontennachweis vermerkten Eigenkapitalerläuterung dokumentiert hierbei auch, dass damit unweigerlich auf den Zahlungsfluss abzustellen sei. Es handele sich um einen Fall des § 129 AO. Dieser Fehler lag auf der Hand, er war durchschaubar und augenfällig. A hatte zum Nachweis die entsprechende E-Bilanz (als Einheitsbilanz) nebst Kontennachweis mit entsprechendem Vermerk vorgelegt. Damit war es offensichtlich, dass das steuerliche Einlagekonto auch diesen Betrag ausweisen musste (§ 27 Abs. 1 S. 1 EStG).
Angesichts der Erläuterungen im Kontennachweis habe keine mehr als nur theoretische Möglichkeit einer anderen Rechtsansicht bestanden, warum das steuerliche Einlagekonto nicht erhöht werden sollte.
Die jeweiligen Parteien stellten folgende Anträge:
- A beantragte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 19.11.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2021 den Beklagten zu verpflichten, den Feststellungsbescheid i. S. d. § 27 und § 28 KStG dahingehend zu ändern, dass das steuerliche Einlagekonto mit 150.000 EUR festgestellt wird.
- Das Finanzamt beantragte die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen A nicht in ihren Rechten (§ 101 Abs. 1 FGO).
Eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit kann nur vorliegen, wenn sie auf ein mechanisches Versehen zurückzuführen und die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen ist.
§ 129 S. 1 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht.
Grundsätzlich muss der zu korrigierende Fehler bei Erlass des Verwaltungsakts dem zuständigen Finanzamt unterlaufen sein (§ 129 S. 1 AO).
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung, welcher sich der Senat anschließt, kann eine offenbare Unrichtigkeit aber ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Voraussetzung dafür ist, dass der Fehler für das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit erkennbar war.
Die Unrichtigkeit muss sich ohne Weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen oder ergänzenden Anlagen oder aus den Akten des Finanzamts für den streitgegenständlichen Zeitraum ergeben.
Dies ist insbesondere dann nicht mehr der Fall, wenn der zuständige Sachbearbeiter Vorakten nicht einsieht oder eine anderweitige notwendige Sachverhaltsaufklärung nicht durchführt. Eine mangelhafte Amtsermittlung stellt keine offenbare Unrichtigkeit dar und steht einer solchen auch nicht gleich.
Für den hier vorliegenden Fall ist insbesondere das BFH-Urteil vom 08.12.2021, I R 47/18, BStBl. II 2022, S. 827 von Bedeutung.
In diesem Urteilsfall hat der BFH die Voraussetzungen einer Korrekturmöglichkeit nach § 129 AO als erfüllt angesehen, in dem in der Steuererklärung der Endbestand des steuerlichen Einlagekontos mit 0 EUR angegeben war, aus dem mit der Steuererklärung eingereichten Jahresabschluss jedoch hervorging, dass dieser Endbestand nicht zutreffen konnte. In dem Jahresabschluss war aber eine Erhöhung der Kapitalrücklage erkennbar. Aus den Erläuterungen des Jahresabschlusses war zudem ersichtlich, dass diese Erhöhung zumindest teilweise der Gesellschaft als Darlehensforderung zugeflossen war. Der BFH hat hierzu ausgeführt, dass es unter Heranziehung des jeweiligen Jahresabschlusses ausgeschlossen gewesen sei, dass ein unvoreingenommener Dritter die Angabe zum Endbestand des steuerlichen Einlagekontos mit 0 EUR als richtig ansehen könnte.
Dies reicht für eine Korrektur nach § 129 AO aus. Es ist dabei unbeachtlich, dass aus den eingereichten Unterlagen nicht erkennbar sei, in welcher Höhe der Zugang zum steuerlichen Einlagekonto genau anzunehmen sei und dafür noch weitere Sachverhaltsermittlungen notwendig gewesen seien.
Vielmehr ist allein entscheidend, dass ersichtlich ist, dass der angegebene Wert mit 0 EUR nicht richtig sein könne.
Auch das Urteil des Finanzgerichts Thüringen vom 18.10.2017, 3 K 127/17, EFG 2018, S. 903 ist von Relevanz.
Das Finanzgericht Thüringen entschied in diesem Urteil zu einem Fall, in dem mit der Steuererklärung der entsprechende Jahresabschluss eingereicht wurde und aus dem ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto ersichtlich war. Dem Jahresabschluss war ein Kontennachweis beigefügt, aus dem - ähnlich wie im vorliegenden Streitfall – die Buchung auf dem Unterkonto „Kapitalrücklage durch Zuzahlungen in EK“ dokumentiert war. Das Finanzgericht hat hierzu keine offenbare Unrichtigkeit i. S. d. § 129 AO angenommen, denn aus den Unterlagen sei ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen. Die Buchung auf dem Unterkonto lasse allein auf eine Zuführung zur Kapitalrücklage in Form von Zuzahlungen in das Eigenkapital i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB schließen. Dies müsse nicht zwingend und nicht ohne Weiteres mit einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i. S. v. § 27 Abs. 2 KStG übereinstimmen.
In einem ähnlichen Streitfall entschied das Finanzgericht Berlin-Brandenburg dagegen anders und hat eine offenbare Unrichtigkeit gemäß § 129 AO erkannt (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016, 10 K 10320/15, EFG 2017, S. 231).
Mit Urteil vom 07.09.2023, 7 K 677/22 F hat das Finanzgericht Düsseldorf in einem weiteren Rechtsstreit entschieden, in dem aus der mit der Steuererklärung eingereichten E-Bilanz ersichtlich war, dass eine Kapitalrücklage in bestimmter Höhe gebildet worden war. Das Finanzgericht kam hier zu dem Entschluss, dass aus den einzelnen Bilanzpositionen eindeutig erkennbar gewesen sei, dass die Bildung der Kapitalrücklage zugleich zu einem Zugang im steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 KStG geführt hat. Daraus leitete das Finanzgericht ab, dass sich bei der besagten Gesellschaft ausschließlich zwei Aktivpositionen betragsmäßig erhöht hätten. Es sei ersichtlich gewesen, dass dies nur aus einem Mittelzufluss von außen zurückgeführt werden kann, weil als einzig sinnvoll denkbare andere Quelle für den Mittelzufluss die Selbstfinanzierung durch die Klägerin selbst in Betracht gezogen werden könne. Dies habe aber durch die ebenfalls eingereichte Gewinn- und Verlustrechnung ausgeschlossen werden können. Aufgrund des daher für einen unvoreingenommenen Dritten (unmissverständlich, [Anm. d. Verf.]) ersichtlichen Zugang im steuerlichen Einlagekonto i. S. v. § 27 Abs. 2 KStG hat das Finanzgericht Düsseldorf hier eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 AO) angenommen.
Nach diesen, aus den vorgenannten und vom Finanzgericht Münster abgeleiteten Rechtsgrundsätzen, war eine Änderung des hier in Rede stehenden Feststellungsbescheids nach § 129 S. 1 AO aber nicht möglich.
Die strittige Unrichtigkeit ergibt sich zwar im vorliegenden Streitfall daraus, dass die in 2015 geleistete Zuführung zur Kapitalrücklage von 150.000 EUR nicht im steuerlichen Einlagekonto bei der Klägerin erfasst wurde. Dieser Beitrag ist der Klägerin als nicht in das Nennkapital geleistete Einlage (§ 27 Abs. 1 S. 1 KStG) in 2015 zugeflossen und wäre auch im steuerlichen Einlagekonto zu erfassen gewesen. Diese Unrichtigkeit war für einen unvoreingenommenen Dritten anhand der von der Klägerin eingereichten E-Bilanz einschließlich des beigefügten Kontennachweises auch erkennbar.
Aus der vorliegenden E-Bilanz zum 31.12.2015 war ersichtlich, dass eine Kapitalrücklage eingestellt worden war. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der mit einer E-Bilanz eingereichten Unterlagen war zudem erkennbar, dass sich der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Vorjahres auf 0 EUR belaufen hatte, sodass daraus eine Zuführung in die Kapitalrücklage geschlussfolgert werden musste. Zwar ist dem Finanzamt insoweit zuzugeben, dass allein aufgrund dieser Umstände durch die Klägerin nicht automatisch zu schlussfolgern ist, dass das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2025 einen Zugang in dieser Höhe ausweisen muss. Grundsätzlich muss das steuerliche Einlagekonto eben nicht mit der handelsrechtlichen Kapitalrücklage i. S. d. § 272 Abs. 2 HGB übereinstimmen (Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 18.07.2007, 1 K 1338/12, EFG 2014, S. 2081; Finanzgericht Berlin-Brandenburg vom 15.10.2015, 10 K 10093/14).
Im Zusammenhang mit der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos setzt daher eine Änderung nach § 129 AO voraus, dass sich aus dem Akteninhalt sowohl die Erhöhung der Kapitalrücklage als auch ein tatsächlicher Mittelzufluss bei der Gesellschaft ergibt (Finanzgericht Münster vom 13.10.2017, 13 K 3113/16 F, EFG 2018, S. 11; Finanzgericht Düsseldorf vom 07.09.2023, 7 K 677/22 F, zitiert in juris).
Fazit
Nach Ansicht des zuständigen Senats konnte der Schluss gezogen werden, dass im Streitjahr 2015 ein entsprechender Zufluss von Mitteln, wie er für eine Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos erforderlich ist, in die Kapitalrücklage eingestellt wurde.
Diese Auffassung nimmt dabei ersichtlichen Bezug auf die Regelung des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, wonach Zuführungen zur Kapitalrücklage ebenfalls in Form von anderen Zuzahlungen bewirkt werden können. Hierbei sind jedoch auch die Zuführung durch Einräumung einer Forderung gegen den Gesellschafter erfasst, welche aber keinen Zugang zum steuerlichen Einlagekonto begründet. Eine solche Forderung konnte aber über die eingereichte E-Bilanz ausgeschlossen werden.
Damit ist für einen unvoreingenommenen Dritten aus dem beim Finanzamt eingereichten Unterlagen ersichtlich, dass die Zuführung zur Kapitalrücklage jedenfalls nicht durch Einräumung einer solchen Forderung bewirkt werden kann. Weiterführung bedeutet dies, dass durch die Zuführung des Mittelzuflusses zu einem Zugang im steuerlichen Einlagekonto geführt haben muss.
Das ändert jedoch nichts an der vorstehenden Beurteilung des Senats des Finanzgerichts Münster. Dem Senat ist - abgesehen von der Einräumung einer Forderung gegen den Gesellschafter - keine Zuführung zur Kapitalrücklage ersichtlich, welche nicht zu einem Zugang im steuerlichen Einlagekonto führt.
Im Streitfall scheidet eine Korrektur nach § 129 AO aus. Der Senat ist davon überzeugt (§ 96 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 FGO), dass die ernsthafte und mehr als nur theoretische Möglichkeit besteht, dass sich der Zeuge G im Zusammenhang mit der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit dem Steuerbescheid vom 04.01.2018 in einem Denk- und Überlegungsfehler befand, welcher die Änderung nach § 129 AO letztlich ausschließt.
Hinweis
Das Verfahren ist derzeit beim BFH anhängig (Aktenzeichen: VIII R 7/24).
Quelle:
- FG Münster vom 09.11.2023, 10 K 860/21 F