Für vor dem 1. Juli 2021 ausgeführte Lieferungen gilt § 3c UStG a.F., welcher den innergemeinschaftlichen Versandhandel normiert.
Beide Fassungen von § 3c UStG haben die gemeinsame Rechtsfolge: Der Grundsatz von § 3 Abs. 6 UStG (Lieferort befindet sich am Beginn der Beförderung/Versendung im Ursprungsland) wird durchbrochen und in das Bestimmungsland verlagert. Auch die Tatbestandsmerkmale entsprechen sich insbesondere im Hinblick auf den bezeichneten Erwerberkreis. Eine entscheidende Neuerung vollzieht sich jedoch im Hinblick auf die Lieferschwellen, welche durch die Neuerung zu einer europaweit einheitlichen Umsatzschwelle werden und sich betragsmäßig verändern.
Der Vollständigkeit halber wird die alte Regelung nachfolgend abgebildet:
§ 3c Abs. 1 UStG a.F. findet ebenfalls nur auf solche Lieferungen Anwendungen, bei denen der Gegenstand von einem Mitgliedstaat in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats gelangt oder aus einem Mitgliedstaat in die Gebiete des § 1 Abs. 3 UStG gelangt. Ferner muss auch in dieser Fassung der Gegenstand durch den liefernden Unternehmer selbst befördert werden oder durch ein von ihm beauftragten Dritten. Entsprechendes gilt für die Versendung (Abschnitt 3c.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Die Regelung greift somit nicht, wenn der Abnehmer den Gegenstand befördert oder versendet. Erwirbt zum Beispiel ein deutscher Urlauber in den Niederlanden ein Souvenir und kehrt damit nach Deutschland zurück, liegt eine Beförderung durch den Abnehmer vor und § 3c UStG ist nicht einschlägig. Der Ort ist am Beginn der Beförderung und es bleibt bei einer Besteuerung im Ursprungsland.
Eine weitere Einschränkung für die Anwendung der Regelung des § 3c UStG ist, dass die Lieferung an einen bestimmten Abnehmerkreis erfolgen muss, der durch § 3c Abs. 2 UStG a.F. normiert wird. Zum einen darf der Abnehmer nicht zu den Personen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG gehören, § 3c Abs. 2 Nr. 1 UStG a.F. Es darf sich also nicht um einen Unternehmer handeln, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, sondern um eine Privatperson/Nichtunternehmer. Außerdem fallen auch die sog. Schwellenerwerber in den Abnehmerkreis, wenn sie die Erwerbsschwellen nicht überschreiten bzw. nicht auf die Anwendung der Erwerbsschwellen nach § 1a Abs. 4 UStG verzichten, § 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG a.F. Bei Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Abnehmer kann davon ausgegangen werden, dass die Erwerbsschwelle überschritten wird oder auf diese verzichtet wird (§ 1a Abs. 4 UStG). Zusammenfassend kann man festhalten, dass es sich stets um Abnehmer handeln muss, bei denen keine Erwerbsbesteuerung erfolgt.
Ferner findet § 3c UStG a.F. nur Anwendung, wenn die maßgebliche Lieferschwelle überschritten wird. Die Lieferschwelle bestimmt sich dabei nach dem Gesamtbetrag der Entgelte der Lieferung in das jeweilige Mitgliedsland. Sofern die Lieferschwelle nicht überschritten wird,bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG und ist am Beginn der Beförderung bzw. Versendung (Ursprungsland als Ort der Lieferung). Die Lieferung ist steuerpflichtig, weil eine Privatperson oder eine juristische Person der Abnehmer ist und keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaats verwendet hat – eine innergemeinschaftliche Lieferung kommt bei diesen Abnehmern nicht infrage, vgl § 6a Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 UStG. Sofern in einem Besteuerungsabschnitt die maßgeblichen Lieferschwellen überschritten werden, wird der Ort der Lieferung unter den übrigen Voraussetzungen des § 3c UStG in den Bestimmungsmitgliedstaat verlagert. Die maßgebliche Lieferschwelle beträgt nach § 3c Abs. 3 S. 2 Nr. 1 UStG a.F. 100.000 €, sofern Lieferungen von einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland getätigt werden und die Beförderung/Versendung im Inland endet. Für Lieferungen von Deutschland in andere EU-Mitgliedstaaten legen die jeweiligen Mitgliedstaaten, in denen die Beförderung/Versendung endet, die Erwerbschwelle entsprechend fest, § 3c Abs. 3 S. 2 Nr. 2 UStG. Je nach Mitgliedstaat liegt die Höhe der Lieferschwellen bei 35.000 € bzw. 100.000 €, (Abschnitt 3c.1 Abs. 3 UStAE). Durch die gesetzliche Neuregelung von § 3c UStG sind die Lieferschwellen obsolet und durch sog. Umsatzschwellen ersetzt (vgl. Umsatzschwelle)
Wird die Lieferschwelle von einem Unternehmer im laufenden Jahr überschritten, so ist der Ort nach § 3c UStG a.F. für den Umsatz zu bestimmen, der zum Überschreiten der Lieferschwelle führt, Abschn. 3c.1 Abs. 3 S. 6 UStAE.
Beispiel
Betrachten Sie das Beispiel aus Abschnitt 3c.1 Abs. 3 UStAE:
Der deutsche Versandhändler hat im Kalenderjahr 01 Elektrogeräte an Privatabnehmer in den Niederlanden ohne USt-IdNr. für 95.000 € (Gesamtbetrag der Entgelte) geliefert. In der Zeit vom 1.1.02 bis zum 10.9.02 beträgt der Gesamtbetrag der Entgelte für Versandhandelsumsätze in den Niederlanden 99.000 €. Am 11.9.02 erbringt er einen weiteren Umsatz an eine niederländische Privatperson von 5.000 €.
Bereits für den am 11.9.02 ausgeführten Umsatz verlagert sich der Lieferort in die Niederlande.
Nach § 3c Abs. 4 UStG kann der liefernde Unternehmer auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichten. Ein Verzicht kann dann sinnvoll sein, wenn der Steuersatz im Bestimmungsland geringer ist als im Ursprungsland. Der Verzicht kann dabei für jedes EU-Mitgliedsland separat erklärt werden. Die Verzichtserklärung ist gegenüber der zuständigen Behörde bekannt zu geben. Es gibt keine Form- und Fristvorschriften bezüglich der Verzichtserklärung. Die Erklärung sollte spätestens bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung im Ursprungsland abgegeben werden. Die Verzichtserklärung ist mindestens für 2 Jahre bindend.
§ 3c UStG ist auf Lieferungen von neuen Fahrzeugen an nichtunternehmerische Privatperson, Nichtunternehmer oder an Unternehmer, die das neue Fahrzeug nicht in ihrem Unternehmen einsetzen, nicht anwendbar, da hier eine Erwerbsbesteuerung nach § 1b UStG erfolgt (4.6). Wie oben bereits ausgeführt, ist § 3c UStG immer nur dann einschlägig, wenn im Bestimmungsland keine Erwerbsbesteuerung erfolgt.
Werden verbrauchsteuerpflichtige Waren an Schwellenerwerber geliefert, ist § 3c UStG a.F. ebenfalls nicht anzuwenden, vgl. § 3c Abs. 5 S. 2 UStG a.F. Auch hier ist der Grund die Erwerbsbesteuerung auf Abnehmerseite, die gem. § 1a Abs. 5 UStG beim Erwerb verbrauchsteuerpflichtiger Waren beim Schwellenerwerber stets durchzuführen ist. Einer Verlagerung des Lieferorts bedarf es insoweit nicht.
Nach § 3c Abs. 5 Satz 2 UStG sind die Lieferschwellen bei der Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren an Privatpersonen unbeachtlich. In diesen Fällen richtet sich der Ort stets nach § 3c Abs. 1 UStG, wenn der Gegenstand bei der Versendung oder Beförderung durch den Lieferer in einen anderen Mitgliedstaat gelangt.
Für ausländische Unternehmer, die Umsätze i.S.d. § 3c UStG tätigen, bedeutet das, dass sie steuerbare Umsätze im Inland vornehmen und zum Steuerschuldner im Sinne des § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG werden. Sie müssen sich folglich für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen und nach § 18 UStG eine Voranmeldung und Steuererklärung abgeben und die entsprechenden Zahlungen leisten. Er ist weiter verpflichtet Rechnungen nach § 14 UStG mit gesondertem Ausweis der Steuer auszustellen und ein Doppel der Rechnung 10 Jahre aufzubewahren. Die Steuersätze richten sich nach § 12 UStG. Eine Anwendung des § 19 UStG kommt für ausländische Unternehmer nicht in Betracht, da die Regelung nur für im Inland ansässige Unternehmer oder Unternehmer, die in Gebieten nach § 1 Abs. 3 UStG ansässig sind, in Betracht kommt.
Abschließend erhalten Sie im folgendem Video noch eine Übersicht zur Versandhandelsregelung, § 3c UStG a.F.:
Das letzte Kapitel "Umsatzbesteuerung im Binnenmarkt" ist somit auch abgeschlossen.
Es folgen zur Vertiefung noch Wiederholungsfragen zur Umsatzsteuer.