Eine Ortsverlagerung an das Ende der Beförderung/Versendung findet ferner nur dann statt, wenn der leistende Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte oder in Ermangelung dieser seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in nur einem Mitgliedstaat hat und die sog. Umsatzschwelle überschreitet. Die Umsatzschwelle beträgt 10.000 € für alle Mitgliedsstaaten und ermittelt sich aus dem Gesamtbetrag der Entgelte:
- der in § 3a Absatz 5 Satz 2 bezeichneten sonstigen Leistungen an in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichnete Empfänger mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in anderen Mitgliedstaaten
- sowie der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach Absatz 1 Satz 2 und 3.
In die Prüfung werden nicht nur innergemeinschaftliche Fernverkäufe einbezogen, sondern auch sonstige Leistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 S. 2 UStG. Hierbei handelt es sich um sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation; Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachte sonstigen Leistungen.
Erbringt der Unternehmer z.B. regelmäßig innergemeinschaftliche Fernverkäufe in Höhe von 9.000 € führt dies allein nicht zum Überschreiten der Umsatzschwelle. Werden darüber hinaus aber auch noch auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen an Privatpersonen aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in Höhe von 2.000 € erbracht, führt dies zum Überschreiten der Umsatzschwelle. Der Ort der Lieferungen durch innergemeinschaftliche Fernverkäufe ist nun am Ende der Beförderung/Versendung. Für die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, ist § 3c UStG als Ortsbestimmung hingegen nicht maßgebend, da durch diese Vorschrift nur der Ort von Lieferungen bestimmt wird. Vielmehr bestimmt sich dieser Ort weiterhin gem. § 3a Abs. 5 S. 1 UStG und ist am Wohnsitz des Leistungsempfängers, also in dem Land, in dem die Leistung wirtschaftlich verbraucht wird.
§ 3c UStG kommt nur dann nicht zur Anwendung, wenn die Umsatzschwelle von 10.000 € im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten wurde und im laufenden Kalenderjahr nicht überschritten wird. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das Überschreiten einer Grenze in dem Zweijahres-Betrachtungszeitraum zur Anwendbarkeit von § 3c UStG führt, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Im Rahmen der Neufassung von § 3c UStG wurde die 10.000 € -Umsatzschwelle mit Wirkung zum 1. Juli 2021 eingeführt. Zuvor lag die Lieferschwelle bei 100.000 €. Für die Frage, ob die Umsatzschwelle im Jahr des Gesetzesänderung 2021 überschritten wird, ist auch auf den Zeitraum vor Gesetzesänderung abzustellen. Dass bedeutet, dass für die Beurteilung des Lieferorts zum Inkrafttreten der Neuregelung zum 1.7.2021 auch die Umsätze einzubeziehen sind, die im Kalenderjahr 2020 und im ersten Halbjahr 2021 ausgeführt wurden.
Wird die Umsatzschwelle von 10.000 € im laufenden Jahr überschritten, greift § 3c UStG bereits für den Umsatz, der zum Überschreiten der Grenze führt (A. 3c.1 Abs. 3 S. 5 und 6 UStAE a.F.)
Für ausländische Unternehmer, die Umsätze i.S.d. § 3c UStG tätigen, bedeutet das, dass sie steuerbare Umsätze im Inland vornehmen und zum Steuerschuldner im Sinne des § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG werden. Sie müssen sich folglich für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen und nach § 18 UStG eine Voranmeldung und Steuererklärung abgeben und die entsprechenden Zahlungen leisten. Sie sind weiter verpflichtet Rechnungen nach § 14 UStG mit gesondertem Ausweis der Steuer auszustellen und ein Doppel der Rechnung 10 Jahre aufzubewahren. Die Steuersätze richten sich nach § 12 UStG. Eine Anwendung des § 19 UStG kommt für ausländische Unternehmer nicht in Betracht, da die Regelung nur für im Inland ansässige Unternehmer oder Unternehmer, die in Gebieten nach § 1 Abs. 3 UStG ansässig sind, in Betracht kommt.
Beispiel
Unternehmer U ist ein im Inland ansässiger Unternehmer (Ulm). In den Jahren 2020 und 2021 versendet er Waren im folgenden Wert an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer:
- Kalenderjahr 2020: 9.000 €
- erstes Halbjahr 2021: 12.000 €
- zweites Halbjahr 2021: 3.000 €
Im vorangegangenen Kalenderjahr 2020 wurde die ab dem 1. Juli 2021 maßgebliche Umsatzschwelle von 10 000 € nicht überschritten.
Da die ab dem 1. Juli 2021 für innergemeinschaftliche Fernverkäufe maßgebliche Umsatzschwelle von 10 000 € für das Kalenderjahr 2021 jedoch bereits im ersten Halbjahr 2021 überschritten wurde, kommt es ab dem 1. Juli 2021 ab dem ersten Umsatz zur Ortsverlagerung in die Mitgliedstaaten, in denen die Empfänger ansässig sind. U hat demnach alle innergemeinschaftlichen Fernverkäufe bereits ab dem 1. Juli 2021 in den Mitgliedstaaten zu versteuern, in denen die Empfänger ansässig sind, und kann dafür das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG in Anspruch nehmen.
Beispiel
Der niederländische Unternehmer N betreibt Handel mit Partyartikeln aller Art in Venlo.
Er unterhält eine Verkaufsfiliale und einen Onlineshop über den Kunden seine Produkte erwerben können. Im Jahr 01 und 02 werden im Umfang von insgesamt 5.000 € und 6.000 € über den Onlineshop Partyartikel an Privatkunden aus Belgien, Deutschland und Frankreich versendet. Außerdem veräußert N über den Onlineshop in beiden Jahren für 7.000 € Artikel an Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten (Kunden treten unter Verwendung der jeweiligen USt-IdNr. auf) und beauftragt einen Spediteur mit der Versendung. Alle anderen Umsätze tätigt er durch Verkäufe an niederländische Kunden (Privatpersonen und Unternehmer). Hinweis: N erbringt keine sonstigen Leistungen.
Findet im Jahr 02 § 3c UStG Anwendung?
Lieferungen an Unternehmer:
Der Ort der bewegten Lieferungen bestimmt sich nach § 3 Abs. 6 UStG und ist in Venlo (Beginn der Beförderung/Versendung). § 3 c UStG kann nicht zur Anwendung kommen, weil die Abnehmer durch die Verwendung ihrer USt-IdNr. als Unternehmer auftreten und somit nicht zum Abnehmerkreis des § 3c Abs. 1 UStG i.V.m. § 3a Abs. 5 UStG gehören. Die Lieferungen sind somit in den Niederlanden steuerbar und werden dort als innergemeinschaftliche Lieferung regelmäßig steuerfrei sein.
Lieferungen an Privatkunden aus anderen Mitgliedstaaten:
Die Privatkunden gehören zum Abnehmerkreis des § 3c Abs. 1 UStG i.V.m. § 3a Abs. 5 UStG, weil sie keine Unternehmer sind. Zur Anwendung von § 3c UStG kommt es allerdings nur, wenn N die Lieferschwelle im vorangegangenen Jahr 01 oder im laufenden Jahr 02 überschreitet. Da der Gesamtbetrag der Entgelte der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe die Umsatzschwelle von 10.000 € in beiden Jahren nicht überschreitet, kommt § 3c UStG nicht zur Anwendung. Der Ort wird somit regulär nach § 3 Abs. 6 S. 1, 3, 4 UStG normiert und ist am Beginn der Versendung in Venlo. Im Gegensatz zu den Lieferungen an Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten liegen hier keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen vor. N liefert somit steuerpflichtig an die europäischen Privatkunden und schuldet niederländische USt.
Lieferungen an niederländische Kunden:
§ 3c UStG ist nicht zu prüfen, weil die Gegenstände in den Niederlanden verbleiben und somit kein innergemeinschaftlicher Fernverkauf vorliegen. Gem. § 3c Abs. 4 S. 2 UStG kann der Unternehmer dem Finanzamt erklären, dass er auf die Anwendung des Satzes 1 (Umsatzschwelle) verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre. Erklärt der Unternehmer den Verzicht, kommt es unter den übrigen Voraussetzungen des § 3c UStG für jeden innergemeinschaftlich Fernverkauf zu einer Ortsverlagerung in das Bestimmungsland.
Weitere interessante Inhalte zum Thema
-
Electronic Banking
Vielleicht ist für Sie auch das Thema Electronic Banking (Zahlungsverkehr) aus unserem Online-Kurs Finanzmanagement interessant.