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Abgabenordnung (Vertiefung) - Prüfungsschema für den Erlass eines Haftungsbescheides

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Abgabenordnung (Vertiefung)

Prüfungsschema für den Erlass eines Haftungsbescheides

Prüfschema für den Erlass eines Haftungsbescheides

I. Nach welcher/welchen Haftungsnorm(en) wird der Haftungsschuldner in Anspruch genommen?

Nach § 191 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m anderen Normen.

Eine Haftung kann sich sowohl nach den Vorschriften der AO als auch aus den Einzelsteuergesetzen und dem Zivilrecht ergeben.

Mehrere Haftungstatbestände sind ggf. nebeneinander anwendbar, jedoch sind die Unterscheide beim zeitlichen und sachlichen Umfang der Haftung zu beachten.

Prüfungstipp

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Bitte prüfen Sie in Klausuren - vorbehaltlich einer abweichenden Aufgabenstellung - im Regelfall alle in Betracht kommenden Haftungstatbestände und grenzen Sie die unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale der einzelnen Vorschriften (insbesondere im Hinblick auf den Umfang der Haftung) voneinander ab.

 

II. Ermessensausübung gem. § 191 Abs. 1 S. 1 AO („kann“) i.V.m. § 5 AO

1. Wurde das Entschließungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt?

Ist eine Realisierung der Steueransprüche beim Steuerschuldner zweifelhaft oder nicht möglich?

2. Wurde das Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt?

Es ist zulässig, mehrere Personen gleichzeitig für identische Steuerverbindlichkeiten in Haftung zu nehmen.

3. Ist dem Haftungsschuldner vor Erlass des Haftungsbescheides rechtliches Gehör gem. § 91 AO gewährt worden?

 

III. Ist der Haftungsbescheid formell ordnungsgemäß ergangen und wirksam bekanntgegeben worden?

1. Ist die vorgeschriebene Schriftform (§ 191 Abs. 1 Satz 3 AO) oder alternativ die elektronische Form (§ 87a Abs. 4 AO) gewahrt?

2. Ist der Haftungsbescheid gem. § 119 AO inhaltlich hinreichend bestimmt?

  • ist die erlassende Behörde angegeben (§ 119 Abs. 3 Satz 1 AO)?
  • ist der Haftungsschuldner genau bezeichnet (§ 119 Abs. 1 AO)?
  • ist der Steuerschuldner bezeichnet (§ 119 Abs. 1 AO)?
  • enthält der Haftungsbescheid die Haftungssumme (§ 119 Abs. 1 AO)?

Hierbei handelt es sich um Mussbestandteile des VA „Haftungsbescheid“, die bei fehlender bzw. unzutreffender Bezeichnung zur Nichtigkeit führen, §§ 125 Abs. 1, 124 Abs. 3 AO.

3. Ist der Haftungsbescheid ordnungsgemäß gem. § 122 AO bekannt gegeben und damit nach § 124 Abs. 1 AO wirksam geworden?

 

IV. Enthält der (fehlerhaft-wirksame) Haftungsbescheid formelle oder materielle Fehler?

1. Enthält der Haftungsbescheid die erforderliche Begründung, § 121 Abs. 1 AO?

Die Begründung soll enthallten:

  • die maßgebende Haftungsvorschrift,
  • die Darstellung des haftungsbegründenden Sachverhalts,
  • die Steuerschuld, für die gehaftet werden soll, nach Steuerschuldner, Steuerart, Erhebungszeitraum und Betrag aufgegliedert und ausreichend bezeichnet,
  • die Ermessenserwägungen, soweit diese dem Haftungsschuldner nicht durch vorangegangenen Schriftwechsel bekannt sind.

2. Ist der Haftungsumfang bzw. die Haftungssumme zutreffend ermittelt worden?

Im Rahmen der Haftung gemäß den §§ 69 und 71 AO ist - mit Ausnahme der Lohnsteuer - der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger zu beachten. 

Ist die Haftung beschränkt, z.B. auf den Bestand des übernommenen Vermögens (§ 75 Abs. 1 S. 2 AO) oder der Gegenstände (§ 74 AO), so ist diese Beschränkung im Haftungsbescheid auszusprechen.

 

V. Kann mit dem Haftungsbescheid eine Zahlungsaufforderung im Sinne des § 219 AO als selbständiger, sonstiger Verwaltungsakt ergehen?

1. Ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten?

Grundsätzlich darf ein Haftungsschuldner nach § 219 S. 1 AO auf Zahlung nur bzw. erst in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein wird.

2. Kann die Zahlungsaufforderung nach § 219 S. 2 AO unmittelbar mit dem Haftungsbescheid ergehen?

Der Grundsatz der Subsidiarität in § 219 S. 1 AO gilt nach der abschließenden Aufzählung in § 219 S. 2 AO nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner eine Steuerhinterziehung (§§ 71, 370 AO) begangen hat oder dass der Haftungsschuldner gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen (z.B. Lohnsteuerhaftung nach § 42d EStG) oder zu Lasten eines anderen zu entrichten (z.B. Vertreterhaftung nach § 69 AO).

Prüfungstipp

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 Die vier wichtigen "W" bei der Prüfung von Art und Umfang der Haftung

1. Wer?
Haftungsschuldner, z.B. Geschäftsführer einer GmbH

2. Weshalb?
Konkreter Haftungstatbestand, z.B. § 69 AO

3. Wofür?
Umfang der - fremden - Steuerschulden, wofür gehaftet wird

4. Womit?
Mit welchem Vermögen wird gehaftet?