Im Privatrecht gilt der Grundsatz der Formfreiheit, d.h. dass ein Vertrag kann grundsätzlich auch mündlich oder durch eindeutige Verhaltensweisen (z.B. Handschlag) zustande kommen.
Allerdings kann es hiervon auch Ausnahmen geben, und zwar insbesondere dann, wenn das Gesetz von diesem Grundsatz abweicht und eine bestimmte Form fordert oder die Vertragsparteien eine bestimmte Form vereinbart haben.
Hierdurch werden vor allem folgende Zwecke verfolgt:
Warnfunktion: Es gibt Geschäfte, die weitreichende Folgen nach sich ziehen und bei denen die Beteiligten vor unüberlegten und riskanten Handlungen geschützt werden sollen, z.B. die Abgabe einer Bürgschaft oder Grundstückskaufverträge.
Beweisfunktion: Eine Dokumentation des Rechtsgeschäfts dient der Vorbeugung von Streit und Unklarheiten, z.B. Gesellschaftsverträge. Auch nach Jahren können die Parteien nachlesen und im Streitfall vor Gericht (einfacher) beweisen, was zum damaligen Zeitpunkt vereinbart worden ist.
Beratungsfunktion: Wenn ein Vertrag notariell beglaubigt werden muss, berät der Notar in der Regel die Beteiligten über die Ausgestaltung der entsprechenden Verträge, z.B. bei Grundstücksverträgen.
Informationsfunktion: Bei Verbrauchergeschäften führen die Formvorschriften dazu, dass der Verbraucher umfassend über seine übernommenen Rechte und Pflichten zuverlässig informiert wird.
Hinweis
Zum Teil wird auch noch die Kontrollfunktion ergänzt. Diese betrifft das öffentliche Interesse, z.B. bei § 311b BGB wegen der Grunderwerbssteuer, die bei der Grundstücksübertragung zu zahlen ist. Gleiches gilt auch für die Eheschließung vor dem Standesbeamten (§ 1310 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese soll eine staatliche Kontrolle, z.B. des Mehreheverbots (§ 1306 BGB), sicherstellen.
Das Gesetz kennt die folgenden Formvorschriften:
Form | Anforderung | Beispiel |
Schriftform | Die Willenserklärung muss eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden, § 126 BGB. | Verbraucherdarlehensvertrag (§ 492 BGB) |
Elektronische Form | Das Dokument muss mit dem Namenszug der Beteiligten und einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, § 126 a BGB. | Elektronische Unterschrift mittels Signaturkarte, z.B. bei der Einreichung der Einkommenssteuererklärung oder bei der Einreichung von Schriftsätzen bei Gericht durch einen Anwalt mittels beA |
Textform | Die Erklärung muss lesbar sein und die Person des Erklärenden benennen sowie auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden, § 126 b BGB. | Üblicherweise wird die Textform für Kündigungen von Fernabsatzverträgen vereinbart, z.B. Handyverträge. Eine Kündigungserklärung per E-Mail ist in der Regel ausreichend. |
Öffentliche Beglaubigung | Die Erklärung muss schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden, § 129 BGB. | z.B. Eintragung einer Satzungsänderung eines Vereins in das Vereinsregister |
Notarielle Beurkundung | Abfassen und Beurkunden der Willenserklärungen durch einen Notar (§§ 127 a, 128 BGB) | Grundsätzlich müssen alle Grundstückskaufverträge notariell beurkundet werden (§ 311 b Abs. 1 BGB). |
Nähere Betrachtung finden diese in folgendem Lernvideo.
Bei einem Verstoß gegen gesetzlich vorgeschriebene Formvorschriften ist das Rechtsgeschäft i.d.R. nichtig, § 125 S. 1 BGB.
Es gibt jedoch zahlreiche Sondervorschriften, die in ihrem Anwendungsbereich etwas Abweichendes von § 125 S. 1 BGB bestimmen.
Beispiel
Eine Ausnahme stellt z.B. § 550 S. 1 BGB dar, wonach ein Verstoß gegen die dort vorgesehene Schriftform für die Vereinbarung einer Befristung bei einem Mietvertrag von länger als einem Jahr die Rechtsfolge auslöst, dass der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Es ist also nicht der Mietvertrag als solches nichtig, sondern nur die Befristung.
Auch wenn gegen eine gesetzliche Formvorschrift außerhalb einer Sondervorschrift verstoßen worden ist, sieht das Gesetz in bestimmten Fällen vor, dass das Rechtsgeschäft dennoch Wirksamkeit erlangen kann. Erforderlich ist in diesen Fällen eine Heilung des Formverstoßes. Diese Heilung erfolgt ohne Rückwirkung, d.h. nur mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc).
Beispiel
§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB für den Grundstückskaufvertrag, § 494 Abs. 2 BGB für den Verbraucherdarlehensvertrag, § 518 Abs. 2 BGB für den Schenkungsvertrag sowie § 766 S. 3 BGB für die Bürgschaftserklärung.
Hinweis
Eine Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bei Verwaltungsakten gibt es auch im Verwaltungsrecht, vgl. § 45 VwVfG.
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