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Das Umlaufvermögen umfasst Wirtschaftsgüter, die zur Veräußerung, Verarbeitung oder zum Verbrauch angeschafft oder hergestellt worden sind (R 6.1 Abs. 2 EStR). Im Handelsgesetzbuch gibt es keine eigene Definition des Umlaufvermögens. Stattdessen erfolgt die Einordnung durch eine Negativabgrenzung zum Anlagevermögen gemäß § 247 Abs. 2 HGB.
Typische Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind:
- Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe,
- Erzeugnisse und Waren,
- Forderungen und Kassenbestand,
- sowie Grundstücke und Gebäude, sofern sie dem gewerblichen Grundstückshandel zuzuordnen sind.
Bewertung des Umlaufvermögens
Handelsrecht
Gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und Abs. 5 HGB erfolgt die Bewertung des Umlaufvermögens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Falls der beizulegende Wert am Abschlussstichtag unter diesen Kosten liegt, ist eine Abwertung auf den niedrigeren beizulegenden Wert erforderlich (Niederstwertprinzip).
Steuerrecht
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist das Umlaufvermögen ebenfalls mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Eine Abwertung ist jedoch nur bei dauerhafter Wertminderung zulässig. Die steuerrechtliche Bewertung weicht somit in Bezug auf das Niederstwertprinzip vom Handelsrecht ab.
Übersicht über die Bewertung des Umlaufvermögens
Begriff der voraussichtlich dauernden Wertminderung beim Umlaufvermögen
Die steuerliche Bewertung von Umlaufvermögen mit einem niedrigeren Teilwert ist nur zulässig, wenn eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Der Begriff der „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ wird im BMF-Schreiben vom 02.09.2016 (Beck’sche Steuergesetze, Erlasse 1 § 6/12) für sämtliche Vermögensgegenstände präzisiert. Wichtige Aussagen hierzu:
Kriterien der voraussichtlich dauernden Wertminderung
Definition
Eine Wertminderung ist als „voraussichtlich dauerhaft“ einzustufen, wenn der Wert des Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag nachhaltig unter den maßgeblichen Buchwert (für Umlaufvermögen: Anschaffungs- oder Herstellungskosten) gesunken ist (Rn. 5).
Nachhaltigkeit
- Der Steuerpflichtige muss aus Sicht am Bilanzstichtag aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft mit einem dauerhaften Wertverlust rechnen.
- Eine sorgfältige und gewissenhafte Einschätzung eines Kaufmanns ist erforderlich; es müssen mehr Gründe für eine Nachhaltigkeit als dagegen sprechen (Rn. 6).
- Einzelfallprüfung:
Die Eigenart des betreffenden Wirtschaftsguts ist entscheidend für die Beurteilung (Rn. 7).
Spezifische Regelungen für Umlaufvermögen
Kurze Verweildauer im Betrieb
Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die regelmäßig für den Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, unterliegen einer kurzen Verweildauer im Betrieb.
- Eine Wertminderung ist als voraussichtlich von Dauer anzusehen, wenn diese bis zur Aufstellung der Bilanz oder bis zum Verkaufs- oder Verbrauchszeitpunkt anhält. Zusätzliche Erkenntnisse bis zu diesem Zeitpunkt sind grundsätzlich zu berücksichtigen (Rn. 16).
Börsennotierte Aktien
- Eine Wertminderung von mindestens 5 % im Vergleich zur Anschaffung gilt als Bagatellgrenze auch im Umlaufvermögen (Rn. 17, 20-20c).
- Kursänderungen nach dem Bilanzstichtag sind als wertbegründend grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (Rn. 19, vgl. BFH v. 21.09.2011, I R 89/10, BStBl. 2014 II S. 612).
Festverzinsliche Wertpapiere
- Bei festverzinslichen Wertpapieren im Umlaufvermögen rechtfertigt das Fehlen eines Bonitäts- oder Liquiditätsrisikos keine Abschreibung, da diese Wertpapiere bei Fälligkeit zum Nennwert eingelöst werden können (Rn. 21-23).
Bewertung in der Klausurtechnik
Die Bewertung von Umlaufvermögen erfordert eine klare Formulierung des Bewertungsmaßstabs und der gesetzlichen Fundstellen. Typische Beispiele:
Reguläre Bewertung mit AK/HK: Wirtschaftsgüter wie Handelswaren sind notwendiges Betriebsvermögen (BV, § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB, R 4.2 Abs. 1 Satz 1 EStR) des Umlaufvermögens (§ 247 Abs. 2 HGB, R 6.1 Abs. 2 EStR) und zu bewerten mit den AK/HK (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG).
Bewertung bei voraussichtlich dauernder Wertminderung: Erzeugnisse oder andere Wirtschaftsgüter sind mit dem niedrigeren Teilwert anzusetzen, sofern die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist.
- Handelsrechtlich: zwingender Ansatz des niedrigeren Werts (§ 253 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 HGB).
- Steuerrechtlich: Wahlrecht, niedrigeren Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 EStG).
Hinweis
Hinweise für Klausuren
Die Feststellung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ist in Prüfungsaufgaben einfacher als in der Praxis, da der Sachverhalt in Aufgabenstellungen häufig klar vorgegeben ist. Folgende Vorgehensweise ist sinnvoll:
- Bewertungskriterien klar benennen (z. B. AK/HK, Teilwert).
- Fundstellen korrekt anführen.
- Begründung für die Wertminderung (Nachhaltigkeit, Dauer) logisch und schlüssig darlegen.
Diese präzise Darstellung hilft, die Bewertung von Umlaufvermögen sowohl in der Praxis als auch in Prüfungsaufgaben systematisch und rechtssicher zu lösen.