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Im Bilanzrecht bezeichnet das Bilanzierungsgebot eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen, bestimmte Posten in der Bilanz auszuweisen. Dieses Gebot basiert auf dem Vollständigkeitsgrundsatz gemäß § 246 Abs. 1 HGB, welcher fordert, dass alle Vermögensgegenstände, Schulden und transitorische Rechnungsabgrenzungsposten zu erfassen sind, es sei denn, es liegt eine gesetzliche Ausnahme vor. Speziell muss ein entgeltlich erworbener Firmenwert aktiviert werden (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB). Das Bilanzierungsgebot umfasst sowohl eine Aktivierungs- als auch eine Passivierungspflicht und zielt darauf ab, eine umfassende Erfassung aller relevanten Wirtschaftsgüter zu gewährleisten.
Die Differenzierung in Aktivierungs- und Passivierungsgebote folgt aus der expliziten Nennung dieser Pflichten im Gesetz. Da die Begriffe "Vermögensgegenstände" und "Schulden" im Handelsrecht weit gefasst sind, ist es das Ziel des Gesetzgebers, viele Sachverhalte explizit zu erfassen. Bilanzierungswahlrechte und -verbote stellen Ausnahmen vom allgemeinen Bilanzierungsgebot dar, wobei keine Wahlmöglichkeit bezüglich der Bilanzierungsart besteht, die das Gesetz nicht ausdrücklich zulässt.
Das handelsrechtliche Bilanzierungsgebot hat auch steuerrechtliche Implikationen gemäß dem Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ein wichtiger Präzedenzfall wurde im Februar 1969 vom Bundesfinanzhof (BFH) festgelegt, der besagt, dass handelsrechtlich als aktivierungspflichtig oder aktivierungsfähig geltende Gegenstände einem steuerlichen Aktivierungsgebot unterliegen, basierend auf § 6 EStG. Der BFH hat weiterhin in einem Urteil vom April 1965 klargestellt, dass der Begriff des Wirtschaftsguts nicht nur Sachen und Rechte umfasst, sondern auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, die dem Betrieb einen Vorteil verschaffen und für die der Kaufmann Aufwendungen trägt, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung bewertbar sind.
Steuerliche Bilanzierungsgebote gelten speziell für entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 5 Abs. 2 EStG), aktive und passive transitorische Rechnungsabgrenzung (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG), und für als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchssteuern sowie Umsatzsteuern (§ 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 und 2 EStG).
Ansatzvorschriften
Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 HGB)
Der Jahresabschluss muss nach § 246 Abs. 1 S. 1 HGB alle Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge umfassen, soweit keine gesetzlichen Ausnahmen bestehen. Abweichend dazu regelt Satz 2 die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wie sie aus dem Steuerrecht bekannt ist (z. B. Eigentumsvorbehalt, Verpfändung, Sicherungsübereignung). Schulden sind gemäß Satz 3 in der Bilanz des Schuldners anzusetzen.
Auch schwebende Geschäfte und Leasingverträge werden handelsrechtlich oft nach steuerlichen Vorgaben behandelt, was jedoch nicht verpflichtend ist. Das IDW hat hierzu in St/FIFA 1/1989 eine Stellungnahme veröffentlicht.
Satz 4 bestimmt, dass der Geschäfts- oder Firmenwert (GoF) als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand gilt, was ebenfalls mit der Steuerbilanz übereinstimmt.
Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB)
Gemäß § 246 Abs. 2 S. 1 HGB ist die Saldierung von Vermögenswerten und Schulden sowie von Aufwendungen und Erträgen untersagt. Dies dient der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB). Eine Ausnahme besteht für Planvermögen, das ausschließlich der Erfüllung von Altersvorsorgeverpflichtungen dient (§ 246 Abs. 2 S. 2 HGB). Übersteigt der Aktivwert den Passivwert, ist der Überschuss als „Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung“ (§ 266 Abs. 2 E. HGB) auszuweisen.
Weitere Ausnahmen gelten, wenn eine Aufrechnungslage nach § 387 BGB vorliegt oder besondere Vorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 264 ff. HGB) greifen.
Inhalt der Bilanz (§ 247 HGB)
Die Bilanz muss Anlage- und Umlaufvermögen, Eigenkapital, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten gesondert ausweisen. Dabei ist das Anlagevermögen auf Gegenstände beschränkt, die dem Geschäftsbetrieb dauerhaft dienen. Die Gliederung des § 266 HGB kann zur Auslegung herangezogen werden.
Bilanzierungsverbote und immaterielle Vermögensgegenstände (§ 248 HGB)
Aufwendungen für die Unternehmensgründung und Eigenkapitalbeschaffung dürfen nicht aktiviert werden (§ 248 Abs. 1 HGB).
Nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände wie Marken, Drucktitel oder Kundenlisten dürfen nicht aktiviert werden.
Selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens können aktiviert werden, sofern sie eigenständig verwertbar sind. Forschungskosten sind nicht aktivierungsfähig (§ 255 Abs. 2a HGB).
Für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens besteht jedoch eine Aktivierungspflicht.
Haftungsverhältnisse (§ 251 HGB)
Haftungsverhältnisse wie Bürgschaften, Gewährleistungsverträge oder Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten müssen „unter der Bilanz“ aufgeführt werden, sofern keine Rückstellung oder Verbindlichkeit besteht und eine Inanspruchnahme nicht ernsthaft erwartet wird.
Der Ausweis erfolgt in der Praxis nachrichtlich außerhalb der Hauptspalte der Passivseite. Bei Kapitalgesellschaften ist ein verpflichtender Hinweis im Anhang (§ 268 Abs. 7 Nr. 1 HGB) erforderlich.